3Unter der Lupe
Volle Kraft voraus!
15 Dossier
ChatGPT in
der Schule ist
Zeitverschwendung
28 Schule & Politik
Zeugnisvermerk
als Stigma?
6Im Brennpunkt
Gewalt gegen
Beschäftigte
an Schulen
Zum neuen Schuljahr
Volle Kraft voraus!
Pädagogik & Hochschul Verlag . Graf-Adolf-Straße 84 . 40210 Düsseldorf · Foto: AdobeStock
1781 | Ausgabe 5/2023 | SEPTEMBER | 67. Jahrgang
INHALT
lehrer nrw ·
5/2023
2
UNTER DER LUPE
Sven Christoffer: Volle Kraft voraus! 3
BRENNPUNKT
Sarah Wanders: Gewalt gegen
Beschäftigte an Schulen 6
JUNGE LEHRER NRW
Marcel Werner: »Lehren und
Lernen in der digitalen Welt«
Hervorragendes Angebot oder Tropfen
auf den heißen Stein? 8
PERSONALRÄTE
Bezirkspersonalrat Detmold für
Realschulen: Im Paradies brodelt es 10
Bezirkspersonalrat Detmold für
Gesamt- und Sekundarschulen:
An Ihrer Seite 11
TITEL
Estland, Finnland, Singapur, Japan:
Unterricht bei den PISA-Spitzenreitern 12
DOSSIER
ChatGPT in der Schule
ist Zeitverschwendung 15
Studie: Künstliche Intelligenz
im Unterricht 18
SCHULE & POLITIK
Innere Stärke im Lehrerberuf 19
Interview mit dem neuen DL-Präsidenten
Stefan Düll: Null Toleranz bei Gewalt
gegen Lehrkräfte 20
Ulrich Gräler: Rezession im Bildungssystem
Über die Folgen einer jahrzehntelang
verfehlten Schulpolitik 22
FORTBILDUNGEN
Teilzeit, Rente, Ruhestand 24
MAGAZIN
Qualität der Lehrerausbildung in Gefahr! 26
SENIOREN
Alte Ritter und moderne Fabrikation
Exkursion nach Bielefeld am 7. September 27
Exkursion nach Essen:
Schätze und Versicherungen 27
RECHT§AUSLEGER
Christopher Lange:
Zeugnisvermerk als Stigma? 28
ANGESPITZT
Jochen Smets: Exportschlager Siesta 30
HIRNJOGGING
Aufgabe 1: Tiere mit Vorsilbe 31
Aufgabe 2: Binär-Sudoku 31
Aufgabe 3: Verkürzte Schrift 31
IMPRESSUM
lehrer nrw
– G 1781 –
erscheint sieben Mal jährlich
als Zeitschrift des
‘lehrer nrw’
ISSN 2568-7751
Der Bezugspreis ist für
Mitglieder des
‘lehrer nrw’
im Mitgliedsbeitrag enthal-
ten. Preis für Nichtmitglieder
im Jahresabonnement:
35,– inklusive Porto
Herausgeber und
Geschäftsstelle
lehrer nrw e.V.
Nordrhein-Westfalen,
Graf-Adolf-Straße 84,
40210 Düsseldorf,
Tel.: 02 11/164 0971,
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Web: www.lehrernrw.de
Redaktion
Sven Christoffer,
Ulrich Gräler,
Christopher Lange,
Jochen Smets,
Sarah Wanders,
Marcel Werner
Düsseldorf
Verlag und
Anzeigenverwaltung
PÄDAGOGIK &
HOCHSCHUL VERLAG
dphv-verlags-
gesellschaft mbH,
Graf-Adolf-Straße 84,
40210 Düsseldorf,
Tel.: 02 11/355 81 04,
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Zur Zeit gültig:
Anzeigenpreisliste Nr. 22
vom 1. Oktober 2021
Zuschriften und
Manuskripte nur an
lehrer nrw
,
Zeitschriftenredaktion,
Graf-Adolf-Straße 84,
40210 Düsseldorf
Für unverlangt eingesandte
Manuskripte kann keine Ge-
währ übernommen werden.
Namentlich gekennzeichnete
Beiträge geben die Meinung
ihrer Verfasser wieder.
Volle Kraft
voraus!
Schwerpunktthemen (nicht nur) im neuen
Schuljahr: Gehalt – Gesundheit – Gewalt
D
Der Beginn eines Schuljahres ist für eine Bildungs-
gewerkschaft immer auch der Zeitpunkt, der Fra-
ge nachzugehen, welche Schwerpunktsetzungen
es innerhalb der Verbandspolitik braucht. Für
lehrer nrw
habe ich in diesem Kontext neben vielen anderen Bau-
stellen (zum Beispiel: Welche Auswirkungen hat das
Handlungskonzept zur Unterrichtsversorgung auf die
Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte? Wie geht es mit
den Realschulen mit Hauptschulbildungsgang weiter?
Was tun gegen den Lehrkräftemangel?) die Themen
Gehalt, Gesundheit und Gewalt identifiziert.
Der Fluch der guten Tat
Kurz vor den Sommerferien hat das Parlament endlich
das Gesetz zur Anpassung der Lehrkräftebesoldung ver-
abschiedet, das die schrittweise Anhebung der Ein-
stiegsbesoldung der Lehrkräfte im Bereich der Primar-
stufe und der Sekundarstufe I regelt. Damit hat unser
Verband ein Ziel erreicht, das er seit dem Jahr 2009
hartnäckig verfolgt hat. Leider hat die Landesregierung
sich aber nicht zu einer grundlegenden Reform der Lehr-
kräftebesoldung durchringen können. Um es in ein Bild
zu kleiden: Statt die Besol-
dungsarchitektur komplett auf neue
Füße zu stellen, hat man einen singulären Baustein
innerhalb der Besoldungspyramide verändert, was
zwangsläufig zu einer Schieflage führt. Lehrkräfte in
Funktions- und Leitungsämtern fragen zurecht: »Was ist
mit dem Abstandsgebot?«, Lehrkräfte im ersten Beför-
derungsamt: »Wenn das Eingangsamt jetzt A13 wird,
was ist dann mit mir?«. Und Fachleitungen in der Se-
kundarstufe I sowie in der Grundschule weisen darauf
hin, dass ‘A13 für alle’ zwar das Eingeständnis ist, dass
die Arbeit von Lehrkräften unabhängig von der Schul-
form gleich wertvoll ist und künftig deshalb gleich be-
zahlt wird, dass das aber mitnichten für Fachleitungen
gelte.
Schieflage in der
Besoldungsarchitektur
Eine Anfrage von
lehrer nrw
zur Ausschreibung von
A13-Stellen an Grundschulen und Schulen der Sek. I
hatte das Ministerium im Frühjahr folgendermaßen
beantwortet:
»Das aktuelle Gesetzgebungsverfahren zur Anhebung
der Lehrkräftebesoldung in der Primarstufe und der Se-
kundarstufe I hat keine Auswirkungen auf die Möglich-
keit, an diesen Schulformen A13-Stellen als funktionslo-
ses Beförderungsamt auszuschreiben. Die entsprechen-
den Stellen stehen im Haushalt zur Verfügung und kön-
nen durch die personalverwaltenden Stellen ausge-
schrieben und besetzt werden.
Im Anschluss wird die Landesregierung mögliche Aus-
wirkungen auf die Beförderungs-, Funktions- und Lei-
tungsämter im Schulbereich sowie auf die Besoldung
der Fachleitungen prüfen. Dies ist auch im Vorblatt zum
Gesetzentwurf festgehalten worden.« In der Tat findet
sich dort eine ähnliche Formulierung: »Die Landesregie-
rung wird in der Folge mögliche Auswirkungen der Neu-
bewertung der Einstiegsämter der Lehrerinnen und Leh-
rer auf die Beförderungs-, Funktions- und Leitungsämter
im Schulbereich sowie auf die Besoldung der Fachlei-
tungen prüfen.« Ich gehe davon aus, dass es auch
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5/2023 ·
lehrer nrw
UNTER DER LUPE
von SVEN CHRISTOFFER
Volle Kraft voraus:
lehrer nrw
streitet weiter beharrlich
für bessere Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz Schule.
Foto: Erwin Wodicka/wodicka@aon.at
lehrer nrw ·
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UNTER DER LUPE
bei der Behebung dieser Schieflage – ähnlich wie bei
der Eingangsbesoldung – einer gewissen Hartnäckigkeit
bedarf. Aber das kennen wir ja schon.
Lehrergesundheit im Fokus
Verbinden Sie mit dem ‘Arbeitsplatz Schule’ die Begriffe
‘Wertschätzung’, ‘Fürsorge’, ‘Vereinbarkeit von Familie
und Beruf’ sowie ‘zeitgemäße Ausstattung’? Ich auch
nicht. Und das ist der Punkt: Der Lehrerberuf wird erst
dann an Attraktivität gewinnen, wenn diese fünf Begrif-
fe wieder ‘matchen’.
Wertschätzung: Zurzeit fehlt es zwar nicht an Sonn-
tagsreden von Politikern, die die Arbeit der Lehrerinnen
und Lehrer sowie des pädagogischen Personals in den
Himmel loben. Wenn denselben Politikern dann aber als
einzige Antwort auf den Lehrkräftemangel die Belastungs-
steigerung des Bestandspersonals einfällt, dann ist das
kontraproduktiv. Die Generation Z beobachtet diese Ent-
wicklung sicherlich sorgfältig, die Folgewirkungen sind
klar. Politik muss lernen, ähnlich wie die Privatwirtschaft,
mit Anreizen zu arbeiten – und nicht mit ‘Druckerlassen’.
Fürsorge: Die Zahl der Überlastungsanzeigen ist in
den vergangenen Jahren zumindest gefühlt – drastisch
angestiegen. Die Begleitung und Unterstützung dieser
Anzeigen sind zu einem bedeutendem Arbeitsfeld in den
Personalräten geworden. Ein fürsorglicher Dienstherr
müsste sich also ernsthaft die Frage stellen, warum das
so ist und mit welchen Instrumenten man gegensteuern
müsste – damit die Beschäftigten gar nicht erst in die
Situation der systemischen Überlastung geraten.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Auch hier
spielt das Thema Anreize schaffen’ für mich eine große
Rolle: Eigentlich müsste das Ministerium den Kollegin-
nen über attraktive Angebote eine frühzeitige Rückkehr
aus der Elternzeit schmackhaft machen, um dem Lehr-
kräftemangel entgegenzuwirken. Stattdessen wird mit
ministeriellem Druck gearbeitet – sowohl bei der Anhe-
bung des Einsatzradius bei der Rückkehr aus der Beur-
laubung als auch bei der Beschränkung der vorausset-
zungslosen Teilzeit.
Zeitgemäße Ausstattung: Der Begriff umfasst für
mich sowohl die Ausstattung im Klassenzimmer als
auch im Lehrerzimmer. Wer möchte, dass Lehrkräfte und
pädagogisches Personal am Arbeitsplatz konzentriert,
effektiv und ungestört arbeiten, muss entsprechende
Rahmenbedingungen schaffen. Sie wären sowohl der
Unterrichtsqualität als auch der Lehrergesundheit för-
derlich.
Haltung braucht Rückendeckung
Das beste Mittel zur Gewaltprävention ist Beziehungsar-
beit. Da im Moment (und auf absehbare Zeit) aber nicht
genügend Personal an den Schulen vorhanden ist, um
vor Ort intensive Beziehungsarbeit zu leisten, darf es
nicht Wunder nehmen, dass Schule ein Ort ist, an dem
regelmäßig Gewalt verübt wird – auch gegen Beschäf-
tigte.
lehrer nrw
steht hier für eine Null-Toleranz-Politik.
Ein Angriff auf Einzelne muss immer auch als ein Angriff
auf die gesamte Schulgemeinde begriffen und sanktio-
niert werden. Eine solche Haltung braucht aber eine
konsequente Rückendeckung durch den Dienstherrn –
und sowohl juristische als auch seelsorgerische Beglei-
tung im Fall der Fälle. Dem
lehrer nrw
geführten HPR
Realschule ist in diesem Zusammenhang vor den Som-
merferien ein Achtungserfolg gelungen. Ich verweise auf
den Artikel von Sarah Wanders in dieser Ausgabe unse-
rer Zeitschrift (Seite 6).
