3Unter der Lupe
Der dunkelste Tag
15 Dossier
Künstliche Intelligenz:
Ethische Leitlinien für
die Bildung
28 Recht§ausleger
Der sanfte Weg in
den Ruhestand
6Im Brennpunkt
LOGINEO NRW –
Zukunftscheck
bestanden, aber…
Schulverweigerung:
Aus Angst nicht in
die Schule?
Pädagogik & Hochschul Verlag . Graf-Adolf-Straße 84 . 40210 Düsseldorf
1781 | Ausgabe 4/2023 | JUNI | 67. Jahrgang
INHALT
lehrer nrw ·
4/2023
2
UNTER DER LUPE
Sven Christoffer:
Der dunkelste Tag 3
BRENNPUNKT
Sarah Wanders: LOGINEO NRW –
Zukunftscheck bestanden, aber… 6
JUNGE LEHRER NRW
Marcel Werner: Kein Abschluss
ohne Anschluss 8
Ausgezeichnete Lehrkräfte 9
PERSONALRÄTE
Bezirkspersonalrat Düsseldorf für
Realschulen: »Bleiben Sie zuversichtlich« 10
Bezirkspersonalrat Düsseldorf für
Gesamt- und Sekundarschulen:
Eine Aufgabe, viele Rollen 11
TITEL
Aus Angst nicht in die Schule 12
Jeder Schultag zählt –
Strategien gegen Scheitern 14
DOSSIER
Künstliche Intelligenz:
Ethische Leitlinien für die Bildung 15
SCHULE & POLITIK
Mülheimer Kongress 2023:
Bildung gestern – heute – morgen 19
Hardi Gruner: …und noch ‘ne Änderung 20
Die Energiesparmeister 22
Ökonomische Bildung gestärkt 23
FORTBILDUNGEN
Auf Ihre Stimme kommt es an 24
BATTEL HILFT
Die Externalisierung des Problems 26
SENIOREN
Vorfreude auf die Herbstreise
nach Würzburg 27
Erlebnisse ‘im hohen Norden’ 27
RECHT§AUSLEGER
Christopher Lange:
Der sanfte Weg in den Ruhestand 28
ANGESPITZT
Jochen Smets: Von Jogginghosen
und AC/DC-T-Shirts 30
HIRNJOGGING
Aufgabe 1: Symbole, Symbole, Symbole 31
Aufgabe 2: Pfeilschnell gefolgt 31
Aufgabe 3: Es war einmal… 31
IMPRESSUM
lehrer nrw
– G 1781 –
erscheint sieben Mal jährlich
als Zeitschrift des
‘lehrer nrw’
ISSN 2568-7751
Der Bezugspreis ist für
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‘lehrer nrw’
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ten. Preis für Nichtmitglieder
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Redaktion
Sven Christoffer,
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Christopher Lange,
Jochen Smets,
Sarah Wanders,
Marcel Werner
Düsseldorf
Verlag und
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PÄDAGOGIK &
HOCHSCHUL VERLAG
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Für unverlangt eingesandte
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währ übernommen werden.
Namentlich gekennzeichnete
Beiträge geben die Meinung
ihrer Verfasser wieder.
Der
dunkelste Tag
A
Am 2. Mai 1933 zerschlugen die National-
sozialisten die freien Gewerkschaften –
ein frühes Fanal des Nazi-Terrors, der
noch folgen sollte. Das Gedenken an diesen
dunklen Tag mahnt uns, dass Freiheit, Demokra-
tie und Solidarität gestärkt werden müssen –
auch heute noch.
Am 27. April durfte ich für unseren Verband
am traditionellen Empfang des Ministerpräsiden-
ten zum Tag der Arbeit teilnehmen. Sowohl
Hendrik Wüst als auch Anja Weber, Vorsitzende
des DGB NRW, erinnerten in ihren Reden an den
90. Jahrestag der Zerschlagung der freien Ge-
werkschaften durch die Nationalsozialisten. Bis
heute bleibt der 2. Mai 1933 der dunkelste Tag
in der Geschichte der deutschen Gewerkschaften.
Der 2. Mai 1933 markiert die politische und
organisatorische Vernichtung der deutschen Ge-
werkschaftsbewegung. Tausende Gewerkschafts-
mitglieder wurden in Zuchthäuser und Konzentra-
tionslager gesperrt, in die Emigration getrieben
oder ermordet. Viele engagierten sich im Wider-
stand gegen das nationalsozialistische Terror-
regime. Wie hatte es dazu kommen können?
Von der Machtübernahme
zur Zerschlagung
Unmittelbar nach der Machtübernahme der Na-
tionalsozialisten erklärte die Führung des sozial-
demokratisch orientierten Allgemeinen Deutschen
Gewerkschaftsbunds (ADGB) Anfang Februar
1933 ihre politische Neutralität gegenüber dem
NS-Regime. Zur Rettung der Organisation und zur
Anerkennung als legale Arbeitnehmervertretung
distanzierte sich der weitaus größte Dachverband
deutscher Gewerkschaften von den politischen
Zielen der SPD. Zudem erwartete der ADGB von
der neuen Führung ein Programm zur Bekämp-
fung der Arbeitslosigkeit. Trotz einsetzenden Stra-
ßenterrors der Nationalsozialisten gegenüber Ge-
werkschaftsfunk-
tionären und der ei-
genmächtigen Absetzung
gewerkschaftlicher Betriebs-
räte beteiligte sich der ADGB 1933
bereitwillig an den Feierlichkeiten zum
‘Tag der nationalen Arbeit’.
Erstmals erfüllte sich eine langersehnte ge-
werkschaftliche Forderung: Der 1. Mai war zum
gesetzlichen Staatsfeiertag unter Fortzahlung des
Lohns erklärt worden. Begeistert strömten im
Reich hunderttausende Arbeiter zu den Veranstal-
tungen der NSDAP, von der sie sich die Erfüllung
weiterer sozialer Forderungen erhofften.
Gleichschaltung der
Gewerkschaften
Die von der NSDAP mit Massenkundgebungen
suggerierte Arbeiterfreundlichkeit endete für den
ADGB einen Tag später in einem Desaster. Zeit-
lich parallel zu den Vorbereitungen der Maifeiern
war nämlich von der NSDAP die Gleichschaltung
der Gewerkschaften in die Wege geleitet wor-
den. Betriebsratswahlen im März 1933, bei de-
nen die Nationalsozialistische Betriebszellenor-
ganisation (NSBO) nur ein Viertel der Stimmen
erhielt, hatten verdeutlicht, dass die NSDAP bei
den Arbeitern in städtischen Großbetrieben we-
nig Rückhalt besaß. Für die Sicherung ihrer Herr-
schaft war die Zerschlagung organisatorischer
Strukturen der Arbeiterschaft deshalb von zentra-
ler Bedeutung.
Am 2. Mai besetzten Mitglieder der SA und der
NSBO in einer präzise vorbereiteten Aktion Büros,
Banken und Redaktionshäuser der im ADGB orga-
nisierten Freien Gewerkschaften. Führende Funk-
tionäre wurden in ‘Schutzhaft’ genommen und
die Gewerkschaftsvermögen beschlagnahmt.
Landtag erinnert an
Opfer der Verfolgung
Auch im Landtag ist der Opfer der Verfolgung
durch die Nationalsozialisten gedacht worden.
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UNTER DER LUPE
von SVEN CHRISTOFFER
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UNTER DER LUPE
Am 2. Mai begingen das Präsidium des Landtags
und Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaf-
ten gemeinsam den 90. Jahrestag der Erstürmung
der Gewerkschaftshäuser durch die Nationalsozialis-
ten. Landtagspräsident André Kuper betonte bei
dieser Gelegenheit eindringlich die Bedeutung von
Demokratie und gewerkschaftlicher Arbeit: »Unsere
Demokratie ist stabil, und einer ihrer Grundpfeiler
ist die funktionierende Soziale Marktwirtschaft. Die
Stimme der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
ist laut und wird gehört. Den Ausgleich der Interes-
sen, Schutz von Arbeitnehmerrechten und Mitspra-
cherechte können nur Demokratien gewährleisten.
Auch in den Betrieben lebt die Demokratie. Deswe-
gen treten wir im Landtag gemeinsam mit den Ge-
werkschaften allen Feinden der Demokratie entge-
gen. Wozu Populismus, Hass und Hetze führen, zeigt
die deutsche Geschichte
Aus der Geschichte lernen
Es klingt ein bisschen klischeebehaftet, aber als
Geschichtslehrer bin ich trotzdem unverrückbar der
Auffassung, dass es unsere Aufgabe als Gesellschaft
ist, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.
Die Gewerkschaften haben damals Gewaltbereit-
schaft und Machtwillen der Nationalsozialisten
unterschätzt, aber sie haben eben auch aus diesen
Erfahrungen gelernt. Unveräußerliche Menschen-
rechte, eine unabhängige Sozialpartnerschaft und
Mitbestimmung gibt es nur in einer demokratischen
Gesellschaft. Freiheit, Demokratie und Solidarität in
Arbeitswelt und Gesellschaft zu stärken und gegen
den Rechtsextremismus zu verteidigen – das ist das
Vermächtnis von 1933.
Sven Christoffer ist Vorsitzender des
lehrer nrw
sowie Vorsitzender des HPR Realschulen
E-Mail: christoffer@lehrernrw.de
Um Freiheit, Demokratie und
Gerechtigkeit muss immer wieder
gerungen werden – zum Beispiel
auf Demonstrationen.
Foto: AdobeStock/Halfpoint
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BRENNPUNKT
LOGINEO NRW –
Zukunftscheck bestanden, aber…
Die Ergebnisse des Zukunftschecks für LOGINEO NRW liegen vor.
Solide, aber ausbaufähig – so ließen sich die Ergebnisse etwas
salopp zusammenfassen. Das mit der Untersuchung beauftragte
Fraunhofer Institut FOKUS gibt fünf Empfehlungen zur Weiterent-
wicklung der schulischen Lern- und Kommunikationsplattform.
I
Im Koalitionsvertrag der Landesregie-
rung heißt es: »Die Schulen bzw. die
Schulträger sind frei in der Wahl der
Lernmanagementsysteme. Wir fordern ver-
bindliche Schnittstellen zwischen den ver-
schiedenen Systemen ein. Wir unterziehen
LOGINEO einem Zukunfts-Check. Im Falle
einer Weiternutzung streben wir eine Ver-
öffentlichung des Quellcodes und gegebe-
nenfalls eine Weiterentwicklung als Open-
Source-Projekt an.« So sollten durch eine
unabhängige Untersuchung die aktuellen
Möglichkeiten und Entwicklungspotenziale
der Schulplattform untersucht werden.
Zu diesem Zweck fanden verschiedene
Veranstaltungen und Workshops mit unter-
schiedlichen Nutzergruppen (Schülerinnen
und Schüler, Lehrkräfte, Administratoren,
Eltern, Medienberaterinnen und Medien-
berater) und auch mit der Schulaufsicht,
Schulträgern sowie den Hauptpersonalrä-
ten und den Hauptschwerbehindertenver-
tretungen statt. Dieser Zukunftscheck wur-
de vom Fraunhofer-Institut für Offene
Kommunikationssysteme FOKUS durch-
geführt und liegt nun vor.
Die Ergebnisse
In dem insgesamt 57 Seiten umfassenden
Bericht kommt Fraunhofer FOKUS zu
folgendem Ergebnis:
»LOGINEO NRW stellt alle wesentlichen
Funktionen bereit, die für eine digitale
Schulplattform aktuell und in naher Zu-
von SARAH WANDERS
Wenn LOGINEO NRW für das
Schulleben alltagstauglich
werden soll, sind noch deutliche
Verbesserungen erforderlich.
BRENNPUNKT
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kunft notwendig sind. LOGINEO NRW
unterstützt die Organisation schulischer
Abläufe mit der Schulplattform, stellt mit
LOGINEO NRW LMS ein umfangreiches
und komfortables Lernmanagementsystem
bereit und ermöglicht die schnelle, direkte
Kommunikation zwischen Lehrenden und
Lernenden sowie auch in den Gruppen un-
tereinander mit LOGINEO NRW Messen-
ger
Um allerdings sicherzustellen, dass
LOGINEO NRW auch in Zukunft die Anfor-
derungen an eine moderne Schulplattform
erfüllen kann, wurden fünf Empfehlungen
ausgesprochen:
1. Bessere Integration der
LOGINEO NRW-Komponenten
Dies ist auch eine langjährige Forderung
der Hauptpersonalräte und bezieht sich
auf die Bereitstellung einer Lösung (Single-
Sign-On), die alle Komponenten von LOGI-
NEO NRW zusammenführt. Dies würde
nicht nur die Administration vereinfachen,
sondern auch die Nutzerfreundlichkeit
enorm verbessern.
2. Bereitstellung kooperativer
Dokumentenbearbeitungs-
funktionalität
Es sollten kurzfristig Office-Anwendungen
zur Verfügung gestellt werden. Dies würde
zum Beispiel die Möglichkeit eröffnen, on-
line gemeinsam an Dokumenten zu arbei-
ten oder Präsentationen und Tabellen zu
erstellen. Nur so kann LOGINEO NRW dem
Anspruch, eine digitale Arbeits- und Kom-
munikationsplattform zu sein, genügen.
lehrer nrw
wie auch die Hauptpersonalrä-
te fordern dies schon lange.
3. Verbesserung der Interoperabilität
und der Erweiterbarkeit
Fraunhofer FOKUS moniert das Fehlen ei-
nes übergreifenden Daten- und Schnittstel-
lenkonzeptes. So sollen mehr Schnittstellen
entwickelt werden, um beispielsweise
Lern-Apps oder Angebote von Schulbuch-
verlagen besser anbinden zu können.
