3
Unter der Lupe
Medien machen
Meinung
10
Magazin
Sozialwissen-
schaften –
ein Plädoyer
15
Dossier
… und nun
funktioniert
alles digital?
6
Im Brennpunkt
Sicherheit in
unsicheren Zeiten
Schulen im 2. Halbjahr
Wie geht
es weiter?
Pädagogik & Hochschul Verlag
.
Graf-Adolf-Straße 84
.
40210 Düsseldorf · Foto: AdobeStock
1781 | Ausgabe 1/2021 | FEBRUAR | 64. Jahrgang
INHALT
lehrer nrw ·
1/2021
2
UNTER DER LUPE
Sven Christoffer:
Medien machen Meinung
3
BRENNPUNKT
Sarah Wanders:
Sicherheit in unsicheren Zeiten
6
JUNGE LEHRER NRW
Marcel Werner:
Lehrerausbildung auf Distanz
8
MAGAZIN
Land übernimmt Kosten für
ausgefallene Klassenfahrten
9
Infos zur Pandemie-Lage
an den Schulen
9
Im Beirat der Projektgruppe Schulaufsicht 9
Olaf Korte: Sozialwissenschaften
– ein Plädoyer
10
TITEL
Carl Bossard: »Franz, du schaffst das!« 12
DOSSIER
und nun funktioniert alles digital? 15
BATTEL HILFT
Meinungsunfreiheit 19
SCHULE & POLITIK
Ulrich Gräler: dbb-Jahrestagung:
Systemrelevant 20
Jochen Smets: Antrag mit Luft nach oben
22
Judith Borowski:
Von Jugendlichen für Jugendliche
23
LESERBRIEF
Oliver van Well: Wir schützen das
Curriculum, nicht die Menschen
24
KOLUMNE
Ferdinand Kümmertsich:
Marsch, marsch, vor die Cam
26
SENIOREN
In eigener Sache 27
Trauer um Adolf ‘Roy’ Deimann 27
RECHT
§
AUSLEGER
Christopher Lange:
»Das geht nicht!« Oder doch?
Die Corona-Schutzmaßnahmen im
Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
28
ANGESPITZT
Jochen Smets: Crashkurs
in Sachen Multitasking
30
HIRNJOGGING
Aufgabe 1: Logisches Denken
mit Wochentagen
Aufgabe 2: Suchsel: Gut für das Gehirn
31
IMPRESSUM
lehrer nrw
– G 1781 –
erscheint sieben Mal jährlich
als Zeitschrift des
‘lehrer nrw’
ISSN 2568-7751
Der Bezugspreis ist für
Mitglieder des
‘lehrer nrw’
im Mitgliedsbeitrag enthal-
ten. Preis für Nichtmitglieder
im Jahresabonnement:
35,– inklusive Porto
Herausgeber und
Geschäftsstelle
lehrer nrw
Nordrhein-Westfalen,
Graf-Adolf-Straße 84,
40210 Düsseldorf,
Tel.: 0211/1640971,
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Web: www.lehrernrw.de
Redaktion
Sven Christoffer,
Ulrich Gräler,
Christopher Lange,
Jochen Smets,
Sarah Wanders,
Marcel Werner
Düsseldorf
Verlag und
Anzeigenverwaltung
PÄDAGOGIK &
HOCHSCHUL VERLAG
dphv-verlags-
gesellschaft mbH,
Graf-Adolf-Straße 84,
40210 Düsseldorf,
Tel.: 0211/3558104,
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Zur Zeit gültig:
Anzeigenpreisliste Nr. 21
vom 1. Oktober 2020
Zuschriften und
Manuskripte nur an
lehrer nrw
,
Zeitschriftenredaktion,
Graf-Adolf-Straße 84,
40210 Düsseldorf
Für unverlangt eingesandte
Manuskripte kann keine Ge-
währ übernommen werden.
Namentlich gekennzeichnete
Beiträge geben die Meinung
ihrer Verfasser wieder.
Medien machen
Meinungen
Im Frühjahr 2020 hatte ich in unserer Verbands-
zeitschrift die Hoffnung geäußert, dass der enor-
me Einsatz der Lehrkräfte im Distanzlernen das Leh-
rerbild in der Öffentlichkeit nachhaltig verbessern würde.
Knapp ein Jahr später muss man sagen, dass sich dieser
Wunsch nicht wirklich erfüllt hat. Und das liegt nicht zuletzt an der
Berichterstattung in den Medien.
I
I
m Mai 2020 bezeichnete der Moderator Frank
Plasberg in seiner TV-Sendung ’Hart aber fair’ en-
gagierte Lehrkräfte als »Exoten im Übungsblatt-
zeitalter«. Er ätzte, dass er bei den Lehrern nicht den
Eindruck gehabt habe, »dass sie es so eilig haben,
den Präsenzunterricht wieder stattfinden zu lassen«.
Auch kritisierte Plasberg, dass viele Lehrkräfte den
Brückentag zu Himmelfahrt nahmen – anstatt als
Symbol dennoch zu unterrichten. Immer wieder kon-
frontierte er den VBE-Bundesvorsitzenden Udo Beck-
mann mit Zuschriften erboster Eltern, nach denen
Lehrkräfte im Distanzlernen nicht erreichbar gewe-
sen seien oder sich nicht genügend um ihre Schüler
gekümmert hätten. Das war nicht hart aber fair, son-
dern populistisch und unfair.
Das Skandalisieren des Einzelfalls
ist quotenwirksam
Die Sendung ist ein Paradebeispiel dafür, dass sich
Medien vom Skandalisieren des Einzelfalls eine bes-
sere Quote versprechen als von einer sachlichen Be-
richterstattung. Der überwiegende Teil der Lehrer-
schaft hat nach dem Lockdown im Frühjahr mit viel
Engagement und Improvisationstalent die Bildungs-
arbeit in unserem Land aufrechterhalten. Dieser Um-
stand war aber offensichtlich nicht spektakulär ge-
nug, um medial gewürdigt zu werden.
Als sich Familienminister Joachim Stamp im Som-
mer zu der Aussage verstieg, dass manche Lehrer
abgetaucht seien und es sich im Lockdown etwas
bequemer eingerichtet hätten, stürzte sich die
Medienlandschaft auf dieses unsägliche Lehrer-
Bashing. Schnell war der Bogen gespannt zu Alt-
kanzler Schröder, der Lehrer seinerzeit als »faule
Säcke« bezeichnet hatte. Es ging unter, dass Stamp
im gleichen Atemzug Folgendes geäußert hatte: »Ich
habe erlebt, dass es unglaublich viele Lehrerinnen
und Lehrer gab, die mit sehr, sehr viel Kreativität ver-
sucht haben, diese schwierige Phase zu überwinden
und wirklich auch mit täglichem Kontakt die Schüle-
rinnen und Schüler weiter zu unterrichten und die
Lerninhalte zu vermitteln.« Für die Medien war es
aber offensichtlich zielführender, gängige Lehrer-
klischees zu transportieren…
»Die Lehrer müssen einsehen,
dass in der Krise ein Extrabeitrag
notwendig ist«
So lautete der Titel eines Kommentars im Handels-
blatt vom 15. November 2020, in dem der Autor for-
derte, die Schulen um jeden Preis offen zu halten.
Dem Journalisten drängte sich der Verdacht auf, dass
hinter Lehrerverbandsfunktionären, die Schulschlie-
ßungen forderten, »nicht nur um ihre Gesundheit
besorgte Lehrer stehen, sondern auch solche, denen
der ganze Aufwand mit den Masken und der Lüfterei
in den Klassenzimmern schlicht zu viel ist.« Lehrer
sollten helfen, das Ansteckungsrisiko zu minimieren,
indem sie mehr arbeiteten: Klassen könnten geteilt
und je zur Hälfte vormittags und nachmittags unter-
richtet werden. Teilzeitkräfte sollten kurzfristig in
Vollzeit gehen: »Würde nur ein kleiner Teil unserer
ausgesprochen gut bezahlten Lehrer sich dazu be-
reitfinden, bis zum Ende der Pandemie ihr Deputat
aufzustocken – der Dank und Respekt der Republik
wären ihnen gewiss
Der gesamte Artikel besteht aus haltlosen Unter-
stellungen, bedient populistische Vorstellungen und
ist von Unkenntnis in der Sache geprägt. Viel-
3
1/2021 ·
lehrer nrw
UNTER DER LUPE
von SVEN CHRISTOFFER
lehrer nrw ·
1/2021
4
UNTER DER LUPE
leicht sollten sich Journalisten einer Wirtschafts- und
Finanzzeitung besser auf Themen fokussieren, in de-
nen sie über die notwendige Expertise verfügen…
Es gibt aber auch
positive Beispiele
Beim Online-Dienst nordbayern.de bin ich auf einen
Kommentar der Journalistin Christine Thurner gesto-
ßen, der erfreulich differenziert ist und sich wohltu-
end von der üblichen Sensationsberichterstattung
abhebt: »Natürlich gibt es auch unter den Lehrern –
wie in jedem Job – Drückeberger und Faule. Überse-
hen werden die anderen: Die einem Dutzend Kinder
ohne technische Ausstattung jede Woche die Arbeits-
materialien an die Haustür bringen, die im Freundes-
kreis hausieren gehen, um alte Laptops für ihre Schü-
ler aufzutreiben, und die sich mit aller Macht dage-
gen stemmen, dass Corona die soziale Kluft in ihren
Klassen nicht noch vertieft. Die meisten geben unter
schwierigen Bedingungen ihr Bestes
Bei der Kernbotschaft
gekürzt
Im Dezember bin ich von einem Journalisten um
ein Statement für einen Zeitungsartikel zum The-
ma ’Lehrkräfte in der Corona-Krise’ gebeten wor-
den. Meine Kernbotschaft am Ende des State-
ments lautete: Ȁrzte und Pflegepersonal halten
das Gesundheitswesen am Laufen, Lehrkräfte
trotz steigender Infektionszahlen und sinkender
Temperaturen das Bildungswesen. Sie überwinden
Tag für Tag eigene Sorgen und Ängste, um ihren
Schülern Halt und Struktur zu geben. Ich würde
mir wünschen, dass dieser Einsatz in der Öffent-
lichkeit mehr gewürdigt würde.« Ironischerweise
haben viele meiner Aussagen Eingang gefunden
in den Zeitungsartikel, die Kernbotschaft jedoch
nicht. Wahrscheinlich war sie zu wenig skanda-
lös…
Sven Christoffer ist Vorsitzender des
lehrer nrw
sowie Vorsitzender des HPR Realschulen
E-Mail: christoffer@lehrernrw.de
Lehrerbashing statt Wertschätzung:
In den Medien ist es derzeit beliebt, mit dem
Finger der vermeintlichen öffentlichen Meinung
auf Lehrer zu zeigen.
Foto: AdobeStock/alphaspirit
6
BRENNPUNKT
E
E
s ist verständlich, dass das Ministeri-
um für Schule und Bildung zum jetzi-
gen Zeitpunkt keine Antworten auf
alle Fragen zum zweiten Schulhalbjahr ge-
ben kann. Dafür hängt alles zu sehr vom
weiteren Verlauf der Pandemie ab. Dass es
das Ziel ist, möglichst schnell wieder Schü-
lerinnen und Schüler in den Präsenzunter-
richt zurückkehren zu lassen, hat Schulmi-
nisterin Yvonne Gebauer mehrfach klarge-
stellt. Wie diese Rückkehr ausgestaltet
wird, hängt maßgeblich von der Entwick-
lung im Januar und den Entscheidungen
der Ministerpräsidentenkonferenz ab. Wel-
che Modelle denkbar sind, hat das Minis-
von SARAH WANDERS
Wie geht es weiter im zweiten Schulhalbjahr? Konkrete Antwor-
ten auf diese Frage gibt es aus dem NRW-Schulministerium in
vielen Punkten bisher nicht. Dafür hat
lehrer nrw
Lösungsvor-
schläge für einige der drängenden Herausforderungen, die in
den nächsten Wochen und Monaten auf die Schulen zukommen.
Sicherheit in
unsicheren Zeiten
terium bereits vor den Weihnachtsferien
kommuniziert.
Unabhängig von der Frage, nach welchem
Modell die Wiederaufnahme des Schulbetriebs
ab dem 15. Februar 2021 (hoffentlich) erfolgen
wird, müssen wichtige Fragen und Themen
schon jetzt geklärt werden. Das gibt den Leh-
rerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schü-
lern sowie Eltern zumindest ein kleines biss-
chen Planungssicherheit und Verlässlichkeit.
Lernstandserhebungen
aussetzen!
Meiner Ansicht nach sollten die Lernstands-
erhebungen auch in diesem Jahr ausgesetzt
werden. Wenn die Schülerinnen und Schüler
Sicherheit in
unsicheren Zeiten
BRENNPUNKT
7
Schuljahr – erneut nicht zentral für alle
Schülerinnen und Schüler geschrieben wür-
den, sondern durch eine von den Lehrkräf-
ten erstellte Prüfung ersetzt würden. Das
würde dann auch dem individuellen Lern-
stand der Kinder Rechnung tragen, die in
diesem Schuljahr unter vollkommen unter-
schiedlichen – aber immer schwierigen –
Bedingungen lernen mussten.
Im vergangenen Schuljahr hat das MSB
zu Recht auf die Expertise der Lehrerinnen
und Lehrer vor Ort vertraut, die am besten
einschätzen können, wie weit ihre Klasse
ist. So hatten die Schülerinnen und Schüler
die Gelegenheit, einen für ihren weiteren
Lebensweg sehr wichtigen qualifizierten
Abschluss zu machen, ohne gegenüber
den vorangegangenen Jahrgängen benach-
teiligt zu werden. Man darf auch nicht ver-
gessen, dass die Zehntklässler von heute
schon im vergangenen Schuljahr von einem
Lockdown betroffen waren und sicherlich
unter den schwierigen Bedingungen des
ersten Halbjahres auch nicht alle Defizite
lückenlos aufgearbeitet werden konnten.
Sarah Wanders ist stellv. Vorsitzende
des
lehrer nrw
E-Mail: wanders@lehrernrw.de
Foto: AdobeStock/pathdoc
Viele Fragen begleiten die Lehrkräfte
ins zweite Schulhalbjahr.