Die Themen liegen also auf dem Tisch. Sie sind zu
wichtig, um sie nur halbherzig anzugehen. Deshalb gilt
auch in diesem Schuljahr wieder für unseren Verband:
Volle Kraft voraus!
Sven Christoffer ist Vorsitzender des
lehrer nrw
sowie Vorsitzender des HPR Realschulen
E-Mail: christoffer@lehrernrw.de
ERFOLG DURCH BEHARRLICHKEIT
Erste Erfolge des beharrlichen Einsatzes von
lehrer nrw
für
bessere Arbeitsbedingungen an den Schulen sind bereits zu
verzeichnen. Wie Schulministerin Dorothee Feller in ihrer Pres-
sekonferenz zum Schuljahresauftakt am 4. August mitteilte,
kann ab dem neuen Schuljahr in den Klassen 7 und 8 auf je-
weils eine Klassenarbeit in den Fächern Mathematik, Deutsch
und Englisch verzichtet werden. Aus Sicht von
lehrer nrw
bringt das angesichts des hohen Korrekturaufwands eine sinn-
volle und vertretbare Entlastung. Auch Fellers Ankündigung,
neue Prüfungsformate zu erarbeiten, ist ein Schritt in die rich-
tige Richtung und trägt aktuellen Entwicklungen etwa im Hin-
blick auf Digitalisierung und künstliche Intelligenz Rechnung.
Sowohl eine Reduzierung der Zahl der Klassenarbeiten als
auch das Erwägen neuer Prüfungsformate hatte der
lehrer
nrw
-Vorsitzende Sven Christoffer bereits in einer Expertenan-
hörung im Schulausschuss des Landtags am 7. März 2023 ge-
fordert.
Dass die Ministerin zudem die Einrichtung einer Arbeitsgrup-
pe ankündigte, die Vorschläge zur Unterstützung von Schullei-
tungen entwerfen soll, ist ebenfalls positiv zu bewerten. Das
lehrer nrw
-Mitglied Olaf Korte, selbst Schulleiter, wird dieser
Arbeitsgruppe angehören.
lehrer nrw ·
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BRENNPUNKT
Gewalt gegen
Beschäftigte
an Schulen
Der beharrliche Einsatz unseres Verbandes
sowie der Personalräte zeigt Wirkung
N
Natürlich wünschen sich alle Aktiven
in Verbänden und Personalräten,
dass ihr Einsatz schnell zu dem ge-
wünschten Ziel führt und Ministerium und
Bezirksregierungen die berechtigten Anlie-
gen hören, anerkennen und zeitnah Lösun-
gen anbieten. Dass Wunsch und Wirklich-
keit in dieser Hinsicht teilweise weit aus-
einander liegen, haben wir unter anderem
bei der Angleichung der Besoldung ge-
merkt: Nur mit Beharrlichkeit und viel
Einsatz kommt man ans Ziel. So verhält
es sich auch mit unserem Einsatz gegen
Gewalt gegen Beschäftigte an Schulen.
Prävention statt Kuration
Dieser Leitspruch sollte auch in Bezug
auf Gewalt an Schulen gelten. Mit dem
16. Schulrechtsänderungsgesetz wurde
§ 42 Abs. 6 wie folgt geändert: »Die Sorge
für das Wohl der Schülerinnen und Schüler
erfordert es, jedem Anschein von Vernach-
lässigung oder Misshandlung nachzuge-
hen. Die Schule entscheidet rechtzeitig
über die Einbeziehung des Jugendamtes
oder anderer Stellen. Jede Schule erstellt
ein Schutzkonzept gegen Gewalt und sexu-
ellen Missbrauch. Es bedarf der Zustim-
mung der Schulkonferenz.« Natürlich wer-
den bei diesem Konzept Lehrerinnen und
Lehrer nicht exkludiert, aber wir können
uns auch nicht der Hoffnung hingeben,
dass umfangreiche Prävention in Zukunft
Gewalt gegen Beschäftigte an Schulen ver-
hindern kann. Und genau für den Fall, näm-
lich dass es zu einer Gewalterfahrung im
Rahmen der beruflichen Tätigkeit an Schule
gekommen ist, brauchen wir ebenfalls Kon-
zepte, Unterstützung und absolute Rücken-
deckung durch den Dienstherrn für die Be-
troffenen.
Einsatz zeigt Wirkung
In der Ausgabe
lehrer nrw
1/2023
berichtete
ich bereits über positive Entwicklungen in
der Bezirksregierung Düsseldorf. Hier gab
es endlich einen konkreten Ansprechpartner,
den Hauptdezernenten des Dezernates 47,
ein Plakat des Bezirkspersonalrats Realschu-
le mit einem Leitfaden ‘Vorgehensweise bei
Straftaten im dienstlichen Zusammenhang’
und eine Handreichung.
Leider waren die Bemühungen des
lehrer
nrw
-geführten Hauptpersonalrats Realschu-
le und der Bezirkspersonalräte nicht in allen
Bezirksregierungen gleichermaßen erfolg-
reich. Dies nahm der HPR Realschule zum
Anlass, in seiner Gemeinschaftlichen Be-
sprechung mit Schulministerin Dorothee Fel-
ler dieses Thema ganz oben auf die Tages-
ordnung zu setzen. Neben konkreten An-
sprechpersonen bei Gewalterfahrungen im
Dienst forderte der HPR Realschule auch die
Ausbildung und Etablierung von Sozialen
Ansprechpartnerinnen und Ansprechpart-
nern (kurz SAPs) in allen Bezirksregierun-
gen. Bisher gibt es dieses Angebot lediglich
in den Bezirken Arnsberg und Detmold.
Denn Betroffene brauchen zum einen An-
sprechpartner mit juristischer Expertise, zum
anderen aber auch mentale Unterstützung.
Und siehe da, noch vor den Sommerferien
meldeten auch die übrigen Bezirkspersonal-
räte im Bereich Realschule dem HPR, dass
es nun Ansprechpersonen gebe
(siehe Tabel-
le auf Seite 7).
Darüber hinaus wurde eine weitere For-
derung des HPR Realschule aus der Gemein-
schaftlichen Besprechung am 27. März 2023
erfüllt. Die frühere ‘AG Gewalt’ mit Vertrete-
rinnen und Vertretern des nordrhein-westfä-
von SARAH WANDERS
Grenzen
setzen:
Bei Gewalt
gegen
Lehrkräfte
braucht es
umfassenden
Schutz für Betrof-
fene und eine ent-
schlossene Reak-
tion seitens der
Schulgemein-
schaft.
Foto: AdobeStock/archiwiz
BRENNPUNKT
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lehrer nrw
lischen Schulministeriums (MSB) sowie der
Hauptpersonalräte wurde unter neuem
Namen wieder aufgenommen. Bereits am
25. Mai 2023 gab es ein erstes Treffen, an
dem auch Vertreter des schulpsychologi-
schen Dienstes und der Unfallkasse teilnah-
men. Im Rahmen dieser Veranstaltung wur-
de auch der neue Notfallordner themati-
siert, der eine Vielzahl von Hinweisen im
Umgang mit Gewalterfahrungen enthält.
Jedem, der allerdings schon einmal von
Gewalt oder Bedrohung in der Schule be-
troffen war, ist jedoch klar, dass in einer
solchen Situation nicht zunächst Dokumen-
te gewälzt werden können. Schnelle und
unbürokratische Hilfe ist das, was die Be-
troffenen benötigen.
Am Ball bleiben!
Ziel von
lehrer nrw
und allen weiteren Per-
sonalräten, sei es auf Bezirksebene oder
beim MSB, ist es, den begonnenen Weg nun
zielstrebig fortzusetzen, SAPs in allen Be-
zirksregierungen zu installieren und die für
Realschulen bereits erreichten Strukturen in
den Bezirken auf alle Schulformen im Land
zu übertragen.
Deshalb fordern wir:
eine kontinuierliche Weiterarbeit der
AG Gewalt’ mit Vertreterinnen und
Vertretern der Hauptpersonalräte sowie
des MSB
konkrete Ansprechpartnerinnen und
Ansprechpartner mit juristischer
Expertise für alle Schulformen in allen
Bezirksregierungen
SAPs in allen Bezirksregierungen
Es darf nicht sein, dass die Rückendeckung
und Unterstützung nach erfahrener Gewalt
im Dienst davon abhängt, in welchem
Bezirk und an welcher Schulform eine
Lehrkraft arbeitet!
Sarah Wanders ist stellv. Vorsitzende
des
lehrer nrw
E-Mail: wanders@lehrernrw.de
Ansprechpartner/-innen bei den Bezirksregierungen
Bezirk Ansprechpartner/-in E-Mail Telefon
Arnsberg RD Hans-Bernd
Besa-von Werden
Hans-bernd.v-werden@bra.nrw.de 02931 82-3134
Detmold RR Max Möllering Max.Moellering@bezreg-detmold.nrw.de 05231 71-4750
Düsseldorf LRD Marco Hübl Dezernat47@brd.nrw.de 0211 475-4700
Köln RSR‘in Ilga Stolte Ilga.Stolte@bezreg-koeln.nrw.de 0221 147-2644
Münster RD‘in Angelika Dopp Angelika.dopp@brms.nrw.de 0251 411-1464
lehrer nrw ·
5/2023
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JUNGE LEHRER NRW
Marcel Werner ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft
junge
lehrer nrw
E-Mail: werner@lehrernrw.de
von MARCEL WERNER
»Lehren und Lernen
in der digitalen Welt«
Hervorragendes Angebot oder Tropfen auf den heißen Stein?
D
Das NRW-Schulministerium hat
eine eigene Website zum Thema
‘Lehren und Lernen in der digitalen
Welt’ gestartet. Das Internet-Portal
(www.lernen-digital.nrw.de) stellt alle
landesbezogenen Arbeitshilfen und Unter-
stützungsstrukturen für eine digitalisie-
rungsbezogene Schul- und Unterrichtsent-
wicklung gebündelt zur Verfügung.
Geboten wird dem Lehrenden eine große
Bandbreite an Information, Software und
auch die ein oder andere Idee für den Un-
terricht. Viele gute Ideen werden präsen-
tiert, so findet der Besucher schnell gute
Impulse zur Umsetzung eines digitalen
Leitbildes. Weiterhin gibt es auch eine gro-
ße Vielfalt an nützlicher Software, welche
die Kollegen und Kolleginnen größtenteils
kostenfrei nutzen können. So können die
Schüler und Schülerinnen durch einen frei-
en Zugang über die Bildungsmediathek
NRW die Brockhaus Enzyklopädie nutzen.
Durch die unterschiedlichen Spracheinstel-
lungen ist sie ebenfalls für Schüler und
Schülerinnen mit niedrigem Sprachniveau
nutzbar. Auch Themen, die nicht den klassi-
schen Unterricht betreffen, werden schnell
gefunden, so zum Beispiel das Einführen
von Medienscouts.
Viele Möglichkeiten,
viele offene Fragen
Die neue Homepage www.lernen-
digital.nrw.de hilft den Kollegen und Kolle-
ginnen, schnell einen Überblick über die
Vielzahl der Möglichkeiten (von der persön-
lichen Weiterbildung bis hin zur Unterrichts-
vorbereitung) in der Schule zu bekommen.
Fraglich bleibt nur, ob diese Bündelung nun
die Digitalisierung an den Schulen voran-
treibt. Viele Kollegen und Kolleginnen, die
anfangs sehr motiviert waren, sind inzwi-
schen nur noch frustriert. Uns allen ist be-
wusst, dass Digitalisierung allein nicht gu-
ten Unterricht ausmacht, gleichwohl sie ihn
aufpeppt und neue Wege des Unterrichtens
schaffen kann. In unserer digitalen Welt ist
es zwingend notwendig, dass wir unseren
Unterricht daran anpassen.
Während der Corona-Pandemie dachten
viele Lehrkräfte, dass sich jetzt etwas tut in
Sachen Digitalisierung an Schulen. Es wur-
den zusätzliche Fortbildungstage geschaf-
fen, die die Lehrkräfte motivierten, ihren
Unterricht zu digitalisieren. Tolle Features
wurden gezeigt, die die Schülerinnen und
Schüler motivieren und den Lehr-Lernpro-
zess unterstützen könnten. Leider kam das
böse Erwachen meistens am nächsten Tag,
denn in der Schule gab es gar nicht die
nötige Hardware, die zur Umsetzung des
Gelernten benötigt wird. Hinzu kommt
die fehlende Bandbreite der Internet-
Anschlüsse in den meisten Schulgebäu-
den.