Schnittstellen zwischen den einzelnen
Komponenten sowie externe Schnittstellen
müssen besser dokumentiert werden. Hier-
zu gehören auch Funktionen wie beispiels-
weise Stundenplanerstellung oder Klassen-
verwaltung. Viele dieser Tools und Funktio-
nen können jedoch nur integriert bzw. auf
LOGINEO NRW angepasst werden, wenn
die LOGINEO-Schnittstellen für die Ent-
wickler dokumentiert und zugänglich sind
(S. 33).
4. Kontinuierliche Weiterentwicklung
Um mit konkurrierenden Produkten mithal-
ten zu können, bedarf es einer kontinuierli-
chen Weiterentwicklung von LOGINEO
NRW. Hierzu müssen nicht nur die vorhan-
denen Organisationsstrukturen beibehalten,
sondern auch zusätzliche Mittel für die
kontinuierliche Weiterentwicklung und
Verbesserung bereitgestellt werden.
5. Einrichtung einer zentralen
Hilfe-Seite
Fraunhofer FOKUS empfiehlt, eine neue
Hilfe-Seite einzurichten, auf der alle Hilfe-
informationen zu LOGINEO NRW gebündelt
werden. Dies würde die Nutzerfreundlich-
keit enorm verbessern.
Abschließend heißt es im Bericht:
»Wird diesen Empfehlungen zum Decken
der akuten Anforderungen der Schulen in
Nordrhein- Westfalen an eine Schulplatt-
form unter Einbeziehung relevanter Stake-
holder in geeigneter Weise gefolgt, ist
LOGINEO NRW zukunftsfähig und ver-
gleichbar mit alternativen, verbreiteten
Schulplattformen – mit dem entscheiden-
den Vorteil, dass LOGINEO NRW als Ent-
wicklung des Landes marktunabhängig und
leicht erweiterbar ist und damit direkter auf
die landesspezifischen Bedingungen einge-
hen kann.«
Wie geht es weiter?
In einer Pressemitteilung des Ministeriums
für Schule und Bildung NRW vom 26. April
2023 heißt es: »Wir werden die Empfeh-
lungen des Fraunhofer-Instituts sehr genau
prüfen und auf dieser Grundlage bis zum
Sommer über die weitere Entwicklung von
LOGINEO NRW entscheiden.«
lehrer nrw
fordert eine zeitnahe Entscheidung. Je län-
ger die Weiterentwicklung von LOGINEO
NRW wegen des Zukunftschecks auf Eis
liegt, desto unattraktiver wird diese Platt-
form für Schulen. Sollte die Entscheidung
positiv ausfallen, müssen die Empfehlun-
gen des Fraunhofer-Instituts zeitnah in An-
griff genommen und umgesetzt werden.
Denn Schulen, die LOGINEO NRW nutzen,
benötigen zum einen Planungssicherheit,
zum anderen aber eine Schulplattform, die
den Ansprüchen der Nutzerinnen und Nut-
zer vollumfänglich genügt und mit Produk-
ten anderer Anbieter mithalten kann.
Sarah Wanders ist stellv. Vorsitzende
des
lehrer nrw
E-Mail: wanders@lehrernrw.de
Foto: AdobeStock/WavebreakMediaMicro
INFO
Vollständiger Bericht des
Fraunhofer-Instituts:
www.schulministerium.nrw/system/
files/media/document/file/logineo_
nrw_zukunftscheck_2023.pdf
lehrer nrw ·
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JUNGE LEHRER NRW
Marcel Werner ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft
junge
lehrer nrw
E-Mail: werner@lehrernrw.de
von MARCEL WERNER
Kein Abschluss
ohne Anschluss
‘Kein Abschluss ohne Anschluss’ (KAoA) – mit diesem Ziel gestal-
tet Nordrhein-Westfalen den Übergang von der Schule in Ausbil-
dung und Studium. Das landesweite Übergangssystem soll
sicherstellen, dass Jugendliche frühzeitig bei der beruflichen
Orientierung, bei der Berufswahl und beim Eintritt in Ausbildung
oder Studium Unterstützung erhalten.
Z
Ziel ist es, allen jungen Menschen nach
der Schule möglichst rasch eine An-
schlussperspektive für Berufsausbil-
dung oder Studium zu eröffnen und durch
eine effektive Koordinierung unnötige War-
teschleifen zu vermeiden. Jugendliche und
ihre Eltern werden dabei auf dem Weg in
die Berufswelt nachhaltig unterstützt.
Nicht plan- und ziellos
die Schule verlassen
Gerade in den älteren Schuljahrgängen
mangelt es Schülerinnen und Schülern nicht
selten an Motivation und Interesse für das
Unterrichtsgeschehen. Der Grund: Ihnen
fehlt eine konkrete Perspektive für die Zeit
nach der Schule. Daher ist ‘Kein Abschluss
ohne Anschluss’ eine sinnvolle Initiative, die
verschiedene Ideen und Vorgehensweisen in
der Schule bündelt. Hierbei soll vermieden
werden, dass Jugendliche plan- und ziellos
das Schulsystem verlassen und dadurch ihre
Zukunftschancen einschränken. Wichtig ist
es dabei, den Schülerinnen und Schülern
möglichst früh zu helfen, ihr individuelles
Ziel zu formulieren. Daraus wächst wiede-
rum eine Motivation, die wir Lehrerinnen
und Lehrer für den Unterricht nutzen kön-
nen.
Obwohl die Maßnahmen im Rahmen von
KAoA bereits in der achten Klasse beginnen,
verpuffen die Ergebnisse schnell im schuli-
schen Alltag. Daher müssen die Schulen po-
sitive Erlebnisse und Findungsphasen für die
Schülerinnen und Schüler in ihren Alltag in-
tegrieren. Dies funktioniert durch sinnvolle
Konzepte, die die Berufsorientierung mit
dem Schulalltag verzahnen. Es sollten aber
Konzepte sein, die gelebt werden und nicht
in der Schublade verstauben. Eine Möglich-
keit wäre eine ‘Themenwoche’, in der sich
das Unterrichtsgeschehen auf das vorher
festgelegte Thema (zum Beispiel Handwerk)
bezieht. So entsteht ein berufspraktischer
Lebensweltbezug für die Schülerinnen und
Schüler, und zwar ohne großen Mehrauf-
wand für die Kolleginnen und Kollegen. Eine
weitere Möglichkeit wäre beispielsweise,
den Berufswahlpass proaktiv in unterschied-
liche Fächer einzubeziehen, denn oftmals
verstaubt dieser in den Regalen der Schüle-
rinnen und Schüler. Ein ‘gelebter’ Berufs-
wahlpass hilft ihnen, ihren eigenen Weg zu
finden.
Früh den Grundstein legen
Gerade der Haupt-, Real- und Gesamtschul-
bereich sollte die Ansätze, die »Kein Ab-
schluss ohne Anschluss« bietet, in sinnvol-
len und gelebten Konzepten in den Schulall-
tag integrieren. Hiermit kann bereits ab der
fünften Klasse begonnen werden, denn
durch die Förderung eigenverantwortlichen
Handelns und Lernens schaffen wir den
Grundstein für eine sehr gute Berufsorien-
tierung. Gerade in den jüngeren Klassen
übernehmen viele Schülerinnen und Schüler
gerne Verantwortung für außerunterrichtli-
che Aufgaben – das stärkt ganz nebenbei
das Selbstwertgefühl und die Identifikation
mit der Schule.
Schule aus –
und nun?
‘Kein Abschluss ohne Anschluss’
will Schülerinnen und Schüler
beim Übergang in Ausbildung
oder Studium unterstützen. Ein
sinnvolles Konzept, das in den
Schulen allerdings mit Leben
gefüllt werden muss.
Foto: AdobeStock/Delphotostock
JUNGE LEHRER NRW
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lehrer nrw
Ausgezeichnete
Lehrkräfte
Beim ‘Deutschen Lehrkräftepreis – Unterricht innovativ’
2022 sind mehrere Lehrer aus Nordrhein-Westfalen ausge-
zeichnet worden. Über 8.500 Lehrkräfte sowie Schülerin-
nen und Schüler beteiligten sich am Wettbewerb, der von
der Heraeus Bildungsstiftung und dem Deutschen Philolo-
genverband durchgeführt wird.
Foto: privat
Foto: Heraeus Bildungsstiftung / Deutscher Lehrkräftepreis
Z
Zu den Preisträgerinnen und Preisträ-
gern in der Kategorie Ausgezeichne-
te Lehrkräfte’ gehört unter anderem
Dennis Münstermann, Lehrer für Deutsch,
Englisch und Informatik sowie Digitalisie-
rungsbeauftragter an der Bertha Krupp-
Realschule Essen.
»Er ist äußerst engagiert«
Die Preisträger in dieser Kategorie Ausge-
zeichnete Lehrkräfte’ wurden von ihren
Schülerinnen und Schülern der letzten bei-
den Abschluss-Jahrgänge für die Auszeich-
nung nominiert. Diese hoben die hohe Fach-
kompetenz, großes Engagement, kreative
Lehrmethoden, den lebendigen wie struktu-
rierten Unterricht, die Kritikfähigkeit, den
Einsatz für die Schülerinnen und Schüler,
Hilfsbereitschaft und Unterstützung sowie
das ‘offene Ohr’ besonders hervor.
Zitiert aus der Nominierung Dennis
Münstermann: »Er motiviert seine Schüle-
rinnen und Schüler, hat als SV Verbin-
dungslehrer immer ein offenes Ohr, man
kann mit ihm offen reden.« Und: »Er ist
äußerst engagiert und übernimmt zusätzli-
che Aufgaben in einem enorm hohen
Maß.« Außerdem: »Er gestaltet den Unter-
richt sehr vielfältig, sodass es für jeden
auch Spaß macht.«
Phänomen-basiertes
Lernen
In der Kategorie ‘Unterricht innovativ’
ging der dritte Preis an Paul Daniel Hei-
ming von der Sekundarschule der Stadt
Warstein für das Projekt ‘Robotik – Phä-
nomen-basiertes Lernen (PBL) aus Skandi-
navien’. Bei PBL werden Fächergrenzen
aufgesprengt und so Zusammenhänge
zwischen einzelnen Themen und Fächern
besser aufgezeigt. Robotik, auf den ersten
Blick eher ein Thema nur für den Informa-
tik-Unterricht, bot jedoch auch in Religion
oder Geschichte Ansätze für Gespräche
und Diskussionen. So wurde in Religion
darüber diskutiert, wie neue Technologien
wie unbemannte Drohnen im Krieg
ethisch einzuordnen sind. In Gesellschafts-
lehre wurde darüber gesprochen, welche
Entwicklungen diese Technologien mit
sich bringen. Außerhalb der Schule band
Paul Daniel Heiming zudem Kooperations-
partner ein.
Zitiert aus den Gutachten: »Das Innova-
tive bei diesem Vorgehen liegt zum einen
in der fächerübergreifenden Behandlung
des Themas ‘Robotik‘, zum anderen folgt
der Unterricht dem Prinzip des ‘Phänomen-
basierten Lernens‘. Die umfangreichen
Möglichkeiten, die durch das Projekt für
die Schülerinnen und Schüler, aber auch
für die Kooperationspartner entstanden
sind, sind bemerkenswert. Das fächerüber-
greifende Lernen und der Realitätsbezug
sind definitiv äußerst gewinnbringend und
deutlich hervorzuheben.«
INFO
Der ‘Deutsche Lehrkräftepreis –
Unterricht innovativ’ wird in drei
Kategorien vergeben: Für ‘Ausgezeich-
nete Lehrkräfte’ schlagen Schülerinnen
und Schüler ihre Lehrkräfte vor, bei
‘Unterricht innovativ’ bewerben sich
Lehrkräfte-Teams mit ihren Projekten
und für ‘Vorbildliche Schulleitung’
können Kollegien ihre Schulleitungen
nominieren.
Dennis Münstermann Paul Daniel Heiming
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PERSONALRÄTE
Bezirkspersonalrat Düsseldorf für Realschulen
»Bleiben Sie zuversichtlich«
M
Mein Name ist Dietlinde Fricke. Ich
bin 59 Jahre alt und komme aus
dem ‘Süd-Östlichen-Ostwestfa-
len’, d.h. ich bin in Warburg in Westfalen
geboren. Nach meinem Referendariat in
Paderborn habe ich 1997 in Essen Frohn-
hausen meine erste Stelle als Lehrerin für
Kunst und Sozialwissenschaften angetre-
ten. Zu der Zeit musste man sich schon in
ganz Nordrhein-Westfalen um eine Stelle
bemühen, denn nicht Lehrermangel, son-
dern Lehrerschwemme war angesagt.
An der Realschule habe ich den Ver-
band, damals noch Realschullehrerver-
band, kennengelernt und bin dort seitdem
Mitglied. Nach einem Sabbatjahr
2004/2005 wechselte ich zur neu gegrün-
deten Realschule nach Duisburg-
Hamborn II. Mit dem Schulleiter Herrn
Heimbach, der auch lange im Personalrat
tätig war, war auch dort eine Hochburg
von
lehrer nrw
vertreten. 2002 bis 2004
als Ersatzmitglied im Personalrat und
2007/2008 als festes Mitglied konnte ich
in die Aufgaben des Personalrats in Düs-
seldorf hineinschnuppern. Von 2007 bis
2014 war ich im Kernteam des Kompetenz-
teams Duisburg tätig. Dort habe ich die
Organisation von Fortbildungen und Fach-
tagungen übernommen. 2019 sind die
Realschule Hamborn II und die damit zu-
sammengelegte August-Thyssen Realschu-
le leider ausgelaufen. Vor etwa vier Jahren
habe ich von Horst Joosten den Kreisver-
band Duisburg übernommen.