Das NRW-Schulministerium muss
zeitnah Antworten geben.
wieder in Präsenz unterrichtet werden kön-
nen, sollte die Aufarbeitung von Defiziten
oberste Priorität haben. Jede Stunde Prä-
senzunterricht zählt! Zum anderen ist eine
Vergleichbarkeit der Ergebnisse überhaupt
nicht gegeben. Die Bedingungen in den
Schulen derselben Schulform waren im ers-
ten Schulhalbjahr schon so unterschiedlich,
dass ein Vergleich mit Schulen derselben
Schulform oder desselben Standorttyps gar
nicht möglich bzw. sinnvoll ist – von einer
Vergleichbarkeit zu den Ergebnissen aus
2019 ganz zu schweigen. Außerdem könnte
man die Ressourcen bei den Kolleginnen
und Kollegen, die ohne die stundenlange
Korrektur und Eingabe der Ergebnisse frei
würden, sicherlich gut für die pädagogische
Arbeit nutzen.
Klarheit für Schüler-
betriebspraktika schaffen!
Auch hier kann/muss das Ministerium schon
jetzt Antworten geben. Durch die Verkür-
zung des Praktikums auf eine Dauer von
mindestens einer Woche hat das MSB be-
reits für große Erleichterung bei Schulen,
Eltern und Schülern gesorgt. Trotzdem muss
jetzt zeitnah die Frage geklärt werden, was
passiert, wenn Schülerinnen und Schüler
trotz größter Bemühungen und Unterstüt-
zung durch die Schulen gar kein Praktikum
absolvieren können? Ist es dann tatsächlich
sinnvoll, Berufswahlorientierungstage in
den Schulen zu organisieren, oder sollte
nicht auch diese freigesetzte Zeit für Unter-
richt genutzt werden? Die widrigen Umstän-
de des letzten Jahres dürfen den Schülerin-
nen und Schülern jedenfalls nicht zum
Nachteil gereichen. Hier kann das MSB
schon jetzt handeln und eine große Portion
Druck von allen Beteiligten nehmen.
ZP 10: Der Expertise der
Lehrkräfte vertrauen!
Bereits nach dem ersten Lockdown hat
leh-
rer nrw
klare Forderungen für die Zentralen
Abschlussprüfungen formuliert. Diese Forde-
rungen behalten auch für dieses Schuljahr
ihre Gültigkeit. Eine Verschiebung der ZP 10
um neun Tage verschafft den Schulen ein
wenig Luft. Selbiges gilt für die Erweiterung
des Aufgabenpools. Sinnvoll und eine große
Entlastung aller Beteiligten wäre jedoch,
wenn die Prüfungen – analog zum letzten
lehrer nrw ·
1/2021
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JUNGE LEHRER NRW
Marcel Werner ist Vorsitzender der
Arbeitsgemeinschaft
junge
lehrer nrw
E-Mail: werner@lehrernrw.de
von MARCEL WERNER
Lehrerausbildung
auf Distanz
Die Corona-Pandemie macht Lehramtsanwärterinnen und Lehr-
amtsanwärtern den Einstieg in den Beruf schwer. Wichtige Ele-
mente des Referendariats sind nur noch eingeschränkt möglich.
D
D
er Beruf des Lehrers stellt eine Menge
Anforderungen an diejenigen, die ihn
ausüben. Wir Lehrer müssen Unter-
richtsmethoden, unser pädagogisches Handeln
und unsere Unterrichtsinhalte immer wieder
hinterfragen. Wir haben allerdings genügend
Handwerkszeug an der Seite, um auch durch
die Corona-Pandemie zu kommen und eine ho-
he Unterrichtsqualität zu gewährleisten. Sicher
stellt es uns alle vor neue Herausforderungen,
aber wir bekommen es irgendwie geregelt, da-
mit unsere Schülerinnen und Schüler gut durch
die Zeit des Distanzunterrichts kommen.
Kein direkter Kontakt
zu Schülern
Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es
auch unter uns Lehrern Schüler und Schüle-
rinnen gibt. Ich meine damit unsere Lehr-
amtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter.
Ihnen fehlt noch das Handwerkszeug, das
es ihnen ermöglicht, ihren Unterricht schü-
ler- und handlungsorientiert zu gestalten.
Wichtige Bausteine des Referendariats fal-
len durch die aktuelle Pandemie weg. Ins-
besondere die Chance, Fehler zu machen,
oder sich einfach mal auszuprobieren, zum
Beispiel an unterschiedlichen Methoden,
Ritualen oder Lerninhalten. Schule ist nicht
nur Unterrichtsstätte, sondern auch Lebens-
und Erfahrungsraum. Aber in Zeiten von
Corona lernen unsere Anwärter lediglich ei-
ne Schule kennen, die nicht durch ihre ein-
zelnen Individuen lebt, sondern aus Lernin-
halten besteht. Kontakte zu den Schülern
und Schülerinnen sind nur auf Distanz
möglich, eine eigene Lehrerpersönlichkeit
zu entwickeln, fällt vielen Lehramtsanwär-
terinnen und Lehramtsanwärtern sehr
schwer. Daher bedarf es mehr denn je der
Unterstützung jedes Kollegen und jeder Kol-
legin.
Erleichterungen schaffen
Aber es muss auch eine sichere Rechts-
grundlage geschaffen werden, die Erleichte-
rungen für unsere Referendare schafft. Mit-
nichten soll es in einigen Jahren heißen,
dass sind die »Corona-Lehrer«. Gleichwohl
sollten Maßnahmen auf den Weg gebracht
werden, die eine Erleichterung für Lehramts-
anwärter bringen, ohne die Qualität der Aus-
bildung zu verschlechtern. Beispielsweise
sollte es den Anwärtern ermöglicht werden,
weniger Klassenstufen zeigen zu müssen.
Durch eine solche Maßnahme hätten sie die
Möglichkeit, die besonders wichtige Schüler-
Lehrer-Bindung aufzubauen. Aber auch die
Zusammensetzung der Prüfungskommission
sollte überdacht werden. Ist es wirklich sinn-
voll, dass diese zum Großteil aus unbekann-
ten Personen besteht?
lehrer nrw
ist an qualitativ hochwertigen
Ausbildungsstandards interessiert und unter-
stützt Lehramtsanwärter und ihre Fachleiter
dabei, die rechtliche Grundlage für eine sehr
gute Ausbildung in Zeiten von Corona zu
schaffen.
Foto: AdobeStock/Андрей Журавлев
Allein auf weiter Flur: Lehramtsanwärterinnen und -anwärter haben
es durch die Corona-bedingten Beschränkungen schwer, Kontakt zu Schülern
und Kollegen aufzubauen und ein Gefühl für den Beruf zu entwickeln.
Ein Bild aus Vor-Corona-Zeiten:
Klassenfahrten können derzeit nicht stattfinden.
Das Land springt aber bei Stornokosten in die Bresche.
MAGAZIN
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lehrer nrw
Im Beirat der Projektgruppe
Schulaufsicht
lehrer nrw
wird künftig im Beirat der vom NRW-Schulministerium ins
Leben gerufenen Projektgruppe ’Weiterentwicklung der Schulaufsicht’
vertreten sein. Dem DBB NRW mit seinen fünf Lehrerverbänden –
lehrer
nrw
, Philologen-Verband, VBE, vlw und vlbs – stehen in diesem Gremium
drei Sitze zu. Die DBB-Verbände im Beirat vertreten künftig Sven Christof-
fer (
lehrer nrw
), Sabine Mistler (PhV) und Stefan Behlau (VBE).
Für
lehrer nrw
ist es von enormer Bedeutung, in diesem Beirat vertre-
ten zu sein. Denn die Weiterentwicklung der Schulaufsicht kann auch
Veränderungen in der Schulstruktur und der Personalrätestruktur mit sich
bringen.
lehrer nrw
hat durch die Wahl des Landesvorsitzenden Sven
Christoffer in den Beirat nun die Möglichkeit, auf diesen Prozess direkt
Einfluss nehmen zu können.
Infos zur Pandemie-Lage
an den Schulen
D
D
ie Landesregierung will künftig transparent über die Corona-Situati-
on an den Schulen informieren. Wie das Schulministerium am 21. Ja-
nuar mitteilte, werden die Ergebnisse der wöchentlichen Umfrage zum
Schulbetrieb in Corona-Zeiten frei
zugänglich im Internet unter
www.schulministerium.nrw.de
veröffentlicht.
Mit der Abfrage wird unter ande-
rem erfasst, wie viele Schulen voll-
ständigen oder eingeschränkten
Präsenzunterricht anbieten. Erfragt
wird auch, wie viele Schulen nach einer Entscheidung der Gesundheitsbe-
hörden vor Ort vollständig geschlossen sind. Auch die Anzahl der Lehr-
kräfte sowie Schülerinnen und Schüler, die sich in Quarantäne befinden
oder sich mit dem Coronavirus infiziert haben, wird berichtet.
INFO
Hier geht es zur Übersicht: www.schul-
ministerium.nrw.de/ministerium/
service/schulstatistik/ergebnisse-
der-woechentlichen-umfrage-zum-
schulbetrieb-corona
K
K
lassenfahrten sind in
Zeiten von Corona vor-
erst nicht möglich. Damit
Schulen, Lehrer und Eltern
nicht auf Stornokosten für
ausgefallene Studienfahr-
ten, Klassenfahrten oder
Schüleraustausche sitzen
bleiben, springt das Land
Nordrhein-Westfalen ein.
Das Land NRW stellt dafür
28 Millionen Euro bereit,
teilt die schulpolitische Spre-
cherin der CDU-Landtags-
fraktion, Claudia Schlott-
mann, mit. Bislang war hier
eine Summe von 16 Millio-
nen eingeplant. Wegen des
hohen Antragsvolumens
wurde diese Summe nun auf
28 Millionen Euro aufge-
stockt.
Foto: AdobeStock/Viktoriia
Land übernimmt Kosten
für ausgefallene
Klassenfahrten
lehrer nrw ·
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Sozialwissenschaften –
ein Plädoyer
Der vom NRW-Schulministerium vorgelegte Entwurf zur
Änderung der Lehramtszugangsverordnung (LZV) sorgt für
Unruhe: Das Fach Sozialwissenschaften soll aus dem Kanon
der Unterrichtsfächer verbannt werden. Zumindest wird
es im LZV-Entwurf aus der Liste der zugelassenen Fächer
entfernt und durch das Fach Wirtschaft-Politik ersetzt.
A
A
m Anfang hatte das Fach Sozialwis-
senschaften mit vielen Vorurteilen zu
kämpfen. Als ’Laberfach’ abgetan
und häufig als vermeintlich leichter Weg zu
einem Schulabschluss bezeichnet, hat sich
das Fach nicht zuletzt durch hervorragend
ausgebildete Lehrkräfte Standards erarbei-
tet, die die komplexe Lebenswirklichkeit für
Schülerinnen und Schüler im Unterricht the-
matisieren.
Gerade durch die hohen Anforderungen
an die auszubildenden Lehrkräfte wurden
die Sozialwissenschaften zu einem Unter-
richtsfach, in dem Schülerinnen und Schüler
grundlegendes Wissen im Bereich Politik,
Gesellschaft und Wirtschaft erlangen und
mit Hilfe der erworbenen Sachkompetenz
eine Position finden und kompetent vertre-
ten können. Im Fach Sozialwissenschaften
ist die Betrachtung gesellschaftlicher Phä-
nomene aus verschiedenen Perspektiven
von zentraler Bedeutung, um die Urteilsfä-
higkeit im Sinne unserer freiheitlich-demo-
kratischen Grundordnung zu fördern.
Einblick in komplexe
Lebenswirklichkeit
Das Unterrichtsfach Sozialwissenschaften ist
mehr als nur ein Oberbegriff für die diesem
Fach zugrundeliegenden Fachwissenschaf-
ten Politologie, Ökonomie und Soziologie. Es
ist ein Integrationsfach, um gesellschaftliche
Wirklichkeit in ihrer Komplexität zu erfassen
sowie verantwortliche Urteils- und Hand-
lungskompetenz (soziale, politische, wirt-
schaftliche) zu ermöglichen.
Im SoWi-Unterricht können die Schülerin-
nen und Schüler sich und ihre komplexe Le-
benswirklichkeit wiederfinden. Vor allem
Themen, wie ’Leben in der Gesellschaft’, ’Er-
ziehung’, ’Typisch Junge, typisch Mädchen’
sind Themen, für die sich Heranwachsende
interessieren. Das Fach Sozialwissenschaf-
ten ermöglicht den Schülerinnen und Schü-
lern Antworten auf zentrale Fragen des ei-
genen Lebens zu finden, trägt damit zur Per-
sönlichkeitsstärkung bei.
Im Fach Sozialwissenschaften werden
Schlüsselqualifikationen und Methoden-
kompetenzen erworben, die es den Schüle-
rinnen und Schülern ermöglichen, die politi-
schen, sozialen und auch die wirtschaftli-
chen Verhältnisse verantwortungsvoll mitzu-
Das Fach Sozialwissenschaften gibt Ein-
blick in die komplexe Lebenswirklichkeit
junger Menschen – vom lokalen Umfeld
bis zu globalen Zusammenhängen.
MAGAZIN
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1/2021 ·
lehrer nrw
gestalten. Das Fach Sozialwissenschaften
bereitet auf Berufsfelder vor, deren gesell-
schaftlicher Wert an Bedeutung gewinnt.
Nun soll das Fach abgeschafft werden.
Fachwissenschaftliches
Studium elementar
Der Begründung zur Änderung der Verord-
nung des Ministeriums folgend, ist das fach-
wissenschaftliche Studium als Grundlage je-
der Lehrtätigkeit von zentraler Bedeutung.
Die Änderung in der Lehramtszugangsver-
ordnung ist aus administrativer Sicht ein fol-
gerichtiger Schritt, denn mit der Einführung
des Faches Wirtschaft findet sich das Fach
Wirtschaft-Politik in den Stundentafeln ab
1. August 2021 fast aller Schulformen wie-
der. Nur die Stundentafel der Realschule
enthält die Wahlmöglichkeit, die Fächer
Wirtschaft und Politik als Einzelfächer zu
unterrichten oder eben auch als Fächerver-
bund. Das Fach Sozialwissenschaften taucht
in den Prüfungsordnungen nur im Wahl-
pflichtbereich der Realschule (APO SI) und
in der Prüfungsordnung der gymnasialen
Oberstufe (APO-GOSt) auf.