Ferrari auf dem Feldweg
Selbstverständlich finden viele Kollegen
und Kolleginnen Möglichkeiten, die vor-
handenen Probleme improvisierend zu um-
gehen, doch muss das sein? Sollte es im
Land der Dichter und Denker nicht möglich
sein, dass seine Lehrerinnen und Lehrer
optimal ausgestattet sind? Letztlich zeigt
einem die durchaus übersichtliche Seite
des Landes eine Vielzahl von Ideen in den
unterschiedlichsten Bereichen von Schule,
doch löst sie nicht das Problem der fehlen-
den Investitionen in den Schulen. Ein Fer-
rari kann auf einem holprigen Feldweg
letztlich keine 180 km/h fahren. Daher soll-
ten Landesregierung und Kommunen Wege
finden, alle Schulen mit einer vernünftigen
Infrastruktur auszustatten.
Foto: AdobeStock/Blue Planet Studio
Die Digitalisierung bietet eine Fülle von Möglichkeiten,
die die neue Website des NRW-Schulministeriums gut zusammenfast. Doch in der prak-
tischen Umsetzung scheitert vieles an der mangelhaften technischen Infrastruktur.
lehrer nrw ·
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PERSONALRÄTE
Bezirkspersonalrat Detmold für Realschulen
Im Paradies brodelt es
Astrid Pradella, BPR-Mitglied
PERSONALRATSWAHLEN 2024
Im kommenden Jahr finden wieder die Personalratswahlen statt.
Zur Einstimmung auf diese wichtige Wahl berichtet
lehrer nrw
in
einer kleinen Serie über die Arbeit der Personalräte auf Bezirks- und
Landesebene, in denen
lehrer nrw
vertreten ist. Diesmal sind die
beiden Spitzenkandidatinnen der Detmolder Bezirkspersonal-
räte für Realschulen sowie für Gesamt- und Sekundarschulen
an der Reihe.
S
Seit rund zehn Jahren bin ich im Be-
zirkspersonalrat Detmold für die Schul-
form Realschule tätig. Im Laufe dieser
Zeit hat sich vieles verändert. Wir tagen
mittlerweile wöchentlich und ganztägig,
um den Ansprüchen gerecht zu werden und
träumen von vergangenen paradiesischen
Zuständen in unserem Bezirk.
Unsere Tagesordnungen spiegeln die
Überforderung und Überlastung der Kolle-
ginnen und Kollegen wider. Es gibt immer
mehr BEM-Gespräche und amtsärztliche
Untersuchungen, in denen die Dienstfähig-
keit überprüft werden soll.
Die Einstellung der MPT-Kräfte bedeutet
für uns eine neue große Herausforderung. Wir
wollen uns nicht grundsätzlich mit der Stufe 1
zufriedengeben und kämpfen besonders um
die Anerkennung von förderlichen Zeiten bzw.
der bisherigen Berufserfahrung. Hier konnten
wir schon einige Erfolge erzielen.
Da die Stellenbesetzung im Bezirk Det-
mold besser ist als in den anderen Bezirken
von NRW, gibt es Probleme mit den Entfris-
tungen der tariflich beschäftigten Vertre-
tungslehrkräfte. Dies ist eine neue Heraus-
forderung, der wir uns stellen müssen. Unser
Augenmerk liegt besonders auf der Unter-
richtsversorgung der Mangelfächer und auf
den Realschulen in den Randbezirken. Mitt-
lerweile laufen auch im Bezirk Detmold im-
mer mehr Stellen leer.
Zudem läuft die Nachbesetzung der
Schulleitungsstellen sehr schleppend. So
werden einige Schulen über längere Zeiträu-
me kommissarisch geleitet, weil Bewer-
bungsverfahren eine viel zu lange Zeit in
Anspruch nehmen. Wir setzen uns dafür ein,
dass Stellenzulagen eingefordert und die
Besetzungsverfahren schneller durchgeführt
werden.
Gewalt gegen Lehrkräfte im verschie-
densten Ausmaß ist ebenfalls ein Thema,
das uns zunehmend beschäftigt. Viel zu lan-
ge hat es gedauert, bis auch endlich die Be-
zirksregierung Detmold Ansprechpartner für
die betroffenen Lehrkräfte benennen konnte
/ wollte. Die vermehrten Fälle von Suspen-
dierungen von Kolleginnen und Kollegen
bedürfen einer besonderen Unterstützung,
da das alltägliche Schulleben oftmals mit
den juristischen Sichtweisen kollidiert. Hier
braucht es viel Fingerspitzengefühl, um die
Situation richtig einzuschätzen und eine
dringend notwendige Unterstützung der
jeweiligen Kolleginnen und Kollegen, damit
sie möglichst unbeschadet ihren Dienst wie-
der antreten können.
In regelmäßigen Sprechstunden an den
Schulen versuchen wir, ‘erste Hilfe’ zu leis-
ten und den Kolleginnen und Kollegen zu
zeigen, dass wir für sie da sind und uns be-
mühen, ihre Probleme zu lösen. Diese Nähe
zur Basis ist es, was gute Personalratsarbeit
ausmacht. Astrid Pradella
PERSONALRÄTE
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lehrer nrw
Bezirkspersonalrat Detmold für Gesamt- und Sekundarschulen
An Ihrer Seite!
Gisela Goldstein, BPR-Mitglied
M
Min Name ist Gisela Goldstein. Seit
über dreißig Jahren bin ich Lehre-
rin, seit 2017 an der Gesamtschu-
le Büren. Seit 2020 bin ich als
lehrer nrw
-
Mitglied im Bezirkspersonalrat Detmold.
Die 21 Mitglieder dieses Personalrats be-
treuen zusammen die verbeamteten und ta-
rifbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrer, die
Schulleitungen und alle weiteren pädago-
gisch Beschäftigten an 63 Schulen. In wö-
chentlichen Sitzungen bestimmen wir zum
Beispiel mit bei der Einstellung, Abordnung
und Versetzung von Lehrkräften, erörtern
Einzelfälle mit Vertretern der Dienststelle
und beschäftigen uns mit Fragen und Pro-
blemen, die von den Kolleginnen und Kolle-
gen an uns gerichtet werden. Aktiv beteili-
gen sich Mitglieder des Personalrats an den
Arbeitskreisen Arbeits- und Gesundheits-
schutz, Gleichstellung und Inklusion. Es
besteht ein enger Kontakt zur Dienststelle
sowie zum Hauptpersonalrat in Düsseldorf.
In jährlich stattfindenden Personalver-
sammlungen und Teil-Personalversammlun-
gen zum Beispiel für Lehrerratsmitglieder
oder MPT-Kräfte gehen wir in einen in-
tensiven Erfahrungsaustausch mit
den Kolleginnen und Kolle-
gen. Wir stellen gera-
de auch dort fest, wie belastend die schuli-
sche Realität ist. Neben telefonischer Bera-
tung oder Unterstützung per Mail stehen
wir dem Kollegium der einzelnen Schulen
regelmäßig für persönliche (Einzel-)Gesprä-
che vor Ort zum Beispiel bei Fragen zu Ver-
setzungsverfahren, Erstellung und Umset-
zung von Teilzeit- oder Vertretungskon-
zepten, Elternzeit, vorzeitiger
Zurruhesetzung oder
bei Differenzen mit der Schulleitung zur Ver-
fügung.
Schule ist ein Spiegelbild der Gesellschaft.
Das Maß verbaler und physischer Gewalt
gegenüber Lehrkräften ist erschreckend. Im-
mer häufiger berichten Kolleginnen und Kol-
legen von Gewalterfahrungen seitens der
Schülerschaft, mitunter sogar auch seitens
der Erziehungsberechtigten. Es herrscht oft
Unsicherheit im Umgang mit den Täterinnen
und Tätern. Gewalt stellt immer auch eine
enorme psychische Belastung für die Betrof-
fenen dar. Die Mitglieder des Personalrats
bieten auf die individuellen Fälle zuge-
schnittene Unterstützung und Handlungsop-
tionen an. Rückendeckung für die Kollegin-
nen und Kollegen ist dringend notwendig!
Zwei weitere Schwerpunktthemen, die
immer wieder zur Sprache kommen, sind die
mangelnde Wertschätzung der kräftezehren-
den Arbeit der Lehrkräfte sowie die sich ver-
schlechternde Lehrergesundheit. Innerhalb
vieler Kollegien gibt es einen hohen Kran-
kenstand; die Zahl der BEM-Angebote
nimmt extrem zu. In Zeiten von Lehrkräfte-
mangel sind dies Bereiche, in denen gegen-
wärtig dringender Handlungsbedarf besteht.
Als Mitglied des Personalrats möchte ich
auch in Zukunft an Ihrer Seite stehen.
Gisela Goldstein
lehrer nrw ·
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TITEL
Estland, Finnland, Singapur, Japan:
Unterricht bei den
PISA-Spitzenreitern
Bildungsreise: Was machen andere Länder in Sachen
Lehrerausbildung und Unterrichtsgestaltung anders oder
sogar besser? Um das herauszufinden, war Alexander Brand
in Estland, Finnland, Japan und Singapur unterwegs.
Ein Blick in die Bildungssysteme anderer Länder kann berei-
chernd sein. Alexander Brand hat sich deshalb nach seinem
Lehramtsstudium fünf Monate in Estland, Finnland, Japan
und Singapur aufgehalten, um die Schulsysteme der PISA-
Siegerländer zu erkunden. Ein Gespräch über die Suche nach
dem größtmöglichen gemeinsamen Nenner.
?
Wenn es in Deutschland um not-
wendige Veränderungen im
Schulsystem geht, wird häufig nach
Finnland geblickt, wo Schülerinnen
und Schüler bei internationalen
PISA-Vergleichstests meist sehr gut
abschneiden. Sie haben nicht nur
Schulen in Finnland besucht, son-
dern zusätzlich auch noch ein Se-
mester in Finnland studiert. Was hat
Sie dort besonders beeindruckt?
BRAND: In Finnland absolvieren Lehr-
amtsstudierende kein Referendariat, son-
dern es gibt während des fünf Jahre dau-
ernden Studiums Praxisphasen von an-
fangs wenigen Wochen bis hin zu mehre-
ren Monaten. In dieser Zeit unterrichten
die Studierenden an einer von elf so ge-
nannten Übungsschulen im Land, die je-
weils einer Universität zugeordnet sind. Sie
übernehmen einen Großteil des normalen
Unterrichts und werden von erfahrenen
Lehrkräften eng betreut. Diese unterrich-
ten selbst nur circa fünf Stunden die Wo-
che und sind neben der Lehrerausbildung
auch verpflichtet, zur Bildungsforschung
beizutragen. Sie kennen sich dadurch mit
dem aktuellen Forschungsstand aus und
behandeln selbst wissenschaftliche Fragen,
die sich aus der pädagogischen Praxis er-
geben, was wiederum Auswirkungen auf
den Unterricht haben kann. Das zahlt sich
sowohl für die Studierenden als auch für
Lehrkräfte von anderen Schulen aus, die
sich an den Übungsschulen fortbilden. In
Finnland gilt es als selbstverständlich, dass
Lehrerinnen und Lehrer in den Methoden
der Bildungsforschung ausgebildet sind
und aktuelle wissenschaftliche Erkenntnis-
se berücksichtigen.
Bedeutend ist außerdem die Betonung
der Teamarbeit. Beim Auswahlverfahren
für einen Studienplatz fürs Lehramt muss
man nach einer schriftlichen Prüfung in
einer zweiten Phase unter Beweis stellen,
wie man sich bei einem Gruppeninterview
einbringt und mit anderen diskutiert. Im
Studium verlangen die allermeisten Kurse
in irgendeiner Form Teamarbeit, Praxis-
phasen werden zum Teil im Tandem absol-
viert.
?
Teamarbeit spielt nach Ihren
Beobachtungen auch im japani-
schen Schulsystem eine große Rolle.