Nach einem weiteren Sabbatjahr wech-
selte ich an meine jetzige Stammschule in
Moers, der Heinrich-Pattberg Realschule.
Seit 2021 bin ich wieder im Personalrat
tätig und seit einem Jahr habe ich den Vor-
sitz von Petra Wiora-Köster übernommen.
Im Personalratsteam sind insgesamt sie-
ben Mitglieder unseres Verbandes vertre-
ten, unter anderem mit Peter Botschen
als zweitem stellvertretendem Vorsitzen-
den. Im Team besprechen und bearbeiten
wir die anstehenden Aufgaben, zum Bei-
spiel die Vorbereitung der wöchentlichen
Sitzung, der Austausch mit der Dienststel-
le, die Vorbereitung von Gesprächen und
Verhandlungen, die Besprechung von Ein-
zelfällen, die Erstellung von Informations-
texten. In der wöchentlichen Personalrats-
sitzung werden die Maßnahmen von Stel-
lenausschreibungen, Einstellungen, Abord-
nungen, Versetzungen, Kündigungen, Teil-
zeitanträge, Fortbildungsangebote und
Teilnahme, besprochen und entschieden.
In meiner Arbeit als Personalrätin ist es
mir besonders wichtig, Kolleginnen und
Kollegen in ihren Belangen zu beraten, bei
dienstlichen Fragen und Problemen weiter-
zuhelfen, bei Abordnungen, Versetzungen
zu unterstützen und bei BEM-Gesprächen
zu begleiten.
Damit wir die Freude am Beruf und an
der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen
nicht vergessen: Bleiben Sie zuversichtlich!
Dietlinde Fricke
Dietlinde Fricke, BPR-Vorsitzende
PERSONALRÄTE
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lehrer nrw
Bezirkspersonalrat Düsseldorf für Gesamt- und Sekundarschulen
Eine Aufgabe, viele Rollen
W
Was macht ein Personalrat? Diese
Frage bekomme ich des Öfteren
gestellt. Sie ist auf der einen Seite
leicht beantwortet: Ich bin für die Kollegin-
nen und Kollegen da, die Fragen und Anlie-
gen rund um ihren Beruf haben. Auf der an-
deren Seite ist der Aufgabenbereich eines
Personalrats bzw. einer Personalrätin sehr
breit gefächert: Manchmal fühlt man sich
wie ein Detektiv, wenn sich eine Kollegin
oder ein Kollege von Vorgesetzten oder Kol-
legen ungerecht behandelt fühlt, und es zu
eruieren gilt, inwieweit sich das Gefühl zu
einer wahrlichen Benachteiligung manifes-
tiert hat. Sobald dies passiert ist, springt
man als Personalrat in die Rolle eines Super-
visors und versucht gemeinsam mit den Be-
teiligten Lösungen zu finden, die für alle
verträglich sind. »Du bist Kompromiss-
Mann«, sagte mein Sohn mal zu mir.
Oftmals braucht ein Personalrat bzw. eine
Personalrätin aber auch eine starke Schulter,
die er den Kolleginnen und Kollegen zum
Anlehnen geben kann. Wenn sich hinter den
bereits aufgezeigten schulischen Problemen
menschliche Schicksale auftun, die einen
schlucken und tief durchatmen lassen. Dann
schlüpft man in die Rolle des Seelsorgers.
Neben den Beratungsgesprächen mit den
Kolleginnen und Kollegen, zu denen selbst-
verständlich auch die Schulleitungen gehö-
ren, hat ein Personalrat in Düsseldorf auch
die wöchentlichen Sitzungen im Gremium,
das immer mittwochs tagt. Hier gilt es, sich
mit beabsichtigten Maßnahmen der Dienst-
stelle auseinanderzusetzen und zu überprü-
fen, ob diese konform zu Gesetzen, Verträ-
gen (zum Beispiel im Tarifbereich) und Erlas-
sen sind, sowie eigene Beschlüsse zu fas-
sen. Dies bedeutet, besonders für Neulinge,
viel Lesearbeit und auch den Mut, Fragen zu
haben.
Als einziger Vertreter von
lehrer nrw
im
Gremium bedeutet der Alltag’ für mich viel
Absprache mit Vertretern bzw. Vertreterin-
nen aus anderen Verbänden, was mitunter
nicht immer einfach ist. Aber letztendlich
haben wir alle die Kolleginnen und Kollegen
im Blick und räumen inhaltliche Diskrepan-
zen in der Regel aus.
Ambivalent ist das dienstliche Verhältnis
des Personalrats zur Dienststelle. Man steht
in dem Spannungsfeld der vertrauensvollen
Zusammenarbeit, die man erreichen will
(mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
tern des Hauses gibt es diese auch) und
dem ständigen Druck, möglichst oft, am
besten auch in den Ferien, zu tagen und
Maßnahmen zum Abschluss zu bringen. Die
Schulen brauchen schließlich jede einzelne
Lehrkraft.
Auch wenn es viel Arbeit ist und man
stets ein klein wenig unter Druck steht, ist
es eine erfüllende Tätigkeit – insbesondere,
wenn man Kolleginnen und Kollegen helfen
konnte. Andreas Kucharski
Andreas Kucharski, BPR-Mitglied
PERSONALRATSWAHLEN 2024
Im kommenden Jahr finden wieder die Personalratswahlen statt.
Zur Einstimmung auf diese wichtige Wahl berichtet
lehrer nrw
in
einer kleinen Serie über die Arbeit der Personalräte auf Bezirks- und
Landesebene, in denen
lehrer nrw
vertreten ist. Diesmal sind die
beiden Spitzenkandidaten der Düsseldorfer Bezirkspersonalräte für
Realschulen sowie für Gesamt- und Sekundarschulen an der Reihe.
Bildnachweis: AdobeStock/Instantly
lehrer nrw ·
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TITEL
Aus Angst
nicht in
die Schule
Schulverweigerung ist ein oft unter-
schätztes Problem: Experten fordern,
Schulvermeidung nicht hinzunehmen,
sondern sofort zu reagieren. Dazu ge-
hört auch auf Kinder und Jugendliche
zuzugehen, die noch anwesend sind,
aber sich innerlich vom Unterricht
verabschiedet haben.
»
»E
Es gibt Jugendliche, die sind
zwei Jahre nicht zur Schule
gegangen, ohne jede Konse-
quenz. So etwas darf man nicht einfach hin-
nehmen, denn bei ihnen besteht ein großes
Risiko für Drogenmissbrauch, Arbeitslosig-
keit und Straffälligkeit.« Der Kinder- und Ju-
gendlichen-Psychotherapeut Andreas Rudolf
weiß, wovon er spricht, denn er leitet im
Ameos Klinikum Hildesheim eine Station für
Schulvermeider. »Die meisten Kinder und Ju-
gendlichen gehen aus Angst nicht zur Schu-
le«, so Rudolf kürzlich auf einer Tagung der
Evangelischen Akademie Loccum zum The-
ma ‘Psychische Kinder- und Jugendgesund-
heit ernst nehmen und verbessern’.
Angst, im Mittelpunkt
zu stehen
Rudolf hat es in seiner Arbeit vor allem mit
Schülerinnen und Schülern mit Sozialpho-
bien zu tun: Sie haben Angst, im Mittel-
punkt zu stehen und zum Beispiel ein Re-
ferat zu halten, fürchten die Bewertung ih-
rer Leistungen und werden wegen Bauch-
oder Kopfschmerzen oft entschuldigt. Die-
se Symptome treten oft auch bei einer
Angstphobie auf, bei der sich Kinder und
Jugendliche nicht von ihren Eltern trennen
können und mit Weinen und Schreien rea-
gieren, wenn es in die Schule gehen soll –
sie sind froh, wenn sie zu Hause bleiben
dürfen. Im Klinikum werden unter ande-
rem Alltagssituationen geprobt. Zudem
werden auch Depressionen behandelt, un-
ter denen die Betroffenen oft leiden. Zu
dem zwölfwöchigen stationärem Pro-
gramm gehört, dass die Jugendlichen nach
acht Wochen wieder beginnen, zur Schule
zu gehen, wobei die Zeiten langsam ge-
steigert werden. »Zwei Monate nach der
Entlassung bei uns besuchen achtzig Pro-
zent wieder regelmäßig den Unterricht«,
sagt Rudolf.
Rechtzeitig reagieren
Für ihn ist entscheidend, dass Schulen früh-
zeitig auf Fehlzeiten reagieren. Dazu gehört
die genaue Dokumentation der unentschul-
digten Tage. Nach fünf Fehltagen sollte das
Gespräch mit den Eltern gesucht und auch
vor der Einleitung von Ordnungswidrigkeits-
verfahren nicht zurückgeschreckt werden.
Bei längeren Fehlzeiten sollte ein ärztliches
Attest verlangt werden. Zudem müssten
Lehrkräfte schon aktiv werden, wenn Schü-
ler noch im Unterricht sind, aber sich über-
haupt nicht mehr beteiligen. Rudolf: »Es
gibt Risikofaktoren wie große Klassen und
lange Ferienzeiten, an denen Schulen nichts
ändern können. Umso wichtiger sind andere
Faktoren, auf die man Einfluss hat, vor al-
lem das Klassenklima. Man darf niemanden
TITEL
13
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lehrer nrw
bloßstellen, sondern muss mit Wertschät-
zung arbeiten und sollte den Kontakt zu
denjenigen suchen, die vor sich hinträumen,
schlafen oder oft später kommen bzw. frü-
her gehen. Man sollte Erfolgserlebnisse
schaffen für diejenigen, die an den Anforde-
rungen immer wieder scheitern. Das Wich-
tigste ist Beziehungsarbeit.«
Sozialarbeiter für
Schulverweigerer
In der Rudolf-Bembenneck-Gesamtschule
Burgdorf bei Hannover ist seit einem Jahr
der Sozialarbeiter Gunnar Otto nur für
Schulverweigerer zuständig. Dabei werden
auch die Eltern zu Hause besucht. »Wir rea-
gieren sofort. Manchmal reichen kurze Ge-
spräche und minimale Veränderungen, um
die Abwesenheit zu beenden«, sagt Otto.
»Viele Eltern sind sehr dankbar für ein Ge-
spräch, denn sie wissen oft nicht mehr wei-
ter«, ergänzt IGS-Direktorin Saskia van
Waveren-Matschke. Sie sieht auch positive
Effekte auf Seiten der Lehrkräfte: »Viele
waren überrascht zu sehen, dass zahlreiche
Schüler kein eigenes Zimmer haben und
können nun besser einschätzen, warum
Online-Lernen oft nicht funktioniert.« Durch
den besseren Kontakt zu den Eltern habe
sich die zuvor steigende Zahl der Schulver-
weigerer stabilisiert. Für die Zukunft plant
man jahrgangsübergreifend eine Wiederein-
gliederungsklasse für diejenigen, die länge-
re Zeit zum Beispiel wegen eines Klinikauf-
enthalts nicht am Unterricht teilgenommen
haben. »Wir haben dreißig und mehr Schü-
ler in den Klassen. Für Wiedereinsteiger
brauchen wir kleinere Gruppen«, betont
van Waveren-Matschke.
Auch Berufsschulen haben es oft mit
Schulvermeidern zu tun. An der Anna-Siem-
sen-Schule in Hannover bietet man ihnen
eine Alternative an: Statt den Unterricht zu
besuchen, können sie ein zwölfmonatiges
Praktikum machen, zum Beispiel im Friseur-
handwerk, in einer Kindertagesstätte oder
im Handel. Rund ein Dutzend von insgesamt
1500 Schülerinnen und Schülern nutzt diese
Möglichkeit. »Die meisten von ihnen schaf-
fen das Langzeitpraktikum bis zum Ende«,
sagt BBS-Schulsozialarbeiterin Isabell Wit-
tig-Dase.
Schulstation unterstützt
Bielefelder Schulen
In Bielefeld gibt es seit zwölf Jahren die
Schulstation. Sie bietet allen Bielefelder
Schulen ihre Dienste an, wenn Schülerinnen
und Schüler der Sekundarstufe I nicht zum
Unterricht erscheinen. »Dieses Problem hat
durch Corona stark zugenommen. Gerade
zu Zeiten des Online-Unterrichts wurde oft
nicht registriert, dass bestimmte Jugendli-
che sich über Monate ganz ausklinken«,
sagt Julia Heidemann. Die Lehrerin für Son-
derpädagogik berät Schulen bei konkreten
Fällen von Schulvermeidung. »Je frühzeiti-
ger man tätig wird, umso eher schafft man
es, dass sie wieder in den Unterricht kom-
men«, berichtet Heidemann. Sie betont,
dass sie es mit Jugendlichen zu tun hat, die
psychisch belastet sind und traumatische
Erlebnisse mit Unterrichtssituationen verbin-
den.
Die Schulstation bietet auch eine eigene
Lerngruppe für diejenigen an, die in abseh-
barer Zeit mit der Diagnose Sozial- oder
Angstphobie von einer Klinik aufgenommen
werden oder vor einem Schulwechsel ste-
hen. An vier Tagen die Woche kommen die
im Schnitt 14-Jährigen für jeweils zwei
Stunden ins Schulhaus. »Es geht darum,
dass es ihnen hier gut geht. Es geht um das
Gespräch und auch um schulische Inhalte,
die hier entsprechend des Stoffs in ihrer
Klasse bearbeitet werden«, sagt Heidemann
und fügt hinzu: »Und es geht um eine feste
Struktur. Wir fangen immer um 11.15 Uhr
an. Wenn jemand nicht kommt, kümmern
wir uns sofort darum. Bei Krankheit verlan-
gen wir in Einzelfällen auch ein ärztliches
Attest.« Mit gemischten Gefühlen blickt sie
in die Zukunft: »Wir bekommen inzwischen
wegen des Themas Schulvermeidung auch
zunehmend Anfragen von Grundschulen.«
Text: Joachim Göres
für den Klett Themendienst
Schule – nein danke?