Wirtschaft nicht auf Kosten
von Sozialwissenschaften
lehrer nrw
hat sich sehr für die Einführung
des Faches Wirtschaft eingesetzt und die
Änderungen in den Stundentafeln begrüßt.
Dass dies die Streichung des Faches Sozial-
wissenschaften zwangsläufig nach sich
zieht, hält
lehrer nrw
jedoch für falsch. Na-
türlich ist es gut, dass wir nun für das Fach
Wirtschaft-Politik fachlich ausgebildete
Lehrkräfte bekommen werden. Der Logik
des Ministeriums folgend, dass eine fach-
wissenschaftliche Ausbildung Grundlage je-
der Lehrtätigkeit ist, muss bei Beibehaltung
des Faches Sozialwissenschaften selbstver-
ständlich auch die fachwissenschaftliche
Ausbildung in diesem Fach angeboten wer-
den.
Es braucht sozialwissenschaftlich ausge-
bildete Fachlehrkräfte, die den thematischen
Schwerpunkt eines Unterrichtsvorhabens
den Lerngruppen anpassen können. Dies
kann ein ökonomischer oder ein politischer
Schwerpunkt sein, aber eben auch mit dem
Ziel »soziales Handeln deutend (zu) verste-
hen und dadurch in seinem Ablauf und sei-
nen Wirkungen ursächlich (zu) erklären«
(nach Max Weber).
Praktisches Beispiel
Hierzu ein Beispiel aus der Unterrichtspraxis:
Der Lerngegenstand ’Arbeitslosigkeit’ ist in
der sozialwissenschaftlichen Perspektive in
der politischen Dimension (zum Beispiel ar-
beitsmarktpolitische Maßnahmen), ökonomi-
schen Dimension (zum Beispiel im Zusam-
menhang konjunktureller Entwicklungen) und
soziologischen Dimension (zum Beispiel psy-
chosoziale Auswirkungen) thematisch vorzu-
bereiten. Im sozialwissenschaftlichen Unter-
richt mit entsprechend ausgebildeten Fach-
lehrkräften werden alle Dimensionen berück-
sichtigt. Im obigen Beispiel würde zukünftig
die soziologische Dimension kaum oder gar
nicht thematisiert. Und gerade sie ist für
Heranwachsende von besonderem Interesse.
Fazit:
Das Fach Sozialwissenschaften sollte
sowohl im Studium als auch in der Lehr-
amtsausbildung als eigenständiges Fach
weitergeführt werden.
lehrer nrw
fordert
den Erhalt des Unterrichtsfaches Sozialwis-
senschaften sowohl im Wahlpflichtbereich
der Realschulen als auch im Kursangebot der
gymnasialen Oberstufe.
Olaf Korte
INFO
In einer klarstellenden Erläuterung des Ministeriums wird ausdrücklich darauf hingewie-
sen, dass »die Neukonzeption des Schulfachs Wirtschaft nicht zu Lasten anderer Fächer
oder Lernbereiche erfolgt«
(www.schulministerium.nrw. de/zur-aktuellen-debatte-
um-die-lehramtsstudiengaenge-sozialwissenschaften-und-wirtschaft-politik)
.
Eine Prognose zur Zukunft des Faches Sozialwissenschaften ist dieser Erläuterung
allerdings nicht zu entnehmen.
Foto: AdobeStock/vegefox.com
lehrer nrw ·
1/2021
12
TITEL
»Franz,
du schaffst
das!«
Entscheidend für den Bildungserfolg
sind glaubwürdige Lehrerinnen und Lehrer,
die fördern, fordern und ermutigen. Sie erzie-
len Tiefenwirkung. Das wird im blinden Re-
form-Aktionismus völlig vergessen, meint der
Bildungsforscher Carl Bossard. Sein Beitrag
beleuchtet die Situation in der Schweiz, hat
aber nicht nur dort Gültigkeit.
des Klosters Muri – dies mit der einzigen
Begründung, seine Lehrer hätten ihm viel
zugetraut und ihn ermutigt.
Tiefenwirkung statt
Oberflächen-Reformen
Lehren ist wirken. »Teacher, know thy im-
pact!« – »Wisse, was du bewirken kannst!«
Auf diese einprägsame Kurzformel bringt
der neuseeländische Bildungsforscher John
Hattie die Kernbotschaft seiner großen em-
pirischen Unterrichtsstudie: Entscheidend
für den Bildungserfolg ist, dass die Lehren-
den die eigene pädagogische Wirkungswei-
»
»
F
F
ranz, du schaffst das!« Mit die-
ser Erwartungshaltung hätten
ihn die Lehrer gestärkt. So erin-
nert sich der erfolgreiche Unternehmer
Franz Käppeli an seine Schulzeit.
i
Der Grün-
der der Labor medica AG wird in eine arme
Bauernfamilie geboren. Als elftes von zwölf
Kindern wächst er im schweizerischen Muri
auf. Sein Studium an der ETH Zürich berappt
er selber. Der promovierte Biochemiker Käp-
peli baut eines der führenden medizinischen
Laboratorien der Schweiz auf, verdient ein
Vermögen und stiftet gegen fünfzehn Millio-
nen Franken als Beitrag an die Renovation
se kennen und sie immer wieder kritisch
hinterfragen.
ii
Beim Bauernbuben Franz Käppeli wirkten
die Lehrerinnen und Lehrer. Sie bewirkten
viel, und sie wirkten nachhaltig oder eben
’tief’. Nicht umsonst unterscheidet die Wirk-
samkeitsforschung zwischen den ’tiefen
Strukturen’ des Unterrichts und Oberflä-
chenmerkmalen. So wirken die Glaubwür-
digkeit der Lehrperson und ein lernförderli-
ches Klima beispielsweise viel stärker als
webbasiertes Lernen oder die vielgelobte
Freiarbeit. Letztere erweist sich als erschre-
ckend ineffektiv.
Die Vermessung
der Kindheit:
Nicht nur bei der Kon-
trolluntersuchung beim
Kinderarzt, sondern auch
in der Schule werden Kin-
der vermessen. Wissen
soll in messbare Kompe-
tenzen gestückelt und da-
mit auf Raster und Ran-
kings übertragen werden
können.
TITEL
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1/2021 ·
lehrer nrw
Viel ist nicht genug
Wer die Reformkaskade der letzten Jahre
und Jahrzehnte überblickt, erkennt viel
Oberflächliches: klassenübergreifendes, al-
tersdurchmischtes Lernen, Lernumgebungen
mit Stationenlernen, weiter die dominante
Methode des selbstgesteuerten oder selbst-
orientierten Lernens, die das Kind oder den
Jugendlichen mit seinem Scheitern nicht sel-
ten alleine lässt, und das stark forcierte Ar-
beiten in Gruppen und Projekten.
Vieles wurde in schnellem Takt reformiert:
einheitliche Schulstrukturen, nationale Bil-
dungsziele, Integration von Kindern mit be-
sonderen Bedürfnissen, Lehrplan 21 und
kompetenzorientierter Unterricht, dazu neue
Fächerkombinationen und zwei Fremdspra-
chen in der Primarschule. Doch viel scheint
nicht genug zu sein. Vielmehr geht es zügig
weiter. Im Moment priorisiert die Politik vor
allem zwei Bereiche: Digitalisierung und
Ökonomisierung der Bildung.
Es wird intensiv
getestet und evaluiert
Im PISA-Zeitalter regiert die Logik der Öko-
nomie. Sie bringt auch den Wechsel von der
Input- zur Output-Steuerung. Kompetenz-
standards normieren die Ziele von Lern- und
Ausbildungswegen. Die erwarteten und als
relevant bezifferten Bildungseffekte werden
in ein testfähiges Format transformiert. Mit
den Messmethoden der empirischen Bil-
dungsforschung sind sie erfassbar und kon-
trollierbar. So wird Bildung geplant und ge-
steuert, limitiert und formatiert. Ankreuz-
tests und andere Messmethoden prüfen die
Erreichung der geplanten Effekte. Eine en-
gagierte Sekundarlehrerin beklagt sich, sie
eile von Prüfung zu Prüfung. »Was ich ma-
chen muss, ist Stoff durchnehmen mit
Foto: Herby (Herbert) Me/stock.adobe.com
lehrer nrw ·
1/2021
14
TITEL
dem alleinigen Ziel, ihn nachher zu testen
und eine Note zu haben.«
Wichtig aber wäre die Frage: Suchen wir
tatsächlich in der Bildung primär nach Mess-
barem? Wenn ja, wäre es sinnvoll, dies dann
in bestimmten Wertungen und Rankings ab-
zubilden? Oder sollten wir nicht vielmehr zu-
erst fragen, was uns wertvoll und wichtig ist
und dann erst messen? Diese entscheidende
Frage wird nicht gestellt. Dafür wird umso
intensiver getestet und gemessen.
Lehrer als
Bildungsvollzugsbeamte
Noch nie war im Schweizer Bildungswesen
so viel von Kontrolle und Rechenschaft die
Rede wie heute. In diesen Zusammenhang
gehört auch das sogenannte Bildungsmoni-
toring, das permanente Untersuchen, Über-
prüfen und Überwachen. Darum werden be-
reits fünfjährige Kindergartenkinder auf
Buchstaben getestet und auf Zahlenkennt-
nisse überprüft. Die Ergebnisse stehen fein-
säuberlich auf einem kleingerasterten Blatt.
Es umfasst sage und schreibe vierzig Punk-
te. Die Kindergärtnerin muss sie mit den El-
tern im Detail besprechen, orientiert am
Output, fixiert auf das Ziel des Lernweges.
Bildungsprozesse werden bürokratisch über-
wacht. Lehrerinnen und Lehrer mutieren so
zu ’Bildungsvollzugsbeamten’ und Kinder zu
’Vollzogenen’, wie es der sensible Dichter
Peter Bichsel wahrnimmt.
iii
Reformen ohne Wirkung
All diesen pädagogischen Reformen ge-
meinsam ist das Versprechen, dass es besser
wird als bis anhin – irgendwann und irgend-
wie und natürlich zum Wohl der Kinder und
Jugendlichen. Doch was von diesen Refor-
men wirkt wirklich? Man weiss es schlicht
nicht. Eine Wirkung sei empirisch nicht
nachzuweisen, gesteht der Bildungsökonom
Stefan C. Wolter, Direktor der Schweizeri-
schen Koordinationsstelle für Bildungsfor-
schung, freimütig.
iv
Ob die Reformkaskade
wissenschaftlich zu rechtfertigen ist? Da-
nach fragt niemand.
Doch warum konzentriert sich die offi-
zielle Bildungspolitik primär auf Strukturen
und Oberflächenphänomene? Warum ist
kaum von den Tiefenmerkmalen der Bil-
dungsprozesse die Rede und warum so we-
nig vom pädagogischen Wirken der Lehre-
rinnen und Lehrer, von der Interaktion zwi-
schen ihnen und den Schülern? In genau
diesen Bereichen liegt ja der Schlüssel zur
Schulqualität.
Effektives Lernen ist das Resultat identifi-
zierbarer Lehraktivitäten, allgemeiner ge-
sagt: erfolgreichen Lehrens
v
und engagier-
ten Unterrichtens. Erfolge stellen sich dort
ein, wo Lehrpersonen vital präsent und mit
humaner Energie am Weiterkommen ihrer
Schüler interessiert sind. Das lässt sich auch
datenbasiert belegen. Alle Einflussgrößen, in
denen sich die personale Dimension des Un-
terrichts widerspiegelt – etwa das Emotio-
nale, das Beziehungshafte, das Dialogische,
das kognitiv Anregende – erzielen hohe
Wirkwerte auf die Lernleistung der Kinder
und Jugendlichen.
Bildung lebt von Interaktion
Die Basisdimensionen von Unterrichtsquali-
tät liegen darum in den Tiefenstrukturen:
Wie gut gelingt es der Lehrerin, den Unter-
richt störungsfrei und strukturiert zu steu-
ern? Wie weit schafft es der Lehrer, dass
sich alle Schülerinnen und Schüler aktiv mit
den Lerninhalten auseinandersetzen, inten-
siv üben und die Lernzeit effektiv nutzen?
Und auf welche Weise helfen Lehrerinnen
und Lehrern ihren Kindern, wenn Verständ-
nisprobleme auftreten? Wie konstruktiv ge-
ben sie Feedback und wie sehr ist das Zwi-
schenmenschliche von Respekt und Wert-
schätzung geprägt?
Der Ort schulischer Bildung ist eben nie
die Struktur allein, nie die Methode allein
und auch nie das (digitale) Medium allein.
Der Ort schulischer Bildung ist die Interakti-
on zwischen Menschen; in diesem Dazwi-
schen entsteht Wirkung. Und dazu zählt
auch der heitere Zwischenruf, zählt die ver-
stehende Zuwendung, zählen Anerkennung
und Anregung, aber auch Widerstand und
Widerrede.
»Franz, du schaffst das!« Für Franz Käp-
pelis Lernweg waren die Lehrer der zentrale
Faktor – nicht Strukturen und nicht Oberflä-
chenmerkmale. Der erfolgreiche Unterneh-
mer hatte Pädagogen, die an ihn glaubten
und ihn ermutigten.
Carl Bossard
i Erich Aschwanden (2013): Das Millionen-Geschenk
ohne Hintergedanken, in: NZZ, 13. Juli 2013.
ii John Hattie (2012): Visible Learning for Teachers.
London, New York: Routledge, S. IX.
iii Peter Bichsel (2015): Kinderarbeit im Bildungsvollzug,
in: Ders., Über das Wetter reden. Kolumnen 2012-2015.
Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 33f.
iv Martin Beglinger: »Das ist vernichtend«,
in: NZZ, 31. August 2018, S. 53.
v Helmut Heid (2007): Was vermag die Standardisierung
wünschenswerter Lernoutputs zur Qualitätsverbesserung
des Bildungswesens beizutragen?, in: Dietrich Benner
(Hrsg.), Bildungsstandards. Kontroversen – Beispiele –
Perspektiven. Paderborn: Verlag Schöningh, S. 37.
