3
Unter der Lupe
Der Hass:
Über eine neue
Epidemie
15
Dossier
Die Spuren
der Handschrift
im Gehirn
28
Recht§ausleger
Pflege geht ins
Geld
6
Im Brennpunkt
Der Druck wächst
Übergang Schule – Beruf:
So greifen
die Rädchen
ineinander
Pädagogik & Hochschul Verlag
.
Graf-Adolf-Straße 84
.
40210 Düsseldorf · Foto: AdobeStock
1781 | Ausgabe 1/2020 | FEBRUAR | 64. Jahrgang
IMPRESSUM
lehrer nrw
– G 1781 –
erscheint sieben Mal jährlich
als Zeitschrift des
‘lehrer nrw’
ISSN 2568-7751
Der Bezugspreis ist für
Mitglieder des
‘lehrer nrw’
im Mitgliedsbeitrag enthal-
ten. Preis für Nichtmitglieder
im Jahresabonnement:
35,– inklusive Porto
Herausgeber und
Geschäftsstelle
lehrer nrw
Nordrhein-Westfalen,
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Redaktion
Brigitte Balbach,
Sven Christoffer,
Christopher Lange,
Jochen Smets,
Sarah Wanders, Düsseldorf
Verlag und
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PÄDAGOGIK &
HOCHSCHUL VERLAG
dphv-verlags-
gesellschaft mbH,
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Zur Zeit gültig:
Anzeigenpreisliste Nr. 19
vom 1. Oktober 2018
Zuschriften und
Manuskripte nur an
lehrer nrw
,
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Graf-Adolf-Straße 84,
40210 Düsseldorf
Für unverlangt eingesandte
Manuskripte kann keine Ge-
währ übernommen werden.
Namentlich gekennzeichnete
Beiträge geben die Meinung
ihrer Verfasser wieder.
INHALT
lehrer nrw ·
1/2020
2
UNTER DER LUPE
Brigitte Balbach: Der Hass
Über eine neue Epidemie 3
MAGAZIN
Teachers’ Day in Bochum 4
BRENNPUNKT
Sven Christoffer: Der Druck wächst 6
JUNGE LEHRER NRW
Sarah Wanders: Junge Lehrer –
eigener Anspruch vs. Realität in Schule
8
FORUM
Heinz-Peter Meidinger:
Ein Verbrechen an Kindern
10
BATTEL HILFT
Muss das sein…? 11
TITEL
Bewerbung beim Bewerber 12
Einblick in Berufswelten
14
DOSSIER
Markus Kiefer, Carmen Mayer,
Petra A. Arndt: Die Spuren
der Handschrift im Gehirn
15
SCHULE & POLITIK
Ein starker Verband für starke Lehrkräfte 19
Die Antwort des Ministerpräsidenten
20
Schulversuch ‘Talentschulen’
geht in die zweite Runde
21
Die Verzahnung von analog und digital
22
KOLUMNE
Akten, Akten und nichts als Akten 24
SENIOREN
Romantisches Frankenland 25
FORTBILDUNGEN
Gesunder Rücken, gesunder Mensch 26
RECHT
§
AUSLEGER
Christopher Lange: Pflege geht ins Geld 28
ANGESPITZT
Jochen Smets: Kartoffelsalat
und Unterrichtsausfall
30
HIRNJOGGING
Aufgabe 1: Bärenstarke Adjektive
Aufgabe 2: Wort-Suchübung
31
Der Hass
*
Über eine neue Epidemie
Das, was
vor Ort in den
Kommunen, in den
(un)sozialen Medien, inmit-
ten unserer Gesellschaft passiert,
nämlich Menschen zu bedrohen, zu beleidigen,
zu diffamieren, zu verfolgen (auch öffentlich!) –
das passiert spiegelbildlich auch in unseren
Schulen.
»Hässlich, ich bin so hässlich,
so grässlich hässlich;
ich bin der Hass!«
Während der Schulzeit per Handy, auf dem
Schulhof in den Pausen in direkter Konfrontation
mit den Mitschülern, am Nachmittag bei Treffen
in der Clique – überall begegnen Jugendliche
dem Hass, der Missgunst oder der Unterwer-
fungsmaschinerie anderer Menschen, auch
unter denen, die ihnen eigentlich nahe stehen!
Wie das? Warum?
»Ätzend, ich bin so ätzend,
alles zersetzend:
Ich bin der Hass!«
Der Hass ist offenbar in Personen unterwegs –
und schlägt zu, ob nachvollziehbar oder nicht –
danach wird nicht gefragt. Eine gewisse Anony-
mität fördert sogar die Bereitschaft, öffentlich
zu hassen! Der Hass muss einfach raus! Ohne
Wenn und Aber, ohne Selbstdisziplin (was ist
das denn?), unkontrolliert, ungeschützt, mit un-
absehbaren Folgen – das schlimmste Szenario
wird dabei in Kauf genommen. Warum ist das
so? Warum sprechen Menschen heute unge-
hemmt das aus, was sie über andere Menschen
denken – ohne jede Rücksicht auf irgendjeman-
den? Was treibt sie dazu, andere niedermachen
zu wollen? Und das, ohne die Folgen und Konse-
quenzen ihres Handelns zu bedenken? Wollen
sie wirklich einfach anderen ’nur’ wehtun?
Ihnen schaden?
3
1/2020 ·
lehrer nrw
UNTER DER LUPE
von BRIGITTE BALBACH
* Dieser Text enthält Zeilen des Songs
’Codo … düse im Sauseschritt’ der Gruppe DÖF.
»Seit 2000 Jahren lebt die
Erde ohne Liebe. Es regiert
der Herr des Hasses.«
Hass macht sich in Deutschland breit – bundes-
weit und über die Sozialen Medien in aller Welt
– wie Unkraut, das sich mit rasender Geschwin-
digkeit ausbreitet – flächendeckend.
Hass schürt Ängste, schafft Ratlosigkeit und
weckt Widerstand. Und dies nicht nur unter
Erwachsenen, sondern auch unter Kindern und
Schülern in unseren Kitas, Kindergärten und
Schulen. Vielfach wird mit diesem Hass gespielt,
man probiert aus, wie weit man gehen kann.
Man experimentiert mit Hass und wartet ge-
spannt auf die Ergebnisse bei den Opfern. Das
ist eine erschreckende gesellschaftliche Entwick-
lung! Was macht das mit uns allen?
Die Welt am Sonntag berichtete am 12. Januar
2020 unter der Überschrift »Rücksichtslos und
gewaltbereit – Straftaten gegen Mandatsträger
nehmen zu« von einer bemerkenswerten Zunah-
me der Gewalt in unserer Gesellschaft. Zum ers-
ten Mal stellte ein Bürgermeister in Nordrhein-
Westfalen einen Antrag auf einen großen Waf-
fenschein, weil er sich extrem bedroht sah! Wie-
viel Angst muss man denn angesichts von direk-
ten persönlichen Anfeindungen durch andere
Menschen ausgesetzt sein, um sich aus Selbst-
schutz bewaffnen zu wollen? Fakt ist: Bürger
gehen mittlerweile auch in Deutschland auf die
Straßen, um gegen Politiker zu demonstrieren.
Dabei scheuen sie sich nicht, diese auch öffent-
lich zu diffamieren und offenbar auch Angriffe
auf sie anzudrohen und diesen Drohungen Taten
folgen zu lassen. Was passiert da gerade mitten
unter uns und mit uns?
UNTER DER LUPE MAGAZIN
lehrer nrw ·
1/2020
4
»Hassen, ganz hässlich
hassen, ich kann‘s
nicht lassen.
Ich bin der Hass!«
Zunächst einmal ist es für jeden Men-
schen wichtig, eine Entscheidung für sich
zu treffen: Hasse ich mit, oder gehe ich
dagegen vor? Wobei Zulassen gleich Mit-
machen heißt: Stelle ich mich schützend
vor Betroffene, oder schaue ich weg? Bin
ich mutig, oder muss ich mich gar selbst
und meine Familie oder Freunde schüt-
zen? An dieser Stelle sehen wir, wie weit
unser Mut gehen muss, soll, kann, darf.
Wo sind seine Grenzen und – kann ich
sie noch verschieben? Kann ich mutiger
werden, oder ist mein Preis dafür zu
hoch? Kann ich mit meiner Angst vor
Konsequenzen leben? Welchen Preis hat
mein Mut? Und wie kann ich der Angst in
mir begegnen?
Eins ist bei diesem Thema so sicher wie
das Amen in der Kirche: Wir – jeder von
uns – brauchen in unserer Gesellschaft
heute ein dickes Fell! Sensibilität kann
und darf man nur noch selten in der
Öffentlichkeit zeigen, wenn es um un-
ser eigenes Ich geht – denn dann zeigt
man sich verletzlich!
Auch ich bin schon von einer Gruppe
von Menschen gemobbt worden, gemie-
den, ausgegrenzt, ungegrüßt. Was macht
das mit uns, wenn wir im Fokus von Hass
stehen? Man sollte sein Selbstbewusst-
sein ausgraben, seine erlernten und tra-
dierten Werte ausgraben, seinem Selbst
ins Auge schauen, prüfen, ob man richtig
gehandelt hat: Kann ich mein Handeln
vor mir (und Gott) und vor anderen Men-
schen vertreten und begründen? Halte
ich weiterhin mein Handeln, mein State-
ment, meine Wertebeurteilung für richtig
– dann ist das mit mir okay. Dann sind
andere Be- und Verurteiler auf dem fal-
schen Dampfer. Dann muss ich das Ver-
halten Andersdenkender aushalten. Ich
kann ihnen gern nochmals den Sinn mei-
ner Handlungen erläutern, muss ich aber
nicht. Es ist nämlich immer mein Han-
deln, mein Denken, meine Entscheidung.
Von anderen Menschen darf und muss
ich erwarten können, dass sie auch mei-
ne Entscheidung akzeptieren, ohne Wenn
und Aber!
»Und ich düse, düse, düse
im Sauseschritt und
bring die Liebe mit von
meinem Himmelsritt.«
Die Akzeptanz der Meinung anderer
Menschen ist eine Grundregel gesell-
schaftlichen Zusammenlebens; allerdings
findet sie dort ihre Grenze, wo die eigene
Meinung und das daraus resultierende
Handeln andere Menschen verletzt oder
deren Grenzen willfährig überschreitet
(auch dann, wenn es zu ihrem Wohl ge-
schieht!) Dies gilt also auch dann, wenn
wir die Meinung anderer nicht wertschät-
zen können. Aktives Einschreiten gegen
Meinungen anderer ist jedoch immer
dort nötig, wo das Denken und Handeln
von Menschen anderen Menschen an
Körper oder Seele Schaden zufügt!
Ich glaube, dass es gerade in heutiger
Zeit nötig ist, klar zu bekennen, wofür ich
stehe! Das muss man lernen, denn es
braucht Mut und Rückgrat! Diese beiden
Eigenschaften müssen jedoch schon in
Kindheit und Jugend trainiert werden,
damit jeder Erwachsene sich ihrer unent-
wegt im Alltag bedienen kann! Auch der
Umgang mit Konflikten bezüglich unserer
Mitmenschen muss geübt werden, damit
vielfältiges gesellschaftliches Handeln er-
lernt werden kann. Ein langer Atem und
ein erprobtes Standing in der Sache sind
hilfreich dabei. All das kann erlernt und
trainiert werden – in jedem Unterricht an
jedem Unterrichtsgegenstand.
»Denn die Liebe, Liebe,
Liebe, Liebe, die macht
viel Spaß, viel mehr Spaß
als irgendwas…«
Brigitte Balbach ist Vorsitzende des
lehrer nrw
E-Mail: info@lehrernrw.de
Teachers‘ Day
in Bochum
D
ie Ruhr-Universität Bochum (RUB) lädt
interessierte Lehrerinnen und Lehrer
zum zweiten Teachers‘ Day am 29. Februar
ein. Der große gemeinsame Fortbildungs-
tag seitens aller lehrerausbildenden Fakul-
täten der RUB bietet wieder aktuelle wis-
senschaftliche Erkenntnisse, fachliche und
fachdidaktische Expertise sowie viel Aus-
tausch und Vernetzung. Der renommierte
Bochumer Hirnforscher Prof. Dr. Dr. Onur
Güntürkün hält den Einführungsvortrag.
Im Kern des Teachers‘ Day stehen die
Fortbildungen am Vor- und Nachmittag auf
dem Campus, entweder fachspezifisch
oder fächerübergreifend, in jedem Fall wis-
senschaftsorientiert und mit Bezug zu ak-
tuellen lehrplanrelevanten Themen. Von
Seiten aller Fakultäten und Lehramtsfächer
der Universität, einschließlich der Bil-
dungswissenschaften, werden zielgrup-
penspezifische Angebote gestaltet, zum
Beispiel Vorlesungen, Workshops, Labore
oder andere Formate zur fachwissenschaft-
lichen und fachdidaktischen Fortbildung
von Lehrkräften. Forschung trifft Praxis:
Von 15:00 bis 18:00 Uhr kommen Promo-
vierende der Ruhr-Universität Bochum mit
interessierten Besucherinnen und Besu-
chern des Teachers‘ Day zusammen, um
laufende Forschungsprojekte gemeinsam
zu diskutieren. Themen sind unter anderem
’Experimente im Mathematikunterricht’,
’Inklusion’ oder ’Lehrerprofessionalisie-
rung’.
INFO
Information/Anmeldung:
www.pse.rub.de/teachersday
lehrer nrw ·
1/2020
6
BRENNPUNKT
Der Druck
wächst
Seit dem Schuljahr 2018/2019 wird der erteilte und ausgefallene
Unterricht durch die ’Flächendeckende Unterrichtsausfallstatistik
mit Detailerhebung’ – kurz:UntStat – erhoben. Das Ministerium
plant nun, die Ergebnisse nicht nur landesweit, sondern auch
schulscharf zu veröffentlichen. Dadurch wächst der Druck auf
die Schulen und der Konkurrenzkampf zwischen ihnen.