Oft entspringt Schulabsentis-
mus nicht einer trotzigen Ver-
weigerungshaltung, sondern
Angst, die wiederum viel-
schichtige Gründe haben
kann.
KOMPAKT
»Hast Du schon mal die Schule geschwänzt?« Diese Frage wurde 1800 Schülerin-
nen und Schülern zwischen 12 und 18 Jahren in Köln gestellt. 14,7 Prozent der Haupt-
schüler sagten Ja, gefolgt von Förderschülern (12,8), Realschülern (6,1) und Gymnasi-
asten (4,7). Das Schwänzen wird meist mit Jugendlichen in Verbindung gebracht, die
keine Lust auf Schule haben. Tatsächlich spielen aber Angst- und Sozialphobien beim
Thema Schulvermeidung eine wesentlich größere Rolle. »Die meisten Kinder und Ju-
gendlichen schaffen es aus Angst nicht, zur Schule zu gehen«, sagt Andreas Rudolf,
der im Ameos Klinikum Hildesheim eine Station für Schulverweigerer leitet.
Foto: AdobeStock/New Africa
lehrer nrw ·
4/2023
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TITEL
Jeder Schultag zählt –
Strategien gegen Scheitern
Das Praxishandbuch der Joachim-
Herz-Stiftung steht zum kosten-
losen Download bereit.
INFO
Wesentliche Ergebnisse und Emp-
fehlungen des Forschungsprojekts
‘Jeder Schultag zählt’ sind in ei-
nem Praxishandbuch für Schulen
zur Prävention und Intervention
bei Absentismus zusammenge-
fasst. Eine Downloadmöglichkeit
(kostenlos) sowie weitere Infor-
mationen zum Projekt gibt es
hier:
www.joachim-herz-stiftung.de/
forschen/bildungsforschung/
forschungsprojekt-jeder-
schultag-zaehlt
Ursachen und Formen
von Schulabsentismus
Schulabsentismus umreißt als Fachbegriff alle Problemlagen und Verhaltens-
muster, bei denen Schülerinnen und Schüler unautorisiert der Schule fernblei-
ben. Schulabsentismus ist vielfältig und lässt sich in drei Formen unterscheiden:
Aversives Schulschwänzen
Mit dem Schulschwänzen geht das Aussetzen von Unterricht zugunsten einer
angenehmeren Aktivität, vor allem im außerhäuslichen Bereich während des
Vormittags, einher, wobei die Schülerinnen und Schüler häufig abweisende
Gedanken und Gefühle gegenüber der Schule entwickelt haben.
D
Das Forschungsprojekt ‘Jeder Schultag zählt’ aus Hamburg hat zwischen 2019 und
2022 untersucht, wie Schulabsentismus verringert werden kann. Schätzungen zufol-
ge fehlen in Deutschland fünf bis zehn Prozent aller Schülerinnen und Schüler regel-
mäßig im Unterricht, knapp sechs verlassen die Schule ohne Abschluss. Doch was können
Schulen gegen Absentismus und Dropout unternehmen? Diese Frage stand im Mittelpunkt
der Studie ‘Jeder Schultag zählt’, einem Kooperationsprojekt der Joachim Herz Stiftung,
der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S., der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und der
Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung.
Traditionell wird schulischer Absentismus als schulrechtliches Problem betrachtet, das
durch Sanktionen und Zwangsmaßnahmen bestraft wird. Viel wichtiger ist es aber, die
Anwesenheit und Teilhabe am Unterricht und Schulleben zu stärken und einen effektiven
Umgang mit Fehlzeiten zu verfolgen, lautet eine Kernaussage des Projekts, das von dem
bundesweit anerkannten Absentismusforscher Professor Heinrich Ricking und einem
Team der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg durchgeführt wurde. Ziel war es,
effektive und praxisnahe Strategien gegen schulisches Scheitern zu erproben und so
die Anwesenheitsquoten der Schülerinnen und Schüler zu erhöhen.
Angstbedingte Schulmeidung
Die angstbedingte Schulverweigerung impliziert, dass die Schülerinnen
und Schüler aufgrund ihres Angsterlebens die Schule meiden. Diese
Form geht häufig mit konkreten Faktoren (beispielsweise Mobbing oder
Versagensängste) sowie mit psychosomatischen Beschwerden einher.
Zurückhalten durch Erziehungsberechtigte
Bei den Versäumnissen mit Elternduldung bzw. Zurückhalten ist das
entscheidende Kriterium das Einverständnis, die Unterstützung oder die
Duldung der Erziehungsberechtigten zum Fernbleiben von der Schule.
Künstliche Intelligenz:
Ethische Leitlinien
für die Bildung
Verlieren Lehrende mit der Verbreitung von Künstlicher Intelligenz (KI) die Kontrolle
über Lernprozesse? Der Siegeszug von KI im Bildungssystem wirft viele ethische Fragen
auf. Die KI-Expertin Maria Wirzberger hat im Auftrag der Europäischen Kommission
die ‘Ethischen Leitlinien für Lehrkräfte zur Nutzung von KI und Daten für Lehr- und
Lernzwecke’ mitentwickelt. Ein Gespräch.
Chance und Herausforderung zugleich:
Für die Nutzung künstlicher Intelligenz insbesondere im
Bereich Schule braucht es ethische Leitlinien.
15
4/2023 · lehrer nrw
Frau Wirzberger, mit welchen ethischen Frage-
stellungen sind Lehrkräfte konfrontiert, wenn
es um den Einsatz von KI in der Schule und im
Unterricht geht?
Der Kontrollverlust steht als ethisches Problem im
Raum, insbesondere die Angst, dass die Maschi-
ne eine Lehrerin oder einen Lehrer überflüssig
machen könnte. Hier ist Transparenz ein
Foto: AdobeStock/Lee
Schlüssel, um Ängste gegenüber der KI aufzugreifen
und Vorbehalte abzubauen. Es ist wichtig, zu verste-
hen, was KI überhaupt ist, was solche Algorithmen
tun und was sie können – und was eben auch nicht.
Wir beobachten in der Gesellschaft generell viele
Ängste im Zusammenhang mit KI. Diese müssen wir
zuerst einmal abbauen und die Sorge ernst nehmen,
dass hier eine übermächtige Maschine kommt, die
etwas tut, das wir nicht mehr kontrollieren können.
Dazu ist es wichtig, ein Grundverständnis davon auf-
zubauen, wie KI-Systeme funktionieren. Wenn man
diese Kenntnisse hat, bauen sich Ängste und Unwil-
len ab, weil man nachvollziehen kann, was hinter der
Technologie passiert. Das ist keine Magie, sondern es
sind Regeln, die in der Technik ablaufen, Algorith-
men, die nach bestimmten Mustern funktionieren
und dann wird das Ganze greifbarer. Dann kann
man anfangen, sich gezielt zu überlegen: Was sind
die Aufgaben, bei denen mich das KI-System unter-
stützen kann? Und was sind Aufgaben, bei denen ein
solches System die Schülerinnen und Schüler unter-
stützen kann?
Eine wichtige ethische Frage ist, ob KI nicht Un-
gleichheiten verschärft, indem sie nur für diejenigen
zugänglich ist, die es sich finanziell leisten können,
während diejenigen, die keinen Zugang zu diesen
Technologien haben, auf der Strecke bleiben. Die Dis-
kussion um die Gerechtigkeit dreht sich auch darum,
worin technische Voraussetzungen für den Einsatz
von KI-Systemen liegen und wie man sie so gestalten
kann, dass sie auf Hardware laufen, die leichter für
breitere Schichten von Schülerinnen und Schülern
zugänglich ist. Können solche Systeme zum Beispiel
auch auf Schul-Tablets laufen und nicht nur auf kom-
plexen Hochleistungsrechnern, die sich die meisten
Schulen gar nicht leisten können? Dass sich die Bil-
dungsschere auf diese Weise noch stärker öffnet, ist
nur eine der großen Befürchtungen, die zeigt, wie
wichtig die Fragen sind, die wir in den ethischen
Leitlinien definiert haben.
Ein weiteres ethisches Problem hat mit dem Daten-
schutz zu tun. Wer bekommt welche Daten? Werden
die Daten der Schülerinnen und Schüler verkauft?
Haben die Kinder im späteren Leben Nachteile, wenn
Informationen zu zukünftigen Arbeitgeberinnen und
Arbeitgebern gelangen? Auch die potenzielle Ab-
hängigkeit der Schülerinnen und Schüler von KI-Sys-
temen wird häufig als Befürchtung geäußert und ist
daher in den ethischen Leitlinien abgebildet. Die Fra-
ge die die Gemüter an dieser Stelle beschäftigt: Wenn
Schülerinnen und Schüler sich beim Lernen zu sehr
auf KI-Systeme verlassen, verkümmern dann nicht
ihre menschlichen Fähigkeiten?
Lässt KI denn menschliche
Fähigkeiten verkümmern?
Damit das nicht passiert, müssen wir uns vorher über-
legen, wie wir Prüfungen oder Aufgaben so gestalten
können, dass man selbst kritisch denken muss. Kriti-
sches Denken ist eine Grundfähigkeit des Menschen.
Ich persönlich glaube, dass eine intelligente Maschi-
ne das auch in Zukunft nicht können wird. Kritisches
Denken ist etwas sehr Menschliches. Genau an dieser
Stelle müssen wir konsequent ansetzen und das kriti-
sche Denken in der Bildung gezielt fördern.
Werden KI-Systeme irgendwann den Job
von Lehrkräften komplett übernehmen?
Nein, das halte ich für eher unwahrscheinlich. Wenn
eine Lehrkraft vor einer Klasse steht, wird sie unwei-
gerlich ihre menschliche Intuition einsetzen. Gerade
erfahrene Lehrkräfte können die Gesamtstimmung
der Lerngruppe oft mit einem Blick erfassen. Intuition
lässt sich bislang weder formalisieren noch modellie-
ren, daher man kann sie auch schwer in ein KI-Sys-
tem übertragen.
Vom ‘Vorrang menschlichen Handelns und menschli-
cher Aufsicht’ bis hin zum ‘Gesellschaftlichen und
ökologischen Wohlergehen. Es gibt sieben Ethische
Leitlinien, die in 36 Leitfragen als Orientierungshil-
fen für Lehrkräfte unterteilt sind. Wie können Lehr-
kräfte diese Leitfragen als Orientierungshilfe nutzen?
Zunächst müssen die Bildungsinstitutionen und Bil-
dungsverantwortlichen darüber informiert werden. Das
ist ein Punkt, der bei der Professionalisierung der Lehr-
kräfte ansetzt. Wir müssen den Umgang mit den ethi-
schen Leitlinien in die Lehramtsstudiengänge und Lehr-
kräfteseminare bringen und natürlich auch in die Fort-
bildung von Lehrerinnen und Lehrern, die schon lange
im Beruf sind. Das wird noch ein hartes Stück Arbeit sein,
die Informations- und Bildungspolitik so zu gestalten,
dass eine flächendeckende Verbreitung möglich wird.
In meine Lehre haben die Leitlinien schon Ein-
gang gefunden, denn inspiriert durch meine Mitar-
beit in der Gruppe von Expertinnen und Experten
habe ich ein thematisch anknüpfendes Seminar ent-
16 4/2023 · lehrer nrw
wickelt. In diesem setze ich bei existierenden Bil-
dungstechnologien wie Chatbots oder Intelli-
genten Tutoriellen Systemen an, gehe mit den
Studierenden die Leitfragen durch und wir dis-
kutieren darüber, um gezielt die Knackpunkte
herauszufinden.
Wenn wir uns beispielswei-
se Sprachlernsoftware wie
Enskill der Firma Alelo be-
trachten, dann liegt hier der
Vorteil einer motivierenden
und an die individuellen Fä-
higkeiten angepassten Lehrsi-
tuation klar auf der Hand.
Gleichzeitig stellen sich ne-
ben der Frage, wer Zugriff auf
die Daten der Lernenden ha-
ben sollte, gerade im Zusam-
menhang mit dem Avatar,
mit dem sich die Lernenden
unterhalten, verschiedene He-
rausforderungen. Wird für die
Lernenden deutlich, dass es
sich hier lediglich um eine si-
mulierte soziale Interaktion
handelt und nicht um ein ei-
genständig fühlendes Gegen-
über? Wie zuverlässig sind
die Vorhersagen zum jeweili-
gen Lernstand, die das Sys-
tem für die Anpassung der
Schwierigkeit nutzt? Und wer
kontrolliert die Ergebnisse des
Systems und stellt deren Zu-
verlässigkeit sicher?
Die Europäische Kommission
hat Expertinnen und Exper-
ten zusammengebracht, die
die Ethischen Leitlinien für
Lehrkräfte über die Nutzung
der KI entwickeln sollte. Wie sind Sie in diese
Gruppe von Expertinnen und Experten gekom-
men?