BRAND: Das stimmt. In Japan ist die Les-
son Study als Methode der Unterrichtsre-
flexion weit verbreitet. Um es vereinfacht
auszudrücken: Eine Lehrkraft unterrichtet,
TITEL
und zwanzig Kolleginnen und Kollegen
schauen zu. Für uns ist das wahrscheinlich
ein kultureller Schock, denn wir verbinden
aus dem Referendariat mit solchen Situa-
tionen Prüfungsstress und sind froh, wenn
die Zeit der Unterrichtsbesuche vorbei ist.
Japanische Lehrkräfte bereiten dagegen im
Team zu einer bestimmten Fragestellung
eine Unterrichtsstunde vor, die dann von
einem Mitglied des Teams gehalten und
von den anderen aufmerksam verfolgt
wird.
Foto: AdobeStock/vegefox.com
lehrer nrw ·
5/2023
14
TITEL
Dabei liegt das Augenmerk der Lehrkräf-
te auf der gezielten Beobachtung der
Schülerinnen und Schüler, um besser zu
verstehen, wie deren Lernprozesse im Un-
terricht aussehen. Im Anschluss an die
Stunde wird diese gemeinsam ausgewer-
tet. Es wird viel über die Beobachtungen
diskutiert und die Erkenntnisse werden do-
kumentiert mit dem Ziel, den Unterricht zu
verbessern. Es gibt solche Lesson Study-
Stunden intern für das Kollegium einer
Schule als auch für Lehrkräfte, die von
anderen Schulen kommen, um an einer
öffentlichen Lesson Study teilzunehmen.
Sie sind zentrales Element der Fortbildun-
gen und werden viel genutzt.
?
Auch in Singapur haben Sie eine
starke Zusammenarbeit von
Lehrkräften sowie umfassende Fort-
bildungsmöglichkeiten festgestellt.
Wie sehen die konkret aus?
BRAND: In Singapur nehmen alle Lehr-
kräfte während ihrer Arbeitszeit an wö-
chentlichen professionellen Lerngemein-
schaften teil. Manchmal sind sie nach Fä-
chern, manchmal nach Klassenstufen orga-
nisiert. In Teams arbeiten sie zum Beispiel
an einer didaktischen Idee und deren Um-
setzung im Unterricht. Ich war beim 90-mi-
nütigen Treffen von sechs Mathematiklehr-
kräften aus der 9. Klasse dabei, die an ei-
ner Projekteinheit zum Thema exponentiel-
les Wachstum arbeiteten, wofür Schülerin-
nen und Schüler beobachten sollten, wie
sich Schimmel über mehrere Wochen auf
Toastbrot ausbreitet. Dazu sollten sie eine
Funktion finden, die das Wachstum am
besten beschreibt. Kontrovers diskutiert
wurde, wie die Arbeitsaufträge genau for-
muliert werden sollten. Ich war von der
hohen Qualität der didaktischen Diskussi-
on überrascht.
Die Bedeutung der Fortbildung wird da-
durch unterstrichen, dass Lehrkräfte An-
spruch auf einhundert Stunden Weiterbil-
dung pro Jahr als bezahlte Arbeitszeit ha-
ben und es viele Gelegenheiten zur kolle-
gialen Hospitation gibt. Ermöglicht wird
dies dadurch, dass die Unterrichtsverpflich-
tung im Vergleich zu Deutschland um etwa
ein Drittel geringer ist. Lehrkräfte, die eine
so genannte didaktische Laufbahn (engl.
‘teaching track’) eingeschlagen haben,
sind an den Schulen Ansprechpartner für
Weiterbildungen und öffnen ihre Klassen-
zimmertüren für andere, um neue Lehrme-
thoden zu demonstrieren. Alle angehenden
Schulleiterinnen und Schulleiter sind ver-
pflichtet, das Bildungssystem eines ande-
ren Landes zu besuchen.
?
Singapur ist im Vergleich mit
Estland ein sehr reiches Land.
Hat das Auswirkungen auf die Ar-
beitsbedingungen von estnischen
Lehrkräften?
BRAND: In Estland haben Lehrkräfte nur
Anspruch auf den normalen Urlaub, Wei-
terbildungen finden in der unterrichtsfrei-
en Zeit in den Ferien statt. Außerdem ist
die Bezahlung so schlecht, dass viele Lehr-
kräfte mit einer vollen Stelle nicht auskom-
men und zusätzlich Unterricht erteilen. Ge-
rade ältere Lehrerinnen und Lehrer haben
ein hohes Arbeitsethos – sie fühlen sich oft
verpflichtet, am Nachmittag in der Schule
denjenigen Kindern und Jugendlichen zu
helfen, die nicht gut im Unterricht mitkom-
men. Auffällig ist, dass die in Estland ver-
breitete Digitalisierung im Unterricht auch
für ältere Lehrkräfte kein Problem ist – sie
wurden umfassend fortgebildet.
?
Sie haben gerade Ihr Referenda-
riat erfolgreich beendet und
werden nun an einer Stadtteilschule
in Hamburg Mathematik und Physik
unterrichten. Gibt es Dinge, die Sie
auf Ihrer Bildungsreise kennenge-
lernt haben und die Sie künftig an
Ihrer Schule anwenden werden?
BRAND: Ich habe häufig beobachtet, dass
Lehrkräfte im Ausland Methoden einge-
setzt haben, die den Lernstand aller Schü-
lerinnen und Schüler auf einmal sichtbar
gemacht haben – und dann ihren Unter-
richt entsprechend angepasst haben. Die-
ser Ansatz wird in der Bildungsforschung
als formatives Assessment bezeichnet. Di-
gitale Medien sind dabei oft sehr hilfreich!
Interview: Joachim Göres für den Klett-Themendienst
KOMPAKT
Alexander Brand hat sich Schulen bei
den PISA-Siegern Estland, Finnland, Ja-
pan und Singapur angeschaut und beim
Gespräch mit Lehrkräften festgestellt,
dass es eine große Bereitschaft zur
Teamarbeit und Reflexion über den eige-
nen Unterricht gibt. Dabei steht die Fra-
ge im Mittelpunkt, was im Interesse der
Schülerinnen und Schüler verändert wer-
den kann. Eine Rolle spielt dabei zum
Beispiel in Japan die genaue Beobach-
tung der Kinder und Jugendlichen durch
Kolleginnen und Kollegen, um besser zu
verstehen, wie die Lernprozesse ablau-
fen.
ZUR PERSON
Alexander Brand nutzte sein Lehramts-
studium, um möglichst oft über den Tel-
lerrand zu blicken: Er absolvierte zwei
Auslandssemester und mehrere Praktika
im In- und Ausland und begab sich an-
schließend auf eine Reise zu den Bil-
dungsweltmeistern, über die er in sei-
nem Blog https://alexanderbrand.de
berichtete. Heute unterrichtet er Mathe-
matik und Physik an einem Hamburger
Gymnasium.
Foto: privat
‘Präsenz & Stim-
me’ lebt von der
reichhaltigen Erfah-
rung der Autorin im
Bereich mentale und
stimmliche Gesund-
heit von Lehrkräften
(www.happy-
teachers.de). Gabi
Schmidt ist ausgebil-
dete Gymnasialleh-
rerin für Mathema-
tik und Biologie.
Statt in die Schule, zog es sie Mitte der
90er Jahre zunächst auf die Bühne. Nach
SCHULE & POLITIK
19
5/2023 ·
lehrer nrw
Innere Stärke im Lehrerberuf
In Kooperation mit dem Helbling Verlag lädt
lehrer nrw
zu einer Lesung
und einem Miniworkshop zur Buchneuerscheinung ‘Präsenz & Stimme –
Für mehr innere Stärke und Freude im Lehrberuf’ ein.
INFO
LESUNG & MINI-WORKSHOP
Im Rahmen einer Lesung und eines Mini-Workshops stellt Gabi Schmidt ihr neues Buch ‘Prä-
senz & Stimme’ vor. Die Teilnehmenden können sich auf einen bunten Abend freuen: Gabi
Schmidt wird aus ihrem Buch lesen, Anekdoten erzählen, die eine oder andere kleine Übung
mit ihren Gästen machen und persönlich für Fragen zur Verfügung stehen.
Das Event findet am 21. September ab 19.30 Uhr in der Kulturkirche Ost in Köln statt
(Kopernikusstraße 31, 51065 Köln, https://kulturkirche-ost.de/). Die
Veranstaltung ist eine Kooperation von
lehrer nrw
und dem Helbling-Ver-
lag. Die Teilnahme ist kostenlos. Für eine bessere Planung bitten wir um
unverbindliche Anmeldung unter https://events.helbling.com/de/ oder
mit diesem QR-Code:
M
Mit vielen praxiserprobten Tipps, 106
Übungen und 53 unterstützenden
Audio- und Video-Dateien nimmt die Auto-
rin Gabi Schmidt ihre Leserinnen und Leser
an die Hand und begleitet sie auf einem
sehr persönlichen Übungsweg. Sie bietet
damit ein wertvolles Gegengewicht zu den
steigenden Alltagsbelastungen von Lehren-
den: Wie werde ich gelassener, klarer und
präsenter? Wie kann Präsenz meine Per-
sönlichkeit stärken? Wie kann ich meine
Stimme gesund und wirkungsvoll einset-
zen? Wie gelingt es mir, trotz Stress gut auf
mich zu achten und was kann mich dabei
stärken?
einem Gesangs- und Schauspielstudium an
der HMT Leipzig verbrachte sie zwölf Jahre
mit einer internationalen Bühnenlaufbahn
als Musicaldarstellerin. Weitere Ausbildun-
gen in Theatertherapie (DGfT), Achtsam-
keit, Heilsames Singen, EFT (Emotional
Freedom Technique) folgten. Heute arbeitet
sie schwerpunktmäßig als Referentin und
1:1-Coach für mentale und stimmliche
Gesundheit von Lehrkräften, aber auch als
Leiterin eines kleinen Musicalensembles,
Stimm- und Präsenztrainerin sowie als
Therapeutin und Coach für persönliche
Entwicklung.
Gabi Schmidt stellt am
21. September ihr neues Buch vor.
‘Präsenz & Stimme – Für
mehr innere Stärke und
Freude im Lehrberuf’
Autorin: Gabi Schmidt,
320 Seiten, Softcover,
ISBN: 978-3-86227-641-7
35,90 EUR (inkl. MwSt.,
zzgl. Versandkosten)
lehrer nrw ·
5/2023
20
SCHULE & POLITIK
Null Toleranz bei
Gewalt gegen
Lehrkräfte
Stefan Düll ist am 16. Juni zum neuen Präsidenten
des Deutschen Lehrerverbandes gewählt worden.
Im Interview beschreibt er die Themen, Schwer-
punkte und Ziele seiner Arbeit.
?
Der Lehrkräftemangel gilt land-
auf, landab als größte Heraus-
forderung im deutschen Schulsys-
tem. Was ist zu tun, damit mehr
junge Menschen den Lehrerberuf
ergreifen und gleichzeitig, damit
aktive Lehrkräfte möglichst lang im
System bleiben und eben nicht aus-
brennen und lange vor dem Ruhe-
stand aus dem System ausscheiden?
DÜLL: Es hängt miteinander zusammen,
die Lehrer im System zu halten und ande-
ren zu signalisieren: »Ihr trefft eine gute
Wahl, wenn Ihr diesen Beruf ergreift.« Da
geht es um Wertschätzung und um Entlas-
tung, zum Beispiel von Verwaltungstätig-
keiten, die uns als Lehrkräfte daran hin-
dern, das zu tun, wofür wir da sind, näm-
lich guten Unterricht zu machen. Zudem
brauchen wir unterstützendes Personal,
um flankierend pädagogisch handeln zu
können, etwa Schulsozialarbeiter, Schul-
psychologen oder auch eine Schulkranken-
schwester.
Wertschätzung heißt auch, dass die Ar-
beitsbedingungen gut sind. Dazu gehören
entsprechend ausgestattete Räumlichkei-
ten, sowohl im Klassenraum als auch im
Lehrerzimmer. Selbst an solch elementaren
Dingen fehlt es an den meisten Schulen.
?
Es braucht Zeit, neue grundstän-
dig ausgebildete Lehrkräfte ins
System zu bringen. Was hilft gegen
den akuten Mangel? Wie stehen Sie
zum Thema Seiteneinstieg?