U
U
m ganzjährig Informationen über
das Unterrichtsgeschehen an allen
Schulen zu erhalten, besteht das
Verfahren der ’Flächendeckenden Unter-
richtsaufallstatistik mit Detailerhebung’
aus zwei Erhebungsteilen. Bei der flächen-
deckenden Erhebung wird für jede Unter-
richtswoche eine auf zentrale Kennziffern
reduzierte wöchentliche Rückmeldung
durch alle öffentlichen Schulen der teilneh-
menden Schulformen abgegeben. Um wei-
tergehendes Steuerungswissen zu gewin-
nen, wird diese Meldung ergänzt durch die
Detailerhebung. Hierbei handelt es sich um
eine differenziertere Rückmeldung, die von
den teilnehmenden Schulen einmal pro
Schuljahr zusätzlich zur flächendeckenden
Erhebung für einen zugewiesenen Zeit-
raum von zwei Unterrichtswochen erfolgt
und die unter anderem über die Ursachen
der Abweichungen vom regulären Stun-
denplan Auskunft gibt.
Veröffentlichung auf
Schulebene steht bevor
In der ersten Erhebung sind die Daten zur
Unterrichtsstatistik lediglich landesweit
veröffentlicht worden. Der landesweite
Unterrichtsausfall im ersten Schulhalbjahr
2018/ 2019 betrug demnach über alle
Schulformen hinweg 4,8 Prozent. Darin
enthalten waren sowohl ersatzlos ausge-
fallene Unterrichtsstunden (3,3 Prozent)
als auch das Eigenverantwortliche Arbei-
ten (1,5 Prozent). Nunmehr plant das
Schulministerium (MSB), die Daten auch
auf Schulebene zu veröffentlichen, »um
die zugesagte Transparenz hinsichtlich der
Unterrichtserteilung in Nordrhein-Westfa-
len herzustellen«.
Obwohl diese Veröffentlichung
nicht der förmlichen Mitbestim-
mung durch den Hauptpersonalrat
(HPR) unterliegt, hat das Gremi-
um das Gespräch mit der
Dienststelle gesucht, um seine
Bedenken zu äußern. Der
Druck auf die Schulen und der
Konkurrenzkampf zwischen ih-
nen wird durch das ’Ranking’
zwangsläufig wachsen. Schon
jetzt haben den Hauptperso-
nalrat zahlreiche Rückmeldun-
gen aus den Kollegien erreicht,
dass Schulleitungen aus Angst
um den Ruf ihrer Schulen noch
konsequenter als bisher Mehr-
arbeit anordnen, um jedweden
Unterrichtsausfall zu vermei-
den. Die Ängste der Schulleitungen sind
nachvollziehbar, die Folgen für die ohnehin
schon über alle Maßen belasteten Kolle-
gien verheerend.
Informationsfreiheits-
gesetz als Hebel
Das Ministerium zieht sich auf das Infor-
mationsfreiheitsgesetz zurück, das den
Bürgerinnen und Bürgern im Grundsatz
freien Zugang zu allen bei öffentlichen
Stellen des Landes vorhandenen Informa-
tionen gewährt. Es begründet einen
Rechtsanspruch auf Information, der an
keine besonderen Voraussetzungen ge-
knüpft ist. Verwaltungen und Behörden
sind grundsätzlich verpflichtet, den Bürge-
rinnen und Bürgern die gewünschte Aus-
kunft zu erteilen. Sie dürfen einen An-
trag auf Informationszugang nur
aus den im Informationsfrei-
heitsgesetz vorgesehenen
Gründen ablehnen. Vor
von SVEN CHRISTOFFER
F
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BRENNPUNKT
diesem Hintergrund argumentiert die
Dienststelle wie folgt: Da die Daten (mit
öffentlichen Mitteln) erhoben sind und sie
den Anträgen auf Informationszugang von
interessierten Eltern oder Journalisten für
jede einzelne Schule oder für alle Schulen
eines Schulträgers ohnehin stattgeben
müsste, veröffentlicht die Behörde die Da-
ten stattdessen quasi in vorauseilendem
Gehorsam.
HPR erreicht zwei
Verbesserungen
Da der Wille des Ministeriums zur schul-
scharfen Veröffentlichung unumstößlich
war, hat der Hauptpersonalrat versucht,
auf die Art und Weise der Veröffentlichung
Einfluss zu nehmen und
dabei erreicht,
dass im Bil-
dungs-
resultiert aus der katastrophalen Lage auf
dem Lehrerarbeitsmarkt. Wer den Unter-
richtsausfall minimieren möchte, muss eine
politische Grundsatzentscheidung treffen
und erheblich mehr Geld für Bildung in die
Hand nehmen. Nur wenn finanzielle Anrei-
ze geschaffen werden und die Arbeitsbedin-
gungen erhebliche Verbesserungen erfah-
ren, werden sich künftig genügend junge
Menschen für diesen Beruf entscheiden.
Die Ergebnisse der Erhebung aus dem
ersten Schulhalbjahr 2018/2019 lese ich
übrigens anders als viele andere Men-
schen: Es gilt nicht darüber zu klagen, dass
4,8 Prozent Unterricht ausgefallen sind,
sondern es gilt, Anerkennung und Respekt
dafür auszudrücken, dass über 95 Prozent
des Unterrichts trotz einer miserablen Per-
sonalausstattung an unseren Schulen er-
teilt werden konnten. Dafür haben unsere
Lehrkräfte unendlich viele Mehrarbeits-
stunden geleistet und sind täglich über ihre
Belastungsgrenzen hinausgegangen.
Chapeau!
Die landesweite und schulscharfe
Veröffentlichung
des Unterrichtsausfalls wird den
Druck auf Schulen und Schulleiter enorm erhöhen. Die
Leidtragenden dürften in erster Linie die Lehrkräfte sein.
Sven Christoffer ist Vorsitzender des HPR Realschulen
sowie stellv. Vorsitzender des
lehrer nrw
E-Mail: christoffer@lehrernrw.de
portal neben dem Unterrichtsausfall der Ein-
zelschule nur der landesweite Durchschnitt
des Unterrichtsausfalls der jeweiligen Schul-
form (und nicht der landesweite Durch-
schnitt des Unterrichtsausfalls aller Schulfor-
men) veröffentlicht wird. Das hätte nämlich
bedeutet, dass Äpfel mit Birnen verglichen
werden. So erfährt man nun, wie sich der
Unterrichtsausfall an der Realschule X dar-
stellt und wie hoch der durchschnittliche
Unterrichtsausfall an allen Realschulen des
Landes im Erhebungszeitraum war. Noch
wichtiger war dem Hauptpersonalrat je-
doch, dass neben dem Unterrichtsausfall
auch die Personalausstattungsquote der
jeweiligen Schule veröffentlicht wird. Eine
schlechte Personalausstattung generiert
(und erklärt zugleich) einen hohen Unter-
richtsausfall. Dieser Zusammenhang sollte
auch dem interessierten Betrachter offenge-
legt werden. Das MSB hat zugesagt, die
Vorschläge des HPR umzusetzen.
Wie ich es sehe
Die schulscharfe Veröffentlichung des Unter-
richtsausfalls setzt die Schulen unnötig unter
Druck. Ein Großteil des Unterrichtsausfalls
7
lehrer nrw ·
1/2020
8
JUNGE LEHRER NRW
Junge Lehrer:
Eigener Anspruch vs.
Realität in Schule
Insbesondere junge Lehrkräfte geraten im System Schule
schnell an ihre Grenzen. Doch es gibt Wege, das Gefühl der
Überforderung und vermeintlichen eigenen Unzulänglichkeit
zu überwinden.
S
S
chon sehr schnell merken junge Kolle-
ginnen und Kollegen, dass der Lehrer-
beruf so viel mehr ist als purer Unter-
richt. Es gilt Elternabende oder Klassenfahr-
ten zu organisieren, Streitereien zu schlich-
ten, Elterngespräche zu führen und Unmen-
gen von Dokumentationen zu erstellen und
zu verwalten. Und dabei rede ich noch nicht
einmal von den immer größer werdenden
Aufgaben, die Schule heute generell leisten
muss, wie zum Beispiel Integration, Inklusi-
on und Digitalisierung. Ach ja … und natür-
lich möchte man auch das tun, was man
eigentlich gelernt hat, guten Unterricht
vor- und nachbereiten und durchführen.
Insbesondere Berufseinsteigerinnen und
Berufseinsteiger fühlen sich häufig ange-
sichts dieser
Vielzahl von
Aufgaben überlas-
tet und fragen sich, ob sie dem Ganzen
überhaupt gewachsen sind. Voller Motivati-
on und mit sehr hohen Ansprüchen an sich
selbst starten sie in ihr Berufsleben und füh-
len sich im immer stressiger werdenden
Schulalltag schnell überfordert. Ich erlebe
es zunehmend häufiger, dass mir junge Kol-
leginnen und Kollegen von dieser Überfor-
derung berichten. Wenn nun jedoch auch
noch die Gesundheit unter dieser anhalten-
den Überforderung leidet, so wirkt sich dies
von SARAH WANDERS
Wenn alles zuviel wird: Gerade junge
Lehrkräfte fühlen sich oft erdrückt vom eigenen
Anspruch und den Anforderungen des Berufsalltags.
Doch es gibt Hilfe.
Foto: AdobeStock/djoronimo
JUNGE LEHRER NRW
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1/2020 ·
lehrer nrw
negativ auf die Leistungsfähigkeit der jun-
gen Lehrkräfte aus, und es entsteht ein
Teufelskreis. Aber was können Sie in einer
solchen Situation tun? Wer kann Ihnen
helfen? Wie schaffen Sie es aus diesem
Teufelskreis permanenter Überforderung
und dem Gefühl, den eigenen Ansprüchen
nicht zu genügen, heraus?
Belastungsfaktoren
identifizieren
Wichtig ist es, dass man statt einer allge-
mein wahrgenommenen Überforderung
konkrete Schwierigkeiten und Belas-
tungsfaktoren identifiziert und konkrete
Lösungen findet. Dies gilt sowohl für die
einzelne Kollegin/den einzelnen Kollegen
als auch für ein ganzes Kollegium, das
sich überfordert fühlt. Natürlich wird man
es nie erreichen, alle Belastungsfaktoren
in Schule abzuschaffen, jedoch kann man
lernen, anders mit Belastung umzugehen
und mit seinen Ressourcen zu haushal-
ten.
Fortbildungen nutzen
lehrer nrw
bietet zahlreiche Fortbildungen
an, die Ihnen genau in diesen belastenden
Situationen helfen können. Speziell für jun-
ge Lehrkräfte:
Recht im Schulalltag (mit unserem
Verbandsjustitiar Christopher Lange)
Zeitmanagement und Arbeitsorganisation
Sicheres Auftreten in Stressmomenten
für junge Lehrerinnen und Lehrer
Darüber hinaus finden Sie in unserem
Fortbildungsprogramm zahlreiche weitere
Veranstaltungen zu den Bereichen Arbeits-
organisation, Lehrerpersönlichkeit und
Lehrergesundheit.
Netzwerke aufbauen
Gerade für junge Kolleginnen und Kollegen
ist die Bildung von Netzwerken enorm
wichtig. Nehmen Sie Kontakt zu Vertrete-
rinnen und Vertretern von
junge lehrer nrw
in Ihrem Kreisverband oder auf Bezirksebe-
ne auf. Sie kennen die Probleme von jun-
gen Lehrkräften und können Sie beraten.
Eine Teilnahme an Veranstaltungen ist
auch immer eine gute Gelegenheit, mit an-
deren (jungen) Kolleginnen und Kollegen
ins Gespräch zu kommen sowie Anregun-
gen für die eigene Arbeit mitzunehmen.
Hier gilt es auch von erfahrenen Kollegin-
nen und Kollegen zu lernen – vor allem
Gelassenheit.
Kein Lehrer und keine Lehrerin ist per-
fekt, und das ist auch gut so. Kinder ler-
nen schließlich auch von Erwachsenen,
mit Schwächen umzugehen. Wichtig ist
nur: Lassen Sie sich helfen, wenn die
Belastung zu groß wird. Wir sind an Ihrer
Seite!
Sarah Wanders ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft
junge
lehrer nrw
E-Mail: wanders@lehrernrw.de
lehrer nrw ·
1/2020
10
FORUM
Ein Verbrechen an Kindern
Gastkommentar: Heinz-Peter Meidinger, Präsident des
Deutschen Lehrerverbandes, äußert sich kritisch zur Praxis
der fehlenden Vor- und Nachqualifizierung von Seiten- und
Quereinsteigern in einigen Bundesländern.
U
U
m die Jahreswende sorgte die über die
deutsche Presseagentur verbreitete
Meldung, ich hätte den Einsatz unzurei-
chend qualifizierter Quereinsteiger als Ver-
brechen an den Kindern bezeichnet, für ein
großes Medienecho, aber auch für Kritik
von seit Jahren an Schulen tätigen Quer-
und Seiteneinsteigern, die sich zu Unrecht
an den Pranger gestellt sahen. Wer aller-
dings mein vollständiges Interview in der
’Welt’ nachlas, leider wieder einmal ver-
steckt hinter einer Paywall, hat erkannt,
dass die Aussage sehr klar differenziert
war. Harte Kritik geübt habe ich an der
Praxis der Bundesländer, die wie etwa Ber-
lin Seiteneinsteiger nach einem ein- oder
zweiwöchigen Crashkurs mit fast vollem
Stundendeputat an die Schulen schicken
und ihnen überdies eine umfängliche be-
rufsbegleitende Nachqualifikation vorent-
halten.