Die Einladung kam über das Cyber Valley zu-
stande, Europas größtes Forschungskonsortium
im Bereich der künstlichen Intelligenz mit Part-
nern aus Wissenschaft und Industrie. Das Land
Baden-Württemberg ist daran beteiligt sowie das
Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme mit
den beiden Standorten in Stuttgart und Tübin-
gen, die beiden Universitäten in Stuttgart und
Tübingen, vier Stiftungen und sieben Unterneh-
men – es ist ein großer Zusammenschluss aus
diesem Verbund heraus ent-
standen. In diesem Verbund
bin ich schon seit 2018 Mit-
glied, weil ich vor meinem
Wechsel an die Universität
Stuttgart im März 2020 als
Post-Doktorandin am Max-
Planck-Institut für Intelligente
Systeme in Tübingen tätig
war. 2021 ist man aus dem
Cyber Valley und der Univer-
sität Stuttgart heraus auf
mich zugekommen, weil es
von Seiten der Europäischen
Kommission einen Aufruf
gab, Expertinnen und Exper-
ten genau zu diesem The-
menfokus zusammenzubrin-
gen. Die Universität Stuttgart
war dabei als Organisation
in der Gruppe vertreten, die
durch meine Person repräsen-
tiert wurde.
Wie haben Sie den Prozess
der Entwicklung der Ethi-
schen Leitlinien für Lehr-
kräfte über die Nutzung der
KI erlebt?
Bei den 25 Expertinnen und
Experten aus den unter-
schiedlichen europäischen
Ländern waren nicht nur For-
schende aus unterschiedli-
chen Feldern wie Informatik,
Bildungsforschung oder Rechtswissenschaften
dabei, sondern auch Lehrkräfte. Ebenfalls waren
Vertreter aus Institutionen wie OECD, UNESCO
und UNICEF dabei, die eine politisch-strukturelle
Perspektive in den Prozess eingebracht haben.
Der Prozess wurde von Vertreterinnen und Vertre-
tern verschiedener Organe der Europäischen
17
4/2023 · lehrer nrw
Jun.-Prof. Dr. Maria Wirzberger
ist Tenure-Track-Professorin an der Uni-
versität Stuttgart und leitet dort die
Abteilung Lehren und Lernen mit intel-
ligenten Systemen. Als Sprecherin steht
sie dem Interchange Forum for Re-
flecting on Intelligent Systems vor,
einem interdisziplinären Forschungs-
verbund zur kritischen Reflektion der
ethischen und gesellschaftlichen Aus-
wirkungen intelligenter Systeme. Darü-
ber hinaus ist sie Mitglied im Direktori-
um der Artificial Intelligence Software
Academy, die sich das Ziel gesetzt hat,
KI-Kompetenzen für alle Studiengänge
zugänglich zu machen.
ZUR PERSON
Foto: Universität Stuttgart/Sven Cichowicz
18 4/2023 · lehrer nrw
Kommission wie DG CONNECT und DG EAC geleitet
und aktiv mitgestaltet. Weil hier so viele Perspektiven
zusammengekommen sind, waren die Diskussionen
sehr spannend und im Sinne der Netzwerkbildung
auf verschiedenen Ebenen für mich sehr bereichernd.
Was war Ihr Beitrag bei der Entwicklung der
Ethischen Leitlinien in der Expertengruppe?
Wir haben bei den verschiedenen Treffen in Klein-
gruppen und dem Plenum über die verschiedenen
Themen diskutiert, die nun auch in den Leitlinien und
dem begleitenden Abschlussbericht vertreten sind:
Anwendungsszenarien KI- und datengestützter Tech-
nologien in der Bildung mit den zugehörigen
Herausforderungen, ethische Leitdimensionen, die im
Europäischen Kontext bereits definiert wurden, rechtli-
che Regularien, die in diesem Kontext relevant sind,
und auch Kompetenzen, die auf Seiten der Fachkräfte
in der Bildung erforderlich sind. So war ich auch Teil
einer Gruppe, in der wir uns besonders mit möglichen
Anwendungsfällen von KI-Systemen in der Bildung,
sogenannten Use Cases, beschäftigt und diese auch
in schriftlicher Form zusammengetragen haben. Die-
se Fallbeispiele und Anwendungsszenarien sind zum
Teil auch in die Ethischen Leitlinien eingeflossen.
Ich habe hier insbesondere Beispiele inklusiver
Bildung recherchiert und dabei die Erkenntnis gewon-
nen, auf welch vielfältige Weise KI-gestützte Werkzeu-
ge die Lernbedingungen für Menschen mit besonde-
ren Unterstützungsbedarfen verbessern können. Ein
Beispiel dafür sind durch Algorithmen generierte Un-
tertitel oder Sprachausgaben, die eingesetzt werden,
um Einschränkungen im Hören oder Sehen zu kom-
pensieren. Damit wird ein erweiterter Zugang zu Bil-
dungsinhalten geschaffen, der für eine bildungsge-
rechte Welt essenziell ist.
Wie schätzen Sie die Bedeutung der
Ethischen Leitlinien ein?
Ich schätze diese als sehr hoch ein. Wir haben hier
auf europäischer Ebene ein Werkzeug geschaffen,
das wirklich große Strahlkraft und ein enormes Poten-
zial hat. Die Aufforderung wird sein, dieses große Po-
tenzial auch zu nutzen und in das deutsche Bildungs-
system hineinzutragen. Das wird die Mammutaufga-
be sein, die wir in der modernen Lehrkräftebildung
noch vor uns haben.
Text: Arnd Zickgraf für den Klett Themendienst
Die Europäische Kommission hat
am 25. Oktober 2022 ethische Leitli-
nien für Lehrkräfte über die Nut-
zung von künstlicher Intelligenz
(KI) und Daten für Lehr- und Lern-
zwecke veröffentlicht. Im Zentrum
der Leitlinien steht die Art und
Weise, wie KI in Schulen einge-
setzt werden kann, um Lehrkräfte
sowie Schülerinnen und Schüler
beim Lehren und Lernen zu unterstützen
und die Abwicklung von Verwaltungsaufgaben in
Bildungseinrichtungen zu erleichtern. Die Leitlinien
sind Teil des Aktionsplans für digitale Bildung
(2021-2027) und wurden von einer eigens eingesetz-
ten Expertengruppe der Kommission entwickelt, in
der ein breites Spektrum von Fachleuten aus der
Welt der allgemeinen und beruflichen Bildung, der
Wissenschaft, des Privatsektors und internationaler
Organisationen vertreten ist.
Da sich KI-Systeme ständig weiterentwickeln und
die Datennutzung immer weiter zunimmt, ist es
nach Einschätzung der Kommission sehr wichtig,
ein besseres Verständnis ihrer Auswirkungen, auch
auf die allgemeine und berufliche Bildung, zu ent-
wickeln. Angesichts des immer häufigeren Einsat-
zes von KI müssen Lehrkräfte und Lernende über
ein grundlegendes Verständnis von KI und Daten-
nutzung verfügen, damit sie positiv, kritisch und
ethisch mit dieser Technologie umgehen und de-
ren Potenzial voll ausschöpfen können.
Die Leitlinien sollen Lehrkräfte unterstützen, und
zwar unabhängig von ihrer Erfahrung in der digi-
talen Bildung. Die praktischen Ratschläge, die Lehr-
kräften und Schulleitungen für die Planung der
sinnvollen Nutzung von KI und Daten in Schulen
an die Hand gegeben werden, stützen sich auf ethi-
sche Erwägungen und Erfordernisse. So wird in den
Leitlinien beispielsweise dargelegt, wie Technolo-
gien eingesetzt werden können, um eine individu-
elle Anpassung an die Fähigkeiten der einzelnen
Lernenden zu ermöglichen oder um Maßnahmen
individuell auf Schülerinnen und Schüler mit be-
sonderen Bedürfnissen abzustimmen.
Download Leitlinien: https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/
publication/d81a0d54-5348-11ed-92ed-01aa75ed71a1
EU-KOMMISSION
VERÖFFENTLICHT
KI-LEITLINIEN
SCHULE & POLITIK
Mülheimer Kongress 2023:
Bildung gestern – heute – morgen
Foto: Smets
INFORMATION / ANMELDUNG
www.lehrernrw.de/lehrernrw-de-fortbildungen/lehrernrw-de-muelheimer-kongress/
D
Der 54. Mülheimer Kongress, diesmal
wieder zweitägig am 22. und 23. No-
vember 2023, widmet sich dem rasanten
Wandel in der schulischen Bildung. ‘Bil-
dung gestern – heute – morgen’ lautet das
Motto des Kongresses, der wie gewohnt in
der Katholischen Akademie ‘Die Wolfsburg’
(Falkenweg 6, 45578 Mülheim/Ruhr) statt-
findet.
Das Programm bietet einmal mehr eine
ausgewogene Mischung aus Unterhaltung
und Fachinformation. So referiert Prof. Dr.
Olaf-Axel Burow in einem interaktiven Vor-
trag über die ‘Schule der Zukunft’, für die
er sieben Handlungsoptionen aufzeigt.
Was Bilder über Bildung verraten, erläutert
Prof. Dr. Jochen Krautz (Bergische Universi-
tät Wuppertal). Für musikalische Unterhal-
tung sorgt wieder die Big Band der Erich-
Klausener-Realschule Herten. Zum Ausklang
des ersten Kongresstages gibt es eine mun-
tere Abendveranstaltung mit der ‘Doris D’
Band.
Den zweiten Kongresstag eröffnet Prof.
Dr. Aladin El-Mafaalani, der in seinem Vor-
trag den ‘Mythos Bildung’ untersucht. ‘Bil-
dung – quo vadis?’ lautet das Thema der
abschließenden Podiumsdiskussion mit
einem erlesenen Teilnehmerkreis: Diskutie-
ren werden die nordrhein-westfälische
Schulministerin Dorothee Feller, Jürgen
Böhm (VDR-Vorsitzender und Vorstandsmit-
glied des didacta Verbandes), Martin Hüppe
(Geschäftsführer IServ) sowie Christoph
Pienkoß (Geschäftsführer Verband Bildungs-
medien).
Wie hier bei der letzten Auflage im vergan-
genen Jahr können sich die Besucherinnen
und Besucher des Mülheimer Kongresses
2023 auf ein spannendes Programm freuen.
lehrer nrw ·
4/2023
20
SCHULE & POLITIK
2011 – 2016 – 2018 – 2021 – 2023:
In regelmäßigen Abständen wird die nächste Sau –
pardon: OVP – durchs Dorf getrieben.
Foto: AdobeStock/Anatolii
…und noch ‘ne
Änderung
Es gibt regelmäßig wiederkehrende Ereignisse, auf die wir uns freuen,
zum Beispiel die anstehenden Sommerferien. In einer sehr vergleichbaren
Regelmäßigkeit darf sich das schulische System auf Änderungen der Ord-
nung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung (OVP) einstellen –
die Freude hierüber ist jedoch meist eher gedämpft.
Nun ist es also mal wieder soweit, seit dem
1. Mai 2023 wird eine neue OVP durchs
Dorf getrieben.
SCHULE & POLITIK
21
4/2023 ·
lehrer nrw
U
Um nicht den Eindruck ei-
ner negativ orientierten
Einstellung aufkommen
zu lassen, beleuchten wir die Änderungen
zunächst von der positiven Seite her. Die
neue Fassung der OVP ermöglicht die
Durchführung des ersten Perspektivgesprä-
ches innerhalb des ersten Quartals. Dies
führt zu einer Entlastung aller am Ge-
spräch beteiligten Personen. Diese Ände-
rung kann nur ausdrücklich begrüßt wer-
den. Bisher war hierfür ein Zeitraum von
sechs Wochen vorgesehen. Ebenso ist die
Möglichkeit der Wiedereinstellung in den
Vorbereitungsdienst nach einem eigenen
Antrag auf Entlassung ohne wichtigen
Grund zu begrüßen. Hierdurch wird den
unterschiedlichen Lebensentwürfen Rech-
nung getragen.
Tja, jetzt sind wir dann aber auch fast
schon durch mit den positiven Aspek-
ten…
Es bleiben viele
Fragezeichen
Die Lehramtsanwärterinnen und -anwärter
(LAA) sollen nach § 10 Satz 4.2 »in selbst-
organisierten Lerngruppen einschließlich
kollegialer Fallberatung« arbeiten. Sollte
die Arbeit der ‘selbstorganisierten Lern-
gruppen’ innerhalb der Seminarzeit statt-
finden, ist zu befürchten, dass dies zu einer
inhaltlichen Ausdünnung führt. Die vermit-
telten Inhalte der Kern- und Fachseminare
unterliegen bereits durch die Reduzierung
des VD auf achtzehn Monate einer großen
Dichte. Selbstorganisiertes Lernen in Grup-
pen mag für den Lernprozess förderlich
sein, benötigt jedoch bei dem Ziel der Auf-
rechterhaltung des Anspruches schlicht-
weg mehr Zeit.
Zudem wird – fast nebenbei – der Be-
griff der ‘Kollegialen Fallberatung’ verwen-
det. Ein Konzept, zu dem im Normalfall ei-
gens Fortbildungen durchgeführt werden.
Wer qualifiziert die LAA für effektive, ziel-
gerichtete Durchführungen?
lehrer nrw
berichtet regelmäßig über die
herausfordernde Situation der Fachleitun-
gen an den ZfsL. Eines der vielen Proble-
me stellt die unterjährige Fluktuation der
Anrechnungsstunden dar. Leider wird auch
in dieser OVP nicht die Möglichkeit eines
umfänglich geringen Überstundenkontos
oder eine Aufstockung der Anrechnungs-
stunden geboten. Dies zwingt Schulleitun-
gen dazu, unter Umständen im laufenden
Betrieb die Unterrichtsverteilung neu zu
erstellen.
