SCHULE & POLITIK
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5/2023 ·
lehrer nrw
der Schulträger nur über den Weg, den
Schulen ein paar PCs und einen Computer-
raum zur Verfügung zu stellen. Ansonsten
wurde der gesamte Digitalisierungsprozess
im Unterricht von den Lehrkräften betrie-
ben, oft mit privaten Investitionen in Hard-
und Software. Fortbildungen gab es kaum.
Es war learning by doing, unterstützt von
Google und Tipps von Kollegen. Die Digita-
lisierung hat der Staat vollkommen ver-
säumt.
Corona hat alles vorangetrieben. Das
muss nun verstetigt werden. Das Fortbil-
dungsangebot muss ausgebaut und fort-
geführt werden – vieles geht übrigens
heute online. Der Digitalpakt 1 läuft aus,
wir brauchen nun den Digitalpakt 2. Wir
haben Hardware bekommen, aber die ist in
ein paar Jahren ausgenudelt. Also brau-
chen wir neue Hardware, und die muss
finanziert werden, und zwar nicht von uns
privat.
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Wenn sie mal den Blick in die
Glaskugel wagen: Wie sieht die
Schule der Zukunft aus? Welche Rol-
le werden Lehrkräfte darin spielen?
Werden sie durch die Digitalisierung
womöglich zu Darreichern von KI-
generierten Wissenshäppchen de-
gradiert?
Düll: Lehrerinnen und Lehrer bleiben
extrem wichtig für den Lernprozess. Es
braucht den Menschen, der alles zusam-
menführt, es braucht den Menschen, der
mithilft, die Kompetenz zu vermitteln, zu
beurteilen, was durch eine KI geschaffen
worden ist. Es braucht den, der immer
noch mehr weiß, der das Urteilswissen,
die Urteilskompetenz und die Bewertungs-
kompetenz besitzt. Und es braucht den
Menschen, weil wir Menschen zusammen
mit anderen Menschen lernen.
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Themenwechsel: Wir beobach-
ten eine zunehmende Verrohung
der Gesellschaft, auch in der Schule.
Verbale und körperliche Gewalt ge-
gen Lehrkräfte nimmt zu. Was ist zu
tun, damit Schule ein angstfreier
Raum bleibt bzw. wieder wird?
Düll: Eine Schule ist vom Grundsatz her
ein geschützter Bereich. Klar ist deshalb,
dass eine Null-Toleranz-Politik gefahren
werden muss an den Schulen. Auf Gewalt-
vorfälle muss die Schulgemeinschaft ange-
messen reagieren. Es gibt Dinge, die nicht
hinnehmbar sind. Und wenn es in den
strafrechtlichen Bereich geht, sollten die
Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet
werden – selbst bei Minderjährigen, die
noch nicht strafmündig sind. Wir müssen
signalisieren: Das lassen wir nicht durch-
gehen.
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Nicht wenige Lehrerinnen und
Lehrer, die Gewalterfahrungen
machen mussten, fühlen sich von ih-
rem Dienstherrn nicht ausreichend
unterstützt.
Düll: Jede Gewalterfahrung ist für die Be-
troffenen dramatisch. Der Schutz der Kolle-
ginnen und Kollegen muss höchste Priori-
tät haben. Im konkreten Fall ist zunächst
die Schulleitung vor Ort gefordert, Maß-
nahmen zu ergreifen. Dann muss krisen-
mäßig gehandelt werden, zum Wohle der
betroffenen Lehrkraft, aber auch zum Woh-
le der gesamten Schule. Der oder die Täter
müssen den Strafverfolgungsbehörden ge-
meldet werden. Und schulintern muss mit
disziplinarischen Maßnahmen gehandelt
werden. Selbstverständlich ist Prävention
wichtig. Da sind wir dann wieder beim Ar-
beitsplatz Schule und der Ausstattung zum
Beispiel mit Schulsozialarbeitern und
Schulpsychologen und den dafür nötigen
Ressourcen.
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Wie beurteilen Sie die Situation
in Nordrhein-Westfalen? Wo be-
steht Handlungsbedarf? Reicht der
A13 Stufenplan, um die Attraktivität
des Lehrerberufs nachhaltig zu stei-
gern? Oder braucht es mehr als
Geld?
Düll: Das Geld ist Anerkennung für die
Leistung, die die Kolleginnen und Kollegen
erbringen und erbracht haben. Man muss
aber auch sehen, dass es andere gibt, die
schon A 13 hatten, zum Beispiel in Beför-
derungsämtern. Welche Wertschätzung
zeige ich denen?
Viele, die in den Beruf gegangen sind,
haben nicht als erstes auf die Besoldungs-
tabelle geschaut. Sie möchten mit Kindern
arbeiten. Sie brennen für ihren Beruf. Des-
halb: Geld allein wird es nicht richten. Wir
müssen die Gesamtbedingungen dieses
Berufs verbessern.
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Warum braucht es einen starken
Deutschen Lehrerverband?
Düll: Es braucht auf Bundesebene einen
Anwalt für die Belange der Lehrkräfte und
der Schülerinnen und Schüler. Und wir
brauchen auf der Bundesebene einen star-
ken Akteur, da der Bund immer mehr bereit
ist, Geld in die Bildung auf Länderebene zu
stecken und dafür auch Einfluss nehmen
will. Dabei muss und wird der Deutsche
Lehrerverband ein starker Diskussionspart-
ner und Antreiber für die Politik sein.
Und um das gleich klarzustellen: Der
Föderalismus ist der Schlüssel zum Erfolg
unseres Bildungswesens in Deutschland.
Es ist eine Art Wettbewerb der Bundeslän-
der, in dem man sich vergleicht, sich aus-
tauscht und voneinander lernt. Zudem hat
jedes Bundesland seine eigenen Traditio-
nen, Besonderheiten und Stärken. Eine
Gleichschaltung der Bildungs- und Schul-
politik durch den Bund würde nichts ver-
bessern.
Interview: Jochen Smets
ZUR PERSON
Stefan Düll ist Schulleiter und Seminar-
vorstand am Justus-von-Liebig-Gymnasi-
um Neusäß. Der 58-Jährige hat das Stu-
dium der Fächer Deutsch, Englisch und
Geschichte für das Lehramt an Gymna-
sien an der LMU München, der George-
Washington-University, Washington
D.C., und der Universität Augsburg mit
dem Staatsexamen I abgeschlossen.
Nach einem zusätzlichen Studium in
Nordischer Philologie und Germanischer
Altertumskunde und dem Referendariat
mit Staatsexamen II (1994) folgte eine
Lehrertätigkeit an verschiedenen Gym-
nasien in Oberbayern und Schwaben.