DER AUTOR
Carl Bossard, Dr. phil., dipl. Gymnasial-
lehrer, ist Gründungsrektor der Pädago-
gischen Hochschule PH Zug. Davor war
er Gymnasialrektor der Kantonalen Mit-
telschule Nidwalden und Direktor der
Kantonsschule Luzern, eines Gymnasi-
ums mit 2000 Schülerinnen und Schü-
lern und 250 Lehrpersonen. Heute berät
er Schulen und leitet Weiterbildungskur-
se. Er beschäftigt sich mit schulge-
schichtlichen und bildungspolitischen
Fragen. Zu Bildungsthemen publiziert er
unter anderem auf der Onlineplattform
www.journal21.ch.
www.carlbossard.ch
Schule geschlossen:
Lernen auf Distanz bedeutet eine große
Herausforderung nicht nur für die Lehrkräfte,
sondern auch für Schüler und Eltern.
15
1/2021 · lehrer nrw
D
D
ie Schulschließungen haben das Lehrperso-
nal, die Schülerinnen und Schüler und die
Eltern weitgehend unvorbereitet getroffen.
In kurzer Zeit mussten alternative Formen des Unter-
richts gefunden werden. Der erste Bericht der Corona-
Zusatzbefragungen im Rahmen des Nationalen Bil-
dungspanels (NEPS) beschäftigt sich mit Fragen, wie
gut die Familien mit der Situation zurechtkamen:
Wie lief das Lernen zuhause ab, wie sah die techni-
sche Ausstattung aus und welche Rolle spielten die
Eltern? Und welche Arten von (virtuellen) Lernange-
boten wurden nun genutzt?
Die temporären Schulschließungen im Frühjahr
2020 in Deutschland wurden veranlasst, um die Aus-
breitung der Covid-19-Pandemie zu verlangsamen.
Schulen und Lehrkräfte standen ohne Vorlauf vor der
Herausforderung, ihren Unterricht umzustrukturieren
und neue Wege der Wissensvermittlung zu wählen.
Auch die Eltern schulpflichtiger Kinder hatten uner-
wartet die Aufgabe, das nun überwiegend eigen-
ständige Lernen ihrer Kinder zuhause zu unterstützen
und entsprechende Bedingungen für vermehrt digi-
tale Lernformen zur Verfügung zu stellen.
Der vorliegende Bericht beleuchtet die Wahrneh-
mung der neuen Lernsituation zuhause während der
Corona-bedingten Schulschließungen in Deutsch-
land aus Sicht der Eltern 14-jähriger Jugendlicher.
Deutlich reduzierte Lernzeit zuhause
Die bundesweite Befragung zeigt, dass Schülerin-
nen und Schüler in den Wochen der Pandemie-be-
dingten Schulschließungen durchschnittlich sech-
zehn Stunden in schulbezogene Lernaktivitäten zu-
hause investierten. Allerdings stellt sich die Situati-
on zwischen den Familien sehr unterschiedlich dar.
Während sich die Mehrheit der Jugendlichen
Foto: Oliver Boehmer/bluedesign/AdobeStock
…und nun
funktioniert alles digital?
Wie Eltern mit Kindern in der 8. Klasse die Zeit der Schulschließungen im Frühjahr 2020
in Deutschland erlebt haben, zeigt eine Studie des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe.
wöchentlich zwischen acht und zwanzig Stunden mit
den Lernmaterialien der Schule beschäftigten, lernte
etwa ein Fünftel der Jugendlichen weniger als acht
Stunden in der Woche. Ein weiteres Fünftel verbrachte
mehr als zwanzig Stunden in der Woche mit Lernen. Die
berichtete investierte Lernzeit war dabei jedoch unab-
hängig von einer Reihe von Hintergrundmerkmalen: Es
zeigten sich keine Lernzeitunterschiede zwischen Jun-
gen und Mädchen sowie zwischen Schülerinnen und
Schülern an Gymnasien und anderen Schulformen.
Auch der Bildungshintergrund der Eltern (akademisch
und nicht-akademisch) hatte keinen Einfluss auf die in-
vestierte Lernzeit der Kinder. Schülerinnen und Schüler,
die über bessere Lesekompetenzen (gemessen mit dem
NEPS-Lesekompetenztest [I] zu Beginn der 7. Klassenstufe)
verfügen, investierten während der Schulschließung
gleichermaßen viel Zeit für das Lernen wie Jugendliche
mit eher geringeren Lesekompetenzen.
Eltern besonders gefordert
Aufgrund der bundesweiten Schulschließungen waren
insbesondere Eltern gefordert, das schulbezogene Ler-
nen ihrer Kinder zu begleiten und zu unterstützen. Dieser
Aufgabe scheinen sich Eltern in der Regel gewachsen zu
fühlen: Die Mehrheit der Eltern schätzte ihre eigenen
Fähigkeiten zur inhaltlichen Unterstützung der Kinder
überwiegend als voll und ganz (29 Prozent) oder eher
(46 Prozent) ausreichend ein.
Allerdings gaben auch 22 Prozent der Eltern an, dass
ihre Fähigkeiten eher nicht ausreichten. Sehr wenige der
Eltern schätzten ein, dass ihre Fähigkeiten zur Unterstüt-
zung ihrer Kinder überhaupt nicht ausreichten (drei Pro-
zent). Das lässt darauf schließen, dass ein Viertel der
Schülerinnen und Schüler von ihren Eltern bei der An-
eignung des Lernstoffs keine ausreichende inhaltliche
Unterstützung erhalten konnte.
Die selbst eingeschätzten Fähigkeiten zur inhaltlichen
Unterstützung ihrer Kinder unterscheiden sich in Abhän-
gigkeit vom Bildungshintergrund: Eltern mit akademi-
schem Bildungshintergrund waren insgesamt zuver-
sichtlicher, dass ihre Fähigkeiten eher ausreichen, um
ihre Kinder inhaltlich beim Lernen zuhause zu unterstüt-
zen, als Eltern mit nicht-akademischem Hintergrund.
Digitale Kommunikationswege
Die kurzfristige Umstellung von Präsenz- auf Distanzunter-
richt und das selbstständige Lernen zuhause erforderte
von Schulen, Lehrkräften als auch den Familien die Nut-
zung neuer und virtueller Lehr-Lern-Angebote. Die Mehr-
heit der Eltern berichtete, dass die technische Ausstattung
bei ihnen zuhause für die Umstellung auf digitale Lernfor-
men voll und ganz ausreichend (61 Prozent) oder eher
ausreichend (26 Prozent) war. Damit kann die technische
Ausstattung für 87 Prozent der Schülerinnen und Schüler
als adäquat angesehen werden. Andererseits bedeutet
dies auch, dass 13 Prozent der Schülerinnen und Schüler
in der Zeit der Schulschließungen für das Lernen zuhause
eher unzureichend oder gar nicht technisch ausgestattet
waren. Die Einschätzung der technischen Ausstattung un-
terschied sich dabei nicht systematisch zwischen akade-
mischen und nicht-akademischen Haushalten.
Die Übermittlung von Lernmaterialien erfolgte über-
wiegend digital über Onlineplattformen, Onlinekurse
oder digitale Klassenzimmer und Schul-Clouds. 63 Pro-
zent der Eltern gaben an, dass die Schulen und Lehrkräf-
te in der Zeit der Schulschließungen diese Systeme nut-
zen, um mit ihnen bzw. den Schülerinnen und Schülern
Kontakt zu halten und Unterrichtsmaterialien zu über-
mitteln. Diese Angaben sind erwartungskonform vor
dem Hintergrund von Befunden der ICILS-Studie von
2018 [II], wonach ungefähr 45 Prozent der Schülerinnen
und Schüler eine Schule besuchen, in der ein Lernmana-
gement-System (zum Beispiel Moodle, Logineo, mebis,
itslearning) verfügbar ist. Die aktuellen NEPS-Befunde
weisen darauf hin, dass der Anteil an Schulen mit digi-
talen Lern- und Kommunikationssystemen mittlerweile
bereits höher liegen könnte. Gymnasien (69 Prozent)
nutzten diese nach Angaben der Eltern häufiger als an-
dere Schulformen (58 Prozent).
Neben den digitalen Lern- und Kommunikationssyste-
men wurden E-Mails als zweithäufigster Übermittlungs-
weg von Lernmaterialien und Informationen genannt
(27 Prozent). In der etwas früher durchgeführten Studie des
Deutschen Schulbarometers Spezial [III] zur Corona-Krise
(April 2020) berichteten noch knapp 80 Prozent der Lehr-
kräfte, dass sie am häufigsten per E-Mail mit Eltern und
Schülerinnen und Schülern kommunizierten. Somit
scheint ein schneller Wandel in der Etablierung neuer
digitaler Kommunikationswege stattgefunden zu haben.
Lernmanagement-Systeme oder Onlineplattformen muss-
ten verfügbar gemacht werden und konnten erst nach
und nach von den Schulen genutzt werden. Die offenen
Angaben der teilnehmenden Eltern lassen erkennen,
dass die Übermittlung der Lernmaterialien für ihre Kinder
teilweise über zunächst vielfältige Zugänge stattfand und
sich erst mit der Zeit ein primär genutzter Kommunikati-
onsweg herauskristallisierte. Im Zuge der Corona-Krise
und der damit verbundenen Notwendigkeit, neue Kom-
munikationswege zu finden, sind viele Möglichkeiten ver-
mutlich auch ausprobiert, neu bewertet und vorläufig ein-
gesetzt worden. Zukünftige Erhebungen werden zeigen,
wie nachhaltig die Voraussetzungen zum digitalen Aus-
tausch in den Schulen umgesetzt werden konnten.
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INFO
Hinweise zu Stichprobe und Methodik
Die folgenden Ergebnisse beruhen auf einer Zusatzbe-
fragung der Startkohorte 2 des Nationalen Bildungs-
panels (NEPS) zur Corona-Krise (NEPS-C). Die Daten
wurden von Mai bis Juni 2020 erhoben.
Die konkreten Frageformulierungen sowie zusätzli-
che Tabellen finden sich im Supplement zum Bericht
(https://www.lifbi.de/Portals/13/Corona/
Supplement_ Bericht%201.pdf).
Die Startkohorte 2 des NEPS ist im Jahr 2010 mit Kin-
dern im Kindergarten in ganz Deutschland gestartet.
Die Kinder waren bei der ersten Erhebung im Durch-
schnitt knapp fünf Jahre alt. Mit Beginn der Grund-
schulzeit wurden weitere Mitschülerinnen und -schüler
in die Startkohorte aufgenommen. Insgesamt nahmen
1452 Eltern dieser Kinder, die mittlerweile zumeist die
8. Klasse einer weiterführenden Schule besuchen, an
der Zusatzbefragung teil.
Die Daten gehen gewichtet und poststratifiziert in
die Analysen ein, so dass die Aussagen verallgemei-
nerbar sind. Die Familien weisen zu 66 Prozent einen
nicht-akademischen und zu 34 Prozent einen akade-
mischen Bildungshintergrund auf, was bedeutet, dass
in einem Drittel der Familien mindestens ein Elternteil
ein Studium absolviert hat. 57 Prozent der Schülerin-
nen und Schüler besuchten zu Beginn des Schuljahres
2019/2020 ein Gymnasium und 43 Prozent der Schüle-
rinnen und Schüler eine andere Schulform.
Weitere Hinweise zum NEPS, zur Startkohorte 2 und
zur Zusatzbefragung NEPS-C finden sich online
(https://www.neps-data.de/Datenzentrum/
Daten-und-Dokumentation/)
.
Nutzung von Lernangeboten
Auch lässt sich eine Veränderung in der Nutzung
von Lernangeboten feststellen: weg von konventio-
nellen Lernmedien hin zu digitalen Lernformen. Ins-
besondere virtuell-rezeptive Lernangebote, bei de-
nen Lernvideos angeschaut oder Aufgaben in einer
Lernsoftware selbstständig bearbeitet werden, wur-
den während der Schulschließungen deutlich häu-
figer genutzt (53 Prozent) als zu Zeiten des regulären
Schulbetriebs vor der Corona-Krise. Aber auch virtu-
ell-interaktive Lernangebote mit wechselseitigem
Austausch in einer virtuellen Lernumgebung, wie in
Onlinekursen oder virtuellen Lerngruppen, wurden
laut 38 Prozent der Eltern in dieser Zeit häufiger ge-
nutzt als vorher. Der Anstieg in der Nutzung virtuel-
ler Lernangebote (sowohl rezeptiv als auch interak-
tiv) wurde vor allem von Eltern berichtet, deren Kin-
der ein Gymnasium besuchen.
Die Nutzung konventioneller Lernangebote, wie
Lehr- und Sachbücher oder Angebote des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks, scheint sich dagegen wenig
verändert zu haben: Immerhin 53 Prozent der Eltern
gaben an, dass diese in der Zeit der Schulschließun-
gen genauso häufig genutzt wurden wie vorher.
Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Schul-
formen unterscheiden sich nicht in der Nutzung
konventioneller Lernangebote.
Inwiefern bestimmte Medien oder Lernangebote
genutzt werden, ist häufig von individuellen und/
oder familiären Voraussetzungen der Schülerinnen
und Schüler abhängig. Für Jugendliche, die bereits
in der Grundschule (Klasse 3) höhere Kompetenzen
in computer- und informationsbezogenen Technolo-
gien (gemessen mit dem NEPS-ICT-Kompetenztest
[IV] zu Beginn der 3. Klassenstufe) aufwiesen, berich-
teten die Eltern eine verstärkte Nutzung virtuell-inter-
aktiver Lernangebote in der Zeit der Schulschließun-
gen. Berücksichtigt man die besuchte Schulform
und den Bildungshintergrund, unterscheidet sich
die Nutzung dieser Lernangebote jedoch nicht zwi-
schen Jugendlichen mit unterschiedlichen Kompe-
tenzen. Vor allem der Bildungshintergrund und die
besuchte Schulform hängen stärker mit der Nutzung
virtuell-interaktiver Lernangebote zusammen. Schü-
lerinnen und Schüler aus Familien mit einem aka-
demischen Bildungshintergrund nutzen auch kon-
ventionelle Lernangebote häufiger als ihre Mitschü-
lerinnen und Mitschüler mit Eltern mit einem nicht-
akademischen Bildungshintergrund. Interessanter-
weise zeigen unsere Befunde zudem, dass die
Veränderung der Nutzung von konventionellen wie
auch virtuellen Angeboten nicht davon abhängt,
wie groß die Lernfreude im Schuljahr zuvor war.