Zweites Perspektiv-
gespräch zum
ungünstigsten Zeitpunkt
Die größten Fragezeichen hinterlässt wohl
die Änderung im § 15 der OVP, die auch
Auswirkungen auf das Staatsexamen nach
sich zieht. So wird ein zweites Perspektiv-
gespräch für das fünfte (!) Quartal, jedoch
spätestens vier Wochen vor dem Prüfungs-
termin, anberaumt. Ziel dieses Gespräches
ist es, weitere Perspektiven zu entwickeln,
um Ziele des eigenen »Professionalisie-
rungsprozesses« zu formulieren. Die Unter-
stützung auf diesem Wege soll durch die
Schule und das ZfsL erfolgen. Grundsätz-
lich ist dies eine gute Idee, aber in diesem
Zeitraum vor der Staatsprüfung gehen den
LAA sicherlich ganz andere Gedanken
durch den Kopf.
Enormer Mehraufwand
für Ausbilderinnen und
Ausbilder
Perspektivwechsel: Was bedeutet dies für
die Ausbilderinnen und Ausbilder an den
ZfsL? Die zeitlichen Ressourcen der Ausbil-
derinnen und Ausbilder sind schon jetzt
erschöpft. Bei einer angenommenen Zahl
von 130 neu eingestellten grundständigen
LAA ergeben sich für diesen Jahrgang 130
zusätzliche Termine. Ebenso verhält es sich
bei den gemäß OBAS eingestellten Lehr-
kräften (Anhebung von 2 auf 3 Ausbil-
dungsplanungsgespräche). Gehen wir hier
von 40 Lehrkräften aus, kommen wir ins-
gesamt auf 170 zusätzliche Termine. Die
Umsetzung in den Lehrämtern HRSGe,
G und SF mit oft nur einer/einem LAA pro
Schule werden zu einer logistischen
Herausforderung und reduzieren weiter die
Attraktivität der Tätigkeit und somit die
Chance auf die Besetzung der vielen offe-
nen Stellen.
Behalten wir dies im Hinterkopf und
wenden wir uns der Staatsprüfung zu. Die
ausschließliche Besetzung der Prüfungs-
kommission durch Fremdprüfer konnte ver-
hindert werden.
lehrer nrw
hat sich hierzu
im Bereich der Stellungnahme der Verbän-
de sehr deutlich positioniert.
Zensur des Prüfungstages
Ratlos machen die Neuerungen des Kollo-
quiums. Dieses soll auf sechzig Minuten
ausgedehnt werden, was jedoch nicht das
eigentliche Problem ist. Jedes einzelne
Element des Prüfungstages führt zu der
Zensur des Prüfungstages. Dazu gehört
auch das Kolloquium als Prüfungsleistung.
Die neue OVP sieht nun vor, dass »der
Prüfling zuerst den eigenen professionsbe-
zogenen Entwicklungsprozess reflektiert«
33 Satz 2). Hier stellen sich folgende
Fragen: WOZU? Wie soll die Prüfungskom-
mission hieraus eine Note generieren?
Welche Aussagekraft hat die Darstellung
des Prozesses? Wie kann die Richtigkeit
überprüft werden? Was geht es die Prü-
fungskommission an? Werden nicht auch
Lebensentscheidungen mit privaten Cha-
rakterzügen Gegenstand der Leistungsbe-
wertung?
Wir wollten doch etwas im Hinterkopf
behalten… richtig: das zweite Perspektiv-
gespräch. Im § 33 (Kolloquium) ist zu le-
sen: »Der Prüfling kann sich auf Aspekte
aus den Perspektivgesprächen beziehen.«
Wenn diese Aspekte (evtl. gerade mal vor
vier Wochen) ausführlich besprochen und
mit Rückmeldungen bedacht wurden, kann
dann noch von einer eigenständigen Leis-
tung des Prüflings ausgegangen werden?
Mit Spannung erwarten die Fachleitun-
gen die noch ausstehenden Hinweise des
Landesprüfungsamtes und sind auf die fol-
gende OVP gespannt, die durchs Dorf ge-
trieben wird. Hardi Gruner
Referat Fachleitungen im
lehrer nrw,
Mitglied des Netzwerks Fachleiter/innen NRW
lehrer nrw ·
4/2023
22
SCHULE & POLITIK
Die Energiesparmeister
Die Erich-Fried-Gesamtschule Ronsdorf in Wuppertal hat den Energiesparmeister-Wettbewerb
in Nordrhein-Westfalen gewonnen. Für ihr Klimaschutz-Konzept sicherte sich die Schule den Landes-
titel und hat damit auch die Chance auf den Bundessieg bei der Preisverleihung am 23. Juni in Berlin.
Foto: Erich-Fried-Gesamtschule Wuppertal-Ronsdorf
INFO
Der Energiesparmeister-Wettbewerb
(www.energiesparmeister.de) ist
eine Aktion der gemeinnützigen Bera-
tungsgesellschaft co2online, unter-
stützt durch das Projekt ‘Online-Kli-
maschutzberatung für Deutschland’
und gefördert durch das Bundesminis-
terium für Wirtschaft und Klimaschutz.
co2online (www.co2online.de) reali-
siert den Schulwettbewerb zum fünf-
zehnten Mal in Folge und vergibt je-
des Jahr Preise im Gesamtwert von
50.000 Euro an engagierte Schulen.
D
Der Titel ‘Energiesparmeister 2023’
für das beste Klimaschutzprojekt
aus Nordrhein-Westfalen geht an
die Erich-Fried-Gesamtschule Ronsdorf
in Wuppertal. Die Jury lobte ihr Enga-
gement in den Bereichen ‘Mobilität’,
‘Energie’ und ‘Ernährung’. Die Jugendli-
chen haben Daten wie den CO2-Ausstoß
von Mensaspeise oder Schulweg erho-
ben, Energiesparfüchse in jeder Klasse
eingesetzt und einen Klimagipfel veran-
staltet.
2.500 Euro Preisgeld
Bundesweit haben sich 418 Schulen beim
Energiesparmeister-Wettbewerb bewor-
ben. Die Schule aus Wuppertal erhält
neben dem Preisgeld in Höhe von 2.500
Euro eine Patenschaft mit der atmosfair
gGmbH. Außerdem gibt es die Chance auf
den Bundessieg und weitere 2.500 Euro
Preisgeld. Der Wettbewerb wird vom Bun-
desministerium für Wirtschaft und Klima-
schutz (BMWK) gefördert.
Nach dem Erfolg im nordrhein-westfäli-
schen Landeswettbewerb trat die Sieger-
schule in einem Online-Voting, das bis zum
15. Juni lief, gegen die fünfzehn anderen
Landessieger aus ganz Deutschland an. Die
Schule mit den meisten Stimmen wird Bun-
dessieger. Die Preisverleihung für alle Ener-
giesparmeister findet am 23. Juni im Bun-
desministerium für Wirtschaft und Klima-
schutz in Berlin statt.
Paten unterstützen
Landessieger
Während der Abstimmungsphase steht je-
dem Energiesparmeister ein Pate zur Seite
und hilft bei der Öffentlichkeitsarbeit. »Mit
dem Ziel Klimaneutralität vor Augen setzen
die Schülerinnen und Schüler alles in Bewe-
gung, um ihre Schule und ihre Stadt voran-
zubringen«, sagt Dietrich Brockhagen, Ge-
schäftsführer von atmosfair. »Für ihr starkes
Engagement in der Kommunalpolitik hat die
Gesamtschule den Energiesparmeister-Titel
mehr als verdient!«
Engagiert in Sachen Klimaschutz:
Das Team der Erich-Fried-Gesamtschule holte den
Landestitel ‘Energiesparmeister 2023’ nach Ronsdorf.
23
4/2023 ·
lehrer nrw
SCHULE & POLITIK
Ökonomische
Bildung gestärkt
Das Bündnis Ökonomische Bildung Deutschland (BÖB) ist mit
dem Meritum Förderpreis der Deutschen Wirtschaft 2023 aus-
gezeichnet worden. Mit dem jährlich verliehenen Preis zeichnet
das Deutsche Aktieninstitut Persönlichkeiten, Organisationen
oder Institutionen aus, die sich aktiv für die Stärkung von
Demokratie und Sozialer Marktwirtschaft einsetzen.
Foto: Deutsches Aktieninstitut
D
Der Meritum Förderpreis würdigt das
Engagement des BÖB zur Stärkung
der Ökonomischen Bildung in
Deutschland. Das Bündnis Ökonomische
Bildung Deutschland ist gemeinnützige
Initiative von über einhundert überwie-
gend institutionellen Mitgliedern aus
Bildung, Stiftungen, Verbänden, Wissen-
schaft und Wirtschaft. Auch
lehrer nrw
zählt zu den Mitgliedern.
Ministerielles Lob
Die Laudatorin Bettina Stark-Watzinger,
Bundesministerin für Bildung und For-
schung, würdigt die Arbeit des Bündnis-
ses, das zu Chancengerechtigkeit und ge-
sellschaftlicher Teilhabe in Deutschland
beitrage: »Mit dem Bündnis für Ökono-
mische Bildung wird ein noch sehr junger
Verein ausgezeichnet, der es in kurzer
Zeit geschafft hat, die Diskussion um das
Thema wieder auf die bildungspolitische
Tagesordnung zu holen. Ökonomische
Bildung wurde in der Vergangenheit in
Deutschland stiefmütterlich behandelt.
Sie galt oder gilt als ideologisch besetz-
tes Thema. Dabei ist offenkundig, dass
sie für alle Menschen wichtig ist.«
Ökonomische Bildung
als Schlüssel zu
Chancengerechtigkeit
Verena von Hugo, Co-Vorsitzende des
Bündnis Ökonomische Bildung: »Wir
bedanken uns herzlich bei der Jury des
Meritum Förderpreises für diese Auszeich-
nung. Unser Bündnis wurde 2020 mit
dem Ziel gegründet, der Ökonomischen
Bildung in Deutschland eine starke Stim-
me zu geben, alle wichtigen Akteure zu
vernetzen und geeignete Plattformen für
Austausch und Dialog zu schaffen. Dass
uns dies gelungen ist, beweist der stetig
wachsende Verbund von inzwischen über
einhundert weitestgehend institutionellen
Mitgliedern aus Wirtschaft, Wissenschaft,
Lehrkräfteverbänden und Stiftungen. Uns
alle eint das Bestreben, die Ökonomische
Bildung als zentralen Bestandteil einer
zeitgemäßen Allgemeinbildung und als
Schlüssel zu Chancengerechtigkeit sowie
gesellschaftlicher Teilhabe zu verankern.
Dazu zählt die verbindliche Aufnahme
ökonomischer Bildungsinhalte in die ent-
sprechenden Schulfächer an allen weiter-
führenden Schulen in allen Bundeslän-
dern. Die wirtschaftsdidaktische und fach-
wissenschaftliche Qualifikation von Wirt-
schaftslehrkräften ist uns ebenfalls ein
Kernanliegen, denn nur gut ausgebildete
Lehrkräfte sind in der Lage, komplexe
wirtschaftliche Zusammenhänge ver-
ständlich und fundiert zu vermitteln.
Darüber hinaus treten wir dafür ein, dass
sich Schülerinnen und Schüler praxisnah
mit wirtschaftlichen Themen auseinander-
setzen und Bezüge zur Arbeitswelt erfah-
ren können. Der Meritum-Preis ist für uns
Bestätigung und Ansporn zugleich, wei-
terhin konsequent für die Bedeutung der
Ökonomischen Bildung zu sensibilisieren
und für ihre feste Verankerung in allen
Bundesländern und Schulformen zu arbei-
ten.«
Die feierliche Verleihung des Meritum Förderpreises 2023 fand am 9. Mai im BMW Welt
Doppelkegel in München statt (v.l.): Bettina Stark-Watzinger (Bundesministerin für Bildung
und Forschung), Verena von Hugo (Co-Vorsitzende BÖB), Sven Schumann (Co-Vorsitzender
BÖB) und Melanie Kreis (Präsidentin des Deutschen Aktieninstituts e.V.)
lehrer nrw ·
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FORTBILDUNGEN
Auf Ihre Stimme kommt es an
Wie Lehrkräfte die eigene Stimme als wichtigstes Werkzeug einsetzen können und welche rechtli-
chen Besonderheiten der Dienst an Ersatzschulen mit sich bringt, sind Themen zweier Fortbildun-
gen am 26. September und am 24. August. Weitere Fortbildungs-Highlights der kommenden Wochen
finden Sie in der Tabelle rechts. Anmeldungen sind online möglich.
In der Fortbildung am 26. September erfahren
Lehrkräfte, wie sie ihre Stimme wirkungsvoll
einsetzen können – auch ohne Megafon.
Foto: AdobeStock/Andrey Popov
Erfolgsfaktor Stimme –
wirkungsvoller Einsatz im Unterricht
Als Lehrkräfte setzen Sie tagtäglich eine Vielzahl von pädagogischen Impulsen,
um auf die Lernenden einzuwirken. Egal ob Sie motivieren, Struktur geben, be-
grenzen, ermutigen, wertschätzen oder auch ermahnen wollen – inwieweit Sie
bei Schülerinnen und Schülern die gewünschte Wirkung erzielen, hängt ganz
entscheidend vom Einsatz Ihrer Stimme ab. In diesem Seminar geht es darum,
wie Sie Ihre Stimme und Ihre Sprache in unterschiedlichen Unterrichtssituatio-
nen variabel und zielführend verwenden können. Darüber hinaus werden Tipps
für einen schonenden Umgang mit der Stimme gegeben. Alle Inhalte werden in
einem Wechsel aus Theorie und spielerischer Praxis erprobt. Referentin ist
Gabi Schmidt. Sie arbeitet als Stimm- und Präsenztrainerin, Lehrkräfte-Coach,
Schauspielerin und Theatertherapeutin und ist darüber hinaus ausgebildete
Lehrerin für Mathematik und Biologie.