Opfer verfehlter
Bildungspolitik
Verbrecherisch in diesem Sinne ist das
Handeln der dortigen Schul- und Bildungs-
behörden und nicht der Unterricht der
unvorbereitet in die Schulen geschickten
Seiteneinsteiger, die ebenso wie die Kinder
Opfer und nicht Verursacher solcher Bil-
dungspolitik sind. Verbrechen wird in den
einschlägigen Wörterbüchern in doppeltem
Sinne definiert, erstens formaljuristisch als
eine Tat, die mit mindestens einem Jahr
Freiheitsstrafe geahndet wird, und zwei-
tens in materieller, moralischer Bedeutung,
nämlich als verantwortungsloses Handeln.
Genau dies liegt aber in Berlin oder auch
Brandenburg und Thüringen vor.
Dabei können Quer- und Seiteneinsteiger
durchaus eine Bereicherung für die Schulen
sein. Voraussetzung dafür ist aber, dass
nach Abschluss eines Nichtlehramtsstudiums
etwa bei Quereinsteigern ein vollständiges
Referendariat abgeleistet wird und dass die
studierten Fächer ’schulfächernah’ sind. Bei
Seiteneinsteigern, die eine kürzere Vorberei-
tungsphase durchlaufen, muss ergänzend
eine umfassende, am besten zweijährige
berufsbegleitende Nachqualifizierungsphase
mit Prüfungen durchlaufen werden.
Auf den Webseiten der Schulministerien
in allen Bundesländern steht das auch so
oder so ähnlich. In der Praxis allerdings tau-
chen viele Länder wegen des Lehrermangels
unter den selbst gesetzten Qualitätsstan-
dards durch. Grundsätzlich gilt: Je größer
der Lehrermangel, desto größer die Absen-
kung der Qualitätsstandards. Wir reden da
übrigens nicht von Vertretungslehrkräften,
sondern von Personen, die eine unbefristete
Beschäftigung anstreben. Bei Letzteren
reicht derzeit auch schon mal ein gerade
abgelegtes Abitur.
Geringschätzung
des Lehrerberufs
Das Bild, das in der Öffentlichkeit auf diese
Weise vermittelt wird, ist fatal. Es wird der
Eindruck erweckt, dass Lehrertätigkeit kei-
ner besonderer Vorqualifikation bedarf, dass
die Lehrerbildung letztendlich verzichtbar
ist. Eine bodenlose Geringschätzung unserer
Berufsprofessionalität!
Was ist zu tun? Kurzfristig wird man ohne
Notmaßnahmen nicht auskommen. An einer
ausreichenden Nachqualifikation von Sei-
ten- und Quereinsteigern führt aber auch da
kein Weg vorbei. Langfristig geht es darum,
den ständigen Wechsel zwischen Lehrer-
mangel und Lehrerarbeitslosigkeit endlich in
den Griff zu bekommen. Und das geht nur
dadurch, indem in Zeiten des Überangebots
Einstellungskorridore offengehalten und
über Bedarf eingestellt wird, damit man in
den folgenden Zeiten des Mangels entspre-
chende Unterrichtsreserven hat. Das ist bis-
lang versäumt worden.
Foto: Deutscher Lehrerverband
DL-Präsident
Heinz-Peter Meidinger
BATTEL HILFT
11
1/2020 ·
lehrer nrw
Muss das sein…?
Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Stefan Battel gibt in seiner
Kolumne regelmäßig Antworten auf Fragen aus dem Lehrerall-
tag. Diesmal geht es um das störende Verhalten eines Schülers,
das einen unerwarteten Hintergrund hatte.
N
N
eulich im Ersttermin: Etwa achtzig
Prozent der Neuanmeldungen für
einen Ersttermin in unserer Praxis
sind im schulischen Kontext zu verorten.
Kurz vor Weihnachten erlebte ich einen
Ersttermin, der inhaltlich sehr ähnlich war
wie mehrere zuvor 2019. Thematisch ging
es bei einem Fünftklässler um ein ’stören-
des’ Verhalten im Unterricht mit Lernver-
weigerung, clowneskem Verhalten und
einer künstlerischen Verhaltenskreativität,
die andere Mitschüler oft im Unterricht
beeinträchtigten, sich auf das Lernen ein-
zulassen. Die Beschwerden der einzelnen
Fachlehrer häuften sich.
Die dem Kind sehr wohlwollende und
zugewandte Klassenlehrerin fühlte sich zu-
nehmend unter Druck, irgendeine Konse-
quenz, Drohung oder Sonstiges dem Schü-
ler gegenüber auszusprechen. Zunehmend
durch die Kollegen in ihrem Erleben in die
Enge gedrängt, ’verhängte’ sie einen
Schulverweis für drei Tage, nachdem der
Schüler einem Fachlehrer mehrere Wörter
an den Kopf geworfen hat, die nicht selten
irgendwo im künstlerischen Graffiti an
U-Bahn-Haltestellen zu finden sind. Das
Fass war voll. Die Lehrerin fühlte sich zu
einer Handlung verpflichtet. Schulverweis.
Ich frage mich in dem Zusammenhang
häufig: Muss das sein? Schulverweis be-
deutet Ausgrenzung, »bin nicht willkom-
men«, »kenn ich schon von zu Hause«,
»wie sehen mich die anderen, wenn ich
wiederkomme« etc.
Klar, dysfunktionale Verhaltenskreativi-
tät bedarf einer Anleitung. Meinem Emp-
finden nach werden viele Aspekte, die im
Erleben eines Schülers im Kontext seiner
Umweltvariablen als belastend wahrge-
nommen werden, im schulischen Kontext
’ausgelebt’. Bei diesem Schüler ist der Va-
ter ein halbes Jahr vorher schwer an Krebs
erkrankt, mit ungewissem Ausgang. Ge-
fühle von Trauer, Frustration, Wut über die
Erkrankung konnten im Jungen selbst
nicht gut verortet werden, sondern wur-
den von ihm eher verdrängt bzw. geleug-
net. Diese gefühlsmäßige Belastung zeigte
sich dann im schulischen Kontext. Schön
war es jedoch, im gemeinsamen Gespräch
mit der Lehrerin und einem Vertreter der
Fachlehrer gemeinsam mit der Mutter und
dem Vater die emotionale Weltsicht des
Jungen darzustellen, um dann die Bedeu-
tung von Schulausschluss in dieser Le-
benssituation zu bewerten und andere
Lösungen zu finden.
Klar
, ich weiß natürlich auch,
dass sich
nicht immer so ein dramatischer Hinter-
grund eröffnet. Meiner Einschätzung nach
haben Schüler häufig einen ’guten Grund’,
sich auf Lerninhalte nicht gut einlassen zu
können oder in Gemeinschaften nicht das
gewünschte Verhalten zeigen, wie es an-
gemessen wäre etc. Hier würde ich mir
mehr wünschen, den Fokus weg von Aus-
grenzung hin zur Kooperation zu legen
und gemeinsam mit der Familie (und den
Kollegen!) zu überlegen, welche förderli-
chen schulischen Maßnahmen individuali-
siert bei den betreffenden Schülern sinn-
stiftend für deren weitere Entwicklung
und der Beziehung zwischen Lehrer und
Schüler sein könnten. Ja aber… (dazu in
der nächsten Kolumne mehr).
ZUR PERSON
Dr. med. Stefan
Battel
ist seit
2007 niederge-
lassener Facharzt
für Kinder- und
Jugendpsychia-
trie und -psycho-
therapie mit ei-
gener Praxis in
Hürth bei Köln
und seit 2012
systemischer
Familienthera-
peut (DGSF).
Im Rahmen des
lehrer nrw
-Fort-
bildungspro-
gramms greift er
in einer Vortrags-
reihe regelmäßig
verschiedene
Themen aus dem
Bereich der Ju-
gendpsychologie
auf.
Foto: Andreas Endermann
lehrer nrw ·
1/2020
12
TITEL
Bewerbung
beim
Bewerber
Für die Lebenschancen junger Menschen ist nicht nur ein guter
Schulabschluss, sondern insbesondere auch der gelingende Über-
gang von der Schule in den Beruf entscheidend. Der Rheinisch-
Bergische Kreis hat dazu ein spannendes Projekt aufgelegt: Mit
dem ’Onlinebewerberbuch’ wird der klassische Bewerbungspro-
zess um Ausbildungsberufe einfach umgedreht!
D
D
ie Berufsbildungsberichte der Bun-
desregierung zeigen deutlich, dass
die Zahl unbesetzter Lehrstellen
immer wieder neue Höchststände erreicht.
Viele Unternehmen klagen, dass sie keine
geeigneten Auszubildenden finden. Dies hat
zur Folge, dass die Betriebe ihren Personal-
bedarf über die Rekrutierung von bereits
fertig ausgebildeten Fachkräften abdecken
und sich sukzessive aus der Ausbildung zu-
rückziehen, da sie kaum noch geeignete Be-
Foto: AdobeStock/imageBROKER
Raus aus der Schule, rein in die Ausbildung.
Leider läuft
das nicht immer reibungslos. Vielen unbesetzten Lehrstellen stehen viele
unversorgte Bewerber gegenüber. Damit Betrieb und Bewerber
besser zueinander finden, ist im Rheinisch-Bergischen
Kreis ein Matching-Tool entwickelt worden.
werbungen erhalten. Paradoxerweise finden
zugleich immer mehr Schulabgängerinnen
und -abgänger keine passenden Lehrstellen
mehr. Um freie Ausbildungsplätze mit pas-
senden unversorgten Jugendlichen zu beset-
zen, hat die Kommunale Koordinierungsstel-
le des Rheinisch-Bergischen Kreises gemein-
sam mit den Partnern der Steuerungsgruppe
ein regionales und digitales Matching-Tool
entwickelt: das ’Onlinebewerberbuch’.
Der Betrieb bewirbt sich
beim Jugendlichen
Das Onlinebewerberbuch kehrt das Prinzip
der gängigen Lehrstellenbörsen und somit
den klassischen Bewerbungsprozess einfach
um. Hier bewerben sich nicht, wie sonst üb-
lich, die Jugendlichen bei den Betrieben,
sondern die Betriebe haben die Chance, die
Jugendlichen direkt über dieses Tool zu kon-
taktieren und sie für ihren Betrieb und eine
duale Ausbildung zu gewinnen. Das Online-
bewerberbuch ist ein Internetportal, in dem
sich Jugendliche aller Schulformen aus dem
Rheinisch-Bergischen Kreis im Schulunter-
richt unter
www.binbereit.de anmelden
und einen Steckbrief zu ihrer Person einstel-
len.
TITEL
13
1/2020 ·
lehrer nrw
RHEINISCH-BERIGISCHER KREIS ALS REFERENZKOMMUNE
Zur Optimierung der Übergangsprozesse von der Schule in den Be-
ruf hatte sich im Rheinisch-Bergischen Kreis bereits 2005 eine Ver-
antwortungsgemeinschaft aller relevanten Partner zusammenge-
schlossen und fungiert seitdem als ’Initiative Zukunft Rhein-Berg’
als Motor für ein erfolgreiches Übergangsmanagement in der Regi-
on. Mit dieser Struktur stieg der Rheinisch-Bergische Kreis 2012 als
Referenzkommune in die Umsetzung von ’Kein Abschluss ohne An-
schluss’ (KAoA) ein. Leitend für alle Partner vor Ort ist das gemein-
same Prinzip, mittels einer durchdachten Systematik einen nachhal-
tigen Mehrwert für die Jugendlichen und die Betriebe zu schaffen.
Kontakt: Torsten Schmitt, Rheinisch-Bergischer Kreis,
Koordinierungsbüro ’Übergang Schule-Beruf’
E-mail:
koordinierung-schule-beruf@rbk-online.de
Foto: Rheinisch-Bergischer Kreis
Mit einem solchen Steckbrief
stellen die Jugendlichen sich mit ihrem
Wunschberuf sowie ihren Stärken und Zie-
len vor. Registrierte Ausbildungsbetriebe
können dann mit potenziellen Kandidatin-
nen und Kandidaten in Kontakt treten.
bereits auf großes Interesse auf Landesebe-
ne gestoßen und wurde mittlerweile auch
von anderen Landkreisen und Städten in
Nordrhein-Westfalen erworben.
Hier können sich die Schulabsolventin-
nen und -absolventen mit ihren Stärken,
Kompetenzen, praktischen Erfahrungen
und beruflichen Zielvorstellungen den aus-
bildungswilligen Betrieben präsentieren.
Die Schülerinnen und Schüler können ihren
Steckbrief ab der Jahrgangsstufe 9 selbst-
ständig einstellen und jederzeit bearbeiten.
Dieser Prozess, inklusive die Veröffentli-
chung der jeweiligen Steckbriefe, wird
durch die Lehrkräfte und die Agentur für
Arbeit begleitet. Die Lehrkräfte aller Schu-
len in der Region waren eng über kreisweit
koordinierte Arbeitskreise in die Entwick-
lung eingebunden; die Lehrkräfte und Mit-
arbeitenden der Agentur für Arbeit wurden
in Schulungen auf das Onlinebewerberbuch
vorbereitet.