Digitale und technische
Kenntnisse von Eltern
Im Zuge der teilweise neuen Kommunikationswege
und veränderten Lernangebote standen Schülerin-
nen und Schüler, aber auch Lehrkräfte und Eltern, vor
der Aufgabe, ihre Kompetenzen im Umgang mit digi-
talen Medien auszubauen und zu verbessern. Die
überwiegende Mehrheit der Eltern schätzte ihre
eigenen Kenntnisse im technischen und digitalen
Bereich, zum Beispiel im Umgang mit dem Internet,
Tablets oder Laptops, dabei als vollkommen ausrei-
chend (53 Prozent) oder eher ausreichend (38 Prozent)
ein, um ihre Kinder in der Zeit der Schulschließungen
zu unterstützen. Umgekehrt befanden sich nur wenige
Eltern (9 Prozent) in der Situation, ihre Kinder in der
Zeit der Schulschließungen eher unzureichend
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KOMMENTAR
Die Förderung von Benachteiligten darf nicht warten
Die Befunde zeichnen ein facet-
tenreiches Bild der Situation wäh-
rend der Schulschließungen in
Deutschland. Eltern fühlten sich
mehrheitlich in der Lage, ihre
vierzehnjährigen Kinder beim
Lernen inhaltlich zu unterstützen,
und auch die technischen Aus-
stattungen in den Familien schienen den digitalen An-
forderungen der Kommunikation und Übermittlung von
Lernangeboten in der Regel gewachsen zu sein. Schulen,
besonders Gymnasien, nutzen verstärkt Lernplattformen,
und über die Hälfte der Eltern gab an, dass auch origi-
när digitale Lernangebote genutzt wurden.
Der positive Eindruck darf nicht darüber hinwegtäu-
schen, dass zwischen den befragten Familien große Un-
terschiede in Bezug auf die Bedingungen des häuslichen
Lernens bestehen und dass weniger Zeit fürs Lernen auf-
gebracht wurde als vor der Schulschließung. Die inves-
tierte Lernzeit liegt im Schnitt bei sechzehn Stunden pro
Woche und damit deutlich unter der Zeit, die im Regelbe-
trieb (rund dreißig Unterrichtsstunden pro Woche plus
Zeit für Lernen und Hausaufgaben) zu erwarten wäre. Ein
Fünftel der Achtklässlerinnen und Achtklässler investier-
te dabei weniger als acht Stunden pro Woche.
Anders als während des regulären Schulbetriebs (Prä-
senzlernen) herrschen beim Distanzlernen keine durch
Lehrpläne und Stundentafeln standardisierten Lernbe-
dingungen vor. Die Qualität und das Ausmaß der Lern-
aktivitäten hängen damit stärker vom Engagement, den
Voraussetzungen und Bedingungen in den Familien ab.
Die Ergebnisse zeigen, dass fast ein Viertel der Eltern (ins-
besondere Nicht-Akademiker) sich wenig bis gar nicht in
der Lage fühlten, ihre Kinder beim Lernen inhaltlich zu
unterstützen. Auch ist die technische Ausstattung bei
über zehn Prozent der Familien für die Erfordernisse des
häuslichen Lernens nicht adäquat. Virtuell-interaktive
Formate wurden ‘nur’ in 38 Prozent der Fälle häufiger ge-
nutzt. Über den Umfang und die Art und Weise, in dem
dies jeweils geschah, kann nichts ausgesagt werden.
Digitale Lernformate, die prägend für Modelle des Dis-
tanzlernens sind, sind in Deutschland in vielen Schulen
ein Novum. Um für die absehbare Entwicklung einer Ver-
bindung von Präsenz- und Distanzlernen gerüstet zu sein,
müssen verstärkt Elemente der Lernförderung (Feedback,
altersgerechte Motivierung und Unterstützung, virtueller
Unterricht) in die auch digitalen schulischen Angebote
für das häusliche Lernen einfließen. Nicht nur für Kinder,
die im familiären Umfeld wenig Unterstützung finden, ist
dies ein wichtiger Schritt.
Ob und in welchem Ausmaß die Schulschließungen zu
einem Abfall der Leistungsentwicklung und zu einer wei-
teren Öffnung der Leistungsschere führen, werden wir in
zukünftigen NEPS-Erhebungen sehen. Mit Maßnahmen
der Verbesserung digitaler Angebote und der Förderung
von leistungsschwachen und durch die Schließung in
besonderer Weise benachteiligten Kinder warten sollten
wir bis dahin nicht.
Prof. Dr. Cordula Artelt,
Direktorin des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe
oder gar nicht bei technischen Fragen unterstützen zu kön-
nen. Die Einschätzung der technischen und digitalen
Kenntnisse zur Unterstützung der Schülerinnen und Schü-
ler ist unabhängig vom Bildungshintergrund der Eltern
Zusammenfassung
Die Corona-Krise und die damit verbundenen Schul-
schließungen haben Eltern und ihre Kinder ebenso wie
Schulen und Lehrkräfte vor neue Herausforderungen ge-
stellt. Die überwiegende Mehrheit der Eltern der NEPS-
Startkohorte 2 berichteten, dass sie ihre Kinder beim Ler-
nen zuhause inhaltlich gut unterstützen konnten. Auch
die dafür notwendige technische Ausstattung in Form
von Computern, Tablets oder Druckern wird von den
meisten Familien als ausreichend eingeschätzt. Gleich-
zeitig wurde deutlich, dass in den Familien große Unter-
schiede bestehen bezüglich der investierten Lernzeit der
Kinder. Bezüglich der selbst eingeschätzten Fähigkeiten
der Eltern, ihre Kinder beim Lernen inhaltlich zu unter-
stützen, zeigten sich Unterschiede zwischen Familien mit
akademischem und nicht-akademischem Bildungshin-
tergrund. Unsere Studie zeigt auch, dass ein Großteil der
Lehrkräfte Onlineplattformen oder Schul-Clouds nutzen,
um Lernmaterialien und weitere Informationen zu über-
mitteln. Auch die Schülerinnen und Schüler passten ihre
Lerngewohnheiten den veränderten Gegebenheiten an
und nutzen vermehrt virtuelle Angebote.
Die längsschnittliche Anlage des Nationalen Bil-
dungspanels erlaubt es, zukünftig die langfristigen Aus-
wirkungen dieser veränderten Lernbedingungen auf
die Kompetenzen der teilnehmenden Schülerinnen und
Schüler zu untersuchen und mit der Entwicklung von
gleichaltrigen Kindern anderer Startkohorten, die regu-
lär zur Schule gingen, zu vergleichen.
Prof. Dr. Cordula Artelt
Foto: LIfBi/Thomas Riese
BATTEL HILFT
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lehrer nrw
ZUR PERSON
Dr. med. Stefan
Battel
ist seit 2007
niedergelassener
Facharzt für Kinder-
und Jugendpsychia-
trie und -psychothe-
rapie mit eigener
Praxis in Hürth bei
Köln und seit 2012
systemischer Famili-
entherapeut (DGSF).
Im Rahmen des
lehrer nrw
-Fortbil-
dungsprogramms
greift er in einer Vor-
tragsreihe regelmä-
ßig verschiedene
Themen aus dem
Bereich der Jugend-
psychologie auf.
Foto: Andreas Endermann
MM
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Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Stefan Battel gibt in seiner Kolumne regelmäßig
Antworten auf Fragen aus dem Lehreralltag. Diesmal geht es um Respekt vor der Meinung
anderer und um eine mögliche Bildungskatastrophe.
I
I
n den letzten Tagen bin ich auf ein
Buch von Wolfgang Kubicki mit dem
Titel ’Meinungsunfreiheit’ aufmerksam
geworden. Ja, wir leben in einer vulnerab-
len Zeit, wenn es darum geht, Demokratie
untereinander wirklich zu leben. Meine
schon erwähnte Maxime »Respektlosig-
keit gegenüber den Ideen von Menschen,
aber immer höchsten Respekt vor dem
Menschen« sieht sich in der vielfältigen
aktuellen Diskussion über das Coronavirus
auf eine harte Probe gestellt.
Wer von uns traut sich denn noch, in ei-
ner geselligen Runde oder in was für ei-
nem Kontext auch immer eine gegenläufi-
ge Meinung in einen Diskurs zu stellen,
um dann gemeinsam vielleicht auch mal
etwas lauter über den Sachverhalt zu
diskutieren? Und wie gelingt es uns in der
Situation, mit beibehaltenen unterschiedli-
chen Sichtweisen wohlwollend auseinan-
derzugehen und uns Menschen nicht aus
den Augen zu verlieren?
Nach meiner Meinung sind aktuelle
Maßnahmen gefragt, ohne dabei reflexar-
tig gebetsmühlenartig einen Disclaimer
voranzuschicken, was ich alles nicht bin
und dann meine Meinung zu entsprechen-
den Themen darzulegen. Ist es nicht zu-
nächst einmal egal, ob ich links, rechts,
oben, unten oder sonstwie bin? Geht es
nicht erstmal um den Sachgehalt meiner
Aussage? All dies macht in meinem Ver-
ständnis einen demokratischen Debatten-
raum aus.
Leichter gesagt als getan. Erleben wir
uns doch mitunter zum Beispiel im Ge-
spräch über die Erziehung/Pädagogik un-
serer Kinder/Schüler dabei, unseren Part-
nern oder Kollegen eventuell unlautere
Motive zu unterstellen und ggf. diese Per-
sonen auch als gleichwertiges Gegenüber,
als Mensch, abzuwerten. Daraus folgt: Es
ist eine hohe Kunst, unterschiedliche Mei-
nungen auszutauschen, den anderen gut
dastehen zu lassen und dabei in eine
Selbstreflexion zu gehen und diese He-
rausforderung wissend anzunehmen.
Meiner Meinung nach müssen die Ki-
tas und Schulen so schnell, wie es mög-
lich und im Sinne eines zielgerichteten
Gesundheitsschutzes vertretbar ist, wie-
der öffnen. Streben wir flexible Lösun-
gen an. Wir brauchen den direkten Aus-
tausch zwischen Lehrern und Schülern,
ansonsten droht eine Entwicklungs-,
Bindungs- und Bildungskatastrophe mit
Auswirkungen über Jahre! Lassen Sie
uns gemeinsam verhältnismäßige, ange-
messene Maßnahmen und Schutz mit
allen Kräften auch für eine ebenfalls
vulnerable Bevölkerungsgruppe schaf-
fen – unsere Kinder!
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lehrer nrw ·
1/2021
20
SCHULE & POLITIK
SSyysstteemmrreelleevvaanntt!!
Die diesjährige dbb-Jahrestagung stand ganz im Zeichen der in alle Lebens-
bereiche greifenden Pandemie, zum Leidwesen aller Referenten, aber auch
aller potenziellen Teilnehmer. Der ’Ersatz’ konnte sich sehen lassen, nicht nur
digital first, sondern auch digital first class.
D
D
er Deutsche Beamtenbund und tarif-
union (dbb), dem jahrzehntelang ge-
legentlich ein ‘typisch deutsches’
und ‘biederes’ Image nachhing, zeigte sich
in der Umsetzung bestens vorbereitet und
technologisch modern wie nie. Besser konn-
te man nicht unter Beweis stellen, dass der
Verband nicht nur in der Gegenwart ange-
kommen ist, sondern sogar Qualitätsstan-
dards für die Zukunft setzen kann.
Allen Referenten gemein, vor allem Ulrich
Silberbach als dbb-Vorsitzendem und Horst
Seehofer als Innenminister, war die wieder-
holt vorgetragene Ansicht, dass der öffentli-
che Dienst derzeit in breiten gesellschaftli-
chen Schichten eine neue Wertschätzung er-
fährt. Und das in vielerlei Hinsicht: als Säule
Fotos (2x): Marco Urban
Digital auf der Höhe der Zeit:
Wegen der Corona-Pandemie musste die
dbb Jahrestagung virtuell stattfinden –
mit beträchtlichem technischem Aufwand.
von ULRICH GRÄLER
Virtuelle dbb Jahrestagung: Moderatorin
Anke Plättner, Innenminister Horst Seehofer und
dbb Bundesvorsitzender Ulrich Silberbach (v.l.) im
Austausch mit der zugeschalteten Bundeskanzlerin
Angela Merkel.
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1/2021 ·
lehrer nrw
SCHULE & POLITIK
der Demokratie, als Garant für die Funkti-
onsfähigkeit des Staates, als Stütze der Ge-
sellschaft für die Daseinsfürsorge in Krisen-
zeiten!
Krisenfester Staat dank
funktionierendem
öffentlichem Dienst
Eine Krise wie die Pandemie, die die soziale
Ungleichheit befördern und verschärfen
könne, die die Neuverschuldung des Staates
in kaum nachvollziehbare Höhen treibe, un-
terziehe die Gesellschaft einem Stresstest,
so Silberbach. Nicht alle Bürger folgten den
Entscheidungen der Politik, nicht alle ließen
sich von wissenschaftlichen Erkenntnissen
leiten. In dieser schwierigen Zeit erwies sich
die Krisenfestigkeit des Staates als Schutz
für seine Bürger. Und dies auch dank eines
funktionierenden öffentlichen Dienstes.
Es sei ein historischer Fehler gewesen,
den öffentlichen Dienst als Einsparpotenzial
zu betrachten. Dies habe dazu geführt, dass
die öffentliche Infrastruktur nicht bzw. nicht
ausreichend genug auf eine Pandemiesitua-
tion vorbereitet gewesen sei. Ein Staat, der
zu sehr »auf Kante genäht« sei, wäre in Kri-
senzeiten absolut überfordert. Für den dbb
gehe es nun darum, die ’Marke’ öffentlicher
Dienst weiter zu stärken, zum Beispiel beim
Umgang mit dem Thema Gewalt oder dem
Thema der Digitalisierung. Dazu zähle der
Ausbau einer digitalen Verwaltung mit einer
massiven Investition in die IT-Ausstattung
der Behörden. In dieser Hinsicht befände
sich Deutschland im europäischen Vergleich
auf einem der hinteren Plätze. Daher brau-
che es dringend einen ’Digitalpakt Verwal-
tung’.