Referentin: Gabi Schmidt
Seminar-Nr.: 2023-0925
Ort: Leonardo Boutique Hotel, Oststraße 128, 40210 Düsseldorf
Termin: Dienstag, 26. September 2023
Uhrzeit: 9:00 Uhr bis 16:30 Uhr
Kosten: 130 Euro
lehrer nrw
-Mitglieder, 180 Euro sonstige Teilnehmer
(inkl. Bewirtung mit Speisen und Getränken)
Anmeldung: www.lehrernrw.de/lehrernrw-de-fortbildungen/
lehrernrw-de-fortbildungsuebersicht/
Anmeldeschluss: 22. August 2023
Privat- und Ersatzschulen –
rechtliche Besonderheiten
Schulen in freier Trägerschaft (‘Ersatzschulen’) müs-
sen im Vergleich zu öffentlichen Schulen gleichwer-
tig sein, aber nicht gleichartig. Auf welchen gesetzli-
chen Grundlagen die Freiheit der Privatschulen
beruht, welche Freiheiten erlaubt sind und welche
Konsequenzen dies für die Beschäftigungsverhält-
nisse der Lehrer hat, stellt Rolf Fischer, Leiter des
Referats Privat- und Ersatzschulen im
lehrer nrw
,
in dieser Fortbildung dar.
Referent: Rolf Fischer
Seminar-Nr.: 2023-0824
Ort: Leonardo Hotel Köln,
Waldecker Straße 11-15, 51065 Köln
Termin: Donnerstag, 24. August 2023
Uhrzeit: 10:00 Uhr bis 16.00 Uhr
Kosten: 100 Euro
lehrer nrw
-Mitglieder,
150 Euro sonstige Teilnehmer
(inkl. Bewirtung mit Speisen und Getränken)
Anmeldung: www.lehrernrw.de/
lehrernrw-de-fortbildungen/
lehrernrw-de-fortbildungsuebersicht/
Anmeldeschluss: 20. Juli 2023
25
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lehrer nrw
FORTBILDUNGEN
Seminar
Nr. Titel Kurzinhalt Referenten Wo Wann Uhrzeit
Gebühr
lehrer nrw-
Mitglied
Gebühr
sonst.
Teilnehmer
Anmelde-
schluss
2023-0821 Umgang mit schwierigem
Schülerverhalten
Souverän mit auffälligem Schülerverhalten umgehen. Im Mittelpunkt
stehen Strategien, wie man sich als Lehrkraft sowohl in akuten als
auch in ‘langfristigen’ Situationen souverän verhalten kann.
Dorthe
Leschnikowski-
Bordan
Ringhotel Drees
Hohe Straße 107
44139 Dortmund
Montag
21.08.2023
9:00 bis
16:00 Uhr
130 EUR 180 EUR 17.07.2023
2023-0824 Privat- und Ersatzschulen –
Rechtliche Besonderheiten
Rechtliche Besonderheiten des Dienstes an Ersatzschulen Rolf Fischer Leonardo Hotel Köln
Waldecker Straße 11-15
51065 Köln
Donnerstag
24.08.2023
10:00 bis
16:00 Uhr
100 EUR 150 EUR 20.07.2023
2023-0914 Präsenz in Konflikten Dieses Seminar wird Ihnen konstruktive Handlungsmöglichkeiten
aufzeigen, mit denen Sie durch konsequentes und gleichzeitig
wertschätzendes Verhalten Konflikte wirksam bewältigen und Regeln
leichter durchsetzen können.
Gabi Schmidt acom Hotel Köln
Hansaring 97
50670 Köln
Donnerstag
14.09.2023
9:00 bis
16:30 Uhr
130 EUR 180 EUR 10.08.2023
2023-0918 Binnendifferenzierung Professioneller Umgang mit den Herausforderungen heterogener Klassen.
Praktische Methoden bieten die Möglichkeit, den eigenen Unterricht
phasenweise differenziert zu gestalten.
Dorthe
Leschnikowski-
Bordan
Ringhotel Drees
Hohe Straße 107
44139 Dortmund
Montag
18.09.2023
9:00 bis
16:00 Uhr
130 EUR 180 EUR 10.08.2023
2023-0920 Recht im Schulalltag – speziell
für Berufsanfängerinnen und
-anfänger
Junge Kolleginnen und Kollegen sind mit Rechtsfragen oft überfordert.
Die Fortbildung beantwortet die wichtigsten Fragen aus dem Schulalltag.
Christopher
Lange
GDL Sitzungsraum
1. OG
Graf-Adolf-Straße 84
40210 Düsseldorf
Mittwoch
20.09.2023
14:00 bis
17:00 Uhr
25 EUR 50 EUR 04.09.2023
2023-0925 Erfolgsfaktor Stimme –
wirkungsvoller Einsatz
im Unterricht
In diesem Seminar geht es darum, wie Sie Ihre Stimme und Ihre Sprache
in unterschiedlichen Unterrichtssituationen variabel und zielführend
verwenden können. Darüber hinaus werden Tipps für einen schonenden
Umgang mit der Stimme gegeben.
Gabi Schmidt Leonardo Boutique Hotel
Oststraße 128
40210 Düsseldorf
Dienstag
26.09.2023
9:00 bis
16:30 Uhr
130 EUR 180 EUR 22.08.2023
2023-1019 Tanz mit dem Widerstand Häufig erleben Lehrkräfte Widerstand bei ihren Schülerinnen und
Schülern, wenn sie Erwartungen des intensiveren Lernens und Vorberei-
tens an sie richten. In diesem Seminar erlangen Sie eine erhöhte fachliche
Distanz zu herausforderndem Widerstand und fügen Ihrem Handlungs-
repertoire weitere Interventionen hinzu.
Tanja
Schmitz-
Remberg
Intercity Hotel Düsseldorf
Graf-Adolf-Straße 81-87
40210 Düsseldorf
Donnerstag
19.10.2023
9:00 bis
16:30 Uhr
130 EUR 180 EUR 07.09.2023
2023-1023 Recht im Schulalltag Diese Fortbildung informiert über wichtige rechtliche Grundlagen,
die Lehrkräfte für ihren Berufsalltag benötigen.
Christopher
Lange
GDL Sitzungsraum
1. OG
Graf-Adolf-Straße 84
40210 Düsseldorf
Montag
23.10.2023
14:00 bis
17:00 Uhr
25 EUR 50 EUR 27.09.2023
Die Externalisierung
des Problems
Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Stefan Battel gibt in seiner Kolumne regelmäßig Antworten
auf Fragen aus dem Lehreralltag. Diesmal geht es um Veränderungsarbeit.
I
In unserer Kultur sind Menschen viel-
fach der Überzeugung, dass ihre Le-
bensprobleme durch ihre Charakterei-
genschaften bedingt sind, das heißt: in
ihnen selbst begründet sind. Das Erleben
eines Schülers ist dann oft davon geprägt,
dass er sich vom ‘Problem’ beherrscht er-
lebt. (»Und dann hat mich die Wut ge-
packt…« »Meine Eltern sagen: Ich habe
ADHS«) Das kann zu einem Opferempfin-
den und dem Erleben von Ohnmacht füh-
ren. Verantwortung wird nicht übernom-
men. Dadurch wird das Problem aufrecht-
erhalten und stabilisiert.
Diese Musterunterbrechung im Erleben
kann durch das Externalisieren unterbro-
chen werden. Durch Externalisierung wird
das Problem zum Problem gemacht und
nicht die Person. Durch die Externalisie-
rung bekommt das Problem sozusagen
eine eigene Identität, wird ein eigenes
Wesen außerhalb der Person. Dies erleich-
tert die Veränderungsarbeit, da der Schü-
ler nicht ‘gegen sich selbst’ vorgehen
muss. So wird es viel eher möglich, Ver-
antwortung zu übernehmen. Durch Exter-
nalisierung kann es gelingen, die Koopera-
tionsbereitschaft des Kindes zu gewinnen.
Und auch die Familie kann für eine zu-
kunftsgerichtete Kooperation gewonnen
werden. Es geht um das Problem, das jetzt
von allen gemeinsam angegangen werden
kann. Durch Externalisierung wird aus ei-
nem Kontext der Bewertung (Vorwürfe,
unproduktive Diskussionen über Schuld
und Ursache) ein Kontext von Erforschung
und Entdeckung. Als erstes ist es wichtig,
eine erfahrungsnahe, möglichst anschauli-
che Definition des Problems auszuhan-
deln.
Gute Anknüpfungspunkte für Externalisie-
rungen ergeben sich, wenn die Lehrerin/der
Lehrer das präsentierte Symptom nutzt oder
sich beim Zuhören auf häufig benutzte Sub-
stantive konzentriert: »Florians Frustration
hat sich in seinem ganzen Leben breitge-
macht.« Wann hat das Problem sich zum
ersten Mal bei Florian und seiner Familie
vorgestellt? Fragen nach dem Einfluss des
Problems auf die Beziehungen in der Fami-
lie, in der Schule, zu den Gleichaltrigen sind
weitere wichtige Anhaltspunkte.
Hilfreich sein kann eine erfahrungsnahe
Beschreibung eines einmaligen alternativen
Verhaltens oder einer Ausnahme, in der die
Person Einfluss auf das Problem hatte:
»Gibt es Situationen, in denen Florian stär-
ker ist als das Problem?«
Das Problem (beispielsweise Konzentrati-
onsschwierigkeiten) kann vielleicht einer
externen Symbolfigur zugeordnet werden
(zum Beispiel Quietscheente). Tritt das Pro-
blem in der Klasse auf, wäre eine Anlei-
tung: »Ah, ich merke, die Quietscheente ist
aus dem Urlaub zurück. Wie bekommen wir
sie gemeinsam wieder in den Teich zu-
rück?« So bringt der Schüler dieses nicht
konstruktive Verhalten nicht mit seiner
Person in Verbindung und steigt unter Um-
ständen nicht direkt aus der Beziehung aus.
ZUR PERSON
Dr. med. Stefan
Battel ist Facharzt
für Kinder- und Ju-
gendpsychiatrie
und -psychothera-
pie (tätig in einer
Praxis in Bonn) und
seit 2012 systemi-
scher Familienthe-
rapeut (DGSF). Im
Rahmen des
lehrer
nrw
-Fortbildungs-
programms greift
er in einer Vor-
tragsreihe regel-
mäßig verschiede-
ne Themen aus
dem Bereich der
Jugendpsychologie
auf.
Foto: Andreas Endermann
lehrer nrw ·
4/2023
26
BATTEL HILFT
27
4/2023 ·
lehrer nrw
SENIOREN
Vorfreude auf die Herbstreise nach Würzburg
Ein Wahrzeichen Würzburgs:
Die alte Mainbrücke hat eine besondere Geschichte.
Foto: AdobeStock/Lapping Pictures
Erlebnisse ‘im hohen Norden’
Die Senioren-Fahrt vom 4. bis 10. Mai nach Kiel und Oslo war ein tolles Er-
lebnis. Kiel ist eine wirklich beeindruckende Stadt: Großzügig angelegt und
mit einzigartigem Panorama. Beim Anblick der vielen Ozeanriesen wurden
auch wir vom Fernweh ergriffen. Die Mini-Kreuzfahrt nach Oslo erfüllte dann
unsere frisch geweckten Sehnsüchte nach der großen weiten Welt.
Auch diesmal war das Miteinander in unserer Gruppe sehr harmonisch. Wir
wünschen uns, dass sich dieses wunderbare gemeinschaftliche Zusammensein
auch bei der nächsten Fahrt im Herbst nach Würzburg fortsetzt.
Ein großes Dankeschön für die perfekte Vorbereitung geht auch an Frau
Klüber-Figge von Joamar Reisen.
Lilo Becker
Gute Laune im hohen Norden:
die
lehrer nrw
-Reisegruppe erlebte eine tolle Frühjahrsfahrt.
INFO / ANMELDUNG
Klüber Touristik GmbH
Haarener Straße 18, 33178 Borchen
Tel. 05251 6879990
E-Mail: info@reisen-joamar.de
Web: www.reisen-joamar.de
W
Wie bereits mehrfach angekündigt, führt
die große Herbstfahrt der
lehrer nrw
Seniorinnen und Senioren vom 22. bis 25.
Oktober nach Würzburg. Das ausführliche
Programm finden Sie auf den
lehrer nrw
-
Seniorenseiten im Internet unter
www.lehrernrw.de/2023/04/13/
seniorenreise-im-oktober-2023-nach-
wuerzburg. Daher hier nur ein kleiner
Appetitanreger, um die Vorfreude zu steigern:
Alte Mainbrücke –
alte ‘Weinbrücke’
Schon um 1120 gab es an dieser Stelle eine
Brücke aus Stein über den Main. Sie musste
aber im 15. Jahrhundert wegen Schäden neu
gebaut werden. Die Verbindung zwischen
den Pfeilern wurde aus Holz hergestellt. Um
die Unterhaltungskosten der Holzbrücke zu
minimieren, begann man 1512, die hölzernen
Verbindungen mit Steinbögen zu untermau-
ern. Erst 1730 kamen die eindrucksvollen ba-
rocken zwölf Heiligenfiguren dazu. Sie wurden
um 1912 zerschlagen, um sie für den Straßen-
bau zu verwenden. Die Figuren von heute wur-
den im zweiten Weltkrieg beschädigt. So ste-
hen heute die nach dem zweiten Weltkrieg
restaurierten ‘Heiligen’ auf der Brücke, die
beim Überqueren mit ihrer imposanten Höhe
von 4,50 Meter bestaunt werden können.
