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1/2021 ·
lehrer nrw
SCHULE & POLITIK
der Demokratie, als Garant für die Funkti-
onsfähigkeit des Staates, als Stütze der Ge-
sellschaft für die Daseinsfürsorge in Krisen-
zeiten!
Krisenfester Staat dank
funktionierendem
öffentlichem Dienst
Eine Krise wie die Pandemie, die die soziale
Ungleichheit befördern und verschärfen
könne, die die Neuverschuldung des Staates
in kaum nachvollziehbare Höhen treibe, un-
terziehe die Gesellschaft einem Stresstest,
so Silberbach. Nicht alle Bürger folgten den
Entscheidungen der Politik, nicht alle ließen
sich von wissenschaftlichen Erkenntnissen
leiten. In dieser schwierigen Zeit erwies sich
die Krisenfestigkeit des Staates als Schutz
für seine Bürger. Und dies auch dank eines
funktionierenden öffentlichen Dienstes.
Es sei ein historischer Fehler gewesen,
den öffentlichen Dienst als Einsparpotenzial
zu betrachten. Dies habe dazu geführt, dass
die öffentliche Infrastruktur nicht bzw. nicht
ausreichend genug auf eine Pandemiesitua-
tion vorbereitet gewesen sei. Ein Staat, der
zu sehr »auf Kante genäht« sei, wäre in Kri-
senzeiten absolut überfordert. Für den dbb
gehe es nun darum, die ’Marke’ öffentlicher
Dienst weiter zu stärken, zum Beispiel beim
Umgang mit dem Thema Gewalt oder dem
Thema der Digitalisierung. Dazu zähle der
Ausbau einer digitalen Verwaltung mit einer
massiven Investition in die IT-Ausstattung
der Behörden. In dieser Hinsicht befände
sich Deutschland im europäischen Vergleich
auf einem der hinteren Plätze. Daher brau-
che es dringend einen ’Digitalpakt Verwal-
tung’.
Seehofer sieht
neue Dynamik im
Digitalisierungsprozess
Horst Seehofer als Innenminister hob mit
großem Respekt hervor, dass der Staat wäh-
rend der gesamten letzten Monate stets voll
handlungsfähig geblieben sei. Das öffentli-
che Gemeinwesen habe sich erneut nach
Wiedervereinigung und Bankenkrise als voll
leistungsfähig erwiesen. Damit halte es
auch jedem Vergleich mit der Privatwirt-
schaft stand. Er gestand ein, dass an zahl-
reichen Stellen die IT-Ausstattung unzurei-
chend sei und in mancher Dienststelle noch
eine Art ’Zettelwirtschaft’ vorherrsche.
Gleichzeitig betonte er aber, dass gerade
der Digitalisierungsprozess im Bereich des
öffentlichen Dienstes eine gewaltige Dyna-
mik entwickelt habe, die auch nach der Pan-
demie andauern werde.
Der Innenminister betonte in diesem Zu-
sammenhang wiederholt seine Auffassung
von der Notwendigkeit des Berufsbeamten-
tums, das einen wesentlichen Garant für die
Stabilität der Demokratie darstelle. Er ver-
wies dazu unter anderem auf den guten Ta-
rifabschluss im Bereich von Bund und Kom-
munen, der auf Bundesebene »eins zu eins«
auf die Beamten übertragen werde. Auch
die föderalistische Struktur unseres Staats-
aufbaus lobte er in den höchsten Tönen. Er
kenne kein besseres Modell, da dadurch re-
gionale Besonderheiten am treffsichersten
entsprechende Berücksichtigung finden
könnten.
Antidemokratische
Tendenzen bekämpfen
Seehofer, als Bundesinnenminister ein gro-
ßer Verfechter der Demokratie, legte in sei-
ner wohl letzten Rede auf einer dbb-Jahres-
tagung Wert darauf, die großen Ziele, die die
Aufgabe seines Amtes mit sich brächten,
nochmals besonders hervorzuheben, die al-
lesamt dazu dienten, den gesellschaftlichen
Zusammenhalt und die Solidarität innerhalb
der Gesellschaft zu fördern. Dies bedeute
dann auch, Konzepte gegen antidemokrati-
sche Tendenzen und Kräfte in jeder Form
wie Extremismus, Rassismus etc. zu ent-
wickeln und konsequent zu verfolgen.
Er dankte dem Vorsitzenden des dbb,
Ulrich Silberbach, für die jahrelange vertrau-
ensvolle Zusammenarbeit. Beide Seiten hät-
ten ihre jeweiligen Interessen stets mit An-
stand vor- und auch ausgetragen, was in
der anschließenden Diskussionsrunde noch-
mals mehr als deutlich wurde.
KOMMENTAR
Der Öffentliche Dienst
– das ’Betriebssystem’
der Gesellschaft
W
enn Tarifpartner wie der Innen-
minister und der Gewerk-
schaftschef sich in so vielen Punkten
einig sind, dann ist nicht (mehr) das
Ziel das Problem, sondern die Umset-
zung. Während in der Vergangenheit
heftig über die Zielsetzung gestritten
wurde, geht es nun den meisten Be-
teiligten in der Umsetzung nicht
schnell genug.
Der Ruf nach dem ‘schlanken
Staat’, der in Zeiten der ‘new econo-
my’ Hochkonjunktur besaß, ist nun-
mehr nach Bankenkrise und Pande-
mie vollends verstummt. Mancher
Weg, der dabei eingeschlagen wurde,
führte nicht zum gewünschten Erfolg.
Vielleicht lag es auch daran, dass
man den Begriff des ‘schlanken Staa-
tes’ nicht gut genug durchdacht oder
gar falsch verstanden hatte.
Ein ‘schlanker Staat’ muss nicht un-
bedingt seine Aufgabenbereiche durch
’Auslagerung’ reduzieren, sondern sei-
ne als notwendig anerkannten Aufga-
ben effektiv ausführen können. Inso-
fern gilt es, den öffentlichen Dienst in
den Stand zu versetzen, diese Aufga-
ben möglichst effizient zu erfüllen. Die
Bürger dieses Landes sehnen sich der-
zeit geradezu nach einem verlässlichen
Staat, der imstande ist, in Notzeiten
vielfältige Unterstützung zu leisten.
Die Einsicht, dass der öffentliche
Dienst ein »Dienst am und für den
Menschen« darstellt, ist allseits in der
Gesellschaft angekommen. Nun ist es
an der Politik, diesen gesellschaftlichen
Konsens nicht nur in der Verwaltung,
sondern unter anderem auch im Bil-
dungsbereich mit Mensch und Materi-
al umzusetzen, damit das ’Betriebssys-
tem’ auf Dauer möglichst effektiv und
störungsfrei läuft!
Ulrich Gräler
Ulrich Gräler ist stellv. Vorsitzender des
lehrer nrw
E-Mail: graeler@lehrernrw.de