Seehofer sieht
neue Dynamik im
Digitalisierungsprozess
Horst Seehofer als Innenminister hob mit
großem Respekt hervor, dass der Staat wäh-
rend der gesamten letzten Monate stets voll
handlungsfähig geblieben sei. Das öffentli-
che Gemeinwesen habe sich erneut nach
Wiedervereinigung und Bankenkrise als voll
leistungsfähig erwiesen. Damit halte es
auch jedem Vergleich mit der Privatwirt-
schaft stand. Er gestand ein, dass an zahl-
reichen Stellen die IT-Ausstattung unzurei-
chend sei und in mancher Dienststelle noch
eine Art ’Zettelwirtschaft’ vorherrsche.
Gleichzeitig betonte er aber, dass gerade
der Digitalisierungsprozess im Bereich des
öffentlichen Dienstes eine gewaltige Dyna-
mik entwickelt habe, die auch nach der Pan-
demie andauern werde.
Der Innenminister betonte in diesem Zu-
sammenhang wiederholt seine Auffassung
von der Notwendigkeit des Berufsbeamten-
tums, das einen wesentlichen Garant für die
Stabilität der Demokratie darstelle. Er ver-
wies dazu unter anderem auf den guten Ta-
rifabschluss im Bereich von Bund und Kom-
munen, der auf Bundesebene »eins zu eins«
auf die Beamten übertragen werde. Auch
die föderalistische Struktur unseres Staats-
aufbaus lobte er in den höchsten Tönen. Er
kenne kein besseres Modell, da dadurch re-
gionale Besonderheiten am treffsichersten
entsprechende Berücksichtigung finden
könnten.
Antidemokratische
Tendenzen bekämpfen
Seehofer, als Bundesinnenminister ein gro-
ßer Verfechter der Demokratie, legte in sei-
ner wohl letzten Rede auf einer dbb-Jahres-
tagung Wert darauf, die großen Ziele, die die
Aufgabe seines Amtes mit sich brächten,
nochmals besonders hervorzuheben, die al-
lesamt dazu dienten, den gesellschaftlichen
Zusammenhalt und die Solidarität innerhalb
der Gesellschaft zu fördern. Dies bedeute
dann auch, Konzepte gegen antidemokrati-
sche Tendenzen und Kräfte in jeder Form
wie Extremismus, Rassismus etc. zu ent-
wickeln und konsequent zu verfolgen.
Er dankte dem Vorsitzenden des dbb,
Ulrich Silberbach, für die jahrelange vertrau-
ensvolle Zusammenarbeit. Beide Seiten hät-
ten ihre jeweiligen Interessen stets mit An-
stand vor- und auch ausgetragen, was in
der anschließenden Diskussionsrunde noch-
mals mehr als deutlich wurde.
KOMMENTAR
Der Öffentliche Dienst
– das ’Betriebssystem’
der Gesellschaft
W
enn Tarifpartner wie der Innen-
minister und der Gewerk-
schaftschef sich in so vielen Punkten
einig sind, dann ist nicht (mehr) das
Ziel das Problem, sondern die Umset-
zung. Während in der Vergangenheit
heftig über die Zielsetzung gestritten
wurde, geht es nun den meisten Be-
teiligten in der Umsetzung nicht
schnell genug.
Der Ruf nach dem ‘schlanken
Staat’, der in Zeiten der ‘new econo-
my’ Hochkonjunktur besaß, ist nun-
mehr nach Bankenkrise und Pande-
mie vollends verstummt. Mancher
Weg, der dabei eingeschlagen wurde,
führte nicht zum gewünschten Erfolg.
Vielleicht lag es auch daran, dass
man den Begriff des ‘schlanken Staa-
tes’ nicht gut genug durchdacht oder
gar falsch verstanden hatte.
Ein ‘schlanker Staat’ muss nicht un-
bedingt seine Aufgabenbereiche durch
’Auslagerung’ reduzieren, sondern sei-
ne als notwendig anerkannten Aufga-
ben effektiv ausführen können. Inso-
fern gilt es, den öffentlichen Dienst in
den Stand zu versetzen, diese Aufga-
ben möglichst effizient zu erfüllen. Die
Bürger dieses Landes sehnen sich der-
zeit geradezu nach einem verlässlichen
Staat, der imstande ist, in Notzeiten
vielfältige Unterstützung zu leisten.
Die Einsicht, dass der öffentliche
Dienst ein »Dienst am und für den
Menschen« darstellt, ist allseits in der
Gesellschaft angekommen. Nun ist es
an der Politik, diesen gesellschaftlichen
Konsens nicht nur in der Verwaltung,
sondern unter anderem auch im Bil-
dungsbereich mit Mensch und Materi-
al umzusetzen, damit das ’Betriebssys-
tem’ auf Dauer möglichst effektiv und
störungsfrei läuft!
Ulrich Gräler
Ulrich Gräler ist stellv. Vorsitzender des
lehrer nrw
E-Mail: graeler@lehrernrw.de
lehrer nrw ·
1/2021
22
SCHULE & POLITIK
Antrag mit Luft
nach oben
Die NRW-Landesregierung prüft derzeit, wie mit einer pass-
genaueren Lehrerausbildung die Lehrkräfteversorgung
sichergestellt und verbessert werden kann. In einer Anhörung
begrüßte
lehrer nrw
die Initiative im Grundsatz, mahnte aber
auch Nachbesserungen und Konkretisierungen an.
U
U
nter anderem sieht die vorläufige
Beschlussvorlage der Fraktionen
von CDU und FDP vor:
eine Optimierung der Beratungsangebote
an Hochschulen;
eine Anrechnung schulischer Vortätigkeiten
auf die Dauer des Vorbereitungsdienstes;
bereits bestehende, niedrigschwellige
Möglichkeiten des Erwerbs voller Lehr-
amtsbefähigungen zu erweitern, zum Bei-
spiel durch zweisemestrige Ergänzungs-
studiengänge in gesuchten Lehrämtern;
die Optimierung von Steuerungsprozessen,
damit mehr angehende Lehrkräfte die zwei-
te Ausbildungsphase in Regionen mit be-
sonderem Einstellungsbedarf absolvieren;
Maßnahmen zur berufsbegleitenden Vor-
bereitung von Seiteneinsteigern besser an
den Qualitätsstandards grundständig aus-
gebildeter Lehrkräfte insbesondere in pä-
dagogischer Hinsicht anzupassen.
Positiv im Grundsatz,
problematisch im Detail
Sven Christoffer, Vorsitzender von
lehrer
nrw
, begrüßte den Vorstoß der Regierungs-
fraktionen zur Verbesserung der Lehrkräfte-
versorgung im Grundsatz, kritisierte aber
auch einige problematische Punkte in dem
Antrag.
So feiert sich die Landesregierung dafür,
dass über das Angebot einer Laufbahnwech-
selgarantie bereits 178 Arbeitsverträge ge-
schlossen wurden. Christoffer wies in diesem
Kontext darauf hin, »dass diese Einstellun-
gen zum allergrößten Teil an Gesamt- und
Sekundarschulen erfolgt sind. Der Grund da-
für ist, dass es an diesen Schulformen kei-
nen Fächerausschluss gibt, an Haupt- und
Realschulen jedoch nur bestimmte Fächer
ausgeschrieben werden dürfen. Um die
Maßnahme auch an Haupt- und Realschu-
len erfolgreich zu gestalten, muss diese Be-
grenzung dringend aufgehoben werden«.
Ebenso lobt sich die Landesregierung,
dass seit 2017 insgesamt in allen Schulfor-
men 2736 Seiteneinsteiger für den Schul-
dienst gewonnen werden konnten. Das Pro-
blem aus Sicht von
lehrer nrw
: Nur ein Teil
dieser Seiteneinsteiger hat die Möglichkeit,
durch das Durchlaufen der OBAS ein zwei-
tes Staatsexamen zu erwerben. Christoffer
hält es deshalb »für dringend erforderlich,
dass den Kolleginnen und Kollegen, die bis-
lang nur die Pädagogische Einführung
durchlaufen (können), weitere Nachqualifi-
zierungsangebote gemacht werden, die
dann ebenfalls zum Erwerb einer grundstän-
digen Lehramtsbefähigung führen«.
Besoldungsfrage lösen,
Pflichtstundendeputat
angleichen
Das Problem der hohen Studienabbrecher-
quoten im Lehramtsstudium will Schwarz-
Gelb durch eine bessere Beratung lösen.
Darüber hinaus »könnten Mechanismen an-
gelegt werden, um noch stärker als bisher
das Ungleichgewicht zwischen Angebot und
Nachfrage zwischen den verschiedenen
Lehrämtern bzw. Schulformen anzugehen«,
heißt es im Antrag. Christoffer lässt das
nicht unkommentiert: »Nach Auffassung un-
seres Verbandes ist der beste Mechanismus,
ein Gleichgewicht zwischen Angebot und
Nachfrage zwischen den verschiedenen
Lehrämtern bzw. Schulformen herzustellen,
die Angleichung der Besoldung und des
Pflichtstundendeputats
Dem Ansinnen, den Vorbereitungsdienst
zu kürzen, »ohne die Qualität der Ausbil-
dung in Frage zu stellen«, wie es im Antrag
heißt, erteilt Christoffer eine Absage: »Die
Schülerinnen und Schüler haben einen An-
spruch auf sorgfältigst vorbereitete Lehr-
kräfte. Die zeitliche Verknappung stünde
diesem Anspruch entgegen.«
Jochen Smets
Foto: AdobeStock/P&G
Luft nach oben: CDU und FDP müssen sich noch strecken, wenn
ihr Vorstoß zur Verbesserung der Lehrerversorgung Erfolg haben soll.
23
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lehrer nrw
SCHULE & POLITIK
Von Jugendlichen
für Jugendliche
Dreißig Millionen Euro haben Schülerinnen und Schüler in
Deutschland für humanitäre Hilfsprojekte gesammelt. Hinter
dieser beeindruckenden Zahl steht die Initiative ’Schüler hel-
fen Leben’, die für die diesjährige Kampagne wieder Schulen
und Schüler gewinnen will.
E
E
inmal im Jahr organisiert Deutsch-
lands größte von Jugendlichen geführ-
te Hilfsorganisation ’Schüler Helfen
Leben’ (SHL) den ’Sozialen Tag’, an dem
bundesweit Schülerinnen und Schüler für ei-
nen Tag die Schulbank gegen einen Arbeits-
platz tauschen. Mit dem eigenommenen
Lohn werden Jugend- und Bildungsprojekte
in Südosteuropa und Jordanien unterstützt.
Der ’Soziale Tag’ wurde erstmals 1998 in
Schleswig-Holstein und seit 2006 in ganz
Deutschland durchgeführt. Seitdem haben
fast zwei Millionen Schülerinnen und Schü-
ler über dreißig Millionen Euro gespendet
und damit mehr als 130 Jugend- und Bil-
dungsprojekte gefördert.
Niedrigschwelliges
Aktionsformat
Am ’Sozialen Tag’ engagieren sich Schüle-
rinnen und Schüler über nationale Grenzen
hinweg für Gleichaltrige. Dabei setzen sie
ein Zeichen für Zusammenhalt und Solidari-
tät. Sie bekommen die Möglichkeit, selbstor-
ganisiert in ihren Traumberuf reinzuschnup-
pern und so Erfahrungen zu sammeln, die
sie ebenfalls in den Unterricht einbringen
können. Zugleich entsteht ein Bewusstsein
für zivilgesellschaftliches Engagement. Mit
den eingenommenen Geldern des ’Sozialen
Tages’ können die von SHL unterstützten
Projekte zum Beispiel Bildungsarbeit für
Kinder und Jugendliche aus benachteiligten
Roma-Communities möglich machen oder
Jugendfreizeitangebote schaffen, die Vorur-
teile abbauen und Demokratie fördern.
Die starken Einschränkungen des öffentli-
chen Lebens und deren Folgen treffen die
Kinder und Jugendlichen in unseren Projekt-
regionen in Südosteuropa und im Kontext
des Syrien-Konflikts besonders stark. Gerade
junge Menschen mit ohnehin schwieriger
Perspektive leiden unter den Einschränkun-
gen besonders. Wir wollen zusammenhalten
und sicherstellen, dass Kinder und Jugendli-
che in diesen schwierigen Zeiten nicht noch
stärker an den Rand der Gesellschaft ge-
drängt werden.
Engagement
Corona-sicher gestalten
Auch bei unserer Arbeit in Deutschland sind
die Auswirkungen spürbar, insbesondere im
Hinblick auf den ’Sozialen Tag’ am 10. Juni
INFO
www.sozialertag.de
Foto: Schüler Helfen Leben
2021. Unser Ziel ist es, Engagement auch
und besonders während der Covid-19-Pan-
demie zu ermöglichen. Dem Engagement am
’Sozialen Tag’ steht nichts im Weg, wenn die
Hygienebestimmungen, die vor Ort gelten,
eingehalten werden können und gewerbli-
che Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die
betrieblichen Infektionskonzepte umsetzen.
Selbstverständlich steht die Sicherheit und
Gesundheit aller an erster Stelle. Auch eine
Terminverschiebung kann bei der Umsetzung
hilfreich sein, denn der ’Soziale Tag’ kann an
jedem Tag im Jahr durchgeführt werden.
Ist ein Engagement am ’Sozialen Tag’ in Be-
trieben oder außerhalb der Schule nicht vor-
stellbar, kann auch eine Aktion in der Schule
oder im Klassenverband durchgeführt werden.
Bildungsangebote
zum Sozialen Tag
Bildungsangebote zum ’Sozialen Tag’ bietet
das sogenannte Sozialer-Tag-Mobil, um
Schülerinnen und Schüler bundesweit über
den ’Sozialen Tag’ zu informieren. Die Frei-
willigen von SHL organisieren online Schul-
besuche, die auch während der Corona-Pan-
demie stattfinden können. Neben Infos und
Eindrücken aus den Projekten haben sie
auch Ideen für Engagement-Möglichkeiten
am ’Sozialen Tag’ für Schülerinnen und Schü-
ler im Gepäck. Die verschiedenen Workshops
und Vorträge lassen sich einfach in den Un-
terricht integrieren.