Diese Brücke gilt als eine der schönsten
Brücken in Deutschland. Viele Menschen ge-
nießen an schönen warmen Tagen mit einem
Glas Wein den Ausblick auf den Main und
die einmalige Atmosphäre auf der Brücke
oder treffen sich hier mit Freunden und Be-
kannten.
lehrer nrw ·
4/2023
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Der sanfte Weg
in den Ruhestand
Altersteilzeit ermöglicht im Hinblick auf das Arbeitspensum
einen sanften Übergang in den Ruhestand. Auch wenn Alters-
teilzeitmodelle – ebenso wie solche eines vorzeitigen Ruhe-
standes – aktuellen Trends in der arbeitenden Gesellschaft
entgegen zu laufen scheinen, bleibt ihre Berechtigung und
Notwendigkeit unbestritten.
M
Mit dem allgemeinen Arbeitsklima
scheint es in Deutschland aktuell
nicht zum Allerbesten bestellt zu
sein. Der sogenannten Generation Z, den
jungen Berufsanfängern, geht es darum,
»mehr zu leben, weniger zu arbeiten«1.
Jens Spahn, Vize der CDU-Bundestags-
fraktion, will dagegen die Rente mit 63
schnellstmöglich abschaffen. Auch die
Arbeitgeber wollen aufgrund nachlassen-
der Zahlen der Erwerbstätigen im Zuge des
demografischen Wandels die Arbeitnehmer
möglichst länger arbeiten lassen. Und im-
mer wieder kursieren Umfragen und Statis-
tiken, die nahelegen, welch großer Teil der
Beschäftigten in Deutschland im Job demo-
tiviert ist.
Wenn die Energie nachlässt
Letzteres führe oftmals zu »Quiet Quit-
ting«. Dieses angeblich so verbreitete Phä-
nomen kannte man schon früher unter dem
Schlagwort ‘Dienst nach Vorschrift’. Damit
wird die bewusste Einstellung von Beschäf-
tigten bezeichnet, keine Überstunden zu
machen und nicht die berühmte ‘Extra-Mei-
le zu gehen’. Fraglich ist indes, ob sowohl
das Maß der Demotivation als auch die an-
geblich verbreitete, daraus folgende Einstel-
lung vieler Beschäftigter tatsächlich so gra-
vierend sind. Denn vor allem ist zu konsta-
tieren, dass viele Beschäftigte schon ihr nor-
males Arbeitspensum kaum mehr leisten
können. Diese Thematik erscheint für die Ar-
beitsgesellschaft – auch im Schulbereich –
wesentlich bedrohlicher. Für viele Lehrkräfte
geht es um ein Nachlassen der Energie und
ein permanentes und tiefes Gefühl der
Überlastung und des Ausgebranntseins vor
allem durch ständige Extra-Belastungen im
Schulalltag. So manche Lehrkraft sehnt sich
nach einer Auszeit vom Job oder danach,
den Weg zum Ruhestand weniger beschwer-
lich zu gestalten. In der Situation kann man
wohl geradezu froh sein, wenn dieser
Wunsch erst möglichst kurz vor der Alters-
grenze Form annimmt.
RECHT§AUSLEGER
von CHRISTOPHER LANGE
Foto: AdobeStock/freebird7977
29
4/2023 ·
lehrer nrw
Altersteilzeit als milder
Übergang
Was kann man in dieser Lage tun? Hier
kann Altersteilzeit nach § 66 Landesbe-
amtengesetz NRW eine Möglichkeit sein,
denn diese kann einen milden Übergang
in die Phase nach dem Arbeitsleben
darstellen2. Ein großer Wermutstropfen
ist dabei allerdings vorab zu nennen:
Eine tarifliche Altersteilzeitregelung
existiert in Nordrhein-Westfalen leider
nicht mehr.
Lehrkräfte, die verbeamtet sind, kön-
nen ab dem 1. August nach Vollendung
des 60. Lebensjahres Teilzeitbeschäfti-
gung mit 65 Prozent der in den letzten
fünf Jahren vor Beginn der Altersteilzeit
durchschnittlich zu erbringenden Arbeits-
zeit beantragen. Bei der Berechnung der
durchschnittlichen Stundenzahl zählt ein
Urlaubsjahr als Jahr mit null Stunden. Die
Altersteilzeit muss sich bis zum Beginn
des Ruhestandes erstrecken, das heißt bis
zur regulären Altersgrenze oder dem An-
tragsruhestand ab 63 Jahren.
Teilzeit- oder Blockmodell
Die Altersteilzeit kann wahlweise im Teilzeit-
oder im Blockmodell erfolgen. Die Wahl des
Teilzeitmodells hat zur Folge, dass bis zum
Ruhestand durchgehend mit 65 Prozent der
durchschnittlichen Arbeitszeit der letzten
fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit gear-
beitet werden muss. Im Blockmodell dage-
gen wird die Altersteilzeitphase aufgesplit-
tet in eine Beschäftigungsphase, während
der die ganze insgesamt während der Al-
tersteilzeit zu erbringende Arbeitsleistung
anfällt, und eine Phase der Freistellung, die
sinnigerweise stets am Ende der Altersteil-
zeit liegen muss. Das Teilzeitmodell macht
vor allem für vorher in Vollzeit oder mit
hoher Stundenzahl Beschäftigte Sinn. Das
Blockmodell kommt generell für vorher Voll-
und Teilzeitbeschäftige in Betracht. Der An-
trag auf Altersteilzeit ist bei der Personalak-
ten führenden Dienstelle zu stellen.
Dienstliche Gründe dürfen der Vereinba-
rung einer Altersteilzeit nicht entgegenste-
hen. Im Handlungskonzept zur Unterrichts-
versorgung vom 14. Dezember 2022, mit
dem die Landesregierung dem Lehrkräfte-
mangel begegnen will, ist allerdings noch
von keinerlei Einschränkungen zu lesen.
Achtung: Während des Zeitraums der
Altersteilzeit muss man auf die einem sonst
zustehende Altersermäßigung verzichtet
haben. Alternativ kann man zur Kompensa-
tion während der Altersteilzeit eine Wochen-
stunde zusätzlich unterrichten. Dabei sind
die zusätzlich zu leistenden Stunden auf
höchstens fünf Jahre beschränkt, selbst bei
einer länger andauernden Altersteilzeitpha-
se.
Zuschlag zur Besoldung
Interessant ist der Aspekt der Besoldung
und Versorgung. Denn die Besoldung be-
steht nicht nur aus entsprechenden Teilzeit-
bezügen, sondern enthält einen Zuschlag
(§§ 8, 70 Landesbesoldungsgesetz NRW):
Sie wird auf achtzig Prozent der Nettobezü-
ge der durchschnittlichen tatsächlichen Be-
schäftigung der letzten fünf Jahre erhöht.
Im Rahmen der Versorgungsberechnung
wird die Altersteilzeit wie eine Teilzeitbe-
schäftigung von achtzig Prozent gerechnet.
Die Höhe der Bezüge bleibt auch beim
Blockmodell während der gesamten Alters-
teilzeitphase gleich, das heißt es macht kei-
nen Unterschied, ob man sich in einer Ar-
beits- oder Freistellungsphase befindet. Der
Zuschlag ist an sich zwar steuerfrei. Wegen
der Einkommenserhöhung kann es aber
letztlich doch zu einer höheren Steuerbelas-
tung durch den Progressionsvorbehalt
32 b Einkommensteuergesetz) kommen.
Wer im Altersteilzeit-Modell für sich per-
sönlich keine Lösung sieht, der könnte auch
ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit einen
Antrag auf Versetzung in den Ruhestand
(frühestens) mit Vollendung des 63. Lebens-
jahres stellen (der nach dem Handlungskon-
zept zur Unterrichtsversorgung mit dem
Ende des darauffolgenden Schulhalbjahres
gilt), um ganz aus dem Dienst auszuscheiden
(für schwerbehinderte Lehrkräfte frühestens
mit Vollendung des 60. Lebensjahres). Nach-
teile des Antragsruhestandes zeigen sich da-
rin, dass für jeden Monat vor Erreichen der
regulären Altersgrenze ein Versorgungsab-
schlag von 0,3 Prozent hinzunehmen ist.
Der Abschlag kann maximal 14,4 Prozent
betragen (für schwerbehinderte Lehrkräfte
beträgt der Abschlag nur maximal 10,8 Pro-
zent, da er nur bis zur Vollendung des
63. Lebensjahres berechnet wird).
Noch sanfter aus dem Dienst kommt man
natürlich dann, wenn man eine Altersteil-
zeitphase vor das Ausscheiden über den
Antragsruhestand setzt.
Wer wissen möchte, wie sich nach Fin-
dung des persönlich passenden Modells die
entsprechenden Bezüge berechnen, der
kann sich als Mitglied an
lehrer nrw
wen-
den.
RECHT§AUSLEGER
Christopher Lange leitet die Rechtsabteilung
des
lehrer nrw
E-Mail: Rechtsabteilung@lehrernrw.de
1 »Warum die Generation Z anders arbeiten will –
und damit jetzt alle ansteckt«, DER SPIEGEL 22/2023
2 siehe dazu auch: Altersteilzeit für Lehrerinnen und Lehrer
im Beamtenverhältnis; Durchführungsbestimmungen,
Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbil-
dung vom 12.06.2013, eingearbeitet Runderlass vom
29.03.2016, BASS 21-05 Nr. 16).
Mehr Zeit und Muße für die
schönen Seiten des Lebens:
Wer träumt nicht davon? Mit Alters-
teilzeit kann dieses Ziel näher rücken.
lehrer nrw ·
4/2023
30
ANGESPITZT
A
Also sprach Karl Lagerfeld: »Wer eine
Jogginghose trägt, hat die Kontrolle
über sein Leben verloren.« Dieses Zitat
wird dem legendären Modezar gern und
oft zugeschrieben. Und es passt ja auch
prima zum Thema. Da hat es eine Sekun-
darschule in Wermelskirchen doch tat-
sächlich gewagt, ein Jogginghosen-
Verbot zu verhängen! Das knallte wie
ein Hawaiihemd auf einer Beerdigung.
Landauf, landab schlug das Thema glei-
chermaßen Wellen der Begeisterung wie
der Empörung. Rechts-, Mode- und Be-
nimmexperten debattierten mit heiligem
Ernst, ob die Jogginghose in der Schule
nun das Stoff gewordene Fanal für den
Untergang des Abendlandes oder aber für
die Selbstermächtigung der Jugend sei.
Unterrichtsausfall? Lehrermangel?
Sanierungsstau? Absturz in der IQB-
Studie? Solche Nebensächlichkeiten
mussten zumindest mal für ein paar
Tage hinter den wirklich wichtigen Din-
gen zurückstehen. Die Deutsche Knig-
ge-Gesellschaft war auf einmal wieder
schwer gefragt und leistete der Wer-
melskirchener Schule moralischen Bei-
stand. Die Jogginghose sei ein Klei-
dungsstück für Sport und Freizeit.
Schulzeit aber sei Arbeitszeit und da-
rum habe die Jogginghose dort nichts
zu suchen, wurde eine Sprecherin aus
einem Interview mit der Deutschen
Presse-Agentur zitiert.
Rechtsexperten sehen hingegen zu-
mindest juristisch keine Chance für ein
Jogginghosen-Verbot. Die Schulkonfe-
renz könne bestenfalls eine Empfehlung
zur Kleiderordnung geben, mehr aber
auch nicht.
Wir plädieren für Entspannung in der
Kleiderfrage. Denn erst das Verbot
macht das Übertreten desselben doch
erst richtig reizvoll. Wenn also dem-
nächst alle in schlabbrigen Hosen und
bauchfreien Tops rumlaufen, hat sich
der Trend ganz schnell verflüchtigt.
In meiner Schulzeit in den 80er Jah-
ren (modisch übrigens ein schlimmes
Jahrzehnt, aber das ist ein anderes
Thema) hatte ich einen Lehrer, der ger-
ne mal im AC/DC T-Shirt vor der Klasse
erschien. Etwaige AC/DC T-Shirt-Verbo-
te (die es meines Wissens nicht gab)
hätte er vermutlich mit einem Metallica
T-Shirt gekontert. Ein echt cooler
Typ.
Jogginghosen hätte der wahrschein-
lich langweilig gefunden.
Jochen Smets
Von Jogginghosen und AC/DC T-Shirts
Seit Einführung der Schuluniformen hat sich
das Pausenhof-Klima deutlich entspannt.
Über Feedback zu meinen Gehirnjogging Übungen würde ich mehr sehr freuen: mail@heike-loosen.de Heike Loosen
AUFGABE 1:
AUFGABE 2:
AUFGABE 3:
Symbole, Symbole,
Symbole
Eine Übung, die die visuelle Konzentration schult. Entscheiden
Sie, ohne die Finger zu Hilfe zu nehmen: Welches Symbol kommt
am häufigsten vor und wie oft kommt es vor? Welches kommt am
seltensten vor und wie oft kommt es vor?
Pfeilschnell
gefolgert
Hier kommt wieder eine Logikaufgabe zum Rätseln:
Ein kleiner Tipp:
die Lösung lautet nicht: nach rechts!
HIRNJOGGING
31
4/2023 ·
lehrer nrw
Es war einmal…
Jetzt wird Kreativität und Denkflexibilität trainiert. Sie dürfen eine kleine Geschichte erfinden, die folgende
Wörter enthalten muss. Die Reihenfolge der Wörter darf dabei verändert werden. Hauptsache, Sie haben alle
Wörter verwendet und sinnvoll untergebracht:
Badewanne
Reibekuchen
T-Shirt
Reagenzglas
Konzertflügel
Frankreich
Gedichtband