Düll: Seiteneinsteiger müssen fundiert
nachqualifiziert werden. Ich kann einen
Seiteneinsteiger ohne jede pädagogische
und didaktische Vorbildung nicht mit vol-
lem Stundenmaß einsetzen und sagen:
»Geh da rein und mach mal.« Man darf
den Leuten nicht vorgaukeln, dass das ein
toller, gut bezahlter Job ist, den jeder
kann. Das geht nicht. Wenn überhaupt,
kann ich Seiteneinsteiger nur mit deutlich
verminderter Stundenzahl in den Unter-
richt schicken und versuchen, sie ähnlich
wie in einem Referendariat zu begleiten
und zu betreuen. Dafür brauchen wir wie-
derum Personal, das diese Aufgabe über-
nehmen kann. Lehrerin oder Lehrer zu wer-
den ist nun mal nicht einfach, weil es ein
äußerst anspruchsvoller Beruf ist, der eine
professionelle Ausbildung erfordert.
?
Corona hat gezeigt, wie sehr
es bei der Digitalisierung
hapert. Welche Lehren sind daraus
zu ziehen?
Düll: Corona hat etwas bewirkt, das von
der Politik vorher nicht gehört wurde. Die
Digitalisierung an den Schulen lief seitens
Foto: Andreas Gebert
»Eine Schule ist vom Grundsatz her ein
geschützter Bereich. Klar ist deshalb,
dass eine Null-Toleranz-Politik gefahren
werden muss. Auf Gewaltvorfälle muss
die Schulgemeinschaft angemessen
reagieren. Wir müssen signalisieren:
Das lassen wir nicht durchgehen.«
Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes
SCHULE & POLITIK
21
5/2023 ·
lehrer nrw
der Schulträger nur über den Weg, den
Schulen ein paar PCs und einen Computer-
raum zur Verfügung zu stellen. Ansonsten
wurde der gesamte Digitalisierungsprozess
im Unterricht von den Lehrkräften betrie-
ben, oft mit privaten Investitionen in Hard-
und Software. Fortbildungen gab es kaum.
Es war learning by doing, unterstützt von
Google und Tipps von Kollegen. Die Digita-
lisierung hat der Staat vollkommen ver-
säumt.
Corona hat alles vorangetrieben. Das
muss nun verstetigt werden. Das Fortbil-
dungsangebot muss ausgebaut und fort-
geführt werden – vieles geht übrigens
heute online. Der Digitalpakt 1 läuft aus,
wir brauchen nun den Digitalpakt 2. Wir
haben Hardware bekommen, aber die ist in
ein paar Jahren ausgenudelt. Also brau-
chen wir neue Hardware, und die muss
finanziert werden, und zwar nicht von uns
privat.
?
Wenn sie mal den Blick in die
Glaskugel wagen: Wie sieht die
Schule der Zukunft aus? Welche Rol-
le werden Lehrkräfte darin spielen?
Werden sie durch die Digitalisierung
womöglich zu Darreichern von KI-
generierten Wissenshäppchen de-
gradiert?
Düll: Lehrerinnen und Lehrer bleiben
extrem wichtig für den Lernprozess. Es
braucht den Menschen, der alles zusam-
menführt, es braucht den Menschen, der
mithilft, die Kompetenz zu vermitteln, zu
beurteilen, was durch eine KI geschaffen
worden ist. Es braucht den, der immer
noch mehr weiß, der das Urteilswissen,
die Urteilskompetenz und die Bewertungs-
kompetenz besitzt. Und es braucht den
Menschen, weil wir Menschen zusammen
mit anderen Menschen lernen.
?
Themenwechsel: Wir beobach-
ten eine zunehmende Verrohung
der Gesellschaft, auch in der Schule.
Verbale und körperliche Gewalt ge-
gen Lehrkräfte nimmt zu. Was ist zu
tun, damit Schule ein angstfreier
Raum bleibt bzw. wieder wird?
Düll: Eine Schule ist vom Grundsatz her
ein geschützter Bereich. Klar ist deshalb,
dass eine Null-Toleranz-Politik gefahren
werden muss an den Schulen. Auf Gewalt-
vorfälle muss die Schulgemeinschaft ange-
messen reagieren. Es gibt Dinge, die nicht
hinnehmbar sind. Und wenn es in den
strafrechtlichen Bereich geht, sollten die
Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet
werden – selbst bei Minderjährigen, die
noch nicht strafmündig sind. Wir müssen
signalisieren: Das lassen wir nicht durch-
gehen.
?
Nicht wenige Lehrerinnen und
Lehrer, die Gewalterfahrungen
machen mussten, fühlen sich von ih-
rem Dienstherrn nicht ausreichend
unterstützt.
Düll: Jede Gewalterfahrung ist für die Be-
troffenen dramatisch. Der Schutz der Kolle-
ginnen und Kollegen muss höchste Priori-
tät haben. Im konkreten Fall ist zunächst
die Schulleitung vor Ort gefordert, Maß-
nahmen zu ergreifen. Dann muss krisen-
mäßig gehandelt werden, zum Wohle der
betroffenen Lehrkraft, aber auch zum Woh-
le der gesamten Schule. Der oder die Täter
müssen den Strafverfolgungsbehörden ge-
meldet werden. Und schulintern muss mit
disziplinarischen Maßnahmen gehandelt
werden. Selbstverständlich ist Prävention
wichtig. Da sind wir dann wieder beim Ar-
beitsplatz Schule und der Ausstattung zum
Beispiel mit Schulsozialarbeitern und
Schulpsychologen und den dafür nötigen
Ressourcen.
?
Wie beurteilen Sie die Situation
in Nordrhein-Westfalen? Wo be-
steht Handlungsbedarf? Reicht der
A13 Stufenplan, um die Attraktivität
des Lehrerberufs nachhaltig zu stei-
gern? Oder braucht es mehr als
Geld?
Düll: Das Geld ist Anerkennung für die
Leistung, die die Kolleginnen und Kollegen
erbringen und erbracht haben. Man muss
aber auch sehen, dass es andere gibt, die
schon A 13 hatten, zum Beispiel in Beför-
derungsämtern. Welche Wertschätzung
zeige ich denen?
Viele, die in den Beruf gegangen sind,
haben nicht als erstes auf die Besoldungs-
tabelle geschaut. Sie möchten mit Kindern
arbeiten. Sie brennen für ihren Beruf. Des-
halb: Geld allein wird es nicht richten. Wir
müssen die Gesamtbedingungen dieses
Berufs verbessern.
?
Warum braucht es einen starken
Deutschen Lehrerverband?
Düll: Es braucht auf Bundesebene einen
Anwalt für die Belange der Lehrkräfte und
der Schülerinnen und Schüler. Und wir
brauchen auf der Bundesebene einen star-
ken Akteur, da der Bund immer mehr bereit
ist, Geld in die Bildung auf Länderebene zu
stecken und dafür auch Einfluss nehmen
will. Dabei muss und wird der Deutsche
Lehrerverband ein starker Diskussionspart-
ner und Antreiber für die Politik sein.
Und um das gleich klarzustellen: Der
Föderalismus ist der Schlüssel zum Erfolg
unseres Bildungswesens in Deutschland.
Es ist eine Art Wettbewerb der Bundeslän-
der, in dem man sich vergleicht, sich aus-
tauscht und voneinander lernt. Zudem hat
jedes Bundesland seine eigenen Traditio-
nen, Besonderheiten und Stärken. Eine
Gleichschaltung der Bildungs- und Schul-
politik durch den Bund würde nichts ver-
bessern.
Interview: Jochen Smets
ZUR PERSON
Stefan Düll ist Schulleiter und Seminar-
vorstand am Justus-von-Liebig-Gymnasi-
um Neusäß. Der 58-Jährige hat das Stu-
dium der Fächer Deutsch, Englisch und
Geschichte für das Lehramt an Gymna-
sien an der LMU München, der George-
Washington-University, Washington
D.C., und der Universität Augsburg mit
dem Staatsexamen I abgeschlossen.
Nach einem zusätzlichen Studium in
Nordischer Philologie und Germanischer
Altertumskunde und dem Referendariat
mit Staatsexamen II (1994) folgte eine
Lehrertätigkeit an verschiedenen Gym-
nasien in Oberbayern und Schwaben.
lehrer nrw ·
5/2023
22
SCHULE & POLITIK
Rezession im
Bildungssystem
Über die Folgen einer jahrzehntelang verfehlten Schulpolitik
W
Wenn die Wirtschaft nicht mehr
wächst, dann geht das Gespenst
der Rezession in Deutschland
um. Und der Aufschrei ist groß, denn es
betrifft ja jeden von uns. Wohlstandsverlus-
te nimmt niemand gern in Kauf. Und politi-
sche Wahlen sind damit schon gar nicht zu
gewinnen.
Doch wenn der Bildungsbereich zuneh-
mend Verluste verzeichnet, dann verhallt
der Aufschrei recht schnell. Es betrifft ja nur
einen Teil der Gesellschaft, der gerade in
das System in irgendeiner Form involviert
ist. Oder er wird schnell durch beschöni-
gende Äußerungen aus der Politik und den
nachgeordneten Behörden überstimmt,
weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Schließlich ist es wichtiger, die nächsten
Wahlen ohne Machtverlust zu überstehen.
Jetzt allerdings befindet sich das ganze
Land in einer Situation, in der die ‘Verluste’
empirisch belegbar sind und sich real auf
das verfügbare Bildungsangebot auswir-
ken. Die Stundentafeln in allen Schulfor-
men sind nun nicht einmal mehr auf dem
Papier zu erfüllen.
Schulen im
‘Schrumpfprozess’
Das von der Landesregierung euphemis-
tisch ‘Handlungskonzept’ genannte Pro-
gramm, das den Personalmangel durch
Versetzungen und Abordnungen über die
Schulformen hinweg gleichmäßig umvertei-
len soll, führt zu Unterrichtskürzungen in
allen Schulformen. Nur sagt das niemand
so klar, und es sagt auch niemand, an wel-
cher Stelle genau gekürzt werden soll. Auf
welche Stunden in welchen Unterrichts-
fächern verzichtet werden soll.
Schulen bzw. Schulformen, die über den
freien ‘Bewerbermarkt’ auf eine auskömmli-
che Personalausstattung kamen, müssen
nun ebenfalls in einen personellen ‘Unter-
hang’ gehen. Das heißt im Klartext: Ein gut
funktionierendes System wird nun per Erlass
zur Funktionseinschränkung und Schwä-
chung gebracht. Und damit unattraktiver für
die Elternschaft, die durch ihr Wahlverhalten
auf die Qualität der betreffenden Institution
gesetzt hatte.
Was für eine ‘grandiose‘ Idee, das zu be-
einträchtigen, was bislang gut lief. Sowohl
pädagogisch als auch ökonomisch betrach-
tet. Schließlich ist das Bildungssystem vom
Auftrag her nicht nur, aber auch ein ‘Zuliefe-
rer’ für die Wirtschaft und damit den Wohl-
stand der Gesellschaft.
von ULRICH GRÄLER
Schule als Sanierungsfall: Marode
Gebäude, mangelhafte Ausstattung, Rück-
stand bei der Digitalisierung, dramatischer
Lehrermangel – die Mängelliste ist lang.
KOMMENTAR
Kollateralschaden!
Von der Kita bis zur Berufsschule – der Fachkräftemangel schlägt an fast allen Schul-
formen durch. Was daran liegen mag, dass der Arbeitsplatz dort unattraktiv geworden
ist. Im Vergleich zu anderen Schulformen, aber auch im Vergleich zu anderen Berufs-
feldern.
Allein eine Verbesserung der Situation über eine bessere Bezahlung wird da nicht
genügen. Sie war und ist notwendig gewesen, reduziert aber nicht die psychischen
und physischen Belastungen, die mit dem Beruf einhergehen. Diese Arbeitsbedingun-
gen in den Blick zu nehmen und zu verbessern, ist das dringende Gebot der Stunde.
Wer sieht, mit welchen besonderen ‘Vergünstigungen’ andere Arbeitgeber, von der
handwerklichen Bäckerei bis zum industriellen Großbetrieb, aufwarten, der kann
nachvollziehen, dass sich bei dieser offenkundigen Wertschätzung junge Menschen
als interessierte Bewerber stärker angesprochen und menschlich wahrgenommen füh-
len. Das Gegenteil erfahren allerdings Lehrkräfte von ihrem Arbeitgeber, wenn sie in
der Ausübung ihres Berufs die gesamte Palette der gesellschaftlichen Probleme zu-
sätzlich zu ihrem Bildungsauftrag aufgebürdet bekommen und damit nicht selten al-
lein gelassen werden.