Unkompliziertes Verfahren
Das neue digitale ’Onlinebewerberbuch’
soll dabei helfen, die Ausbildungsquote der
Betriebe zu stabilisieren und die Anzahl der
unversorgten Ausbildungsbewerberinnen
und -bewerber zu minimieren. Es ermög-
licht Unternehmen der Region, Jugendliche
ohne großen Aufwand direkt anzusprechen
und sie von sich zu überzeugen. Personal-
verantwortliche aus Unternehmen können
im Portal dann nach passenden Auszubil-
denden suchen und die Jugendlichen elek-
tronisch kontaktieren. Das alles geschieht
in einem nicht-öffentlichen Bereich. Voraus-
setzung für die Nutzung ist, dass das Unter-
nehmen bei einer Wirtschaftskammer als
anerkannter Ausbildungsbetrieb geführt
wird. Zugriff auf den geschützten Bereich
haben nur registrierte und eingetragene
Betriebe, die auch tatsächlich Auszubilden-
de einstellen wollen.
Kostenfreies Angebot
Ist das Unternehmen als Ausbildungsbe-
trieb anerkannt, kann es sich einfach auf
der Startseite des Onlinebewerberbuchs
registrieren. Nötig sind dazu nur wenige
Betriebsdaten, wie die Unternehmens-
adresse und die Kontaktdaten der oder des
Ausbildungsverantwortlichen. Die Bewer-
bersuche erfolgt dann mit Hilfe dreier
Suchkriterien: Ausbildungsberuf, Ausbil-
dungsbeginn und Wohnort. Der gesuchte
Ausbildungsberuf wird mit den verschiede-
nen Wunschberufen der Jugendlichen ver-
glichen, als auch mit deren praktischen
Erfahrungen in diesem Berufsfeld. Als
Suchergebnisse erhalten die Unternehmen
eine Übersicht mit passenden Bewerberin-
nen und Bewerbern. Die Jugendlichen, die
die Suchkriterien am besten erfüllen, wer-
den vorrangig angezeigt. Mit einem Klick
auf deren Steckbriefe gibt das Onlinebe-
werberbuch dann nähere Informationen
zur Person preis. Zur Kontaktaufnahme
können die Betriebe dann über das Online-
bewerberbuch wahlweise standardisierte
oder selbst formulierte Nachrichten ver-
senden. Die Empfängerin oder der Empfän-
ger wird per SMS über den Nachrichten-
eingang informiert. Das Onlinebewerber-
buch ist für Jugendliche sowie für Unter-
nehmen kostenfrei.
Ein Beispiel,
das Kreise zieht
Seit Dezember 2018 haben sich bereits
rund 150 Ausbildungsbetriebe aus dem
Rheinisch-Bergischen Kreis registriert und
182 Einladungen zu Vorstellungsgesprä-
chen an die potenziellen Auszubildenden
übermittelt. Das Onlinebewerberbuch ist
lehrer nrw ·
1/2020
14
TITEL
V
V
iele Schülerinnen und Schüler haben
am Ende ihrer Schulzeit Schwierigkei-
ten, sich beruflich zu orientieren und
das zu ihrer Lebensvorstellung passende Be-
tätigungsfeld zu finden. Die Gründe hierfür
liegen neben den fehlenden Kenntnissen
über berufliche Anforderungen vor allem im
mangelhaften Wissen hinsichtlich der viel-
fältigen (Entwicklungs-) Möglichkeiten und
individuellen Chancen im Arbeitsleben.
An dieser Stelle setzt das an der Universi-
tät Duisburg-Essen (Lehrstuhl für Wirt-
schaftswissenschaften und Didaktik der
Wirtschaftslehre) für die Region Ostwestfa-
len-Lippe entwickelte Projekt ’RaSchOWL –
Region macht Schule’ an. Schülerinnen und
Schüler allgemeinbildender Schulen der
Jahrgangsstufen 7 bis 9 erhalten die Mög-
lichkeit, sich durch außerschulische Lernge-
legenheiten (Museen, Unternehmen etc.)
beruflich zu orientieren und individuelle
Interessen zu verfolgen. Dies erfolgt in enger
Zusammenarbeit mit Lehrkräften sowie
Ak-
teuren in der Region. In der Pilotphase des
Projekts (März 2017 bis Dezember 2019)
wurden ausgewählte außerschulische Lern-
gelegenheiten mit je einem didaktischen
K
onzept entwickelt. Beteiligt waren die Glas-
hütte Gernheim, das Ziegeleimuseum Lage,
das Historische Museum Bielefeld, das Heinz
Nixdorf MuseumsForum sowie die Smart-
Factory OWL. Jede außerschulische Gelegen-
heit wurde mit zwei Schulklassen erkundet
(insgesamt zehn Erkundungen in zwei Erkun-
dungswellen 2017/2018 und 2019). Insge-
samt nahmen über 260 Schülerinnen und
Schüler teil.
Im Mittelpunkt stand die Gestaltung akti-
vierender Lernsituationen, damit die Jugend-
lichen selbst handlungsfähig werden. Anhand
des Lernortes ’Museum’ und ausgewählter
Praxiskontakte, welche thematisch mit den
Kernlehrplänen abgestimmt sind, lernten
Schülerinnen und Schüler vergangene und
gegenwärtige Berufs- und Arbeitswelten
kennen. Alle dafür erforderlichen Materialien
wurden entwickelt, erprobt und evaluiert.
Sie wurden so gestaltet, dass Lehrerinnen
und Lehrer sie unmittelbar einsetzen können.
In einer Anleitung wird deren Handhabung
erläutert. Die Materialien werden Lehrkräften
kostenlos zum Download angeboten.
Langfristig möchte das Projekt weitere
geeignete Regionen identifizieren, um Mög-
lichkeiten der Übertragbarkeit der innovati-
ven Projektidee aus der Kombination von
schulischer, unternehmerischer und kulturel-
ler Perspektive zur (beruflichen) Orientie-
rungsfähigkeit von Jugendlichen auf andere
Regionen zu prüfen.
Einblick in
Berufswelten
Ein Pilotprojekt der Universität Duisburg-Essen vermittelt
Schülern außerschulische Lerngelegenheiten und bietet damit
Orientierung beim Übergang von der Schule in den Beruf.
INFOS
Projektleitung und -verantwortung:
Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaften und Didaktik
der Wirtschaftslehre, Univ.-Prof. Dr. Thomas Retzmann, M. Sc. Steffen Spitzner
M. Sc. Fabio Fortunati
Projektbeschreibung:
www.wida.wiwi.uni-due.de/forschung/ laufende-forschungsprojekte/raschowl/
Projekthandbuch: https://doi.org/10.17185/duepublico/70630
Spannendes Tätigkeitsfeld:
In der Glashütte Gernheim schauen
Schüler einem Glasbläser bei der
Arbeit zu.
Foto: Universität Duisburg-Essen
Die Spuren der Handschrift
im Gehirn
15
1/2020 · lehrer nrw
Das Schreiben mit Stift und Papier hat auch
im digitalen Zeitalter seine Berechtigung und
ist kein überkommenes Relikt. Dies erläuterte
der Psychologe und Hirnforscher Prof. Dr. Mar-
kus Kiefer in einem Vortrag auf dem Mülhei-
mer Kongress von lehrer nrw.
Vor über 5.000 Jahren begannen Menschen in Mesopo-
tamien und Ägypten, Gedanken, Fakten oder Verträge
mit Schriftzeichen festzuhalten. Sie ritzten mit einem Stift
Symbole in den Ton oder malten mit Schilfrohr oder Fe-
der Zeichen auf Papyrus und Pergament. Später wurde
mit Füller, Bleistift oder Kugelschreiber auf Papier ge-
schrieben. Auch wenn diese Schreibwerkzeuge im Lauf
der Zeit durch Druckerpresse und Schreibmaschine er-
gänzt wurden, war die Schriftsprachkultur über Tausen-
de von Jahren hinweg durch Handschreiben geprägt.
In den letzten Jahren hat sich die Art des Schreibens
jedoch massiv gewandelt. Digitale Schreibgeräte wie
Computer, Tablets oder Mobiltelefone ersetzen zuneh-
mend die Handschrift. Aufgrund der Allgegenwart von
digitalen Geräten in Privathaushalten kommen Kinder-
gartenkinder zunehmend durch Tippen auf digitalen
Geräten in Kontakt mit der Schriftsprache. Gleichzeitig
ist ein auch politisch gewollter Trend vorhanden, digita-
le Geräte an Kindergärten, Grundschulen und weiter-
führenden Schulen in großem Umfang einzuführen, be-
fördert nicht zuletzt durch den DigitalPakt Schule von
Bund und Ländern. Da Lese- und Schreibfähigkeit wich-
tige Voraussetzungen für den Schul- und Berufserfolg
darstellen, ist es wichtig, die Folgen der Digitalisierung
des Schreibens für diese Fähigkeiten aufgrund wissen-
schaftlicher Erkenntnisse abzuschätzen. Klar ist jetzt
schon, dass häufiges Tippen auf einer Tastatur anstelle
von Handschreiben mit einer verringerten Feinmotorik
einhergeht, wie eine Arbeitsgruppe um den Dortmun-
der Psychologen Herbert Heuer herausgefunden hat.
Schreiben im digitalen Zeitalter
Fakt ist: Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung
des Alltags wird immer mehr auf digitalen Geräten
getippt und immer weniger mit Stift und Papier ge-
schrieben. Es gibt sogar Stimmen, die dafür plädieren,
den »Tod der Handschrift« aktiv herbeizuführen, indem
Kinder Handschreiben erst gar nicht mehr in der
Grundschule erlernen, sondern die Schriftsprache per
Tippen auf einem Laptop oder Tablet-Computer erwer-
ben. So wird im SZ Magazin (06/2012) argumentiert,
dass das Erlernen einer flüssigen Handschrift für Kin-
der ein mühsamer Prozess sei, der viel Unterrichtszeit
beanspruche. Gleichzeitig habe die Handschrift im
Erwachsenenalter eine immer geringere Bedeutung.
Auch brächten die Kinder immer weniger feinmotori-
sche Fähigkeiten mit, die für das Handschreiben unab-
dingbar sind. Da Kindern das Tippen auf einer Tasta-
tur leichter falle als das Schreiben mit Stift und Papier,
seien digitale Schreibgeräte für den Schriftspracher-
werb von Vorteil. Wenn das mühsame Erlernen einer
Handschrift an den Grundschulen entfalle, könne
auch mehr Unterrichtszeit für textgestalterische Aspek-
te oder für andere Unterrichtsinhalte verwendet wer-
den, so das Argument.
Basierend auf diesen Ideen haben einige Pilotschu-
len in der Stadt Sollentuna in Schweden den Schrift-
spracherwerb per Handschrift in der ersten Klasse der
Grundschule abgeschafft. Das Erlernen der Hand-
schrift erfolgt erst in der zweiten Klasse. Evaluationsbe-
funde der wissenschaftlichen Begleitung dieser Schu-
len durch ein Team um Annika Genlott und Åke Grön-
lund zeigen, dass der computergestützte Unterricht, in
dem die Kinder auf einer Tastatur Schreiben per Tip-
pen erlernen, dem traditionellen Unterricht per Hand-
schreiben in Bezug auf Schreib- und Leseleistung der
Kinder überlegen ist. Interessanterweise war dies aber
nur dann der Fall, wenn der digitale Unterricht in ein
aufwändiges pädagogisches Konzept eingebettet war,
in dem reichhaltige Interaktionen zwischen den Kin-
dern untereinander und zwischen den Kindern und
den Lehrkräften vorgesehen waren. Wurde der Laptop
ohne dieses pädagogische Konzept in den Klassen
zum Schreiben verwendet, waren die Leistungen der
Kinder im digitalisierten Unterricht mit denen der
Kinder im traditionellen Unterricht vergleichbar bzw. in
manchen Bereichen (zum Beispiel Mathematik) sogar
schwächer.
Dies zeigt, dass vor allem das pädagogische Konzept für
den Lernerfolg entscheidend ist und nicht die Verwendung
eines digitalen Gerätes im Unterricht. Obwohl es keine ein-
deutige Evidenz für den Vorteil des Tippens auf digitalen
Geräten für den Schriftspracherwerb gibt, wird Handschrei-
ben immer wieder als Kulturtechnik aus vergangenen Jahr-
hunderten belächelt, die im Unterricht des digitalen Zeital-
ters keinen Platz mehr hat. Gibt es wissenschaftlich fundier-
te Gründe für das Beibehalten der Handschrift im Schulun-
terricht, die über Sentimentalität hinausgehen?
Qualität motorischer Programme
beim Handschreiben vs. Tippen
Bei der Beurteilung von Vor- und Nachteilen von Schreibgerä-
ten für den schulischen Unterricht sollten allerdings nicht nur
die höheren Anforderungen an die Feinmotorik beim Schrei-
ben mit Papier und Stift im Vergleich zum Tippen auf einer
Computertastatur betrachtet werden. Genauso wichtig, wenn
nicht gar wichtiger, ist die Qualität der kognitiven Prozesse,
die beim Schriftspracherwerb oder auch beim flüssigen
Schreiben durch ein Schreibgerät gleichsam beiläufig aus-
gelöst werden. Hier ist zu beachten, dass beim Handschrei-
ben jeder einzelne Buchstabe durch eine spezifische Schreib-
bewegung geformt werden muss. Das motorische Programm
beim Schreiben greift somit die Gestalt der Buchstaben auf.
Das hat zur Konsequenz, dass die durch das Handschreiben
angelegte motorische Gedächtnisspur die visuelle Gedächt-
nisspur zur Buchstabenform unterstützen kann. Die Bewe-
gung beim Tippen auf einer Tastatur variiert zwar räumlich
je nach gedrückter Taste, steht aber in keinem inhaltlichen
Zusammenhang mit der Buchstabenform. Der Informations-
gehalt der beim Schreiben angelegten motorischen Ge-
dächtnisspur ist somit beim Tippen auf einer Tastatur gerin-
ger als beim Schreiben mit Stift und Papier. Hat diese reich-
haltige Gedächtnisspur, die beim Handschreiben angelegt
wird, eine Bedeutung für Lesen und Schreiben?