Judith Borowski
Schüler Helfen Leben
Flagge zeigen für benachteiligte
Jugendliche:
Die Initiative ’Schüler helfen
Leben’ hat in Deutschland bereits rund zwei
Millionen Schülerinnen und Schüler mobilisiert,
um Jugend- und Bildungsprojekte in Südost-
europa und Jordanien voranzutreiben.
Leserbrief
Wir schützen das Curriculum,
nicht die Menschen
Der zweite Lockdown verlangt allen Beteiligten einiges ab.
Vor allem Lehrkräfte, die eigene Kinder haben, stoßen nicht selten an Grenzen.
Ein Gesamtschul-Kollege schildert seine Eindrücke.
W
W
ir müssen bei der Betrachtung
des Status Quo unterscheiden
zwischen dem Distanz’unter-
richt’ des ersten Lockdowns im März/April,
der letzten Woche vor Weihnachten und
der Zeit jetzt im Januar.
Die erste Schulschließung war für das
Distanzlernen unvorbereitet und chaotisch,
wurde durch großen Einsatz und Improvi-
sation aber aufgefangen. Noch problema-
tischer war die letzte Woche vor den ver-
längerten Weihnachtsferien: Das Aufheben
der Schulpflicht, Distanzlernen ab Klasse 8
und die gleichzeitige Öffnung bis Jahr-
gangsstufe 7 für jene, die ’Lust’ haben, hat
Schulen vor logistische Hürden gestellt, die
man im Ministerium wohl kaum erahnen
kann.
Jetzt allerdings sind wir alle zu Hause.
Was nicht immer ein Vorteil sein muss,
wenn von Eltern gleichzeitig das berufliche
Homeoffice, die Hausaufgaben der Kinder,
das Führen eines Haushalts und techni-
scher Support am Handy/PC/Laptop/iPad
etc. geleistet werden soll. Denn wer
glaubt, die Kinder schaffen das alles allein,
glaubt auch daran, dass man ab Ostern
wieder Urlaub machen kann.
Der Anforderungskatalog an die Lehr-
kräfte ist immens:
regelmäßige Videokonferenzen mit den
Klassen (im Rahmen der Unterrichtsstun-
den laut Plan);
regelmäßige persönliche Anrufe bei allen
Kindern zur Nachfrage, ob alles auch o.k. sei;
tägliche Aktualisierungen auf den Platt-
formen Logineo/Moodle/Teams/BigBlue
Button/Youtube/Whatsapp/Anton.App etc.
mit Aufgaben für Schüler;
selbstverständliche Kontrolle der Hausauf-
gaben und Rückmeldungen an die Schüler,
Tipps, Aufmunterung und Support;
Kontrolle der Anwesenheit von Schülern in
digitalen Konferenzen, der Lernaufgaben,
Foto: AdobeStock/Gajus
lehrer nrw ·
1/2021
24
LESERBRIEF
Multitasking
wird zum Regelfall.
Der Corona-Lockdown
überfordert viele Eltern und
bringt auch Lehrkräfte
an die Grenzen der Belastbarkeit.
LESERBRIEF
Referate etc. mit Rückmeldungen, soll-
ten diese nicht eingehalten werden;
selbstverständliche Teilnahme an kolle-
gialen Videokonferenzen zur Zeugnis-
konferenz, Klassenkonferenzen etc. (was
bei unserem Gesamtschulsystem tagfül-
lend ist).
Diese Liste könnte fortgesetzt werden. Die
Arbeit hat sich also erwartbar verändert
und – vor allem – vermehrt. Wer als Lehrer
vorher das exponentielle Wachstum nicht
verstanden hat, möge seine Dienstmails
der letzten Wochen zählen.
Doch die genannten Punkte sind nur ei-
ne Seite der Medaille. Auf der anderen Sei-
te stehen die Schüler (die sich im Arbeits-
verhalten erwartbar nicht signifikant ver-
ändert haben – einige machen nichts und
tauchen ab, viele arbeiten oberflächlich, ei-
nige sind motiviert) und vor allem die El-
tern.
Mit meinen vier Kindern (an drei Schul-
formen) und meinem eigenen Job komme
ich nach nur einer Woche an einen Punkt,
der mich ahnen lässt, was Burnout bedeu-
tet. Ich finde es unverantwortlich, dass un-
sere Landesregierung Schulen derart im
Regen stehen lässt und dieses pandemi-
sche Schuljahr weiterhin so verkauft, dass
es keinen ’Corona-Malus’ geben dürfe. Das
verkauft sich politisch möglicherweise
recht gut, geht aber natürlich an der Reali-
tät vorbei und setzt Familien massiv unter
Druck.
Viele Eltern in meinem Bekanntenkreis
(inklusive mir selbst) sind mit dieser Situa-
tion überfordert – und ich zähle mich zu
jenen, die prinzipiell belastbar sind und
Ressourcen haben. Neben beruflicher Un-
gewissheit, dem Verzicht auf Freunde, Frei-
zeit und Sport sollen die Eltern jetzt quasi
auch noch Lehrer spielen. Das bringt fast
alle in eine Situation, dass plötzlich zusätz-
licher Druck erzeugt wird, weil man die
Kinder von einer Online-Konferenz zur
nächsten Abgabefrist nötigt.
In unserem Haus gibt es nur noch zwei
Themen zwischen den Kindern und uns:
Corona und Moodle. Beides sorgt für ge-
reizte Stimmung. Ich ärgere mich, dass ich
gerade – von Berufs wegen – dies auch
bei anderen Familien erzwingen muss.
Auch beim Homeschooling dürfen feste
Arbeitszeiten für die Kinder nicht über-
schritten werden. Auch dort müssen – wie
im Unterricht – Fehler erlaubt bleiben.
Nachzudenken wäre über eine Reduzie-
rung des Fächerkanons im Homeschooling
auf die Kernfächer. Und die Aussage, dass
alle digital eingereichten Aufgaben voll be-
notet werden müssen, gibt den Druck nur
auf eine Schulter: die der Mütter und Vä-
ter! Im Moment schützen wir nur noch das
Curriculum, nicht mehr die Menschen!
Oliver van Well
Marsch,
marsch,
vor die Cam
lso, dass ich mal zum ’Streaming-Star’ werde, habe
ich mir selber nicht träumen lassen, wobei das nie
mein Traum war. Eigentlich habe ich mich vor Jahren mal
für diesen Beruf entschieden, um Teams zu stärken und jedem in-
nerhalb der Klasse klarzumachen, dass man nur als Team erfolg-
reich sein kann. Naja, und irgendwie sehe ich das dahinvegetieren;
die gute alte Klassengemeinschaft. Jetzt geht halt alles LIVE – über
die Internetleitung…
Noch jüngst traf ich meine liebe Kollegin Ingrid, die mir beim Ein-
kaufen zwischen Blumenkohl und Kartoffeln ihr Leid klagte. »Ach
Ferdinand, der neue Schulleiter ist wirklich ein Idealist. Mir kommt
es so vor, als habe man die Kinder aus den Augen verloren. Alles
läuft nur noch über LOGINEO LMS ab, obwohl das Ding dauerhaft
abstürzt, und hinzu kommen noch die Unterrichtsstunden vor der
Kamera.«
»Wie, vor der Kamera?«
»Ja, stell dir vor, unser Schulleiter möchte dass wir mit Flitzi, oder
Klitzi oder so eine Videokonferenz abhalten und den Unterricht LIVE
erteilen. Danach sollen die Aufgaben von den Schülerinnen und
Schülern hochgeladen werden, und alles soll korrigiert und benotet
werden. Also eine doppelte bis dreifache Arbeit. Es ist zum Kotzen!«
Oje, jetzt weiß ich, was mich noch die nächsten Jahre erwarten
wird. Ich wunderte mich bereits über die Flut von E-Mails, die unser
Schulleiter Herr Aktenlieb seit Wochen durch die Gegend schickt.
Meist weitergeleitete E-Mails aus dem Elfenbeintürmchen von
Herrn Dezernent Bürokratius. »Tun sie dies, aber unterlassen sie
das…« – »Sie sollten, aber nur mit Augenmaß…« – »Wir wissen
noch gar nichts, darum werden wir auch nichts tun…« – »Und
noch eine Dienstbesprechung, aber nur vor der Cam…« – »Reagie-
ren Sie mit Wohlwollen…« usw…
Ja hat denn da keiner mehr den A*** in der Hose sich festzule-
gen? Wofür fließen denn dort die Besoldungen ab A15? Ganz klar,
um keine Entscheidung zu treffen, dadurch keinen Fehler zu ma-
chen und damit den eigenen Allerwertesten zu retten, zur Not auf
dem Rücken der engagierten Kollegien. Kleiner Hinweis: Man be-
kommt die hohe Besoldung, damit man Entscheidungen trifft und
diese auch vertritt, auch wenn der eigene Kopf einmal ohne Seife
gewaschen wird. Und dies unter dem Aspekt der Arbeitgeberfürsor-
gepflicht!
Liebe Dezernenten im Elfenbeintürmchen, findet einmal eine ein-
heitliche Lösung, die alle Schulen in eurem Regierungsbezirk be-
trifft und betrachtet einmal die Anforderungen an Lehrerinnen und
Lehrer »mit Augenmaß«!
Euer alter Kollege
Ferdinand Kümmertsich
Der Kollege Ferdinand Kümmertsich ist gestählt durch unzählige Schlachten in
Konferenzen, Bezirksregierungsbüros und Elternsprechtagen. Mit reichlich
Berufs- und Lebenserfahrung ausgestattet, blickt er mit einem Augenzwinkern
auf den ganz normalen Wahnsinn des Systems Schule.
Ferdinand Kümmertsich
lehrer nrw ·
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KOLUMNE
Marsch,
marsch,
vor die Cam
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1/2021 ·
lehrer nrw
SENIOREN
Trauer um Adolf ‘Roy’ Deimann (1919 bis 2020)
A
m 28. September 2020 ist Adolf Dei-
mann im hohen Alter von 100 Jahren
in Nörvenich verstorben. Seinen 100. Ge-
burtstag feierte er noch im Familienkreis in
seinem Reihenbungalow in Erftstadt-Le-
chenich. Roland Gschwandtner, mein Nach-
folger, und ich durften ihn damals besu-
chen. Geistig vollkommen frisch und orien-
tiert, berichtete er uns aus seinem Leben.
Am 1. Dezember 1919 erblickte er in
Dortmund das Licht der Welt. Seine Kind-
heit war eine entbehrungsreiche Zeit,
denn das Ruhrgebiet war nach dem verlo-
renen ersten Weltkrieg von 1923 bis zum
Juli 1925 durch französische und belgi-
sche Truppen besetzt. Jede Familie musste
ums Überleben kämpfen. Erst Anfang der
1930er Jahre, nach der Weltwirtschafts-
krise, wurde das Leben erträglicher. Seine
Eltern ermöglichten es ihm, die Höhere
Schule zu besuchen. In diesen Jugendjah-
ren hatte er das Glück, bei Borussia Dort-
mund Fußball spielen zu dürfen. Dann be-
gann im September 1939 der zweite
Weltkrieg. Nach einem Notabitur wurde
er 1940 zum Wehrdienst einberufen. Er
hatte 1945 Glück, nach kurzer Gefangen-
schaft heil aus dem Kriegsgeschehen ent-
lassen zu werden.
Auf Wunsch seiner Eltern machte er ei-
ne Banklehre, orientierte sich aber bald
um: Da um 1950 viele Lehrer gesucht
wurden, begann er die Ausbildung zum
Lehrerberuf, und zwar an der Pädagogi-
schen Hochschule in Dortmund. Hier lern-
te er seine spätere Ehefrau Edeltraud ken-
nen. Seine erste Stelle als Realschullehrer
erhielt Adolf Deimann in Castrop-Rauxel,
seine Frau unterrichtete an der Realschule
Wanne-Eickel. ‘Roy’ wurde zu seinem
Spitz- und Rufnamen.
In den sechziger Jahren strebte Roy mit
seiner Familie – inzwischen war eine
Tochter geboren – einen Wechsel ins
Rheinland an. Es ergab sich 1967/1968
für beide Ehepartner die Möglichkeit, eine
Stelle an der 1965 neu gegründeten Real-
schule in Sankt Augustin-Menden zu be-
kommen. Hier wurden die Fächer Deutsch
und Geschichte sehr gesucht. Da Roy
schon immer eine ‘musikalische Ader’ be-
saß und gut Klavier spielen konnte, gab er
in den ersten Jahren in Menden auch Mu-
sikunterricht und leitete mit großem Er-
folg den Schulchor. Sein großes Interesse
galt dem Fach ‘Geschichte’. Und nicht zu-
letzt durch seine pädagogischen Fähigkei-
ten wurde ihm sehr bald die Fachleiter-
stelle für Geschichte beim Bezirksseminar
in Siegburg angetragen, wodurch er zum
Direktorstellvertreter ernannt wurde.
1981 ging Adolf Deimann mit 62 Jah-
ren vorzeitig in Ruhestand. Zum Kollegi-
um der Realschule Menden hielt er wei-
terhin engen Kontakt. Auch dem Real-
schullehrerverband, dem er schon früh
beigetreten war, hielt er die Treue, ebenso
nach der Umbenennung in
’lehrer nrw’
.
Roy Deimann war eine beeindruckende
Persönlichkeit, immer freundlich und auch
im hohen Alter stets an der Politik und
dem Schulleben interessiert.
Siegfried Westermann
ehemaliger Seniorenbetreuer des KV Rhein-Sieg
Adolf ‘Roy’ Deimann
Auch die
lehrer nrw
Seniorenvertreter sind im
’Homeschooling’:
Hier bei einer Videokonferenz zur Jahresplanung.