Immer mehr Aufgaben mit immer weniger Personal zu stemmen, gleicht einer Qua-
dratur des Kreises. Und das insbesondere in dem ‘sozialen Dienstleistungsbereich’ un-
serer Gesellschaft. Umkehren lässt sich dieser Prozess nur, wenn die Arbeitsbedingun-
gen massiv und so schnell wie möglich verbessert werden. Der Wettbewerb auf dem
Bewerbermarkt ist schließlich nur dann zu gewinnen, wenn der Bildungsbereich einen
Attraktivitätsvorsprung vor den anderen Berufsfeldern erlangt.
Und dies ist umso wichtiger, als das gesellschaftliche Bildungsniveau maßgeblich
mit darüber entscheidet, ob in einer Zeit zunehmender digitaler Technisierung trotz al-
ler Fortschritte und Produktivitätszuwächse durch künstliche Intelligenz der Wohl-
stand in einer global vernetzten und abhängigen Welt zu erhalten sein wird. Mit einer
zurückgehenden Ausbildungsfähigkeit wird dieser jedoch kaum sicherzustellen sein!
Ulrich Gräler
SCHULE & POLITIK
Umverteilung des
Mangels
Schon klar, dass die Landesregierung für
vergleichbare Lebensverhältnisse im gan-
zen Land verantwortlich ist und die
gleichmäßige Versorgung mit Lehrkräften
im ganzen Land von Gesetzes wegen
sicherstellen muss. Aber klar muss doch
auch sein, dass man sich deutlich mehr
Gedanken darüber machen sollte, warum
an welchen Stellen in Bildungseinrichtun-
gen Dinge gut gelaufen sind und nachge-
Ulrich Gräler ist stellv. Vorsitzender des
lehrer nrw
E-Mail: graeler@lehrernrw.de
Foto: AdobeStock/Klaus Burkhardt
fragt wurden und warum an anderen
Stellen das schulische Angebot nicht oder
weniger verfängt.
Dass aber die gut funktionierenden
Systeme die Defizite andernorts mit aus-
baden müssen, ist für die betreffenden
Schulen schwer erträglich und trägt si-
cher nicht dazu bei, das System insge-
samt auf eine bessere Grundlage zu stel-
len. Erst recht nicht, wenn man bedenkt,
dass dieser Prozess ja erst begonnen hat
und sich in den nächsten Jahren fortset-
zen wird.
Jahrzehntelanges
Politikversagen
Um auch das eindeutig herauszustellen: die
jetzige Landesregierung trägt daran den ge-
ringsten Anteil. Die Versäumnisse, die zu dieser
Situation geführt haben, sind nicht in wenigen
Jahren entstanden, sie resultieren aus einer
jahrzehntelangen verfehlten Schulpolitik. Dass
die SPD nun der Landesregierung die Bil-
dungskatastrophe (z.B. Westfälische Rund-
schau, 1.8.2023) vorhält, ist wohlfeil, da sie als
zumeist stärkste Partei die Landespolitik in al-
len relevanten Themen maßgeblich anführte.
Allerdings waren die Oppositionsparteien in
dieser Zeit konzeptionell und personell auch
nicht gerade besonders gut aufgestellt! Es wä-
re vielleicht klüger gewesen, insgesamt stärker
den Austausch mit den Verbänden zu suchen
und auf deren fachliche Expertise zu setzen.
lehrer nrw ·
5/2023
24
FORTBILDUNGEN
Teilzeit, Rente, Ruhestand
Wie die einen aus der emotionalen Teilzeitfalle heraus- und die anderen gut in den Ruhestand hinein-
kommen, ist Thema mehrerer Fortbildungen im Spätsommer und Herbst. Weitere Fortbildungs-High-
lights der kommenden Wochen finden Sie in der Tabelle rechts. Anmeldungen sind online möglich.
Raus aus der emotionalen Teilzeitfalle!
Diese Online-Seminar richtet sich an alle in Schule Tätigen,
die bereits in Teilzeit (Familie) beschäftigt sind oder dies planen.
Wichtig ist dabei, dass die Balance zwischen Familie und Schule
gelingt. Erwartungen an die eigene Elternrolle und der eigene
professionelle Anspruch kollidieren gelegentlich und führen
möglicherweise zu Belastung, Stress und Anspannung. In diesem
Seminar lädt die Referentin Tanja Schmitz-Remberg dazu ein,
erste Schritte zu entwickeln, mit der Entscheidung für Familie
UND Lehrerberuf ein zufriedenes Leben zu führen.
Als Follow up zu diesem Online-Seminar findet am 18. Okto-
ber 2023 von 12 bis 14 Uhr ein Online-Austausch mit der Refe-
rentin statt, in dem die Nachhaltigkeit des Erlernten im Alltag
überprüft werden kann.
Referentin: Tanja Schmitz-Remberg
Seminar-Nr.: 2023-0915
Ort: Online-Seminar
Termin: Freitag, 15. September 2023
Uhrzeit: 9 Uhr bis 14 Uhr
Kosten: 50 Euro
lehrer nrw
-Mitglieder,
80 Euro sonstige Teilnehmer
Anmeldung: www.lehrernrw.de/lehrernrw-de-
fortbildungen/lehrernrw-de-fortbildungsuebersicht/
Anmeldeschluss: 1. September 2023
Follow up:
Termin: Mittwoch, 18. Oktober 2023
Uhrzeit: 12 Uhr bis 14 Uhr
Rente: Wer?
Wann?
Wie (viel)?
lehrer nrw
bietet wieder
ein Seminar für ange-
stellte Lehrerinnen und
Lehrer zum Thema Rente
an. Die Referentin Ria
Weinbrenner gibt erste
Informationen zur Rente
für Angestellte. Zudem
können die Teilnehmen-
den im Anschluss per-
sönliche Beratungsge-
spräche mit der Deut-
schen Rentenversiche-
rung vereinbaren.
Referentin:
Ria Weinbrenner
Seminar-Nr.:
2023-0926
Ort: GDL Sitzungs-
raum, 1. OG, Graf-
Adolf-Straße 84,
40210 Düsseldorf
Termin: Dienstag,
26. September 2023
Uhrzeit:
15 Uhr bis 17 Uhr
Kosten: 20 Euro
lehrer nrw
-Mitglieder,
40 Euro sonstige
Teilnehmer (inkl.
Snacks und Getränken)
Anmeldung:
www.lehrernrw.de/
lehrernrw-de-fort-
bildungen/lehrer
nrw-de-fortbil-
dungsuebersicht/
Anmeldeschluss:
9. September 2023
Wege in den Ruhestand
– Beamtenversorgung
und Altersteilzeit
In diesem Seminar, das sowohl in
Düsseldorf (7. November) und Dort-
mund (14. November) angeboten
wird, informiert Horst Joosten unter
anderem über folgende Themen:
Regelaltersgrenze
Antragsruhestand ab dem 63. Le-
bensjahr und Versorgungsabschlag
Vorzeitiger Ruhestand bei
Dienstunfähigkeit und
wegen Schwerbehinderung
Teildienstfähigkeit
Jahresfreistellung im Blockmodell
und Altersteilzeit
Termin: Dienstag,
7. November 2023
Uhrzeit: 15 bis 18 Uhr
Ort: GDL Sitzungsraum, 1. OG,
Graf-Adolf-Straße 84,
40210 Düsseldorf
Seminar-Nr. 2023-1107
oder
Termin: Dienstag,
14. November 2023
Uhrzeit: 15 bis 18 Uhr
Ort: Ringhotel Drees,
Hohe Straße 107,
44139 Dortmund
Seminar-Nr. 2023-1114
Kosten: 50 Euro
lehrer nrw
-Mit-
glieder, 80 Euro sonstige Teilneh-
mer (inkl. Snacks und Getränken)
Anmeldung:
www.lehrernrw.de/lehrernrw-
de-fortbildungen/lehrernrw-
de-fortbildungsuebersicht/
Anmeldeschluss:
25. September 2023
Familie und Schule unter einen
Hut zu bekommen, kann eine
emotionale und organisatori-
sche Herausforderung sein.
Wie sie zu bewältigen ist, zeigt
das Seminar zur ‘Teilzeitfalle’.
Foto: AdobeStock/Milan Markovic
25
5/2023 ·
lehrer nrw
FORTBILDUNGEN
Seminar
Nr. Titel Kurzinhalt Referenten Wo Wann Uhrzeit
Gebühr
lehrer nrw-
Mitglied
Gebühr
sonst.
Teilnehmer
Anmelde-
schluss
2023-0920 Recht im Schulalltag –
speziell für Berufsanfänge-
rinnen und -anfänger
Junge Kolleginnen und Kollegen sind mit Rechtsfragen oft überfordert.
Die Fortbildung beantwortet die wichtigsten Fragen aus dem Schulalltag.
Christopher
Lange
GDL Sitzungsraum
1. OG
Graf-Adolf-Straße 84
40210 Düsseldorf
Mittwoch
20.09.2023
14:00 bis
17:00 Uhr
25 EUR 50 EUR 04.09.2023
2023-0925 Stimme In diesem Seminar geht es darum, wie Sie Ihre Stimme und Ihre Sprache
in unterschiedlichen Unterrichtssituationen variabel und zielführend
verwenden können. Darüber hinaus werden Tipps für einen schonenden
Umgang mit der Stimme gegeben.
Gabi Schmidt Leonardo Boutique Hotel
Oststraße 128
40210 Düsseldorf
Dienstag
26.09.2023
9:00 bis
16:30 Uhr
130 EUR 180 EUR auf
Anfrage
2023-1019 Tanz mit dem Widerstand Häufig erleben Lehrkräfte Widerstand bei Ihren Schülerinnen und Schü-
lern, wenn sie Erwartungen des intensiveren Lernens und Vorbereitens an
sie richten. In diesem Seminar erlangen die Teilnehmenden eine erhöhte
fachliche Distanz zu herausforderndem Widerstand und fügen ihrem
Handlungsrepertoire weitere Interventionen hinzu.
Tanja
Schmitz-
Remberg
Intercity Hotel Düsseldorf
Graf-Adolf-Straße 81-87
40210 Düsseldorf
Donnerstag
19.10.2023
9:00 bis
16:30 Uhr
130
EUR
180
EUR
07.09.2023
2023-1022 Wohlwollende Autorität
die überzeugende
Kernkompetenz einer
Lehrkraft
Gerade die Mischung aus freundlicher Zugewandheit einerseits und ent-
schlossener Führungsstärke andererseits fällt vielen Lehrkräften beson-
ders schwer. In dieser Fortbildung werden die Teilnehmenden in einer
Mischung aus Theorie und praktischen Übungen gezielt in ihrem
Auftreten, ihrer inneren Haltung, ihrer Eigenregulationsfähigkeit und
in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt.
Gabi Schmidt Leonardo Boutique Hotel
Oststraße 128
40210 Düsseldorf
Montag
23.10.2023
9:00 bis
16:30 Uhr
130 EUR 180 EUR 18.09.2023
2023-1023 Recht im Schulalltag Diese Fortbildung informiert über wichtige rechtliche Grundlagen,
die Lehrkräfte für ihren Berufsalltag benötigen.
Christopher
Lange
GDL Sitzungsraum
1. OG
Graf-Adolf-Straße 84
40210 Düsseldorf
Montag
23.10.2023
14:00 bis
17:00 Uhr
25 EUR 50 EUR 27.09.2023
2023-1025 Unterrichtsstörungen?
Durchschauen, vorbeugen,
entschärfen…
Zeitgemäße Störungskompetenz zielt auf eine präventive Haltung: die
Lerngruppe umsichtig und souverän zu führen (classroom management)
sowie ‘schwierige’ Schülerinnen und Schüler in ihrer individuellen
Motivlage zu verstehen und ermutigend zu unterstützen.
Michael Felten Leonardo Hotel Köln
Waldecker Straße 11-15
51065 Köln
Mittwoch
25.10.2023
9:00 bis
16:30 Uhr
130
EUR
180
EUR
13.09.2023
2023-1031 Methoden der Suchtprävention:
Exzessive Mediennutzung und
Glücksspielsucht
Im Seminar werden theoretische Grundlagen der Suchtprävention im
Kontext von exzessiver Mediennutzung und pathologischem Glücksspiel
vorgestellt. Daneben werden Methoden zur konkreten Bearbeitung der
Themen mit Schülerinnen und Schülern ausprobiert.