Denken und Gedächtnis verkörpert
in Sinnes- und Handlungserfahrung
Um diese Frage verständlicher beantworten zu können, wol-
len wir zunächst die grundlegende Bedeutung von Sinneser-
fahrungen für Denken und Sprache betrachten. Moderne ko-
gnitionswissenschaftliche Ansätze zeigen, dass die Qualität
unserer Sinnes- und Handlungserfahrungen einen entschei-
denden Einfluss auf Gedächtnis, Sprache und Denken hat.
Nach der Vorstellung des ’verkörperten’ Denkens (’embodied’
cognition) ist unser Wissen nicht abstrakt, sondern wesentlich
aus Wahrnehmung und Handlung abgeleitet – eine Grund-
idee, die jeder Lehrkraft zum Beispiel im Zusammenhang mit
handlungsorientiertem Unterricht vertraut ist. Das erworbene
Wissen ist in neuroanatomischer Nähe zu den entsprechen-
den sensorischen und motorischen Bereichen im Gehirn ab-
gespeichert. So ist das Wissen, dass ein Hund vier Beine hat,
nach diesen Ansätzen in anatomischer Nähe der visuellen
Hirnrinde abgespeichert. Das Wissen, dass man einen Hund
streicheln kann, ist dagegen in anatomischer Nähe der moto-
rischen Hirnrinde abgelegt.
Nach Modellen der verkörperten Kognition sind Denken
und Sprache in ihrem Wesen in früheren Sinneswahrneh-
mungen verankert, auch wenn deren Reaktivierung beim
Denken oder bei der sprachlichen Kommunikation nicht
notwendigerweise mit einem bewussten Wiedererleben der
Sinnesempfindungen einhergehen muss. Zahlreiche neuro-
wissenschaftliche Untersuchungen belegen mittlerweile,
dass beim Denken und beim Verstehen von Sprache Berei-
che im Gehirn aktiv sind, die für Sehen, Hören, Schmecken
und Motorik zuständig sind. Verhaltenspsychologische
Studien zeigen, dass abstrakte Zahlbegriffe selbst beim
Erwachsenen noch eng mit Fingerbewegungen, die beim
Abzählen verwendet werden, verknüpft sind.
Von großer Bedeutung ist die reichhaltige Sinneserfah-
rung beim Wissenserwerb. So konnten wir in einer Trai-
nings-Studie mit unbekannten, neu zu erlernenden Objekt-
begriffen (’nobjects’) nachweisen, dass im Gehirn eine mo-
torische Gedächtnisspur nur dann für den Objektbegriff an-
gelegt wird, wenn die Lernenden sinnvolle Handlungen mit
dem Objekt vollziehen, nicht aber wenn sie eine sinnfreie
Zeigebewegung zu dem Objekt ausführen. Außerdem wur-
den die Objektbegriffe schneller gelernt, wenn eine sinnvol-
le Handlung während des Lernens durchgeführt wurde.
Diese Befunde zeigen, dass eine zusätzliche motorische
Gedächtnisspur, das Lernen der Bedeutung von neuen
Wörtern befördert.
Handschrift aktiviert motorische
Bereiche des Gehirns
Lassen sich diese Befunde zu Objektbegriffen auch auf das
Erlernen von Buchstaben per Handschrift übertragen? Zahl-
reiche Studien von den Psychologen Marieke Longcamp
und Jean-Luc Velay von der Universtiät Marseille haben
gezeigt, dass nicht nur visuelle, sondern auch motorische
Bereiche des Gehirns aktiv werden, wenn Erwachsene, die
traditionellerweise Handschreiben gelernt haben, Buchsta-
ben betrachten. Diese Aktivierung in den motorischen Berei-
chen des Gehirns wurde auch beobachtet, wenn Erwachse-
ne unbekannte Buchstaben aus einem asiatischen Alpha-
bet per Handschrift erlernen. Die motorische Aktivierung
blieb aber aus, wenn beim Lernen die unbekannten Buch-
staben auf einer Tastatur getippt werden.
In ähnlicher Weise beobachtete ein Forscherteam um Karin
James von der Indiana Universität in einer Trainingsstudie
bei fünfjährigen Kindern nur dann eine Aktivierung in motori-
schen Gehirnbereichen beim Betrachten von Buchstaben,
16
1/2020 · lehrer nrw
wenn sie diese zuvor per Handschreiben gelernt hatten.
Auch hier blieb die motorische Aktivierung beim Be-
trachten der Buchstaben aus, wenn die Kinder die Buch-
staben beim Lernen auf einer Tastatur getippt hatten. In-
teressanterweise hatte das Handschreiben beim Lernen
auch einen positiven Einfluss auf die Verarbeitung der
Buchstaben im Sehsystem der Kinder. Nur wenn die
Buchstaben mit Stift auf Papier beim Lernen geschrieben
wurden, zeigte sich nach dem Training eine Aktivierung
in einem Bereich des Sehsystems der linken Hirnhälfte, in
dem bei Erwachsenen bekanntermaßen Buchstaben
verarbeitet werden.
Die Befunde lassen vermuten, dass Handschreiben
eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass sich bei
Kindern die für das Buchstabenerkennen typischen
Schaltkreise des Gehirns herausbilden. Im Einklang
mit den oben beschriebenen Modellen der verkörper-
ten Kognition zeigt sich, dass für Buchstaben, die mit
Handschreiben erlernt wurden, nicht aber für Buchsta-
ben, die per Tippen trainiert wurden, neben der visuel-
len Gedächtnisspur eine motorische Gedächtnisspur
angelegt wird. Ist diese zusätzliche motorische Ge-
dächtnisspur, die beim Handschreiben angelegt wird,
in der Tat förderlich für das Lesen und Schreiben Ler-
nen bei Kindern nach dem Motto ’Doppelt genäht hält
besser’?
Stift, Tastatur oder Tablet Stylus
beim Schreiben lernen
Um diese Frage zu beantworten, wurde bei Kindergar-
tenkindern eine Reihe von Trainingsstudien durchge-
führt, in denen die Kinder Buchstaben per Handschrei-
ben mit Stift und Papier oder per Tippen auf einer
Computertastatur lernten. In den Studien wurden Kin-
dergartenkinder und keine Schulkinder als Probanden
gewählt, da diese noch nicht in einem Unterricht Lesen
und Schreiben gelernt haben. Nur so besteht über-
haupt eine Chance, die Wirkung der verschiedenen
Schreibgeräte zu unterscheiden. Die Befunde, unter an-
derem auch von unserer Arbeitsgruppe, legen nahe,
dass Handschreiben im Vergleich zum Tippen das
Buchstabenerkennen, Wortschreiben- und -lesen ver-
bessert. Obwohl Handschreiben motorisch anspruchs-
voll ist, fand sich in keiner Studie ein Vorteil für das Tip-
pen auf der Tastatur. Allerdings waren in diesen Studi-
en die Stichprobengröße und die Anzahl der trainier-
ten Buchstaben gering sowie der Trainingszeitraum
kurz (ein Tag bis vier Wochen), so dass die Aussage-
kraft der Studien begrenzt ist.
Um belastbare Daten zu erhalten, führten wir eine
umfangreiche Studie mit 147 Kindergartenkindern
durch, die innerhalb von sieben Wochen sechzehn
Buchstaben und daraus gebildete Wörter lernten.
17
1/2020 · lehrer nrw
Wie werden Buchstaben und Lerninhalte
am nachhaltigsten verinnerlicht?
Mit Stift und Papier, auf der virtuellen Tastatur eines Tab-
lets oder mit einem Stylus auf dem Touchscreen? Forscher
der Universität Ulm stellten fest, dass Stift und Papier als
Schreibwerkzeug die meisten Vorteile und die geringsten
Nachteile haben.
Fotos: Universität Ulm
:
18
1/2020 · lehrer nrw
Eine Trainingsgruppe schrieb die Buchstaben mit Stift und
Papier, und eine zweite Gruppe tippte die Buchstaben auf
der virtuellen Tastatur eines Tablet-Computers. Da Hand-
schreiben mit einem Stylus auf einem Tablet zunehmend
an Bedeutung gewinnt, lernte eine dritte Trainingsgruppe,
die Buchstaben mit diesem Gerät zu schreiben. Die Kinder
lernten die Buchstaben anhand von standardisierten
Sprachspielen kennen, die sich nur hinsichtlich des
Schreibwerkzeugs unterschieden. Lese- und Schreibfähig-
keit auf Buchstaben- und Wortebene wurde vor und nach
dem Training mit Tests erhoben.
Es zeigte sich, dass Handschreiben mit Stift und Papier
im Vergleich zum Tippen auf der Tastatur Buchstabener-
kennen und visuell-räumliche Fähigkeiten fördert. Schreib-
training mit Stylus auf dem Touchscreen führte dagegen
zu schlechteren Leistungen als das Tastaturtraining beim
Wortlesen und Wortschreiben, vermutlich aufgrund der rut-
schigen Oberfläche des Touchscreens, die hohe Anforde-
rungen an die Bewegungskontrolle stellt. Die Kinder der
Stift-und-Papier-Gruppe unterscheiden sich beim Wortlesen
und Wortschreiben nicht von den Kindern der Tastatur-
Gruppe.
In der Gesamtschau der Ergebnisse sind Stift und Papier
das Schreibwerkzeug mit den meisten Vorteilen und den
geringsten Nachteilen. Schreiben mit Stift und Papier fördert
das Erkennen von Buchstaben sowie nicht-sprachliche visu-
ell-räumliche Fähigkeiten, da die Kinder beim Handschrei-
ben sich die räumliche Anordnung der Striche bei einem
Buchstaben präzise merken müssen. Dies ist beim Tippen
auf einer Tastatur nicht der Fall. Das Schreiben mit dem
Stylus auf dem Touchscreen eines Tablets weist im Vergleich
zu Stift und Papier sowie Tastatur das ungünstigste Leis-
tungsprofil auf. Wahrscheinlich erfordert die Kontrolle der
Schreibbewegungen auf der rutschigen Tabletoberfläche
viel Aufmerksamkeitskapazität, welche den Lernerfolg redu-
ziert. Möglicherweise ändert sich diese Bewertung, wenn zu-
künftig Tabletoberflächen produziert werden können, die ei-
ne papierähnliche Reibung beim Schreiben aufweisen. Bis
dahin lässt sich sagen, dass Stift und Papier im Vergleich zu
digitalen Geräten die für den Lernerfolg günstigsten, aber
auch die mit Abstand preiswertesten und wartungsärmsten
Werkzeuge für das Schreiben Lernen darstellen.
Handschrift vs. Tippen beim Notieren:
Die Entdeckung der Langsamkeit
Aber nicht nur beim Erwerb der Schriftsprache in der
Grundschule, sondern auch beim Notieren während des
Unterrichts, nachdem das Schreiben erlernt wurde, scheint
Handschreiben mit Stift und Papier im Vergleich zum Tip-
pen auf einer Laptoptastatur Vorteile zu haben. Die Psycho-
logen Pam Mueller und Daniel Oppenheimer von der Uni-
versität Princeton bzw. der Universität Kaliforniens in Los
Angeles wiesen in einer experimentellen Studie bei Studie-
renden nach, dass auf einem Laptop getippte Vorlesungsno-
tizen zwar länger waren und mehr Wörter beinhalteten als
handschriftliche. Allerdings schnitten die Studierenden, die
handschriftliche Notizen gemacht hatten, in Verständnis-
tests besser ab als die Studierenden in der Laptopgruppe.
Der Grund für den Vorteil der handschriftlichen Notizen
beim Verständnis beruhte auf der Art der Niederschrift mit
dem jeweiligen Schreibgerät: Getippte Notizen stellten wort-
getreue Wiedergaben der Vorlesung dar. Handschriftliche
Notizen, deren Anfertigung im Vergleich zum Tippen auf-
grund der geringeren Schreibgeschwindigkeit langsamer
erfolgte, beruhten dagegen auf Zusammenfassungen der
Inhalte. Diese aktive Auseinandersetzung mit dem Lernin-
halt beim Handschreiben führte offensichtlich zu einem tie-
feren Verständnis. Diese Studie zeigt: Langsamkeit hat
manchmal durchaus Vorteile. Wenn es um Verständnis und
nicht um wortgetreue Protokolle geht, sind Stift und Papier
dem Laptop beim Anfertigen von Notizen überlegen.
Die Handschrift ist tot?
Es lebe die Handschrift!
Handschreiben mit Stift und Papier ist somit keine veraltete
Kulturtechnik aus den letzten Jahrtausenden, sondern hat
eine kognitionswissenschaftliche fundierte Berechtigung
als Schreibmethode im schulischen Unterricht. Im Vergleich
zu digitalen Schreibgeräten weist Handschreiben sowohl
im Elementarbereich als auch im weiteren Verlauf des Bil-
dungsprozesses einige nennenswerte Vorteile auf. Dies
zeigt, dass der Einsatz digitaler Geräte im Schulunterricht
keinen Selbstzweck darstellt, sondern ein pädagogisches
Konzept erfordert, das einen Mehrwert gewährleistet.
Gleichzeitig ist mehr Forschung zu Stärken und Schwächen
eines digitalen Unterrichts im Vergleich zu analogen Unter-
richtsmethoden nötig, insbesondere zu Langzeiteffekten
über Jahre hinweg. Unstrittig ist die Bedeutung eines Fachs
Informatik in den höheren Klassenstufen: Programmier-
kenntnisse, Wissen über die Hardware eines Computers und
Strategien für einen sicheren und sinnvollen Umgang mit
digitalen Medien sind von wichtiger Bedeutung in unserem
digitalen Zeitalter.