In eigener Sache
Das Jahr 2021 hat angefangen, und wir sind immer noch in
den Klauen von Corona. Wir warten dringend darauf, dass
wir auch mit unseren Kolleginnen und Kollegen der Senio-
rengemeinschaft des
lehrer nrw
wieder Veranstaltungen
durchführen oder besuchen können. Viele Kolleginnen und
Kollegen, die mich anriefen, betonten, dass ihnen doch et-
was fehlt; denn wir konnten in den letzten Jahren feststel-
len, dass durch unsere Treffen und Fahrten doch eine Men-
ge an neuen Freundschaften entstanden sind. Wir vom Re-
ferat haben Ende Dezember 2020 per Videokonferenz erste
Planungen für 2021 angestoßen. Es soll, sobald die Pande-
mie abgeflacht ist, wieder ’losgehen’ mit unseren gemein-
samen Erlebnissen. Dazu an dieser Stelle bald mehr.
lehrer nrw ·
1/2021
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»Das geht nicht!«
Oder doch?
W
W
enige Themenbereiche beschäfti-
gen die Gesellschaft im Zusam-
menhang mit Maßnahmen in der
Corona-Pandemie so sehr wie die Regelun-
gen für Schulen und Kitas. Das zeigt schon
die Häufigkeit und Dichte der Medienbe-
richterstattung sowie die Intensität und
Emotionalität im öffentlichen Diskurs. Es
werden teils hitzige, ins Grundsätzliche ge-
hende, sogar Lager bildende Debatten ge-
führt um Präsenz- und Distanzunterricht,
Wechsel- und Schichtmodelle, um Lüftungs-
konzepte, Maskenpflichten und Quarantä-
neanordnungen.
Unbeschadet, ob es sich um Maßnahmen
der Bundes- oder Landesregierung oder
weiterer Behörden, wie auch schulischer
Maßnahmen selbst handelt, werden die ge-
troffenen Maßnahmen häufig in der Sache
als nicht sinn- oder wirkungsvoll angesehen.
Oder sie gehen dem einen nicht weit genug,
während sie nach Auffassung des anderen
über das Ziel hinausschießen. In vielen Fällen
werden Maßnahmen tatsächlich auch korri-
giert und Strategien verändert. Nichts ist so
stetig wie der Wandel, mag man im Hinblick
auf Corona-Maßnahmen häufig denken. Ge-
meinsam ist dann oftmals, dass die Maßnah-
men damit aber auch gegen ein Rechtsemp-
finden vieler verstoßen beziehungsweise »ir-
gendwie nicht in Ordnung« erscheinen.
Verhältnismäßig ist nicht
zwangsläufig praxistauglich
Äußerungen von Politikerinnen und Politi-
kern oder Behördenvertreterinnen und -ver-
tretern oder nicht zuletzt den Medien ent-
nimmt die Bevölkerung wiederum jedoch
dann häufig, dass auch nach obigen Maßstä-
ben zweifelhaft erscheinende Maßnahmen
rechtlich einwandfrei seien, weil sie – neben
der Erfüllung anderer Rechtmäßigkeitsvo-
raussetzungen – ‘verhältnismäßig’ seien.
Was bedeutet der in diesem Kontext so oft
strapazierte Grundsatz der Verhältnismäßig-
keit? Wie kann eine Maßnahme, die sich bei-
spielsweise als praxisuntauglich erweist und
unter Umständen sogar verändert oder au-
ßer Kraft gesetzt wird, dennoch als verhält-
nismäßig anzusehen sein? Was sagt das aus
über das Maß an Sorgfalt, mit dem Recht ge-
setzt werden kann? Bedeutet das, dass Re-
gierungen und Ämter ‘mit Recht’ einfach mal
ins Blaue hinein Maßnahmen erlassen kön-
nen?
Nein, gemeint ist folgendes: Wenn bei
staatlichem Handeln der Grundsatz der Ver-
RECHT
§
AUSLEGER
von CHRISTOPHER LANGE
Die Corona-Schutzmaßnahmen
im Lichte des
Verhältnismäßigkeits-
grundsatzes.
29
1/2021 ·
lehrer nrw
hältnismäßigkeit gewahrt ist, hat das staat-
liche Organ – bei Beachtung aller anderen
Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen – nicht
unrechtens gehandelt, selbst wenn die Maß-
nahme sich in der Praxis beziehungsweise
im Nachhinein nicht als goldener Schuss,
das heißt als die richtige und erfolgreiche
Lösung erweist. Es besteht ein Spielraum
zur Einschätzung der jeweiligen Lage, insbe-
sondere, wenn diese neuartig ist.
Legitime Mittel zum
legitimen Zweck
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird aus
dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaats-
prinzip und den Freiheitsgrundrechten abge-
leitet. Er stellt einen übergreifenden Leitsatz
für staatliche Handlungen dar. Er betrifft die
Zweck-Mittel-Relation, das heißt das Ver-
hältnis zwischen rechtlich maßgeblichen
Konsequenzen staatlichen Handelns und
seiner Zwecksetzung. Dieses Handeln darf
hinsichtlich des verfolgten Zwecks nicht
über das erforderliche und geeignete Maß
hinaus in die Rechtspositionen der Bürger
eingreifen. Kaum bestreitbar kommt die Be-
deutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsat-
zes nirgends
deutlicher zum
Vorschein als bei
den Maßnahmen
zur Bekämpfung
der Corona-Pan-
demie.
Maßnahmen
sind – in groben
Zügen darge-
stellt –, verhältnismäßig, wenn sie mit einem
legitimen Mittel einen legitimen Zweck ver-
folgen und geeignet sind, diesen Zweck zu
erreichen. Außerdem muss das Mittel erfor-
derlich sein, das heißt es darf kein anderes,
ebenso wirksames, aber die Bürger weniger
belastendes Mittel ersichtlich sein. Und die
Maßnahme muss angemessen sein. Dies ist
der Fall, wenn nach einer Gesamtabwägung
der Schwere des Eingriffs in Bürgerrechte
mit der Bedeutung der Eingriffsgründe die
Zumutbarkeitsgrenze gewahrt bleibt.
Es darf nicht außer Acht gelassen werden,
dass sich gerade bei Maßnahmen zur Be-
kämpfung der Corona-Pandemie die han-
delnden staatlichen Organe auf unbekann-
tes Terrain begeben mussten und weiter
müssen. Die Hürden für eine verhältnismäßi-
ge Maßnahme hängen auch von einer be-
stimmten Lage ab. Je weniger klar ist, wie
die Bürger gegen das Virus zu schützen sind
und je mehr darüber hinaus gehende Belan-
ge zu berücksichtigen sind, desto größer ist
der Einschätzungsspielraum im Hinblick auf
zu ergreifende Maßnahmen.
Die Verhältnismäßigkeit
des Falls Solingen
Von daher durfte beispielsweise auch das
Gesundheitsministerium Nordrhein-Westfa-
lens Anfang November letzten Jahres die
Stadt Solingen mit ihrem dem Ministerium
unterstehenden Gesundheitsamt anweisen,
den für die Schulen Solingens verfügten
Wechsel von Distanz- und Präsenzunterricht
wieder zu beenden. Das Ministerium hatte
erlassweise damit den seinerzeit für Nord-
rhein-Westfalen angeordneten Präsenzun-
terricht auch in Solingen wieder durchge-
setzt. Dabei wurde auch nicht unverhältnis-
mäßig und damit unrechtmäßig agiert, weil
das Ministerium von seinem damaligen Ein-
schätzungsspielraum Gebrauch machen
konnte, als es zu berücksichtigende Ge-
sichtspunkte miteinander abwog. Ange-
sichts des Pandemiegeschehens in den ers-
ten Wochen dieses Jahres ist ein genereller
Präsenzunterricht wohl eher anders einzu-
schätzen.
Schulschließung wegen
zweier Corona-Fälle
Zweifel an der Verhältnismäßig- und damit
Rechtmäßigkeit können sicher auch bei der
Maßnahme einer Schule in Berlin aufkom-
men, die entschieden hatte, vom 4. bis zum
12. November 2020 zu schließen. Wegen
zweier Corona-Fälle sollte für 600 Schülerin-
nen und Schüler bis zur Wiedereröffnung le-
diglich online Unterricht stattfinden. Vor
dem Hintergrund der staatlichen Pflicht zum
Schutz der Gesundheit der Bürger und dem
dynamischen Pandemie-Verlauf und vor
dem Hintergrund der zeitlichen Begrenzung
der Maßnahme sowie Fortführung des Un-
terrichts auf digitalem Wege hatte die Schu-
le zum damaligen Zeitpunkt verhältnismä-
ßig gehandelt. Die Schulschließung hatte
damit in einem Eilverfahren vor dem Ver-
waltungsgericht Berlin Bestand (Beschluss
vom 6. November 2020, Az. VG 3 L 623/20).
So müssen Verfahren aber nicht immer
ausgehen. Bereits Ende letzten Jahres wur-
den tausende Fälle von Corona-Beschrän-
kungen deutschlandweit gerichtlich über-
prüft. Einige Maßnahmen vor allem aus Zei-
ten, als die Corona-Bekämpfung noch in ei-
ner sehr frühen Phase war, wurden insbe-
sondere mangels Befristung als
unverhältnismäßig angesehen. Es kommt
eben stets auf die konkrete Lage an.
RECHT
§
AUSLEGER
Christopher Lange leitet die Rechtsabteilung
des
lehrer nrw
E-Mail: Rechtsabteilung@lehrernrw.de
Foto: AdobeStock/pathdoc
Hitzige Auseinander-
setzung:
Schulen stehen
bei Diskussionen über die
Verhältnismäßigkeit von
Corona-Schutzmaßnahmen
oft im Mittelpunkt. Die
Meinungen gehen nicht
selten weit auseinander.
lehrer nrw ·
1/2021
30
ANGESPITZT
Z
Z
wei Schüler wollen in der Notbe-
treuung bespaßt werden, 27 war-
ten vor dem heimischen Bildschirm
auf Aufgaben, und zuhause unter-
stützt die stresserprobte Lehrkraft
noch die eigenen Kinder, natürlich
altersgerecht: Die Vierjährige, die ihre
Kindergartenfreundinnen vermisst,
will getröstet werden. Der Achtjährige
kommt mit dem Dividieren nicht klar
und ist ansonsten dauergefrustet, weil
der Bolzplatz seit Wochen gesperrt ist.
Und die pubertierende Vierzehnjährige
erholt sich gerade vom nächsten Tob-
suchtsanfall, weil mal wieder die
Moodle-Verbindung zusammengebro-
chen ist.
Derweil fragt Jonas aus der 8b zum
x-ten Mal, wo und wie er denn den
Aufsatz hochladen soll. Sina, die mit
der Mathe-Aufgabe und obendrein mit
Motivationsproblemen kämpft, will
auch noch etwas wissen. Zwischen-
durch ploppt noch eine Mail auf, in der
die nächste Etappe im Konferenz-Mara-
thon angekündigt wird. Aber keine Sor-
ge: Um 16 Uhr endet die letzte Video-
sitzung des Tages. Danach müssen nur
noch Hausaufgaben heruntergeladen
und korrigiert werden. Nach einem
ebenso späten wie kurzen Abendmahl
bleibt dann noch ein Stündchen Zeit,
um den Unterricht des nächsten Tages
vorzubereiten. Gegen 23 Uhr – unvor-
hergesehenerweise brauchte Frederik
aus der 9a noch ein wenig moralische
Online-Unterstützung – sinkt die Lehr-
kraft dann ins Bett. Ermattet, aber vol-
ler Vorfreude auf den nächsten, sicher
nicht minder abwechslungsreichen Tag.
Und glücklich, denn wieder hat
sie einen Beitrag zur Abwendung der
Corona-bedingten Bildungskatastrophe
geleistet.
Wer als Lehrer oder Lehrerin arbeitet
(und womöglich eigene Kinder hat), er-
lebt in diesen Tagen einen Crashkurs in
Sachen Multitasking. Das bedeutet vie-
le unbezahlte Überstunden und wenig
Wertschätzung. Den (ohnehin längst
verklungenen) Applaus für die Pflege-
kräfte haben Lehrkräfte nie gehört. Da-
für aber reichlich vom aufgewärmten
Klischee-Süppchen. Dass die Lehrer im
Homeschooling einmal am Tag ein paar
Aufgaben ins Netz stellen und es sich
ansonsten gemütlich machen zum Bei-
spiel.
Aber keine Sorge: Irgendwann ist
Corona vorbei. Und dann pendelt sich
die Wochenarbeitszeit wieder bei ent-
spannten sechzig Stunden ein. Ganz
bestimmt!
Jochen Smets
Crashkurs in Sachen Multitasking
Über Feedback zu meinen Gehirnjogging Übungen würde ich mehr sehr freuen: mail@heike-loosen.de Heike Loosen
LÖSUNG AUFGABE 1: 1. Vor 6 Tagen | 2. Freitag | 3. Samstag | 4. Sonntag | 5. Donnerstag
LÖSUNG AUFGABE 2: RAETSEL | LERNEN | TANZEN | BEWEGUNG | NUESSE | BLAUBEEREN | WASSER | SCHLAF | HIRNJOGGING
Logisches Denken mit Wochentagen
Versuchen Sie, die Lösung nur durch logisches Kombinieren heraus-
zufinden. Bitte ohne Zuhilfenahme der Finger oder eines Kalenders
1. In 8 Tagen ist Dienstag, vor wie viel Tagen war
der letzte = gerade vergangene Dienstag?
2. 4 Tage nach gestern ist Montag. Welcher Tag ist heute?
3. 4 Tage nach übermorgen ist welcher Tag,
wenn vorgestern Freitag war?
4. In 3 Tagen ist Samstag, welcher Tag war vor 3 Tagen?
5. Vor einer Woche und 2 Tagen war Samstag.
Welcher Tag ist in 3 Tagen?
Suchsel: Gut für das Gehirn
In diesem Suchsel sind neun Begriffe versteckt (horizontal, vertikal und diagonal), die gut für Ihr Gehirn sind. Haben Sie alle gefunden?
Ä = AE, Ü = UE, Ö = OE
HIRNJOGGING
31
1/2021 ·
lehrer nrw
N L V X B H F R P V R
U I B R W M X M A R W
E T L B S A Q O X D L
S N A Z E C X R U V N
S Z U N H W H F X S V
E N B H Z J E L C C L
R A E T S E L G A A Y
P L E R N E N A U F I
H I R N J O G G I N G
S Y E F W A S S E R G
A P N A U P T P X X F
AUFGABE 2:
AUFGABE 1:
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