Yvonne Michel Leonardo Boutique Hotel
Oststraße 128
40210 Düsseldorf
Dienstag
31.10.2023
9:30 bis
17:00 Uhr
130 EUR 180 EUR 27.09.2023
2023-1102 Lehrkräfte am Limit –
kreative Stressbewältigung
in schwierigen Zeiten
Lehrkräftemangel, hohe Krankenstände, wachsende Zusatz- und Integra-
tionsaufgaben – Lehrende sind im Schulalltag oft bis an die Grenzen der
Belastbarkeit gefordert. In dieser Fortbildung lernen Sie nicht nur, wie Sie
psychische Entlastung, körperliche und geistige Entspannung, sondern
auch mehr Freude, Verbundenheit und Sinnhaftigkeit erfahren können.
Gabi Schmidt Leonardo Hotel Köln
Waldecker Straße 11-15
51065 Köln
Donnerstag
02.11.2023
9:00 bis
16:30 Uhr
130
EUR
180
EUR
27.09.2023
Qualität der Lehrerausbildung
in Gefahr!
lehrer nrw
hat eine Petition des Bundesarbeitskreises Lehrerbildung unterstützt. Diese fordert ein
Ende der Ungleichbehandlung bei Fachleitungen. Mehr als 2.000 Unterschriften kamen zusammen.
G
Gemeinsam mit dem Netzwerk Fach-
leiter/innen NRW fordert auch
lehrer
nrw
in einer vom Bundesarbeitskreis
Lehrerbildung initiierten Online-Petition an
den Landtag NRW eine gerechtere Bezah-
lung der Fachleitungen im Sekundarbereich I.
Mehr als 2.000 Unterstützerinnen und
Unterstützer haben diese Petition unter-
schrieben und damit die Dringlichkeit des
Anliegens deutlich gemacht. Die Unterschrif-
ten wurden am 16. August im Landtag an
die schulpolitischen Fraktions-Sprecherinnen
Claudia Schlottmann (CDU) und Lena Zings-
heim-Zobel (Grüne) sowie Dilek Engin (SPD)
und Franziska Müller-Rech (FDP) übergeben.
Gehaltsunterschied
über 1.500 Euro
Die Petition fordert ein Ende der eklatanten
Ungleichbehandlung von Fachleitungen im
Sekundarbereich I sowie in den Bereichen
Grundschule und Förderschule gegenüber
den Kolleginnen und Kollegen im Sekundar-
weil der Ausbildungsaufwand für die zuneh-
mende Zahl der Seiteneinsteiger, die weniger
didaktische und pädagogische Qualifikation
mitbringen, erheblich höher ist. Fachleiterin-
nen und Fachleiter sind vor dem Hintergrund
des Lehrkräftemangels wichtiger denn je. Wir
fordern daher eine adäquate Bezahlung und
die Schaffung eines Beförderungsamtes für
Fachleitungen im Sekundarbereich I«, betont
Hardi Gruner, Leiter des Referats Fachleitun-
gen bei
lehrer nrw
und Mitglied des Netz-
werks Fachleiter/innen NRW.
Dicke Bretter bohren
Die Politikerinnen zeigten im Gespräch an-
lässlich der Unterschriften-Übergabe viel
Verständnis für das Anliegen. Gleichwohl
wiesen insbesondere Claudia Schlottmann
und Lena Zingsheim-Zobel für die regie-
rungstragenden Parteien auf die schwierige
Haushaltslage hin. »Hier sind offenbar noch
dicke Bretter zu bohren. Wir packen es an!«,
so Christoffer. Jochen Smets
Foto: Andreas Endermann
lehrer nrw ·
5/2023
26
MAGAZIN
bereich II, die bei gleicher Arbeit erheblich
besser bezahlt werden. »Diese Diskrepanz
ist durch nichts zu rechtfertigen. Denn die
Tätigkeit der Fachleitungen ist unabhängig
von der Schulform identisch. In Nordrhein-
Westfalen allerdings werden Fachleitungen
in der Sek I sowie im Primar- und Förder-
schulbereich mit einer schmalen Zulage von
153 Euro abgespeist, während es in der
Sek II ein üppig besoldetes Beförderungsamt
gibt. Unter dem Strich macht das derzeit ei-
nen Gehaltsunterschied von über 1.500
Euro – bei gleicher Arbeit«, kritisiert Sven
Christoffer, Vorsitzender von
lehrer nrw
.
Fachleitungen übernehmen an der Schnitt-
stelle zwischen universitärer und schulprakti-
scher Lehrerausbildung eine immens wichti-
ge Aufgabe. »Wegen miserabler Bezahlung
und mangelnder Wertschätzung sind aller-
dings immer weniger Lehrkräfte in der Sek I
bereit, diese Arbeit auf sich zu nehmen. Das
gefährdet die Qualität der Lehrerausbildung
insgesamt. Verschärft wird das Problem noch,
Unterschriften-Übergabe im Landtag (v.l.): Claudia Schlottmann (CDU), Lena Zingsheim-Zobel (Grüne), Dilek Engin (SPD),
Sven Christoffer (
lehrer nrw
), Franziska Müller-Rech (FDP), Anke Pohlmann (Bundesarbeitskreis Lehrerbildung), Wiebke Meyer
(Netzwerk Fachleiter/innen NRW), Dennis Sonne (Grüne, MdL, Mitglied des Schulausschusses)
SENIOREN
Alte Ritter und
moderne Fabrikation
Exkursion nach Bielefeld am 7. September
Exkursion nach Essen:
Schätze und Versicherungen
Foto: AdobeStock/Manuela Ewers
Mülheimer Kongress
Bitte vormerken: Am 22. und 23. November 2023 findet der Mülheimer Kongress statt. Unter dem Motto ‘Bildung gestern –
heute – morgen‘ gibt es ein spannendes Programm. Wir würden uns freuen, auch viele Seniorinnen und Senioren begrüßen zu
können. Der Mülheimer Kongress ist immer eine gute Gelegenheit, ein tolles Vortrags- und Unterhaltungsprogramm zu genießen
sowie alte Kontakte zu pflegen und neue zu knüpfen. Die Anmeldung kann online vorgenommen werden.
Information und Anmeldung:
www.lehrernrw.de/lehrernrw-de-fortbildungen/lehrernrw-de-muelheimer-kongress/
Die Exkursionsteilnehmerinnen und
-teilnehmer vor der Kardinal-Hengsbach-
Skulptur am Dom.
Z
Zu einer Exkursion nach Essen brachen
zehn Seniorinnen und Senioren des
lehrer nrw
am 20. Juni auf. Der erste Teil des
Exkursionstages begann am und im Essener
Dom. Bei einem Rundgang durch die Anlage
und den Dom unter sehr fachkundiger Füh-
rung gab es Informationen über die Ge-
schichte des Doms und des Domschatzes.
Der Essener Dom war einst die Kirche des
Essener Frauenstifts, das 850 gegründet
wurde. Zu bestaunen gibt es im Dom vieles,
aber von besonderer Bedeutung ist die Gol-
dene Madonna. Sie ist über eintausend Jah-
re alt und damit das älteste rundplastische
Marienbild der Welt, entstanden zwischen
980 und 990 nach Christus. Ein außerge-
wöhnlicher sakraler Schatz ist ebenso der
um das Jahr 990 im Auftrag von Äbtissin
Mathilde angefertigte Siebenarmige Leuch-
ter. Äbtissin Mathilde war eine Enkelin des
Kaisers Otto des Großen. Der Domschatz
selbst gehört zu den bedeutendsten Kir-
chenschätzen Deutschlands.
Um 17 Uhr folgte ein Termin in der Ver-
braucherzentrale Essen. Die
lehrer nrw-
Gruppe bekam einen Vortrag über das The-
ma ‘Versicherungen im Alter’. Eine Expertin
erläuterte die Tricks, mit denen Versicherun-
gen arbeiten und gab Tipps, sich dagegen zu
wappnen. Ganz wichtig ist es, das Kleinge-
druckte im Versicherungsvertrag sorgfältig
zu lesen.
Ein besonderer Dank gilt Petra Wiora-
Köster für die hervorragende Organisation
der Exkursion und die Idee, die Besichtigung
des Domschatzes mit dem Beratungsge-
spräch in der Verbraucherzentrale in Essen
zu verbinden. Monika Holder
27
5/2023 ·
lehrer nrw
D
Die Septemberveranstaltung für die
Seniorinnen und Senioren des
lehrer
nrw
findet in Bielefeld statt. Wir lassen uns
die ‘Unterwelt’ der Sparrenburg bei einer
45-minütigen Tour näherbringen und tau-
chen in die 750-jährige Burggeschichte ein.
Nach dem Mittagessen besuchen wir die
Firma Schüco, das führende Unternehmen in
der Herstellung von Fassaden, Fenstern
(Fensterprofile) und Türen (Türprofile). Im
Welcome Forum führt ein Mitarbeiter die
lehrer nrw
-Gruppe durch den Showroom
Fabrikation, wo man Maschinen in Aktion
erleben, anfassen und ausprobieren kann.
Im Showroom Products sind vielfältige Pro-
dukte – unter anderem 28 Großexponate –
zu sehen. Die gewonnenen Eindrücke wer-
den abschließend im Café ausgetauscht.
Termin: 7. September 2023
Treffen: 10:45 Uhr Parkplatz Sparrenburg
Führung: Kasematten Führung beginnt um 11.00 Uhr und dauert rund 45 Minuten
Mittagessen: 12 Uhr im Sparrenburg Restaurant
Schüco: 14 Uhr Treffen im Welcome Forum der Firma Schüco, Führung rund 90 Minuten
Kosten: Entstehen je nach Teilnehmerzahl für die
Kasematten Führung im einstelligen Bereich, Mittagessen
Die Sparrenburg
in Bielefeld blickt auf eine
750-jährige Geschichte zurück.
lehrer nrw ·
5/2023
28
Zeugnisvermerk als Stigma?
Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich aktuell mit der
Frage, ob und wie transparent Behinderungen oder Beeinträchti-
gungen von Schülern auf einem Zeugnis gemacht werden müs-
sen. Es wird ein Urteil mit beträchtlicher Strahlkraft erwartet.
K
Klagen, die das Bundesverfassungs-
gericht verhandelt und die den Be-
reich Schule betreffen, sind in Rela-
tion zur gesamten Fülle und Bandbreite
der Fälle vor dem höchsten deutschen Ge-
richt eher selten. Wenn dies aber einmal
der Fall ist, sind sie dafür umso spektaku-
lärer und bedeutender. So hat das Bundes-
verfassungsgericht kürzlich über die Klage
von drei Legasthenikern verhandelt. Diese
sehen es als Stigma an, dass in ihren Abi-
turzeugnissen festgehalten ist, dass Recht-
schreibleistungen aufgrund einer fachärzt-
lich festgestellten Legasthenie nicht be-
wertet wurden. Zwar handelt es sich bei
den Klägern um Gymnasiasten aus Bayern,
die zugrundeliegende Thematik könnte je-
doch auch in anderen Bundesländern wie
auch in Nordrhein-Westfalen und über Abi-
turzeugnisse hinausgehend denkbar sein.
Ein Thema mit Brisanz
Das Thema hat Brisanz: Von einer Lese-
und Rechtschreibschwäche sind rund vier
Prozent aller Schülerinnen und Schüler be-
troffen. Ein entsprechender Vermerk kann
jeden möglichen Arbeitgeber wie mit dem
Holzhammer auf die betreffenden Schwä-
chen aufmerksam machen und veranlas-
sen, sich zu überlegen, eine Bewerberin
oder einen Bewerber in die engere Wahl zu
nehmen. Dazu kommt es paradoxerweise
auch noch gerade deshalb, weil ihre Beein-
trächtigung durch Nicht-Bewertung der
Rechtschreibung in der Schule ausgegli-
chen werden sollte.