DIE AUTOREN
Markus Kiefer: Universität Ulm, Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie III, Sektion für Kognitive Elektro-
physiologie.
Carmen Mayer: Universität Ulm, Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie III, Sektion für Kognitive Elektro-
physiologie. TransferZentrum für Neurowissenschaft
und Lernen.
Petra A. Arndt: Universität Ulm, TransferZentrum
für Neurowissenschaft und Lernen.
SCHULE & POLITIK
19
1/2020 ·
lehrer nrw
lehrer nrw
hat eine Plakat-Kampagne gestartet, um schulpoliti-
sche Kern-Forderungen des Verbandes zu unterstreichen. Die Pla-
kate werden im Rahmen des Wahlkampfes zur Personalratswahl
2020 in den Schulen in Nordrhein-Westfalen verteilt. Wir stellen
die einzelnen Motive in den kommenden Ausgaben vor.
l
ehrer nrw
ist nicht nur eine Interessenver-
tretung, sondern eine starke Gemeinschaft,
in der jeder und jede Einzelne mitmachen
und mitreden kann. Wir bieten Ihnen kom-
petente, direkte und persönliche Unterstüt-
zung rund um Beruf und Schulalltag –
vom Studienbeginn bis über den Ruhe-
stand hinaus. Unser Fortbildungs- und
Serviceangebot ist herausragend. Ihre
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lehrer nrw
:
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tionen – schnell und unkompliziert.
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zeitschrift, Newsletter, Service-Broschüren.
Günstige Mitgliedsbeiträge – und das ers-
te halbe Jahr ist beitragsfrei.
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werden!
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Wir kämpfen für Sie!
20
SCHULE & POLITIK
Die Antwort des
Ministerpräsidenten
In einem offenen Brief an NRW-Ministerpräsident Armin
Laschet haben die
lehrer nrw
-Vorsitzende Brigitte Balbach
und Hardi Gruner, Kern- und Fachseminarleiter, auf die
schwierige Situation der Fachleiter hingewiesen (siehe
lehrer
nrw
Ausgabe 7/2019, Seite 10). Inzwischen hat Laschet darauf
geantwortet. Wir drucken sein Schreiben hier im Wortlaut ab.
Sehr geehrte Frau Balbach,
sehr geehrter Herr Gruner,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 25. No-
vember 2019, in dem Sie die Personalsitua-
tion an den Zentren für schulpraktische
Lehrerausbildung beschreiben. Sie führen
mehrere Gründe für die aktuell besonders
herausfordernde Situation in der schulprak-
tischen Phase der Lehrerausbildung an.
Mir ist sehr bewusst, dass im Rahmen der
schulpraktischen Lehrerausbildung eine
ganz wesentliche Grundlage für guten Un-
terricht und das Gelingen von ’Guter Schu-
le’ geschaffen wird. Das große Engage-
ment und der persönliche Einsatz vieler
Fachleiterinnen und Fachleiter ist dabei
zentrales Element, für das ich sehr dankbar
bin.
Sie weisen in Ihrem Schreiben zu Recht
auf die schwierige Situation bei der Beset-
zung von Stellen im Bereich der schulprak-
tischen Lehrerausbildung hin. Die Gründe
dafür
, dass sich nicht ausreichend geeigne-
te Lehrkräfte für die Übernahme einer sol-
chen
Aufgabe entscheiden, sind sicher viel-
fältig. Ich stimme Ihnen aber zu, dass die
Besoldungsfrage bei der Ausbildung im
Grundschul- sowie im Sekundarbereich I
eine wichtige Rolle spielt.
Die Entscheidung der Landesregierung,
nicht nur die Besoldung der Schulleiterin-
nen und Schulleiter, sondern auch deren
Stellvertretungen anzuheben, war richtig
und ausgesprochen zielführend. Sie war
ein wichtiges Signal im Hinblick auf die
Steigerung der Attraktivität dieser wichti-
gen und auch herausfordernden Leitungs-
aufgaben.
Vor diesem Hintergrund scheint es aber
so, als ob damit auch vermehrt das Inter-
esse vieler Fachleiterinnen und Fachleiter
für die Übernahme einer Leitungsfunktion
geweckt wurde. Auch wenn dieser Effekt
grundsätzlich beabsichtigt und erwünscht
ist, sollte eine negative Entwicklung in
dem ganz elementaren Bereich der Lehrer-
ausbildung natürlich vermieden werden.
Wie Ihnen ja bekannt ist, wird der ge-
samte Bereich der Lehrerbesoldung derzeit
in der Landesregierung intensiv diskutiert.
Dabei zeigt sich, dass scheinbar einfache
Lösungen nicht immer auch die besten
Lösungen sind. Eine Veränderung der
Besoldung in einem Bereich beeinflusst in
erheblichem Maße auch andere Bereiche;
mit der Lehrerausbildung haben Sie einen
davon in Ihrem Brief angesprochen.
In diesem Kontext und Ihr Einverständ-
nis voraussetzend, habe ich eine Kopie
Ihres Schreibens der Ministerin für Schule
und Bildung, Yvonne Gebauer, zugeleitet.
Ich versichere Ihnen, dass wir bei der Dis-
kussion um die Themen Lehrerbesoldung
und Anrechnungsstunden auch das nach-
vollziehbare Anliegen der Fach- und Kern-
seminarleitungen im Blick haben.
Ich danke Ihnen und den Mitgliedern
Ihres Verbandes ganz herzlich für das enor-
me Engagement bei der täglichen Arbeit
im Sinne einer bestmöglichen Bildung und
Erziehung unserer Kinder.
In der letzten
Ausgabe
haben
wir den offenen
Brief von
lehrer nrw
an Ministerpräsi-
dent Armin
Laschet veröffent-
licht. Auf das
Schreiben hat
Laschet inzwi-
schen reagiert.
SCHULE & POLITIK
Schulversuch ‘Talentschulen’
geht in die zweite Runde
D
D
er Schulversuch ‘Talentschulen’ ist kom-
plett. Am 12. Dezember 2019 hat Schul-
ministerin Yvonne Gebauer die 25 weiteren
Talentschulen vorgestellt, die ab dem kom-
menden Schuljahr 2020/2021 mit der Um-
setzung des Schulversuchs der Landesregie-
rung beginnen werden. Gemeinsam mit den
bereits gestarteten 35 Talentschulen sollen
sie Maßnahmen für mehr Chancengerech-
tigkeit in der Bildung erproben. Eine vom
Schulministerium eingesetzte unabhängige
Expertenjury hatte aus den eingegangenen
Bewerbungen von 60 Schulträgern mit
98 Schulen die Auswahl getroffen. Ziel des
Schulversuchs sei es, Kindern und Jugendli-
chen unabhängig von ihrer Herkunft mehr
individuelle Chancen auf eine erfolgreiche
Bildungskarriere zu ermöglichen, sagte
Gebauer.
Der Vorsitzende der elfköpfigen Jury,
Prof. Dr. Ewald Terhart von der Universität
Münster, sagte bei der Vorstellung: »Die
eingegangenen Bewerbungen zeigen, dass
viele Schulen vor besonderen Herausforde-
rungen stehen und in dem Schulversuch ei-
ne Chance sehen. Gleichzeitig haben viele
Schulen bereits überzeugende Konzepte
für ihre Schulentwicklung und den Abbau
von Bildungsbenachteiligung entworfen.
Es ist daher richtig und wichtig, dass das
Land Nordrhein-Westfalen mit dem Schul-
versuch den Weg ebnet zur Erprobung von
neuen Konzepten für mehr Chancengerech-
tigk
eit.«
Alle sechzig T
alentschulen NRW erhalten
zusätzliche personelle Ausstattungen, ein
zusätzliches Fortbildungsbudget, das die ge-
zielte Fortbildung des Lehrpersonals ermög-
licht, sowie Unterstützung durch Schulent-
wicklungsberatung. Zudem setzen die Schu-
len innovative Unterrichtskonzepte im Rah-
men unterschiedlicher fachlicher Profile um.
WEITERE INFOS
www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulentwicklung/Talentschulen/index.html
Foto: MSB/ Susanne Klömpges
Schulministerin Yvonne Gebauer
lehrer nrw ·
1/2020
22
SCHULE & POLITIK
Die Verzahnung von
analog und digital
Bei der Digitalisierung im Klassenzimmer spielen neben der
Hardware auch sinnvolle Apps und Programme eine entschei-
dende Rolle. Das Kölner Software-Unternehmen World of VR
GmbH setzt mit der an mehreren Schulen bereits erfolgreich
erprobten Tablet App InnoClass auf Augmented Reality.
Das Prinzip erläutert Projektmanagerin Céline Quervel im
Interview.
lehrer nrw :
Was ist InnoClass?
CÉLINE QUERVEL:
CÉLINE QUERVEL: Ziel von InnoClass
ist es, schwierige Unterrichtsthemen per
Augmented Reality anders darzustellen, als
herkömmliche Lernmethoden dies bisher
leisten könen. Lerninhalte werden meist in
Form von 3D Objekten auf Tablet PCs dar-
gestellt. Diese 3D Objekte beinhalten ver-
schiedene Interaktionsmöglichkeiten wie
Animationen oder Videos zum Thema oder
Texte. So können Schüler das Thema nach
und nach erkunden und sich so viel Zeit
nehmen wie benötigt, um den Inhalt zu
verstehen. Um InnoClass im Unterricht zu
verwenden, benötigt die Schule iPads und
eine stabile Internetverbindung. Bei der
Nutzung werden keinerlei persönliche Daten
der Schüler abgefragt, ausschließlich der
Lehrer benötigt einen Nutzer-Account.
Was unterscheidet InnoClass von
anderen digitalen Lernangeboten?
QUERVEL:
QUERVEL: Ein Alleinstellungsmerkmal ist,
dass die Zielgruppe, Lehrkräfte und Schüler,
maßgeblich an der Entwicklung der App,
der Lernthemen und der Inhalte beteiligt
sind. Auf der Webseite von InnoClass kön-
nen Schulen die Themenwünsche für mögli-
che Lernanwendungen mitteilen sowie über
Themenvorschläge abstimmen.
Was sind die Vorteile von InnoClass?
QUERVEL:
QUERVEL: Mit InnoClass lernen Schüler
sehr anschaulich. Die Inhalte, die meist in
3D dargestellt sind, werden für Schüler
einprägsam, da sie um die Objekte herum
gehen, mit ihnen in Interaktion treten kön-
nen. So ist es beispielsweise möglich, für
das Auge unsichtbare physikalische Prozes-
se oder gefährliche chemische Reaktionen
im Klassenraum sichtbar zu machen.
Soll/kann InnoClass perspektivisch den
’analogen’ Unterricht ersetzen?
QUERVEL:
QUERVEL: InnoClass soll den wertvollen
analogen Unterricht nicht ersetzen, sondern
anreichern. Es kann ideal dafür genutzt
werden, eine Unterrichtsreihe zu einem
bestimmten Thema abzuschließen, die Lern-
inhalte nochmals anschaulich für die Schü-
ler darzustellen. InnoClass reichert seine
Lehrinhalte mit analogem Zusatzmaterial
an. Passende Arbeitsblätter und Zusatzma-
terialien gehören zum Paket und erlauben
eine optimale Verzahnung von analogen
und digitalen Inhalten.
Welche Rolle spielt die Lehrkaft in einer
Unterrichtseinheit mit InnoClass und
wie läuft die Vorbereitung?
QUERVEL:
QUERVEL: Die Lehrkräfte steuern den In-
noClass Unterricht, sie wählen das Thema
aus, stellen den Schülergruppen iPads zur
Verfügung und ermöglichen ihnen Zugang
zu InnoClass mittels vorinstallierter App und
Zugangscode für den Lerninhalt. Das ergän-
zende Lernmaterial steht zum Download zur
Verfügung und kann vom Lehrer digital als
PDF oder als Druck ausgegeben werden.
Im persönlichen Gespräch, Telefonat oder
via Skype können Lehrkräfte alles Relevante
zur Nutzung der Lern-App erfahren und er-
fragen. Auch die gemeinsame Erarbeitung
von Lerninhalten ist so möglich. Auf der
Webseite von InnoClass bekommen Lehr-
kräfte weitere hilfreiche Tipps, wie die App
angewandt wird:
https://innoclass.de/
insider/anleitung
Welche Resonanz erhalten Sie von
Schülern und Lehrern?
QUERVEL:
QUERVEL: InnoClass wird derzeit an über
zwanzig Schulen in Deutschland eingesetzt.
Die Resonanz bei Schülern und Lehrern ist
sehr positiv. Viele Schüler sind begeistert
Foto: Lightfield Studios
Virtual Reality Anwendungen
fließen in Zukunft immer stärker in Unter-
richtsprozesse ein, um komplexe Sachverhal-
te plastisch zu veranschaulichen.
SCHULE & POLITIK
und wünschen sich mehr Lern-Themen für
den Schulalltag. Sie wollen die App nicht
nur im Schulunterricht benutzen, sondern
auch außerhalb der Schule zum Nachlernen
eines Themas. Lehrkräfte bewerten es als
positiv, dass sie an InnoClass und Lerninhal-
ten mitarbeiten können. Viele Lehrkräfte
sind inzwischen fester Teil des bestehenden
InnoClass Netzwerkes.
Ist die Nutzung von InnoClass für die
Schulen kostenpflichtig? Welche Ver-
pflichtungen geht eine Schule ein, die
InnoClass einsetzt?
QUERVEL:
QUERVEL: InnoClass ist zurzeit nicht kos-
tenpflichtig, da es sich noch in der Weiter-
Entwicklungsphase befindet. Die Schule
geht keine Verpflichtungen ein, erklärt sich
lediglich dazu bereit, InnoClass im Unter-
richt zu testen, Feedback zu geben.
Welche Trends sehen Sie?
QUERVEL:
QUERVEL: Der Trend zeigt, dass sich Virtu-
ell Reality im Lernumfeld immer mehr
durchsetzt, und dass sich die Art und Weise
der Wissensaneignung in den nächsten Jah-
ren verändern wird. Lehrkräfte werden nicht
durch Technologie ersetzt, sondern das Be-
rufsbild einer Lehrkraft verändert sich. Tech-
nologien wie Augmented und Virtual Reality
sowie Künstliche Intelligenz werden in Lern-
prozesse einfließen, um diese effizienter zu
gestalten und zu verbessern. Es geht darum,
analoges und digitales Lernen effektiv zu
kombinieren. Dabei kommt es mehr denn je
auf die Lehrkräfte an.
Foto: Céline Quervel/innoclass.de
Besuch in London inklusive Big-Ben-Besichtigung auf dem Tablet mit InnoClass.
Ferdinand Kümmertsich
lehrer nrw ·
1/2020
24
KOLUMNE
»Ich hoffe, Herr Kümmertsich, Sie haben über den Streich von
Kevin-Ole und Shirley-Charleen auch eine Aktennotiz angefertigt.«
»Aber natürlich.«
»Wir wollen doch alles ganz genau festhalten
und nachher entscheiden, ob es sich um eine …«
ch ja, diese Schulleiter … Nur manchmal fragt
man sich, wofür man diese ganzen Akten
eigentlich schreibt. Genau, damit im Falle ei-
nes Falles die Rechtsabteilung einer Bezirksregierung
diese Akte auseinandernimmt und schaut, ob alles auch
einem guten Handlungsstrang folgt. Und die guten Lehrerinnen
und Lehrer professionell wie ein Jurist auch die rechten Worte
gewählt haben. Und bevor es zum ersten Schriftsatz kommt, ha-
ben Kevin-Ole und Shirley-Charleen bereits die Schule verlassen
und sich an einer anderen Schule angemeldet. Dort sitzen sie
nun brav vor der neuen Schulleiterin und erzählen Geschichten,
die selbst Baron von Münchhausen vor Neid erblassen lassen.
Und die Schulleiter hören angeregt zu und freuen sich über die
braven neuen Kinder.
Jetzt fragt sich jeder normale Bürger, wie kann das denn sein?
Es gibt doch eine Schulakte, und da wurde doch alles so ausführ-
lich dokumentiert. Ja, die gibt es! Aber diese Akte darf die alte
Schule nicht verlassen. Es darf keine Kopie erstellt werden, und
Einblick darf auch nicht genommen werden.
Und so nimmt die Schulleiterin brav die beiden Kinder an –
trotz drei vorhandener Akten an der alten Schule, acht Ord-
nungsmaßnahmen und unzähligen pädagogischen Maßnahmen.
Denn mit der Annahme an der neuen Schule zählen die alten Fäl-
le nicht mehr. Die Kinder starten mit einer blütenweißen Weste.
Die Kolleginnen und die Kollegen der neuen Schule verzweifeln
an dem Verhalten und bitten die Schulleitung um Hilfe, aber
auch diese ist hilflos, und so startet der Bürokratiewahnsinn von
vorne. Dokumentieren, dokumentieren, dokumentieren … und
wozu? Für die Tonne!
Dieses System hilft keinem Kind, keiner Lehrerin, keinem Leh-
rer, keinem Schulleiter, keiner Schulleiterin und der Rechtsabtei-
lung auch nicht.
Liebes Ministerium, ich sage es kurz und deutlich: Hier ist
sofort Handlungsbedarf! Lasst den unnützen Kram beiseite
und guckt, dass alle Schulen transparent arbeiten dürfen!
Euer alter Kollege
Ferdinand Kümmertsich
Akten, Akten
und nichts
als Akten
Der Kollege Ferdinand Kümmertsich ist gestählt durch unzählige Schlachten in Konferenzen,
Bezirksregierungsbüros und Elternsprechtagen. Mit reichlich Berufs- und Lebenserfahrung aus-
gestattet, blickt er mit einem Augenzwinkern auf den ganz normalen Wahnsinn des Systems Schule.
Akten, Akten
und nichts
als Akten
Romantisches
Frankenland
1.Tag:
Fahrt nach Würzburg ab Paderborn/Airport-
Hotel um 8:00 Uhr und Düsseldorf/Hbf ge-
gen 10:30 Uhr. Zwischenstopp zur individu-
ellen Besichtigung von ’Kloster Bronnbach’
(Nähe Würzburg). Bei rechtzeitiger Ankunft
können Interessenten an einer Führung um
14:30 Uhr teilnehmen. Weiterfahrt nach
Würzburg und Bezug der Zimmer im Hotel
Walfisch, direkt am Main gelegen. Abend-
essen im Hotel.
2. Tag:
9:30 Uhr: Kleinbahnfahrt durch Würzburg
mit Residenzbesuch und Hofgarten. Mit-
tagspause. Besuch am Nachmittag: Fes-
tung, Marienberg und Käppele. Anschlie-
ßend Abendessen im Nikolaushof.
3. Tag:
10:30 Uhr: Fahrt nach Rothenburg ob der
Tauber. Unterwegs Stopp in Creglingen/Rie-
menschneider Altar. Check-in im Hotel Rap-
pen. Nachmittags: Geführter Gang durch
Rothenburg inklusive St. Jakobskirche, etwa
zwei Stunden. Abend zur freien Verfügung.
4. Tag:
Tagesfahrt ’Hohenloher Land’ mit Füh-
rung/Erklärungen. 9:30 Abfahrt Hotel Rap-
pen. Besichtigung Schloss Langenburg, das
hoch über dem Jagsttal gelegen ist. An-
schließend Fahrt nach Schwäbisch Hall und
Mittagspause von etwa 12:30 bis 14:30
Uhr. Danach Stadtführung in Schwäbisch
Hall mit der historischen Altstadt mit
Marktplatz. 16:00 Rückfahrt nach Rothen-
burg. Um 18:40 Spaziergang zum Weingut
Glocke mit Weinprobe ’Franken’, fünf Pro-
ben bis Auslese und Vesperbrot.
5. Tag:
Optionale Museumsbesuche in Rothen-
burg oder Landschaftsgärten oder weitere
Themenführung. Mittagspause. Nachmit-
tag zur freien Verfügung.
6. Tag:
Rückreise nach Paderborn und Düsseldorf
(eventuell umgekehrt).
INFOS
Web: www.lehrernrw.de/verband/
senioren/ exkursionsplanungen.html
Anmeldung:
Joamar-Reisen, Frau
Klüber-Figge, E-Mail: info@Reisen-Joamar
Telefon 0 52 51/6879990
DIE NÄCHSTEN FORTBILDUNGEN FÜR SENIOREN IN KÜRZE
2. März:
Fortbildung: ’Für den Kopf das Beste’
20. März:
Fortbildung: ’Bewegung und
Entspannung’
22. bis 24. April:
IT-Fortbildung: ’Besonderheiten bei
Office 2019 und bei Gimp’
Anmeldung für alle Fortbildungen über die Geschäftsstelle unter Telefon 02 11/1640971 oder E-Mail info@lehrenrw.de
Die große Fahrt der
lehrer nrw
-Senioren führt vom 14. bis
19. April 2020 ins romantische Frankenland mit Stationen
in Würzburg und Rothenburg ob der Tauber. Geplant sind
Besuche von interessanten Orten der ’romantischen
Straße’ mit Burgen und malerischen Innenstädten.
Hier ein Kurzüberblick über das Programm.
Die Marienfeste in Würzburg
gehört zu den Stationen auf der Fahrt der
lehrer nrw
-Senioren durchs Frankenland.
SENIOREN
25
1/2020 ·
lehrer nrw
Foto: privat
lehrer nrw ·
1/2020
26
FORTBILDUNGEN
Gesunder Rücken,
gesunder Mensch
»Was kann ich für mich tun?« Diese Frage sollten sich Lehrerinnen und Lehrer viel öfter stellen.
In diesem Sinne bietet
lehrer nrw
eine Fortbildung zur Gesundheitsprävention an: ’Innere und
äußere Balance für einen gesunden Rücken’.
I
I
n diesem Seminar werden verschiede-
ne Faktoren erläutert, die einen Ein-
fluss auf unsere innere und äußere
Haltung sowie mögliche Schmerzen ha-
ben. Eine Auswahl von Kräftigungs-, Ba-
lance-, Entspannungs-, Achtsamkeits- und
Koordinationsübungen sollen den Teilneh-
menden Möglichkeiten aufzeigen, wie sie
im Alltag ohne viel Aufwand ihre innere
und äußere Balance wieder herstellen und
dadurch ihre eigene Strategie für einen
’gesünderen Rücken’ entwickeln können.
Die Seminarleiterin Sabine Robbers ist
Gesundheitscoach, Physiotherapeutin und
Heilpraktikerin mit langjähriger Berufs-,
Weiterbildungs-, Menschen- und Lebens-
erfahrung. Sie bringt nicht nur fundiertes
medizinisches Fachwissen, sondern auch
einen ’Koffer’ voller Techniken und Metho-
den mit.
KURZINFO
Titel: ’Innere und äußere Balance für einen gesunden Rücken’
Referentin: Sabine Robbers, Gesundheitscoach
Termin: Freitag, 24. April 2020, 10:00 bis 15:00 Uhr
Ort: Ringhotel Drees | Hohe Straße 107 | 44139 Dortmund
Kosten: 120 Euro für
lehrer nrw
-Mitglieder, 170 Euro für sonstige Teilnehmer
Anmeldung: Bis 13. März 2020 unter www.lehrernrw.de/fortbildungen
Seminar-Nr.: 2020-0424
Für die Bewirtung mit Speisen und Getränken sorgt
lehrer nrw
. Die Übernahme von
Fortbildungskosten können die Teilnehmenden an ihren Schulen beantragen. Reise-
kostenanträge können Sie auf dem Dienstweg bei Ihrer Bezirksregierung einreichen.
Foto: AdobeStock/Yeti Studio
Rückenschmerzen können
den (Berufs-)Alltag zur Qual machen.
Wie man Abhilfe schafft und die innere und äußere
Balance wiederherstellt, erfahren die Teilnehmer
der
lehrer nrw
-Fortbildung am 24. April.
27
1/2020 ·
lehrer nrw
FORTBILDUNGEN
Seminar-
Nr.
Titel
Thema
Wann
Uhrzeit
Wo
Referenten
Kurzinhalt
Gebühr
Mitglied
Gebühr
Nicht-
mitglied
Anmelde-
schluss
2020-0309
Elterngespräche
erfolgreich führen
Kommuni-
kation und
Zusammen-
arbeit
Montag
09.03.2020
09:00 bis
16:00 Uhr
Ringhotel Drees
Hohe Straße 107
44139 Dortmund
Dorthe
Leschni-
kowski-
Bordan
Ziel der Veranstaltung ist es, auch schwierige Elternge-
spräche souverän, zielorientiert und erfolgreich führen zu
können. Dazu ist es erforderlich, unterschiedliche ’Eltern-
typen’ und die damit verbundene Motivation zu erkennen
und eigene Kommunikationsstrategien zu entwickeln.
130
180
12.02.2020
2020-0311
Sicheres Auftreten in
Stressmomenten für
junge Lehrerinnen
und Lehrer
Fortbildung
für junge
Lehrkräfte
Mittwoch
11.03.2020
15:00 bis
18:00 Uhr
GDL Sitzungsraum
1. OG
Graf-Adolf-Straße 84
40210 Düsseldorf
Lars
Konieczny
Ihre pädagogische Werkzeugkiste bekommt neue Tools in
dieser Fortbildung, aber nur wenn SIE wollen.
50 70 14.02.2020
2020-0318
Recht im Schulalltag –
Speziell für Berufs-
anfängerinnen und
-anfänger
Fortbildung
für junge
Lehrkräfte
Mittwoch
18.03.2020
15:00 bis
18:00 Uhr
GDL Sitzungsraum
1. OG
Graf-Adolf-Straße 84
40210 Düsseldorf
Christopher
Lange,
Sarah
Wanders
Junge Kolleginnen und Kollegen sind mit Rechtsfragen oft
überfordert. Die Fortbildung beantwortet die wichtigsten
Fragen aus dem Schulalltag.
25 50 19.02.2020
2020-0323
Lehrer-Präsenz
und Classroom
Management
Stärkung
Lehrer-
persönlich-
keit
Montag
23.03.2020
09:00 bis
16:30 Uhr
Leonardo Hotel Köln
Waldecker Straße 11-15
51065 Köln
Gabi
Schmidt
Präsenz, Körpersprache und Ausstrahlung als Tor zur Auf-
merksamkeit der Schülerinnen und Schüler, Präsenz und
Achtsamkeit als Psychoprophylaxe, Präsenz als elementa-
rer Faktor für eine offene Lernatmosphäre und eine gute
Schüler/Lehrer-Beziehung
130
180 12.02.2020
2020-0331
Lernfreude wecken
und wachhalten
Arbeits-
organisation
und
-techniken
Dienstag
31.03.2020
09.00 bis
16:00 Uhr
Intercity Hotel
Düsseldorf
Graf-Adolf-Straße 81-87
40210 Düsseldorf
Heike
Loosen
In dieser Fortbildung erfahren Sie, wie Sie die Lernfreude
und Leichtigkeit bei Ihren Schülern wieder hervorrufen
und wachhalten können.
130 180 18.02.2020
2020-0401 Abhängigkeits-
erkrankungen
Jugend-
psychologie
Mittwoch
01.04.2020
14:00 bis
18:00 Uhr
GDL Sitzungsraum
1. OG
Graf-Adolf-Straße 84
40210 Düsseldorf
Alles Sucht oder was? Vom ’Whatsappen’ zum Kiffen, ein
kurzer Weg?