Personen mit einer Lese- und Recht-
schreibschwäche leiden oft unter ihrer
Beeinträchtigung. Sie haben oftmals
psychische Probleme. Schülerinnen und
Schüler stoßen in der Schule häufig auf
ein Nicht-Verstanden-Werden sowie auf
Ausgrenzung, obwohl sie weder einsatz-
scheu noch desinteressiert sind. Sie erle-
ben Schule häufig als einen Ort der Nie-
derlage. Wegen durchschnittlich schlech-
terer Schulabschlüsse ist der Zugang für
diese Schülergruppe zu beruflichen Bil-
dungswegen eingeschränkt, erklärt der
Bundesverband Legasthenie und Dyskal-
kulie.
RECHT§AUSLEGER
von CHRISTOPHER LANGE
Darf eine Beeinträchtigung wie
Legasthenie als Vermerk auf
einem Zeugnis erscheinen?
Diese Frage wird das Bundes-
verfassungsgericht in Kürze
beantworten.
Foto: AdobeStock/Marco Martins
Klage zunächst abgewiesen
Die drei Schüler mit Lese- und Rechtschreib-
störung klagten gegen den nach ihrer An-
sicht stigmatisierenden Vermerk zunächst
bis vor das Bundesverwaltungsgericht. Die-
ses wies die Klage – wer hätte es geahnt –
allerdings im Kern ab (Urteil vom 29. Juli
2015, Az. 6 C 35.14). Das Gericht argumen-
tierte dabei im Wesentlichen wie folgt: Das
aus Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz
abgeleitete Gebot, behinderte Menschen zu
fördern, rechtfertige, dass Schülerinnen und
Schüler mit Legasthenie, die als Behinde-
rung anerkannt ist, den sogenannten Noten-
schutz erhalten. Notenschutz bedeutet das
Recht dieser Schülerinnen und Schüler, dass
ihre Rechtschreibleistungen nicht bewertet
werden.
Gleichzeitig sei aber auch ein entspre-
chender Zeugnisvermerk gerechtfertigt, da
er ausdrücklich klarstelle, dass die Noten im
speziellen betreffenden Zeugnis nicht auf
der Grundlage des allgemeinen Bewer-
tungsmaßstabes zustande gekommen wa-
ren. Das Bundesverwaltungsgericht kommt
dazu, weil es im Zusammenhang mit Prü-
fungen und Benotungen zwischen Noten-
schutz und Nachteilsausgleich differenziert.
Und aufgrund dieser komplexen Systematik
kommt es zu weitreichenden Folgen hin-
sichtlich entsprechender Vermerke in Zeug-
nissen.
29
5/2023 ·
lehrer nrw
Der Unterschied zwischen
Nachteilsausgleich
und Notenschutz
Ein Nachteilsausgleich erlaubt, dass
Schülerinnen oder Schüler mit einer Be-
hinderung doch zeigen können, was sie
zu leisten im Stande sind. Die Anforde-
rungen unterscheiden sich nicht von de-
nen Nicht-Behinderter. Allerdings können
die Nachteile, die durch die Behinderung
bestehen, durch verschiedene Maßnah-
men ausgeglichen werden, indem bei-
spielsweise für die Bearbeitung von Auf-
gaben mehr Zeit als für die Mitschülerin-
nen und Mitschüler eingeräumt wird. Das
Bundesverwaltungsgericht sagt, auf den
Nachteilsausgleich bestünde ein grund-
gesetzlicher Anspruch. Um diesen vollum-
fänglich zur Geltung zu bringen, dürfe er
auch nicht in einem Zeugnis vermerkt
werden.
Im Unterschied dazu bedeute Noten-
schutz, dass die allgemeinen Leistungs-
standards nicht einzuhalten seien. Es gelte
dann ein individueller Leistungsmaßstab.
Oder auf die Erbringung bestimmter Leis-
tungen werde verzichtet. Als Beispiel kann
die Nicht-Bewertung der Rechtschreibung
derjenigen dienen, die unter Legasthenie
leiden würden. In diesen Konstellationen
sei die allgemeine Aussagekraft von Beno-
tungen von Leistungen beeinträchtigt. Da-
her sei hier die Aussagekraft von Zeugnis-
sen ein Wert von Verfassungsrang, der mit
dem Verlangen, Beeinträchtigungen nicht
zu erwähnen, konkurriere. Das bedeutet,
dass kein Anspruch besteht, Notenschutz
im Zeugnis nicht zu vermerken.
Letzte Instanz
Bundesverfassungsgericht
Nach der Niederlage vor dem Bundesver-
waltungsgericht zogen die drei Schüler mit
Legasthenie vor das Bundesverfassungsge-
richt, das zwischenzeitlich über die Klage
verhandelt hat und ein Urteil voraussicht-
lich in den kommenden Monaten verkün-
den wird. Dabei ist offen, wie das Bundes-
verfassungsgericht, die oberste richterliche
Instanz in Deutschland, letztlich urteilen
wird.
Denkbar ist, dass die vom Bundesver-
waltungsgericht entwickelte Systematik
der Unterscheidung von Nachteilsaus-
gleich und Notenschutz beibehalten wird.
Vorstellbar ist aber auch, dass diese Unter-
scheidung aufgegeben wird. So kann man
– wie in der Verhandlung geschehen –
auch zu bedenken geben, dass jemand, der
mehr Bearbeitungszeit als andere bekom-
me, auch nicht am allgemeinen Maßstab
gemessen werde. Der Nachteilsausgleich
ähnele insofern dem Notenschutz.
Des Weiteren wird der Gedanke vertre-
ten, dass man den Notenschutz mit dem
Nachteilsausgleich auf ein Niveau stellen
könnte, so dass Behinderten auch hierbei
ein entsprechender Anspruch auf Schutz
gewährt wird. Folglich dürfte die Inan-
spruchnahme des Notenschutzes in Zeug-
nissen auch nicht erwähnt werden.
Urteil mit
Ausstrahlungswirkung
Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts
wird vermutlich jedenfalls Ausstrahlungs-
wirkung haben auch auf Bestimmungen
und Gegebenheiten in den Bundesländern.
In NRW besteht eine Regelung auf Erlass-
ebene (Förderung von Schülerinnen und
Schülern bei besonderen Schwierigkeiten
im Erlernen des Lesens und Rechtschrei-
bens, LRS), Runderlass des Kultusmin. vom
19.07.1991, BASS 14-01 Nr. 1). Diese be-
sagt, dass Lese- und Rechtschreibleistun-
gen in Zeugnissen zurückhaltend zu ge-
wichten sind. Darin kann auch vermerkt
werden, dass die Schülerin oder der Schü-
ler an einer zusätzlichen LRS-Fördermaß-
nahme teilgenommen hat.
Die Thematik kann vor dem Hintergrund
der geschilderten möglichen, aber zu ver-
meidenden Probleme insbesondere psy-
chischer und sozialer Natur sowie bei
Schulabschlüssen und Berufschancen von
Schülerinnen und Schülern mit Legasthenie
nicht zu gering bewertet werden.
RECHT§AUSLEGER
Christopher Lange leitet die Rechtsabteilung
des
lehrer nrw
E-Mail: Rechtsabteilung@lehrernrw.de
lehrer nrw ·
5/2023
30
ANGESPITZT
S
Spanien hat so einige Exportschlager.
Rotwein, Olivenöl, Obst und Gemü-
se zum Beispiel. Und natürlich Sangria
aus Eimern. Neuerdings scheint auch
ein iberisches Kulturgut buchstäblich
Schule zu machen: die Siesta. Die tradi-
tionelle Mittagsruhe, meist von etwa 14
bis 17 oder 18 Uhr, hat es Gesundheits-
experten auch in Deutschland angetan.
Allen voran dem Chefarzt der Republik:
»Siesta in der Hitze ist sicherlich kein
schlechter Vorschlag«, twitterte Karl
Lauterbach neulich. Medizinisch sei das
»sicher für viele Berufe sinnvoll«, so der
Gesundheitsminister.
Pflichtschuldig pflichtete der Vorsit-
zende des Bundesverbands der Ärztin-
nen und Ärzte des öffentlichen Gesund-
heitsdienstes (BVÖGD), Johannes Nie-
ßen, bei. Siesta sei ein Konzept, »das
wir in den Sommermonaten überneh-
men sollten«, sagte er gegenüber dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland
(RND).
Aber hallo! Siesta in den Schulen?
Warum nicht? Da die meisten Schulge-
bäude sich energetisch auf altsteinzeit-
lichem Niveau oder leicht darunter be-
wegen, steigt die Arbeitstemperatur
gern mal auf Marken jenseits der 30
Grad. Da rauchen die Köpfe nicht nur
wegen Algebra und den Tücken der
deutschen Orthografie. Das weckt
Sympathien für die Siesta.
Allerdings ist der Vorschlag nicht zu
Ende gedacht. Denn Schlafforscher war-
nen seit langem, dass der in Deutsch-
land übliche Schulbeginn um 8 Uhr dem
Biorhythmus junger Menschen eklatant
zuwiderläuft. Generationen von Schü-
lern und Schülerinnen wurden und wer-
den morgens brutal aus dem Schlaf ge-
rissen, um im Halbschlaf bis zur ersten
großen Pause unproduktiv vor sich hin-
zudämmern. Das ist grob gesundheits-
gefährdend und perspektivisch eine Ge-
fahr für die Volkswirtschaft. Ein
Chronobiologe (was immer das sein
mag) der Berliner Charité empfahl in
einem Beitrag auf focus.de vor einiger
Zeit einen Unterrichtsbeginn ab 10 Uhr.
Nun, da sind wir mal großzügig und
legen noch einen Sicherheitszuschlag
drauf: Schulstart um 11 Uhr, kleiner
Powernap um 13 Uhr, Siesta ab 14 Uhr.
Und wenn die Siesta um 17 Uhr endet,
lohnt es sich nicht mehr, nochmal anzu-
fangen.
Das macht zwei Stunden Netto-Un-
terrichtszeit. Mit ein bisschen gutem
Willen kriegt man da schon was erle-
digt. Zudem lässt sich auf diese Weise
ganz nebenbei auch das Problem des
Lehrermangels elegant lösen.
Also: Packen wir’s an!
Olé! Jochen Smets
Exportschlager Siesta
HIRNJOGGING
31
5/2023 ·
lehrer nrw
Tiere mit Vorsilbe
Die Tiere haben ihre Vorsilbe verloren. Gelingt es Ihnen, sie
wieder zuzuordnen? Damit es nicht allzu leicht wird, habe ich
die vorderen und hinteren Hälften ein wenig durcheinander
angeordnet. So haben Sie zusätzlich eine schöne visuelle Kon-
zentrationsaufgabe.
Suchen Sie die Paare, die zusammengehören.
Die Paare ergeben insgesamt zwölf Lösungswörter.
Beispiel: Proz – Ente
AUFGABE 1:
AUFGABE 3:
AUFGABE 2:
Verkürzte Schrift
Schreiben, wie man hört? Nicht nur in den Grundschulen können sich daraus interessante
Schreibweisen ergeben. Die Ente kann man dann auch NT schreiben und das Gewebe
kommt auch ganz ohne Vokale aus.
Was heißt: 1. 2G 2. ZL 3. LB 4. STR 5. DKD 6. GZR
7. BAT 8. GWRB 9. MA BTT 10. LN RÖTT
Aufgabe 1: Nachtischwein, Spezifisch,
Schlamassel, Eidotter, Nikolaus, Blumen-
topferde, Plakatankleber, Haarfestiger,
Schmutzecke, Tangente, Pomade, Kon-
zertsaal Aufgabe 3: 1. Zweige
2. Zettel // 3. Elbe // 4. Esther
5. Dekade // 6. Gezeter // 7. Beate
8. Gewerbe // 9. Emma betete
10. Ellen errötete
Binär-Sudoku
Und zum Schluss habe ich noch eine Knobelaufgabe für Sie. Ähnlich
wie beim klassischen Sudoku müssen Sie die Kästchen um bestimm-
te Ziffern ergänzen. Diese bestehen aber nur aus den Binärziffern 0
und 1.
Dabei gibt es folgende Regeln:
In jeder ZEILE befinden sich je drei Nullen und Einsen
In jeder SPAL-
TE befinden sich
je vier Nullen
und Einsen
Neben und un-
tereinander ste-
hen nie mehr
als zwei glei-
che Ziffern
In keiner Zeile
und in keiner
Spalte ist
die Abfolge
der Nullen und
Einsen gleich.
Lösungen