60 90 11.03.2020
2020-0402 »Das geht doch gar
nicht?! – Und ob!«
Entspannungsinseln im
Schulalltag, die wirklich
funktionieren
Gesundheits-
prävention
Donnerstag
02.04.2020
09:00 bis
16:30 Uhr
Intercity Hotel
Düsseldorf
Graf-Adolf-Straße 81-87
40210 Düsseldorf
Gabi
Schmidt
Hilfe in stressigen Zeiten: Vielfältige Tipps und Inspiratio-
nen, wie Lehrkräfte im laufenden Unterrichtsalltag mit ih-
ren Kräften besser haushalten können – Ideensammlung
für Mini-Pausen und Achtsamkeitsübungen während der
Schulstunden und dazwischen, Entspannungsübungen für
Körper, Geist und Stimme für zu Hause
130 180 20.02.2020
2020-0422
’Was gibt es noch alles
in Office 2019?’ – IT-
Schulung für Senioren
Internet und
Social Media
Mi. bis Fr.
22.04. bis
24.04.2020
14:00 bis
13:00 Uhr
dbb akademie
An der Herrenwiese 14
53639 Königswinter
Pia
di Lauro
Word, Excel, Power Point und OneDrive (Vertiefung). Bild-
bearbeitung mit Gimp und interessante Windows 10 Apps.
150 200 11.03.2020
2020-0424
Innere und äußere
Balance für einen
gesunden Rücken
Gesundheits-
prävention
Freitag
24.04.2020
10:00 bis
15:00 Uhr
Ringhotel Drees
Hohe Straße 107
44139 Dortmund
Sabine
Robbers
Eine Auswahl von Kräftigungs-, Balance-, Entspannungs-,
Achtsamkeits- und Koordinationsübungen soll den Teilneh-
menden Möglichkeiten aufzeigen, wie sie im Alltag ohne
viel Aufwand ihre innere und äußere Balance wieder her-
stellen und dadurch ihre eigene Strategie für einen ’gesün-
deren Rücken’ entwickeln können.
120 170 13.03.2020
lehrer nrw ·
1/2020
28
Pflege geht
ins Geld
Die Beiträge zur privaten Pflegepflichtversicherung
sind zum Jahreswechsel teils drastisch erhöht worden.
Wir geben Antworten auf die häufigsten Fragen.
S
S
eit dem 1. Januar 2020 müssen viele
Versicherte für ihre private Pflege-
pflichtversicherung sprunghaft ange-
stiegene Beiträge bezahlen. Dies betrifft
sehr viele Lehrerinnen und Lehrer, denn ver-
beamtete Lehrkräfte sind regelmäßig und
einige angestellte ausnahmsweise privat
kranken- und pflegeversichert.
Zum Jahreswechsel ändern sich immer
wieder Rechtsnormen mit mehr oder weni-
ger praktischen Auswirkungen für die Bür-
ger. Je nachdem, um welchen Lebensbe-
reich es geht, finden diese Änderungen
größere, kleinere oder überhaupt keine
Beachtung. Bei der Pflegepflichtversiche-
rung handelt es sich um eine Thematik,
der der einzelne Versicherte meistens keine
Beachtung schenken muss, zumindest, was
ihn selbst betrifft. Denn mit den Leistungen
aus dieser Versicherung wird der Einzelne
regelmäßig erst dann konfrontiert, falls er
pflegebedürftig wird, was in der Regel erst
– wenn überhaupt – im höheren Alter pas-
siert.
Beitragserhöhung bis
zu vierzig Prozent
Ist es daher nicht erstaunlich, dass die Bei-
tragserhöhungen für die Pflegepflichtversi-
cherung eine solch starke Beachtung fin-
den? Nein, denn die Erhöhungen fallen
oftmals massiv aus und bewegen sich in
Sprüngen, die man von anderen Versiche-
rungsarten bzw. von Preis-, Gehalts- oder
Die wichtigsten
Fragen und
Antworten zur
aktuellen Situation:
?
?
Kann der einzelne Versicherungs-
nehmer im Wege des Widerspruchs
gegen die Beitragsanpassung vorge-
hen? Oder gibt es wegen der Beitrags-
anpassung ein Sonderkündigungsrecht,
wie es oftmals bei Änderungen anderer
Verträge besteht?
Ein Widerspruch gegen die Erhöhungen der
Beiträge ist nicht möglich. Auch ein Sonder-
kündigungsrecht existiert nicht. Grund dafür
ist, dass es sich bei der Pflegepflichtversi-
cherung um eine verpflichtende, alternativ-
lose Versicherung handelt.
?
?
Aber wenn man gar keine Leistun-
gen beansprucht hat, muss man
doch nicht mehr zahlen, oder?
Doch, das ist so. Bei der Pflegepflichtversi-
cherung kommt es nicht auf das Maß der
Inanspruchnahme von Leistungen durch
den einzelnen Versicherungsneh-
mer an, stattdessen geht
es um die Leis-
tungen des
RECHT
§
AUSLEGER
von CHRISTOPHER LANGE
Foto: AdobeStock/alexlmx
Gebührenzuwächsen nicht kennt. Bei der
aktuellen Beitragssteigerung in der privaten
Pflegepflichtversicherung wird beispielswei-
se von Aufschlägen von vierzig Prozent mo-
natlich berichtet. Mag die nominale Erhö-
hung von 13 Euro in dem berichteten Fall
einer Pensionärin auch nicht allzu hoch er-
scheinen, ist die prozentuale Steigerung
durchaus bemerkenswert.
Böse Überraschung:
Die private Pflegepflichtversi-
cherung kostet seit dem
Jahreswechsel sehr viel mehr.
29
1/2020 ·
lehrer nrw
Versichertenkollektivs, das heißt aller Versi-
cherten im Durchschnitt. Auf der anderen
Seite werden die Beiträge des Einzelnen
nicht dadurch beeinflusst, dass er im Lauf
der Zeit pflegebedürftig wird.
?
?
Kann der Beitrag aber zumindest
reduziert werden? Bei privaten
Krankenversicherungen ist es doch
schließlich auch möglich, Beitrags-
senkungen zu vereinbaren.
Nein, das ist nicht möglich. Denn die Leis-
tungen der Pflegepflichtversicherung sind
gesetzlich vorgeschrieben und für jeden
Versicherten identisch. Bei der privaten
Krankenversicherung dagegen kann der
Leistungsumfang grundsätzlich verändert
werden, so dass auch die Beiträge variieren
können.
In einer Konstellation kann jedoch eine
Beitragsbegrenzung in Frage kommen: Da-
zu müssen beide Ehepartner aktuell privat
pflegepflichtversichert sein, mindestens ei-
ner der beiden Ehepartner muss zudem seit
dem 1. Januar 1995 ununterbrochen
privat pflegepflichtversichert
sein, und das monatliche Gesamteinkom-
men eines Partners darf nicht 455 Euro
überschreiten. Dann zahlen die Ehegatten
zusammen maximal 150 Prozent des
Höchstbetrages zur gesetzlichen Pflege-
versicherung.
?
?
Warum kommt es denn überhaupt
zu Beitragsanpassungen?
Beiträge der Pflegepflichtversicherung stei-
gen dann, wenn zwei Indikatoren eine An-
passung notwendig machen. Entweder die
allgemeine Lebenserwartung unterscheidet
sich von der bislang angenommenen um
mindestens fünf Prozent, oder die tatsäch-
lichen Leistungsausgaben weichen von den
vorausberechneten Ausgaben um mindes-
tens fünf Prozent ab. Bei der aktuellen jähr-
lichen Überprüfung wurde eine relevante
Differenz zwischen den Leistungsausgaben
und der ursprünglichen Kalkulation festge-
stellt.
In der sozialen Pflegeversicherung der
gesetzlichen Krankenkassen wurden die
Beiträge übrigens schon ab 2015 in zwei
Stufen stark erhöht.
?
?
Und warum sind die Leistungs-
ausgaben so stark gestiegen?
Die Zahl der Menschen in unserer Gesell-
schaft, die pflegende Unterstützung ande-
rer benötigen, und die damit zusammen-
hängenden Kosten steigen in den letzten
Jahren immer mehr an. Die Pflegereform,
schrittweise umgesetzt durch die Pflege-
stärkungsgesetze von Anfang 2015 und
von Anfang 2017, hat dafür gesorgt,
dass die Leistungen für die ambulante
und die stationäre Pflege in fast allen
Pflegegraden angehoben wurden. Aber
auch die Zahl derjenigen, die Leistungen in
Anspruch nehmen können, wurde vergrö-
ßert. So bekommen zum Beispiel Angehöri-
ge mehr Unterstützung, und es werden
nicht nur Personen mit körperlichen, son-
dern auch mit kognitiven oder psychischen
Beeinträchtigungen berücksichtigt.
All diese Verbesserungen haben ihren
Preis.
RECHT
§
AUSLEGER
Christopher Lange leitet die Rechtsabteilung
des
lehrer nrw
E-Mail: Rechtsabteilung@lehrernrw.de
lehrer nrw ·
1/2020
30
ANGESPITZT
H
H
ätten Sie’s gewusst? 33 Prozent der
Deutschen essen an Heiligabend
Würstchen mit Kartoffelsalat. In
Deutschland gibt es zwölf Millionen
Kinder – und ebenso viele Hauskatzen.
Der Durchschnittsdeutsche verspeist 93
Tafeln Schokolade pro Jahr. Die 500 Mil-
lionen Kilowattstunden Strom, die hier-
zulande alljährlich in Weihnachtsdeko-
rationen fließen, könnten 140 000
Haushalte ein Jahr lang versorgen. Au-
ßerdem hat jeder zehnte Deutsche ein
Tattoo.
Wozu das gut ist? Zu nichts. Dies ist
eine wahllos aus dem Internet zusam-
mengeklaubte Zusammenstellung von
ebenso skurrilen wie sinnlosen Statisti-
ken. Eine skurrile Statistik legte Ende
2016 auch die damalige Schulministerin
Sylvia Löhrmann vor. Demnach lag der
Anteil der ersatzlos ausgefallenen Un-
terrichtsstunden für alle teilnehmenden
Schulformen im Schuljahr 2015/2016
durchschnittlich bei 1,8 Prozent. Bei
Schülern, Eltern und Lehrern schwank-
ten die Reaktionen damals zwischen Er-
heiterung und Fassungslosigkeit. Dieser
1,8-Prozent-Wert basierte auf Stichpro-
ben und war damit nicht nur in den Au-
gen diplomierter Mathematiker und
promovierter Stochastiker, nun ja, ein
wenig optimistisch.
Die neue Landesregierung macht na-
türlich alles besser. Denn jetzt kommt –
Achtung! – die ’Flächendeckende Un-
terrichtsaufallstatistik mit Detailerhe-
bung’. Da bleibt kein Minütchen Lehrer-
abwesenheit unter dem Statistik-Radar.
Darum lag der landesweite Unterrichts-
ausfall im ersten Schulhalbjahr 2018/
2019 über alle Schulformen hinweg bei
4,8 Prozent. Klingt geringfügig realisti-
scher.
Nicht in der amtlichen Statistik er-
fasst sind ein paar andere Werte, die
unserer Redaktion von interessierten
Kreisen zugespielt wurden:
98,2 Prozent der Schüler finden, dass
eher zu viel als zu wenig Unterricht
erteilt wird.
98,7 Prozent der Eltern sind in
diesem Punkt anderer Meinung
als ihre Kinder.
100 Prozent der Lehrkräfte meinen,
dass man mit einer ausreichenden
Personalausstattungsquote und einer
angemessenen Vertretungsreserve
gar nicht über Unterrichtsausfall-
statistiken reden müsste.
Jochen Smets
Kartoffelsalat und Unterrichtsausfall
HIRNJOGGING
31
1/2020 ·
lehrer nrw
Wort-Suchübung
Bärenstarke Adjektive
In diesem Suchrätsel sind zehn Wörter versteckt.
Die Wörter lauten: 1. SCHREIBTISCHLAMPE 2. WASCHBECKEN
3. KAFFEETASSE 4. SANDKASTEN 5. COMPUTER 6. SCHULE
7. KAFFEE 8. RASEN 9. BAUM 10. AUTO
Neben der normalen Steigerung durch Komparativ und Superlativ
kann man die Bedeutung von Adjektiven auch verstärken, indem
man neue Zusammensetzungen mit Nomen, anderen Adjektiven
oder Verben bildet.
Das ist so glasklar, dass ich Ihnen das nicht weiter erklären muss.
Bevor Sie jetzt denken, dass das eine staubtrockene Aufgabe wäre,
probieren sie es aus. Es ist kinderleicht! Pfeilschnell werden Sie Ad-
jektive finden, die einen Sachverhalt punktgenau beschreiben. Und
am Ende werden Sie bestimmt quietschvergnügt sein.
Finden Sie Verbindungen aus Adjektiven und anderen Begriffen,
die das ursprüngliche Adjektiv steigern. Dabei ist es oft gar nicht so
leicht zu entscheiden, ob es sich bei der Wortschöpfung wirklich um
eine Steigerung handelt oder nur um eine genauere Spezifizierung.
’Moosgrün’ ist bestimmt nur eine Beschreibung. ’Knatschgrün’ eine
Steigerung!
Zusatzaufgabe: Finden Sie Begriffe, die nur ein einziges Adjektiv
steigern? ’Bitter-’ passt zum Beispiel vor viele Adjektive (bitterkalt,
bitterarm…). Dagegen passt ’splitterfaser-’ nur vor welches Adjektiv?
AUFGABE 1:
AUFGABE 2: