3Unter der Lupe
Bildung –
quo vadis?
15Dossier
‘Schwierige’ Schüler
Wer sie versteht,
kann ihnen helfen
28 Recht§ausleger
Mal ganz anders
arbeiten
6Im Brennpunkt
Inklusion – als Sparmodell
zum Scheitern verurteilt
Mülheimer Kongress
Bildung
gestern -
heute -
morgen
Pädagogik & Hochschul Verlag . Graf-Adolf-Straße 84 . 40210 Düsseldorf · Foto: AdobeStock
1781 | Ausgabe 6/2023 | NOVEMBER | 67. Jahrgang
INHALT
lehrer nrw ·
6/2023
2
UNTER DER LUPE
Sven Christoffer: Bildung – quo vadis? 3
BRENNPUNKT
Sarah Wanders: Inklusion –
als Sparmodell zum Scheitern verurteilt 6
JUNGE LEHRER NRW
Marcel Werner:
Bindeglied zur Schülerschaft 8
PERSONALRATSWAHL 2024
Null Toleranz bei Gewalt! 9
PERSONALRÄTE
Bezirkspersonalrat Münster für
Realschulen: Ein Bezirk, zwei Regionen 10
Bezirkspersonalrat Münster für
Gesamt- und Sekundarschulen:
Ihre Ansprechpartnerin im Berufsalltag 11
TITEL
Jochen Smets: Ideales Schulklima 12
Schulbaupreis NRW verliehen 14
DOSSIER
Michael Felten: ‘Schwierige’ Schüler –
Wer sie versteht, kann ihnen helfen 15
SCHULE & POLITIK
Glossar für Fachkräfte im
Multiprofessionellen Team 19
Christoph Fahle:
Tarifbeschäftigte fair bezahlen! 20
Ulrich Gräler: Bildung braucht
Aufbruch: 10,5%!
Eine wegweisende Tarifrunde steht bevor 22
FORTBILDUNGEN
‘Schwierige’ Eltern, starke Stimme 24
BATTEL HILFT
Die VIP-Karte 26
SENIOREN
Alte Ritter und moderne Fabrikation
Senioren-Exkursion nach Bielefeld 27
Tarifrunde: Aufruf an
Versorgungsempfänger 27
RECHT§AUSLEGER
Christopher Lange:
Mal ganz anders arbeiten 28
ANGESPITZT
Jochen Smets: Lehrer werden? Gönn Dir! 30
HIRNJOGGING
Aufgabe 1: Märchen-ABC
Aufgabe 2: Zahlenanagramme
Aufgabe 3: Suchsel Zugvögel 31
IMPRESSUM
lehrer nrw
– G 1781 –
erscheint sieben Mal jährlich
als Zeitschrift des
‘lehrer nrw’
ISSN 2568-7751
Der Bezugspreis ist für
Mitglieder des
‘lehrer nrw’
im Mitgliedsbeitrag enthal-
ten. Preis für Nichtmitglieder
im Jahresabonnement:
35,– inklusive Porto
Herausgeber und
Geschäftsstelle
lehrer nrw e.V.
Nordrhein-Westfalen,
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Redaktion
Sven Christoffer,
Ulrich Gräler,
Christopher Lange,
Jochen Smets,
Sarah Wanders,
Marcel Werner
Düsseldorf
Verlag und
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PÄDAGOGIK &
HOCHSCHUL VERLAG
dphv-verlags-
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währ übernommen werden.
Namentlich gekennzeichnete
Beiträge geben die Meinung
ihrer Verfasser wieder.
Bildung –
quo vadis?
Migration und Integration, Digitalisierung und
Künstliche Intelligenz, Personalmangel und Inklusion:
Schule steht vor enormen Herausforderungen. Wohin sich
Bildung entwickeln könnte oder sollte, versucht der 54. Mülheimer
Kongress zu ergründen.
W
Welche pädagogischen Grundwerte ver-
gangener Zeiten bedürfen dringend einer
Renaissance? Warum ist es völlig absurd
zu glauben, dass Bildung das Allheilmittel für nahe-
zu alle relevanten Gegenwartsprobleme ist? Und
was braucht es, um Schule zukunftsfähig zu ma-
chen? Diesen spannenden Themen widmet sich der
54. Mülheimer Kongress, der am 22. und 23. Novem-
ber in der Katholischen Akademie ‘Die Wolfsburg’
stattfindet.
Auch in diesem Jahr hat
lehrer nrw
wieder ein
hochkarätiges Programm auf die Beine gestellt.
So werden der Integrationsforscher Prof. Aladin
El-Mafaalani, der Bildungswissenschaftler Prof.
Jochen Krautz und der Pädagogik-Professor Olaf-
Axel Burow zum Leitthema ‘Bildung gestern – heute
– morgen’ referieren. An der abschließenden Podi-
umsdiskussion nehmen NRW-Schulministerin Doro-
thee Feller, Martin Hüppe (Geschäftsführer IServ)
sowie Christoph Pienkoß, (Geschäftsführer Verband
Bildungsmedien) teil. Ob der zwischenzeitlich zum
Bildungsstaatssekretär in Sachsen-Anhalt ernannte
Jürgen Böhm seine Zusage einhalten kann, ist noch
ungewiss. Wir würden uns jedenfalls sehr freuen.
Für eine Renaissance der Schule
Professor Jochen Krautz will mit seinem Vortrag
‘Bilder von Bildung. Für eine Renaissance der Schule’
nicht nur »Besinnung anregen, sondern auch zum
pädagogischen Anpacken ermutigen, um Schule aus
der Krise heraus zu neuem Anfang zu führen«. Das
dem Vortrag zugrundeliegende Buch habe ich jeden-
falls verschlungen. Es ist voller Optimismus und man
spürt in jedem Satz die Liebe des Autors zum Lehr-
beruf. Nur zwei Beispiele:
Unterricht ist ein eigenartiges Geschehen. Aus al-
lem Misslingen machen die Beteiligten immer wie-
der auch ein Gelingen, einen menschlichen Sinn.
Diese Hoffnung trägt Schule. Es ist die Hoffnung
der Aufklärung, trotz alledem zu Humanität und
Mündigkeit beitragen zu können, wie oft diese
Hoffnung auch schon gescheitert zu sein scheint.
Bildung geht also aufs Ganze: Sie fordert von uns
einen persönlichen Beitrag zur Entwicklung der
Menschheit zu mehr Humanität, Gerechtigkeit
und Frieden. Ein ‘überspannter’ Anspruch? Wo-
möglich. Aber können wir weniger wollen?
Mythos Chancengleichheit
Professor Aladin El-Mafaalani ist Inhaber des Lehr-
stuhls für Erziehung und Bildung in der Migrations-
gesellschaft an der Universität Osnabrück und war
Abteilungsleiter im NRW-Ministerium für Kinder,
Familie, Flüchtlinge und Integration. Er vertritt die
These, dass unser Bildungssystem keine gleichen
Chancen bietet – auch nicht bei gleicher Leistung.
Der Integrationsforscher argumentiert aber nicht mit
erhobenem Zeigefinger, sondern angenehm nüch-
tern: Vielschichtige Zusammenhänge und Mechanis-
men würden dazu führen, dass Chancenungleichheit
die Realität sei. In seinem Buch ‘Mythos Bildung’
macht er zudem deutlich, dass es »keine einfachen
Antworten und erst recht keine Schuldigen gibt«.
Im Kapitel ‘Paradoxien der Bildungsexpansion’ führt
er aus, dass immer mehr Bildung zu wachsender
Bildungsungleichheit führe: »Wenn sich für alle die
Bildungschancen verdoppeln, dann verdoppelt sich
auch der Unterschied in den Bildungschancen.«
Das Buch enthält zahlreiche weitere sehr diskussi-
onswürdige Positionen. Eine kleine Auswahl:
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lehrer nrw
UNTER DER LUPE
von SVEN CHRISTOFFER
lehrer nrw ·
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UNTER DER LUPE
Die Lehrerausbildung ist im Hinblick auf die Diagno-
se des individuellen Potenzials eines Kindes – opti-
mistisch ausgedrückt – mangelhaft, vielleicht sogar
nah am Dilettantismus.
Die Adresse eines Kindes ist ein extrem guter Indi-
kator, um Prognosen für den Bildungserfolg abzuge-
ben.
Bildungsabschlüsse sind zunehmend notwendige
und immer weniger hinreichende Kriterien für eine
berufliche Laufbahn oder gar Karriere. Dadurch,
dass absolut und relativ immer mehr Menschen hö-
here Bildungsabschlüsse haben, sind diese Ab-
schlüsse nichts Außergewöhnliches mehr, sie verlie-
ren an Wert.
Es sei daran erinnert, dass die Übergangsempfeh-
lung der Grundschullehrkräfte bei allen Problemen
deutlich fairer und leistungsgerechter ist als die
Entscheidung der Eltern.
Im Kapitel ‘Bildungspolitische Ziele’ benennt El-Mafaa-
lani schließlich vier handlungsleitende Prinzipien, an
denen man sich orientieren kann, wenn man Verbesse-
rungen einleiten möchte. Seien Sie also gespannt!
Sieben Handlungsoptionen
für die Schule der Zukunft
Prof. Dr. em. Olaf-Axel Burow analysiert in seinem Vor-
trag Zukunftstrends von Bildung und Schule und
liefert sieben Handlungsoptionen, die eine Orien-
tierung für die Schule der Zukunft bieten. Da-
bei wird er unter anderem dafür werben,
die Digitalisierung kreativ zu nutzen,
die individuellen Talente und Neigungen
der Schülerinnen und Schüler zu stärken, neue Bil-
dungsräume zu erschließen, eine agile Schulkultur auf-
zubauen sowie Zukunftskompetenz zu fördern. Wenn
der Blick auf unsere gegenwärtige Bildungslandschaft
auch Anlass zur Sorge bereitet, so mag der Ausblick auf
eine anders geartete, zukünftige Bildungslandschaft
wohltuend sein – so jedenfalls meine Hoffnung.
Der
lehrer nrw
-Familie ist neben der Fachinformation
immer auch der Austausch wichtig. Deshalb wird es
auch in diesem Jahr wieder ein geselliges Beisammen-
sein zum Ausklang des ersten Kongresstages geben.
Für musikalische Unterhaltung sorgen die ‘Doris D’
Band und die Big Band der Erich-Klausener-Realschule
Herten.
Wir freuen uns auf Sie!
Sven Christoffer ist Vorsitzender des
lehrer nrw
sowie Vorsitzender des HPR Realschulen
E-Mail: christoffer@lehrernrw.de
Foto: AdobeStock/lassedesignen
Wohin führt der
Bildungs-Weg?
Der Mülheimer Kon-
gress wird versuchen,
dazu etwas mehr Orien-
tierung zu geben als
dieser Wegweiser.
lehrer nrw ·
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BRENNPUNKT
Inklusion – als Sparmodell
zum Scheitern verurteilt
Der Inklusionsprozess zwischen Anspruch und Wirklichkeit
S
Seit Jahren kritisiert
lehrer nrw
, dass
der Inklusionsprozess an den Schu-
len in Nordrhein-Westfalen, von der
damaligen Schulministerin Sylvia Löhr-
mann ungesteuert in die Fläche getrieben,
von Anfang an unter einer unzureichen-
den Ausstattung mit personellen und
materiellen Ressourcen leidet. Unter
Schulministerin Yvonne Gebauer versuch-
te das Ministerium für Schule und Bil-
dung, mit der Neuausrichtung der Inklusi-
on gegenzusteuern. Personelle Ressourcen
wurden – zumindest auf dem Papier –
massiv aufgestockt und sollten gezielter
eingesetzt werden.
25 – 3 – 1,5:
die entzauberte Formel
Den meisten Beschäftigten ist die Formel
25 – 3 – 1,5 des neuen Inklusionskon-
zeptes sicherlich noch im Gedächtnis.
25 Schülerinnen und Schüler pro Klasse,
davon drei mit sonderpädagogischem För-
derbedarf bei 1,5 Lehrern, also 50 Prozent
des Unterrichts in Doppelbesetzung. Von
der Umsetzung dieser Formel sind wir
nach wie vor weit entfernt. Die Schwierig-
keiten und Herausforderungen im Gemein-
samen Lernen sind noch immer vielfältig:
Es gibt immer noch zu wenig sonder-
pädagogische Expertise an den Schulen
des Gemeinsamen Lernens, viele Stellen-
ausschreibungen laufen leer.
MPT-Fachkräfte leisten eine gute und
wertvolle Unterstützung, können aber
Sonderpädagoginnen und -pädagogen
nicht ersetzen.
Wechselnde Abordnungen von Sonder-
pädagoginnen und -pädagogen bieten
keine pädagogische Kontinuität, die
gerade Schülerinnen und Schüler mit
Förderbedarf dringend benötigen.
von SARAH WANDERS
Foto: AdobeStock/blende11.photo
Inklusion im Schraubstock
vorgeblicher Sparzwänge:
Doch ohne finanzielle und personelle
Ressourcen wird Inklusion zu Exklusion.
BRENNPUNKT
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lehrer nrw
Die Kolleginnen und Kollegen vor Ort
fühlen sich überfordert und nicht aus-
reichend fortgebildet.
Die Liste der Probleme im Gemeinsamen
Lernen ist sicherlich nicht abschließend. Vie-
les ist dem Mangel an Sonderpädagoginnen
und -pädagogen geschuldet, der sich nicht
von heute auf morgen beheben lässt. Viele
Kolleginnen und Kollegen haben nach wie
vor das Gefühl, unter den jetzigen Bedin-
gungen keinem Kind mehr gerecht werden
zu können – weder den Kindern und Ju-
gendlichen ohne sonderpädagogischen Un-
terstützungsbedarf, noch denen mit Förder-
bedarf. Und das belastet neben den ohnehin
immens gestiegenen Herausforderungen im
System Schule die Kolleginnen und Kolle-
gen, die natürlich jedem Kind gerecht wer-
den wollen, massiv.
Der 2. Realschulkonrektor:
angemeldet,
aber nicht bewilligt
Bereits im Mai 2021 hat sich der Hauptperso-
nalrat Realschule in einer Gemeinschaftli-
chen Besprechung mit der damaligen Schul-
ministerin Yvonne Gebauer für die Absen-
kung der Mindestschülerzahl für den 2. Real-
schulkonrektor (RKR) sowie für weitere Funk-
tionsstellen eingesetzt. Bezüglich der Absen-
kung der Mindestschülerzahl war das Minis-
terium für Schule und Bildung auch schon
initiativ geworden. Die Umsetzung hänge
jedoch wie so häufig von den finanziellen
Mitteln ab, die vom Finanzministerium zur
Verfügung gestellt werden müssten, teilte
das MSB mit. Zum Hintergrund: Zurzeit liegt
die Mindestschülerzahl für den 2. RKR bei
540 Schülerinnen und Schülern. Eine dreizü-
gige Realschule zum Beispiel kommt bei
achtzehn Klassen mit jeweils dreißig Kindern
auf genau diese Schülerzahl. Nimmt man die
oben genannte Inklusionsformel jedoch
ernst, würde eine solche Schule im Gemein-
samen Lernen unter eine Gesamtschülerzahl
von 540 Schülerinnen und Schülern fallen.
Das hätte zur Folge, dass die Stelle des
2. RKR nicht nachbesetzt werden dürfte,
sollte der Kollege/die Kollegin in den Ruhe-
stand gehen oder versetzt oder befördert wer-
den. Heißt konkret: Eine Schule, die sich auf
den Weg macht und eine so große gesamtge-
sellschaftliche Aufgabe annimmt, wird am
Ende durch den Wegfall einer Leitungsstelle
bestraft. Und in diesem Fall liegt es ganz si-
cher nicht an personellen Ressourcen, son-
dern schlicht und allein am Geld. Auch im
Haushalt 2024 wurden die benötigten 98
Stellen zwar angemeldet – der Wille des MSB
war also zumindest da –, aber nicht bewilligt.
Die Inklusionspauschale:
erst gestrichen,
dann bewilligt
Im Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 hat-
te die Landesregierung die Mittel für die
schulische Inklusion drastisch zusammenge-
strichen. Von bisher sechzig Millionen Euro,
die im Rahmen der Inklusionspauschale vor
allem für die Finanzierung so genannter
Schulassistenzen eingesetzt wurden, sollten
demnach gerade mal zehn Millionen Euro
übrig bleiben. Die Schulassistentinnen und
-assistenten leisten jedoch wertvolle Unter-
stützungsarbeit, die die Lehrerinnen und
Lehrer sowie die Fachkräfte in den multipro-
fessionellen Teams entlastet. Würde diese
Unterstützung wegfallen, bedeutete dies für
die ohnehin unter dramatischem Personal-
mangel leidenden Schulen eine enorme
Mehrbelastung und letztlich eine Bedro-
hung der Qualität inklusiver Bildung.
lehrer
nrw
kritisierte diese massive Kürzung der
Inklusionspauschale im aktuellen Haus-
haltsentwurf scharf (Pressemitteilung vom
11. September 2023). Am 19. September
verkündeten daraufhin – nach tagelanger
medialer Berichterstattung – die schulpoliti-
schen Sprecherinnen von CDU und Grünen,
Claudia Schlottmann und Lena Zingsheim-
Zobel, dass Nordrhein-Westfalen auch im
kommenden Jahr die Kommunen unterstüt-
zen werde und die Inklusionspauschale
nicht gestrichen werde.
lehrer nrw
fordert die Landesregierung
auf, nicht auf Kosten unserer Kinder und Ju-
gendlichen zu sparen. Inklusion ohne finan-
zielle und personelle Ressourcen ist Exklusi-
on. Das darf in einem wohlhabenden Land
wie unserem nicht sein!
Sarah Wanders ist stellv. Vorsitzende
des
lehrer nrw
E-Mail: wanders@lehrernrw.de
Marcel Werner ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft
junge
lehrer nrw
E-Mail: werner@lehrernrw.de
von MARCEL WERNER
Bindeglied zur
Schülerschaft
Der Job der SV- oder Verbindungslehrkraft
bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten.
D
Der Job der Verbindungslehrkraft wird
oft unterschätzt, dabei bietet er ein
enormes Potenzial für eine Schulge-
meinschaft. Er oder sie unterstützt nicht nur
die Schülervertretung bei der Durchsetzung
ihrer Ideen, sondern hat auch die Möglich-
keit, Themen anzustoßen. Viele Themenbe-
reiche kommen bei der SV zusammen. Auf-
grund dessen haben die Verbindungslehre-
rinnen und -lehrer die Möglichkeit, die Schü-
lerinnen und Schüler auf den unterschied-
lichsten Ebenen mit ins Boot zu nehmen
und sie zu motivieren. Dies ist ein entschei-
dender Baustein einer guten Schulentwick-
lung.
Eine Aufgabe,
die Herzblut verlangt
Gleichzeitig können die Verbindungslehr-
kräfte auch ein ehrliches Feedback für das
Kollegium und die Schulleitung einholen.
Hierbei sind die Sitzungen des Schülerrates
ein sehr gutes Hilfsmittel. Die Kolleginnen
und Kollegen, die den Job des Verbindungs-
lehrers oder der Verbindungslehrerin anneh-
men, sollten sich aber auch ihrer Verantwor-
tung bewusst sein, die das Amt mit sich
bringt. Schließlich spielt sich insbesondere
die Gestaltung des Schullebens sowie ein
Großteil der Veranstaltungen außerhalb der
Kernunterrichtszeiten ab. Gleichwohl aus
der BASS hervorgeht, dass die Aufgabe des
Verbindungslehrers als Dienst zählt und die
gewählten Kolleginnen und Kollegen von
der Lehrerschaft, aber insbesondere von der
Schulleitung in der Umsetzung ihrer Projek-
te unterstützt werden sollten. Dafür erhal-
ten Sie eine Entlastungsstunde und sind von
den Pausenaufsichten freizuhalten. Die Auf-
gabe des Verbindungslehrers oder der Ver-
bindungslehrerin wird bei einer gewissen-
haften Ausführung allerdings deutlich mehr
Zeit in Anspruch nehmen. Wenn der Job
aber mit Herzblut gemacht wird, ist er ein
ganz wichtiger Baustein im Miteinander von
Schulleitung, Lehrerschaft und Schüler-
schaft.
Frühwarnsystem
bei Konflikten
Verbindungslehrkräfte spielen auch auf der
emotionalen und pädagogischen Ebene eine
wichtige Rolle in der Schulgemeinschaft.
Gerade bei verhaltensauffälligen Schülerin-
nen und Schülern ist der Verbindungslehrer
oftmals ein möglicher Schlüssel, um diese
wieder in das Schulleben zu integrieren.
Weiterhin haben die Verbindungslehrkräfte
immer ein offenes Ohr in die Schülerschaft
und bekommen dadurch oftmals Probleme
im Vorfeld mit und können so ein Frühwarn-
system für das gesamte Kollegium darstel-
len, zum Beispiel wenn sich größere Dispute
unter einzelnen Peergroups ohne Klassen-
bindung abzeichnen. Verbindungslehrerin-
nen und -lehrer sollten ebenfalls bei der
Lösungsfindung eines größeren Schulkon-
fliktes zur Beratung herangezogen werden.
Denn durch ihre besondere Rolle in der
Schulgemeinschaft können sie die Sichtwei-
sen der Schülerinnen und Schüler sehr gut
nachvollziehen und somit zu einer zielfüh-
renden Konfliktlösung beitragen.
Die Wahl zur Verbindungslehrkraft muss
der/die jeweilige Kollege/Kollegin nicht an-
nehmen. Ich empfehle ihnen allerdings es zu
tun, da es eine sehr schöne Aufgabe mit ei-
ner großen Verantwortung für die gesamte
Schulgemeinschaft ist.
Verbindungslehr-
kräfte haben ei-
nen guten Draht
und ein offenes
Ohr in die Schü-
lerschaft.
Foto: AdobeStock/Christian Schwier
lehrer nrw ·
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JUNGE LEHRER NRW
PERSONALRATSWAHL 2024
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6/2023 ·
lehrer nrw
Null
Toleranz
bei
Gewalt!
Im Personalratswahlkampf
setzt
lehrer nrw
Schwer-
punkte bei den Themen
Gewalt, Gehalt und
Gesundheit. Unser Plakat
zum Thema Gewalt liegt
dieser Ausgabe bei.
G
Gewaltvorfälle an Schulen – auch ge-
gen Beschäftigte – nehmen in be-
ängstigendem Maße zu. Auch des-
halb hat
lehrer nrw
den Kampf gegen Ge-
walt zu einem Schwerpunktthema der Perso-
nalratswahl 2024 gemacht. Wir stehen für ei-
ne Null-Toleranz-Politik. Ein Angriff auf
Einzelne muss immer auch als ein Angriff auf
die gesamte Schulgemeinde begriffen und
sanktioniert werden. Eine solche Haltung
braucht aber eine konsequente Rückende-
ckung durch den Dienstherrn – und sowohl
juristische als auch seelsorgerische Beglei-
tung im Fall der Fälle.
Erste positive Entwicklungen
Nicht zuletzt auf Druck und Initiative des
lehrer nrw
geführten Hauptpersonalrats
Realschule gab es in diesem Jahr erste posi-
tive Entwicklungen. Inzwischen gibt es an
allen Bezirksregierungen für Beschäftigte im
Bereich Realschule konkrete Ansprechperso-
nen, an die sich Lehrkräfte und pädagogi-
sches Personal bei Gewalterfahrungen wen-
den können.
Klar ist: Betroffene brauchen zum einen An-
sprechpartner mit juristischer Expertise, zum
anderen aber auch mentale Unterstützung.
Daher fordert der HPR Realschule die Ausbil-
dung und Etablierung von Sozialen Ansprech-
partnerinnen und Ansprechpartnern (kurz
SAPs) in allen Bezirksregierungen. Bisher gibt
es solche SAPs nur in Detmold und Arnsberg.
Eine weitere Forderung des HPR Realschu-
le wurde bereits erfüllt: Die frühere ‘AG Ge-
walt’ mit Vertreterinnen und Vertretern des
NRW-Schulministeriums (MSB) sowie der
Hauptpersonalräte wurde unter neuem
Namen wieder aufgenommen.
Landesweit Strukturen
schaffen
Wichtig ist nun, dass diese Doppelstruktur
aus Ansprechpersonen und SAPs in allen
Bezirken und für alle Schulformen eingerich-
tet wird. Denn es darf nicht sein, dass die
Rückendeckung und Unterstützung nach
erfahrener Gewalt im Dienst davon abhängt,
in welchem Bezirk und an welcher Schulform
man arbeitet!
Deshalb fordert
lehrer nrw
:
eine kontinuierliche Weiterarbeit der
AG Gewalt’ mit Vertreterinnen und
Vertretern der Hauptpersonalräte
sowie des MSB
konkrete Ansprechpersonen mit
juristischer Expertise für alle Schul-
formen in allen Bezirksregierungen
SAPs in allen Bezirksregierungen
Bitte
mitmachen!
Bitte helfen Sie mit, dass der Kampf
gegen Gewalt an Schulen Wirkung ent-
faltet. Das Plakat von
lehrer nrw
zum
Thema Gewalt gegen Schulbeschäftig-
te liegt dieser Ausgabe bei. Bitte hän-
gen Sie es an Ihrer Schule aus.
Gewalt gegen Lehrkräfte und anderes Schulpersonal
hat viele Facetten und kommt von vielen Seiten. Dies symbolisiert unser Plakat.
lehrer nrw ·
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10
PERSONALRÄTE
Bezirkspersonalrat Münster für Realschulen
Ein Bezirk, zwei Regionen
Z
Zunächst möchte ich mich kurz vor-
stellen: Mein Name ist Ingo Lürbke,
ich bin 56 Jahre alt, stellvertretender
Personalratsvorsitzender im Bezirksperso-
nalrat Realschule und wohne in Münster.
Bei den Personalratswahlen 2024 werde
ich als Spitzenkandidat für
lehrer nrw
an-
treten und hoffe, alle Beschäftigten dann
auch weiterhin gut beraten zu können.
Zu meiner täglichen Arbeit gehört es,
mich für alle Beschäftigten und Lehrkräfte
einzusetzen und deren Interessen gegen-
über der Bezirksregierung zu vertreten,
unabhängig von ihrer Tätigkeit oder ihrer
Position. Ich sehe mich als Bindeglied zwi-
schen den Beschäftigten und der Dienst-
stelle und engagiere mich dafür, dass die
Rechte und Belange aller Lehrkräfte und
Beschäftigten gewahrt bleiben. Hierbei ist
es mir besonders wichtig, die Personalfüh-
rungsqualitäten von Schulleitungen bzw.
die Kommunikationsfähigkeit von Kollegin-
nen und Kollegen zu fördern. Sachliche
Kommunikation und respektvoller Umgang
sind die Grundlage für ein erfolgrei-
ches Miteinander.
Eine Besonderheit in
unserer täglichen Ar-
beit stellt aktuell der
Unterschied zwi-
schen dem nördli-
chen Ruhrgebiet
und dem Münster-
land dar. Die Herausforderung ergibt sich
hier aus der unterschiedlichen Personal-
ausstattung. Auf der einen Seite ist das
Münsterland recht gut versorgt, auf der
anderen Seite hat das nördliche Ruhrge-
biet extreme Schwierigkeiten, ausrei-
chend Personal zu finden.
Landesweit versucht man
das Problem mit Hilfe
des Handlungskonzepts
zur Unterrichtsversor-
gung in den Griff zu bekommen. In einigen
Regionen klappt dies recht gut. Im Bezirk
Münster allerdings liegen oft größere Ent-
fernungen zwischen den unterschiedlich
ausgestatteten Schulen, so dass auch die
sogenannten »Kaskaden-Abordnungen«
nur schwer zum Erfolg führen. Hier liegt
also ein besonderes Augenmerk in unserer
täglichen Arbeit, für die Beschäftigten un-
terstützend und beratend tätig zu sein und
gegebenenfalls mit der Dienststelle nach
anderen Lösungen zu suchen. Die Zusam-
menarbeit ist hier gut, erfolgreich und auf
Augenhöhe.
Ebenfalls aktuell ist das Thema ‘Gewalt
gegen Lehrkräfte’. Hier können wir als
Erfolg vermelden, dass es seit diesem
Schuljahr eine konkrete Ansprechperson
bei der Bezirksregierung Münster gibt.
Eine weitere Aufgabe ist die Durchfüh-
rung einer Personalversammlung (PV).
Aktuell laufen die Vorbereitungen für die
nächste PV bereits. Dort haben Sie die Ge-
legenheit, sich über aktuelle Themen im
Bezirk zu informieren und in einen Aus-
tausch mit anderen Kolleginnen und Kolle-
gen zu kommen. Alle Personalratsmitglie-
der und Vertreter der Dienststelle werden
ebenfalls vor Ort sein.
Ingo Lürbke
Ingo Lürbke,
stellvertretender BPR-Vorsitzender
Foto: AdobeStock/SG-design
PERSONALRÄTE
11
6/2023 ·
lehrer nrw
M
Mein Name ist Nadja Nassowitz. Ich
bin 50 Jahre alt, Mutter zweier
Kinder und seit 25 Jahren als ver-
beamtete Lehrerin im Dienst. Mein Referen-
dariat absolvierte ich am Gymnasium Remi-
gianum in Borken. Meine erste Stelle als
Lehrerin (Sekundarstufe II/I) fand ich an der
bilingualen Elisabeth-von-Thüringen Real-
schule in Reken. Seit zehn Jahren unterrich-
te ich nun an der Sekundarschule Hohe
Mark im Kreis Borken, und ich nahm damals
am Schulformwechsel als Gründungsmit-
glied teil.
Ich wurde bei den Personalratswahlen
2020 als Spitzenkandidatin von
lehrer nrw
gleich bei der ersten Kandidatur direkt in
den Personalrat für Gesamtschulen, Sekun-
darschulen und Primusschulen bei der Be-
zirksregierung Münster gewählt. Als Perso-
nalrätin werde ich seither immer wieder mit
den verschiedensten Schwierigkeiten, Pro-
blemen und Fragen von Lehrkräften kon-
frontiert.
Die hohe Arbeitsdichte, der gleichzeitige
Lehrermangel und der gesellschaftliche
Wandel zeigen sich im Lehrberuf sehr deut-
lich. Die Probleme an den Schulen werden
größer und treten deutlicher hervor. Lehr-
kräfte treten daher mit den verschiedensten
Fragen an mich heran: Welche Handlungs-
möglichkeiten habe ich als Lehrkraft oder
Lehrerrat in verschiedensten Situationen
und Lebenslagen? Wer ist mein Ansprech-
partner bei der Bezirksregierung? Wie kann
ich in Teilzeit gehen? Wie ist die Vorgehens-
weise im BEM-Verfahren? Bei diesen und
weiteren Themen unterstütze ich gern und
begleite die Lehrkräfte.
Ferner nehme ich wöchentlich an Sitzun-
gen des Personalrats in den Räumen der Be-
zirksregierung Münster teil. Als einzige Ver-
treterin von
lehrer nrw
spreche ich mich mit
den Mitgliedern der anderen Fraktionen im-
mer wieder ab, um gute Ergebnisse zum
Beispiel bei der Besprechung und Beratung
von Einzelfällen zu gewährleisten, auch um
diverse Maßnahmen von Stellenausschrei-
bungen, Einstellungen, Abordnungen, Ver-
setzungen, Kündigungen usw. zu bespre-
chen und zu entscheiden.
Da mir diese Tätigkeit viel Freude bereitet,
werde ich mich 2024 erneut für Sie zur Wahl
stellen. Ich möchte mich stark machen für
Ihre Belange und bitte um Ihre Stimme, da-
mit ich weiterhin Ihre Ansprechpartnerin im
Lehrkräftealltag sein kann.
Nadja Nassowitz
Bezirkspersonalrat Münster für Gesamt- und Sekundarschulen
Ihre Ansprechpartnerin im Berufsalltag
Nadja Nassowitz, BPR-Mitglied
PERSONALRATSWAHLEN 2024
Im kommenden Jahr finden wieder die Personalratswahlen statt. Zur
Einstimmung auf diese wichtige Wahl berichtet
lehrer nrw
in einer klei-
nen Serie über die Arbeit der Personalräte auf Bezirks- und Landesebene,
in denen
lehrer nrw
vertreten ist. Diesmal sind die beiden Spitzen-
kandidaten der Münsteraner Bezirkspersonalräte für Realschulen
sowie für Gesamt- und Sekundarschulen an der Reihe.
Nicht nur in puncto Nachhaltigkeit zukunftsweisend: Der Klima-Campus
Lichtenau erfüllt – und übertrifft – modernste energetische und pädagogische Standards.
Foto: Stadt Lichtenau
lehrer nrw ·
6/2023
12
TITEL
Ideales Schul-Klima
J
Jetzt wollen die gar nicht mehr nach
Hause.« Diese halb belustigte, halb
besorgte Feststellung entfährt einem
schwer beeindruckten Vater beim Info-
Rundgang durch das neue Lerndomizil sei-
ner Sprösslinge. In der Tat: Was in Lichtenau
im Kreis Paderborn in rund dreijähriger Bau-
zeit entstanden ist, ist weit mehr als nur ein
renoviertes Schulgebäude. Das Areal der
Realschule ist in einem beispielhaften Mo-
dellprojekt zum ‘Klima-Campus’ Lichtenau
geworden. Die Schule spart ab sofort 250
Tonnen CO2 pro Jahr. Die Strom- und Wärme-
versorgung kann komplett über regenerative
Energien gedeckt werden. Photovoltaik-An-
lagen auf dem Sporthallendach, Windkraft
aus dem nahegelegenen Windpark und ein
innovativer Eisspeicher zum Heizen und Küh-
len machen es möglich. Auch das Campus-
umfeld ist in das Konzept einbezogen, zum
Beispiel durch ein ‘grünes Klassenzimmer’
unter freiem Himmel, das Neugier und Ent-
deckergeist der Schülerinnen und Schüler
fördert. Außerdem im Angebot: E-Mofas für
die Verkehrserziehung und ein E-Jugendmo-
bil für Schule und Vereine – natürlich inklusi-
ve der notwendigen Ladeinfrastruktur.
Klimaneutrale Schule
der Zukunft
Für so viel Vorbildcharakter gab es Lob von
ganz oben: »Der Klima-Campus Lichtenau
zeigt, wie die klimaneutrale Schule der Zu-
Das Gebäude der Realschule Lichtenau
wurde vor der Sanierung komplett entkernt.
Foto: Stadt Lichtenau
Auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft hat die Energiestadt
Lichtenau einen Meilenstein gesetzt. Die energetische Sanierung
der städtischen Realschule als Herzstück eines neu geschaffenen
‘Klima-Campus’ hat in vielerlei Hinsicht Leuchtturm-Charakter.
TITEL
13
6/2023 ·
lehrer nrw
kunft aussieht. Hier werden Klimaschutz,
Klimafolgenanpassung und Klimabildung
zusammengebracht«, erklärte NRW-Wirt-
schafts- und Klimaschutzministerin Mona
Neubaur bei der Eröffnungsfeier am 11. Au-
gust. Das vom Land Nordrhein-Westfalen
und der Europäischen Union mit insgesamt
8,3 Millionen Euro geförderte Projekt ver-
bindet Klimaschutz mit modernsten techni-
schen Ansprüchen, zeitgemäßer Schularchi-
tektur und innovativer Pädagogik.
»Viel Herzblut«
»Schule und Stadt haben bei der Planung
und Umsetzung des Projekts eng zusam-
mengearbeitet«, betont Isabell Wulf vom
städtischen Amt für Stadtentwicklung,
Bauen & Wohnen und Digitalisierung. »Die
Realschule ist die größte Liegenschaft un-
serer Stadt. Da steckt viel Herzblut drin.«
(Nebenbei bemerkt: Welche Schule kann
das schon von ihrem Schulträger behaup-
ten?) Letztlich ist der Klima-Campus nur
die konsequente Fortsetzung des Weges,
den die Stadt eingeschlagen hat. Der weist
schnurstracks Richtung Nachhaltigkeit:
Unter anderem stehen in Lichtenau inzwi-
schen 187 Windkraftanlagen, die jährlich
900 Gigawatt umweltfreundlichen Wind-
strom erzeugen. Das ist die zehnfache
Menge dessen, was die 10 500 Einwohner
verbrauchen. Nicht von ungefähr und mit
einigem Stolz nennt sich Lichtenau deshalb
‘Energiestadt’.
Heizen und kühlen
mit dem Eisspeicher
Diesem Ruf wird sie mit dem Leuchtturm-
projekt Klima-Campus eindrucksvoll ge-
recht. Eines der technischen Highlights ist
der Eisspeicher. Ein riesiger unterirdischer
Wassertank wird im Winter zum Heizen
des Schulgebäudes genutzt, indem dem
Wasser mittels einer Wärmepumpe Wärme
entzogen wird. Das Wasser wird damit käl-
ter und gefriert im Laufe des Winters zu
Eis, wobei die dabei entstehende Kristalli-
sationsenergie zusätzlich zur Wärmeerzeu-
gung genutzt wird. Im Sommer wird das
Eis dann zur Kühlung der Räume genutzt.
Das Eis schmilzt in diesem Prozess lang-
sam, und das Wasser wird wieder mit neu-
er Wärmeenergie für den Winter aufgela-
den.
Schul-Ausstattung auf
höchstem Niveau
Bei aller Begeisterung über die technischen
Errungenschaften des Klima-Campus: Im
Mittelpunkt stehen natürlich die rund vier-
hundert Schülerinnen und Schüler sowie die
42 Lehrkräfte, die in einem nicht nur in ener-
getischer Hinsicht zukunftsweisenden Schul-
gebäude lernen und lehren können. Katja
Paul, Lehrerin an der Realschule Lichtenau,
ist begeistert von ihrem neuen Arbeitsplatz.
Multifunktional nutzbare Lernlandschaften
und Lernzonen mit lockerer Möblierung, zum
Beispiel Trapeztischen oder Sitzsäcken, set-
zen Kontrapunkte zu den eher funktional
ausgelegten Klassen- und Fachräumen. De-
ren technische Ausstattung bewegt sich auf
höchstem Niveau – von der automatischen
Steuerung des Raumklimas über Senso-
INFO
Fördermittel von EU, Land NRW und NRW-Bank
Gefördert wurde das Projekt Klima-Campus durch Zuwendungen des Landes Nordrhein-
Westfalen unter Einsatz von Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwick-
lung (EFRE) in Höhe von 8,3 Millionen Euro. Die Stadt Lichtenau hatte sich 2018 erfolg-
reich auf den Projektaufruf KommunalerKlimaschutz.NRW beworben. Eine Jury hat das
Projekt als eines von 25 vorbildlichen kommunalen Klimaschutzprojekten ausge-
wählt. Insgesamt haben das Land Nordrhein-Westfalen und die Europäische Union
die Kommunen mit rund 150 Millionen Euro für integrierte Klimaschutzprojekte unter-
stützt. Zusätzlich erhielt die Stadt Lichtenau mehrere Förderdarlehen der NRW.Bank
in Höhe von insgesamt rund 13,3 Millionen Euro.
Multifunktional nutzbare Lernzonen und Lernlandschaften sind Teil des pädagogischen Konzepts.
Sie setzen Kontrapunkte zu den eher funktional ausgelegten Klassen- und Fachräumen.
Fotos: Anja Ebner
lehrer nrw ·
6/2023
14
TITEL
D
Das NRW-Schulministerium und die Ar-
chitektenkammer Nordrhein-Westfalen
haben am 11. September zum vierten Mal
den ‘Schulbaupreis NRW’ verliehen. 63
neue, umgebaute und erweiterte Schulge-
bäude waren zu dem Auszeichnungsverfah-
ren eingereicht worden. Unter ihnen wählte
eine unabhängige Fachjury unter Vorsitz der
Berliner Architektin Prof. Ulrike Lauber zehn
Schulen als gleichrangige Preisträger aus.
Schulministerin Dorothee Feller hob die
Bedeutung guter Schulbauten hervor: »Es
ist sehr wichtig, dass sich Schülerinnen und
Schüler, die Lehrkräfte sowie alle am Schul-
leben Beteiligten in ihrem Arbeitsumfeld
wohlfühlen. Die ausgezeichneten Schulbau-
ten helfen dabei, eine positive Lernatmo-
sphäre zu schaffen, und unterstützen ein er-
folgreiches Lernen und Lehren.« Der Präsi-
dent der Architektenkammer NRW, Ernst
Uhing, betonte, dass Schule heute nicht nur
Lern- und Lebensort für Kinder und Jugend-
liche sei, sondern zunehmend auch soziale
und ökologische Funktionen für den jeweili-
gen Stadtteil übernehme: »Die Gebäude öff-
nen sich zunehmend für außerschulische
Zwecke, die Außenflächengestaltung trägt
zur Lebensqualität im Stadtteil bei.« Die mit
dem ‘Schulbaupreis NRW 2023’ ausgezeich-
neten zehn Schulen umfassen alle Schulfor-
men und verteilen sich über das ganze Land
Nordrhein-Westfalen. Im Einzelnen:
Hennef:
Carl-Reuther-Berufskolleg Hennef
(CRBK) (Umbau und Aufstockung)
Ibbenbüren:
Berufskolleg Tecklenburger Land
des Kreises Steinfurt in Ibbenbüren
(Sanierung)
Köln:
Offene Schule Köln (Neubau)
Köln:
BAN Bildungslandschaft Altstadt Nord
(Neubau und Sanierung)
Köln:
Willy-Brandt-Gesamtschule (Neubau)
Köln-Rodenkirchen:
EMAnuel-Schule (Neubau)
Münster:
Grundschule Wolbeck-Nord (Neubau)
Paderborn:
Grundschule St. Michael (Neubau)
Velbert:
Grundschule Bleibergquelle (Neubau)
Wuppertal:
BOB CAMPUS Wuppertal-Oberbarmen,
Realschule integriert (Umnutzung)
Schulbaupreis NRW verliehen
Der BOB CAMPUS mit integrierter Realschule in Wuppertal-Oberbarmen gehört zu den
zehn ausgezeichneten Schulen. »Das auf zwei Etagen in eine ehemalige Textilfabrik integrierte Lernclus-
ter der Max-Planck-Realschule bietet nicht nur spannende Orte für individuelles Lernen, Projekt- und
Gruppenarbeit. Durch die Verzahnung mit Nachbarschaftsetage, Viertelküche, Kita, Stadtteilbibliothek
und Bürolofts werden gleichermaßen auch Einblicke in vielfältige reale Lebens- und Arbeitswelten er-
möglicht und so das gegenseitige Verständnis gefördert«, heißt es in der Jurybegründung.
ren, die auf Raumtemperatur, Luftquali-
tät und Sonneneinstrahlung reagieren
und entsprechend Lüftung und Verschat-
tung aktivieren, bis hin zum leistungs-
starken WLAN-Netz, das eine ruckelfreie
Nutzung der Schul-iPads gewährleistet.
Gedacht wurde sogar an einen Lehrer-
Ruheraum, in den sich die Kolleginnen
und Kollegen zum Beispiel in einer Frei-
stunde zurückziehen können.
Nachhaltigkeit wird im
Schulalltag gelebt
Auch inhaltlich greift die Realschule
Lichtenau das im Klima-Campus herr-
schende Leitmotiv Nachhaltigkeit auf. So
wurde ein neues Lernformat für Bildung
für Nachhaltige Entwicklung (BNE) ein-
geführt – der FREI DAY. Drei Schulstun-
den pro Woche bekommen die Schüle-
rinnen und Schüler Zeit, um am FREI
DAY eigene Projektideen zu einem Nach-
haltigkeitsziel, das ihnen besonders am
Herzen liegt, zu entwickeln. Die Projekte
werden anschließend in (klassenüber-
greifenden) Teams in der Schule, in der
Nachbarschaft oder der Gemeinde um-
gesetzt. Dafür vernetzen sich die Schüle-
rinnen und Schüler gegebenenfalls mit
außerschulischen Partnern oder Institu-
tionen oder nehmen Kontakt zu Ent-
scheidungsträgerinnen und -trägern auf,
um nicht-nachhaltige Strukturen nach-
haltig zu verändern. Die Projektarbeit
wird wöchentlich besprochen, und abge-
schlossene Projekte werden in einem
größeren Rahmen präsentiert, beispiels-
weise in einer Vollversammlung oder in
einer Vorstellung in der Gemeinde. »Das
Konzept des Klima-Campus wird in un-
serer Schule gelebt«, unterstreicht Katja
Paul.
Nebeneffekt all dessen: »Die Schul-
gemeinschaft ist dank des stimmigen
pädagogischen und architektonischen
Nachhaltigkeits-Konzepts und seiner ex-
zellenten Umsetzung noch enger zusam-
mengerückt«, hebt Katja Paul hervor.
Kurzum: Es herrscht ein ideales Schul-
Klima. Jochen Smets
Foto: Jens Willebrand
‘Schwierige’ Schüler
Wer sie versteht, kann ihnen helfen1
Der Aggressive,
der Aufsässige,
der Destruktive,
der Klassenclown:
‘Schwierige’ Schüler
haben viele Gesichter.
Es kann lohnend sein, sich
auf sie einzulassen, statt
sie zu bekämpfen.
15
6/2023 · lehrer nrw
von MICHAEL FELTEN
Unterrichten, das ist eigentlich herrliche Arbeit –
allerdings auch eine fordernde. Und auf Dauer
kann sie Lehrkräfte hochgradig belasten –
wenn diese auf Schüler2 stoßen, die ihnen immer wie-
der einen Strich durch die Planung machen, die stän-
dig die Klasse aufmischen, den Lehrer andauernd
provozieren. ‘Schwierige Schüler können zu spontanen
Reaktionen verleiten, die uns im Nachhinein erschre-
cken, sie können uns an unsere Grenzen führen, ja
überfordern – und nicht wenige Pädagogen geben ih-
retwegen den eigentlich geliebten Beruf vorzeitig auf.
Dabei sollte in einer Schulklasse keineswegs Friedhofs-
ruhe herrschen. Eine gewisse Lebendigkeit, eine auf-
und abschwellende Unruhe, Störungen aller Art gehö-
ren zum Geschäft, sind ein Stück weit normal.
Qualifiziert unterrichten, sensibel das fachliche Ler-
nen begleiten, das haben Lehrkräfte gelernt. Heikler
sieht es hingegen aus, wenn es um die Fähigkeit geht,
problematische Entwicklungsverläufe bei Kindern rich-
tig einzuordnen und konstruktiv zu beeinflussen. Sol-
ches Können erwirbt man bislang in Studium und Leh-
rerausbildung eher selten. Aber – Stichwort best practi-
ce – man kann viel lernen von Pädagogen, die mal
mit diesem, mal mit jenem ‘schwierigen’ Schüler tat-
sächlich zurechtgekommen sind. Die ihn aufgefangen,
seinem Lernen, ja vielleicht seinem Leben eine günsti-
gere Richtung gegeben haben. Denen das womöglich
sogar häufiger gelang. Ihre individuellen Analysen
und konkreten Auswege beinhalten eine ermutigende
Botschaft: Was bei denen geklappt hat, könnte bei mir
ja auch funktionieren! Was heute im eigenen Unterricht
noch Probleme macht, lässt sich zukünftig in den Griff
bekommen! Auch ich kann ein Händchen für Störun-
gen entwickeln!
Im Folgenden geht es nur um einzelne ‘schwierige
Kinder, nicht um chaotische Klassen – das wäre
Foto: AdobeStock/Mirrorstudio
ein eigenes Thema3. Zwar gibt es kein Einheitsverfahren,
mit ‘schwierigen’ Schülern umzugehen. Gleichwohl lassen
sich aus den Beispielen konkreten Gelingens wesentliche
Grundzüge für den Umgang mit chronischen Schwierigkei-
ten, Störungen, Blockaden im Unterricht destillieren. Dazu
zunächst ein gut dokumentierter Fall aus der Literatur.
Ein destruktiver Typ?
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg: Der junge Pädagoge
findet in der neu übernommenen sechsten Klasse den Sc-
ler Max4 vor. Der Junge stiftet überall Unruhe und Streit, be-
kommt Wutanfälle, zerstört Materialien seiner Mitschüler.
Weder mit Nachsicht noch mit Mahnungen oder Drohun-
gen ist ihm beizukommen, und nach einer brutalen Attacke
auf eine Dreijährige sieht der Novize sein Konzept der Güte
gescheitert. Aber auch der Griff zum Rohrstock hinterlässt
nicht mehr als mörderisches Geschrei.
Der hinzugerufene Schulberater meint, es müsse einen
Grund geben, warum dieses Kind derart große Nachteile
für sich selbst in Kauf nimmt, ja geradezu herausfordert. Der
Lehrer findet durch sorgfältige Recherche heraus, dass Max
in jungen Jahren schwächlich und kränklich war. Er ist das
jüngere von zwei unehelichen Kindern (damals eine Schan-
de), seine Mutter musste beide Jungen kurz nach der Ge-
burt weggeben, die Pflegemutter zog den Älteren massiv
vor. Der Lehrer versucht sich vorzustellen, wie Max diese
Mischung aus Verunsicherung, Entbehrung und Benachtei-
ligung erlebt haben muss; er kann jedenfalls in seinen ers-
ten Lebensjahren kein freundliches Bild von der Welt erwor-
ben haben. Als er sechs ist, heiratet die Mutter zwar, er kann
zurück nach Hause. Die Ehe verläuft aber unglücklich, die
Mutter verbündet sich mit ihm gegen den Vater – und be-
stärkt ihn in dem Gefühl, dass man niemandem trauen kön-
ne, dass man anderen Menschen nur mit größtem Misstrau-
en begegnen dürfe. In einem solchen Zustand kann man
natürlich nicht unbeschwert lernen, es kommt zu Misserfol-
gen, Bloßstellungen, Demütigungen, Strafen – Max’ Selbst-
gefühl leidet weiter. Aber niemand erträgt auf Dauer das
Gefühl, immer und überall der Dumme, der Unfähige, der
Unbrauchbare zu sein. So verlegt Max sich statt aufs Mittun
auf Gegnerschaft, er plagt Schwächere und kämpft mit Stär-
keren, auch mit dem Lehrer. Und alle Strafen haben nur ei-
nen Effekt: Sie bestätigen Max in seinem Erleben.
Behutsam zum Erfolg
Der Lehrer richtet nun zunächst eine Schonzeit für den Jun-
gen ein – er stellt also kaum kognitive Anforderungen an
ihn, will vorerst nicht weiter an seinem Minderwertigkeitsge-
fühl kratzen. Sodann findet er eine (damals höchst ehrenvol-
le) Aufgabe für Max: Er bietet ihm an, täglich das Rad des
Lehrers in den Keller zu bringen und wieder herauszuholen.
Schließlich beginnt er behutsam, Max’ Stofflücken zu füllen
– in einigen Pausen oder nach dem Unterricht. Und als Max
einmal länger ins Krankenhaus muss, gelingt es ihm, die
Klasse – dem Plagegeist Max gegenüber eigentlich skep-
tisch eingestellt – als Überbrückungshelfer zu gewinnen:
Abwechselnd besuchen die Mitschüler Max zu zweit und
berichten ihm vom Unterricht, sprechen mit ihm Aufgaben
durch, bringen bisweilen gar Geschenke mit, über Monate.
Nach etwa einem Jahr hat sich Max so weit beruhigt und
gefestigt, dass er probeweise in die nächste Klasse aufrü-
cken kann. Im folgenden Schuljahr wird er als »nett, fleißig
und anständig« beschrieben. Und auch der nachfolgende
Lehrer, ein eher straffer und unpersönlicher Typ, findet kei-
nen Grund zur Klage.
Was ist da geschehen? Max ist weder mit Reflexionsbögen
überfordert noch mit Smileys bestochen worden – und es
wurde auch keine zeitfressende, womöglich frontenverhär-
tende Disziplinarkonferenz einberufen. Stattdessen hat sein
Lehrer versucht, die Welt mit den Augen des Störenfrieds zu
sehen, das provokante und aggressive Verhalten tiefenpsy-
chologisch einzuschätzen – nämlich als nicht böse, sondern
als Akt der Sicherung, eigentlich nachvollziehbar zielstrebig:
An seiner Stelle hätte ich vielleicht ebenso gehandelt. Der
Lehrer wagte es sodann, trotz Max’ starker Affekte an den
richtigen Stellen fürsorglich zu reagieren – nur so vermochte
der Junge von seinem bisherigen Muster abzulassen und
sich sinnvoller als gewohnt zu verhalten. Über längere Zeit
und mit steigender Anforderung konnte sich dann ein neues
Bewältigungsmuster einschleifen – nicht per Belohnung
oder Strafe, sondern durch psychologische Deutung, päda-
gogische Führung und soziale Gewöhnung.
Individualpsychologie –
Perspektive mit Optimismus…
Im Reclam-Band berichte ich ausführlicher von sechs
weiteren Fällen, in denen auffällige Jungen und ein Mäd-
chen dank kundiger Hilfe ihrer Lehrer damals die Kurve
kriegten5. Ein scheinbar geistig behindertes Kind; ein Jun-
ge, der sich mit Diebstählen tröstet; ein Mädchen, das
dank familiär erlebter Härte jeden menschlichen Kontakt
als Totalangriff erlebt; ein kleiner Plager, der mit seinen
Launen seine Ermutigung im Lernen kaschiert; ein Muster-
knabe, der mühsam lernen muss, Fehler machen zu dür-
fen; schließlich ein Schulschwänzer, mit Gründen. In all
diesen Fällen haben die Lehrer das problematische Ver-
halten der Schüler nicht als Störung gesehen, diese wo-
möglich bekämpft und dadurch sich und den Schüler in
einen unheilvollen Teufelskreis verstrickt. Sie haben das
Problem vielmehr als Symptom angesehen, als Ausdruck
einer tieferliegenden seelischen Not. Sie haben gespürt
oder verstanden, dass das Kind sich mit seinem Verhalten
16 6/2023 · lehrer nrw
eine innere Sicherung verschafft, dass sein Auftreten
einen subjektiven Sinn hat (Analyse). Und sie waren
überzeugt, dass jedes ‘schwierige Kind über unter-
entwickelte Potenziale verfügt.
Deshalb erkundeten die Lehrer die familiäre Vorge-
schichte dieses Sorgenkindes. Je klarer sie nämlich sei-
nen jeweiligen Lebensstil erfassten, umso präziser konn-
ten sie ihm dabei helfen, seine Energien umzulenken
(Intervention) – indem sie feinfühlig seine Stärken auf-
griffen und es bei ungewohnten Schritten ermutigend
begleiteten. Hierbei spielte eine wichtige Rolle: die Bin-
dung an den Lehrer, das Einbeziehen der Klasse, eine
Mitwirkung der Eltern. Ob also auffälliges Verhalten
oder besondere Lernprobleme: Die Schüler wurden
nicht mit einer pauschalen Etikettierung versehen –
und so womöglich anhaltend pathologisiert. Ihre Lehrer
bemühten sich vielmehr, einen subjektiven Sinn des
kindlichen Verhaltens zu entdecken; sodann suchten
sie besondere Fähigkeiten des Kindes und setzten an
diesen an – und halfen ihm dabei, neue Wege zu be-
schreiten, sich konstruktives Verhalten anzugewöhnen.
...auch heute höchst aktuell
Solche Bildungswenden waren nicht nur früher mög-
lich. Ich habe aktuelle Berichte von Lehrkräften zusam-
mengetragen, die zeigen, wie hilfreich individualpsy-
chologisches Denken6 auch im heutigen Schulalltag
sein kann. Und dass es dazu nicht aufwändiger Mehr-
arbeit bedarf, sondern vor allem eine adäquate Sicht-
weise kindlicher Entwicklung braucht – quasi die »rich-
tige pädagogische Brille«.
Da ist etwa der Hauptschüler Justus, 5. Klasse; er ar-
beitet zwar mit, wirkt aber extrem angespannt, und sei-
ne schriftlichen Leistungen sind weit unterdurchschnitt-
lich. Auf Befragen meint er spontan und überzeugt:
»Ja wissen Sie, meine Gehirnhälften passen nicht zu-
sammen!« Er hat also einen dieser Neuromythen auf-
geschnappt. Die Lehrerin will genauer wissen, warum
Justus sich beim Lernen so schwertut. Sie findet heraus,
dass er zu Hause keine einfache Situation hat, bezie-
hungsmäßig betrachtet: Er ist das mittlere Kind zwi-
schen zwei Schwestern – vor sich hat er also jemanden,
der meist alles besser kann als er selbst; nach ihm
kommt ein Mädchen, das ihn als Nesthäkchen ent-
thront hat, sie soll wie die große Schwester künftig ins
Gymnasium gehen. Nicht selten arrangieren sich Kin-
der in einer solchen Sandwich-Position mit einer be-
scheidenen Rolle. Eine externe Erklärung ist dann ent-
lastend und stabilisierend zugleich.
Tiefe Entmutigung ist also sein Zentralproblem, des-
halb versucht die Lehrerin, sein Selbstbild zu stärken –
indem sie ihm etwa bei Gruppenarbeiten deutlich
macht, was er selbst zum Ganzen beigetragen hat.
Positive Erlebnisse in der Klasse sowie Aufgaben mit
konkreten und verlässlichen Hilfestellungen bescheren
ihm zunehmend auch bei schriftlichen Arbeiten Erfol-
ge. Im Laufe der Klasse 5 zeigt sich ansatzweise eine
Normalisierung seiner Leistungen, in der 6. Klasse ver-
bessern sie sich weiter. Er kann schließlich sogar zur
Realschule aufsteigen und entwickelt sich dort gut.
Oder nehmen wir die Förderschülerin Sera. Sie wird
in Klasse 5 inklusiv unterrichtet, ist entwicklungsverzö-
gert in nahezu allen Bereichen, besondere Schwierig-
keiten hat sie in Mathe, da wird sie richtig wütend. Ihre
Sonderpädagogin – bei entsprechender Schulung und
Entlastung wären auch Regellehrer dazu in der Lage –
vermutet, dass das Mädchen in ihrer aufstiegsorientier-
ten Familie bereits als Kleinkind irgendwie mutlos ge-
worden sein muss – und mittlerweile über ihr eigenes
Nicht-Können tief gekränkt ist. Vielleicht hatte sie nach
der Geburt ihrer nächstjüngeren Schwester den Ein-
druck, zu wenig elterliche Aufmerksamkeit und Unter-
stützung zu bekommen. Oder die vier Jahre ältere
Schwester hat sie schon früh derart beeindruckt, dass
sie selbst sich immer als die Unfähigere erlebte. Jetzt ist
sie zehn und hat in kognitiver Hinsicht weitgehend
aufgegeben, ihr schlechtes Selbstbild scheint betoniert.
Aber vielleicht ließe sich das doch auflockern?
In vielen behutsam geführten, auch aufdeckenden
Gesprächen und in feinfühlig dosierten, ermutigend
angelegten Arbeitsphasen, auch durch Elterngesprä-
che und den Einbezug der großen Schwester, fasst
17
6/2023 · lehrer nrw
Michael Felten, geboren 1951, hat 35 Jahre Ma-
thematik und Kunst an einem Gymnasium in
Köln unterrichtet. Er publiziert zu Bildungsfragen
und arbeitet als freier Schulentwicklungsberater
und Lehrercoach. Felten ist Mitbegründer der
Initiative Bildung NRW – da geht doch mehr!
https://bildung-nrw-da-geht-doch-mehr.info/
DER AUTOR
18 6/2023 · lehrer nrw
Sera neuen Mut und kann sich immer öfter auf Matheauf-
gaben einlassen. Mit der Zeit kann sie sich auch vorstellen,
der Schwester nachzueifern, zudem hat sie akzeptiert, dass
sie dafür hart arbeiten muss.
Vom Klassenclown zum Abiturienten
Schließlich noch ein Blick auf den Gymnasiasten Martin,
der nicht erst in der zehn hauptsächlich den Clown spielt. Er
kennt immer die neuesten Witze, hat die Lacher stets auf sei-
ner Seite, macht allen Lehrern einen Strich durch die Unter-
richtsplanung. So musste er schon die siebte Klasse wieder-
holen, die nächsten Versetzungen gab es nur mit Nachprü-
fung, und nun drohen fünf Fünfen. Der Lehrer fragt sich, was
eigentlich in dem Jungen vorgeht. Martin ist nämlich ei-
gentlich ein hellwacher, interessierter Junge. Aber beim Ler-
nen fühlt er sich – hinter der johlenden, witzelnden Fassade
– schnell verunsichert, vor allem im Vergleich mit anderen.
Als Einzelkind war er lange »der Kleine«, die Eltern verhät-
schelten ihn – und überfrachteten ihn zugleich mit hohen
Erwartungen. Die Pubertät hatte Martin einen verhängnis-
vollen Ausweg eröffnet: Durch Jux und Verweigerung be-
kam er viel leichter Aufmerksamkeit als durch eifriges Ler-
nen und Anstrengung.
Martins Ausweichen hatte ihm bisher nur Mahnungen
eingehandelt – sowie einige Selbstreflexionsbögen, für eine
Besserung à la Münchhausen. Aber noch niemand hatte
ihn nachhaltig ermutigt oder ernsthaft zur Verantwortung
gezogen. In Absprache mit den Eltern eröffnen der Schul-
psychologe und ich dem verblüfften Jungen: Es stehe ihm
frei, so weiterzumachen wie bisher, seine Pflichtschulzeit sei
dann im Sommer zu Ende, ohne Abschluss. Gleichzeitig ma-
chen wir ihm aber klar, dass er viel mehr könne, als er bis-
lang wohl angenommen habe – das hätten Tests gezeigt.
Allerdings habe er sich große Stofflücken eingehandelt –
und an eine ungünstige Arbeitshaltung gewöhnt.
Dann schlagen wir ihm ein atemberaubendes Experi-
ment vor: Ab sofort soll er täglich seine Hausaufgaben erle-
digen, und zwar unter Aufsicht oder mit spezieller Kontrolle
durch die Schule. Auch für die Wochenenden erhält er Ar-
beitspensen, um seine Wissenslücken aufzufüllen. Gleich-
zeitig bieten wir ihm und den Eltern begleitende Gespräche
an. Und tatsächlich: Plötzlich lernt Martin unermüdlich. An-
gesichts des beziehungsmäßigen Eingebundenseins – und
weil es aus eigener Entscheidung geschieht – kann er seine
eigentlich unbändigen jugendlichen Energien umlenken,
vom Quatschmachen ins Aufholen. Innerhalb weniger Mo-
nate schafft er knapp die Versetzung in die Oberstufe. Und
drei Jahre später – die Berater hatten ihre Unterstützung all-
mählich reduziert – gelingt ihm das Abitur. Anders als viele
Altersgenossen hat er ein klares Berufsziel: pädagogischer
Spezialist für ‘schwierige’ Schüler.
Psychologie im Alltag –
keine Mehrarbeit, sondern Erleichterung
Nicht immer reicht die Zeit, um die Vorgeschichte eines
schwierigen Verhaltens hinreichend auszuleuchten. Aber je
mehr Fälle man bereits erlebt und/oder gedanklich durch-
gearbeitet hat, je präziser die eigene diagnostische Brille ist,
umso eher erfasst man eine Problemlage auch ohne viel Zu-
satzinformationen – und trifft einen Ton, der die ungünstige
Haltung abschwächt, gar korrigiert, ohne den jungen Men-
schen zu verschrecken. Auch dazu habe ich zahlreiche Bei-
spiele gesammelt: Sascha, der lange mit seiner Lehrerin kein
Wort sprach; Marvin, der das Lernen nur mit großer Lustlosig-
keit erledigte; Ulli, der alle mit seinem ständigen Reinrufen
fertig machte; Gesine, die immer nur beleidigt war; Lenny,
dem außer Streiken und Hänseln nichts einfiel; oder auch
Peter, der sich im Praktikum als der große Verweigerer gab.
Schüler mit größeren Lernschwierigkeiten und Verhaltens-
problemen stehen entweder in akuten Beziehungskonflikten
in Familie oder Peergroup – oder sie haben in den ersten Le-
bensjahren ein irrtümliches Selbstbild samt ungünstiger inne-
rer Zielsetzung entwickelt, und diese ist bislang nicht erkannt
worden. Erst recht hat man die Betreffenden bis dahin nicht
aus ihrer Verstrickung herausgeführt, sondern diese entweder
vor lauter Selbstlerneuphorie übersehen – oder mit den Kin-
dern gekämpft, sie vielleicht gar aufgegeben. Dass man auch
schwere schulische Probleme abschwächen, ja auflösen
kann, indem man sie von der Dynamik des einzelnen Kindes
her betrachtet und angeht, ist wesentliches Verdienst der von
Freuds frühem Kollegen Alfred Adler begründeten Individual-
psychologie. Sie wird in Schule noch viel zu selten genutzt7.
1 Dieser Text ist eine Kurzfassung des gleichnamigen Reclam-Bandes (Ditzingen 2023).
2 Begriffe wie »Lehrer« und »Schüler« werden funktional verwendet.
Gemeint sind stets Angehörige aller Identitäten.
3 vgl. Unterricht ist Beziehungssache
4 Genauer in: Simon 1951/2015. Link zur full story:
docplayer.org/130902787-Alfonssimon-verstehen-und-helfen.html
5 Alfons Simon. Verstehen und Helfen. München 1951. Reprint: Meilen 2015.
6 Gemeint ist die von Alfred Adler (1870 bis 1937) ausgearbeitete Individualpsychologie,
der am stärksten pädagogisch fokussierte tiefenpsychologische Ansatz.
http://alfred-adler-panorama.info/praxis/
7 Der Autor bietet dazu kollegiale Weiterbildung sowie individuelles Coaching an:
https://eltern-lehrer-fragen.de/FortbildungBeratung/
Michael Felten:
‘Schwierige’ Schüler. Wer sie
versteht, kann ihnen helfen
Reclam Bildung und Unterricht
Originalausgabe, 120 Seiten
ISBN: 978-3-15-014361-2
6,80 Euro (inkl. MwSt.,
ggf. zzgl. Versandkosten)
INFO
SCHULE & POLITIK
Glossar für Fachkräfte
im Multiprofessionellen Team
M
Multiprofessionelle Teams sind aus den Schulen in Nordrhein-Westfalen
nicht mehr wegzudenken. Sie leisten wertvolle Unterstützung im Schul-
alltag und tragen zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags sowie
zur sozialen und kulturellen Integration aller Schülerinnen und Schüler bei.
Welche Aufgaben MPT-Kräfte haben und was dabei in fachlicher, organisatori-
scher und dienstrechtlicher Hinsicht zu beachten ist, fasst die neue
lehrer nrw
-
Broschüre ‘Fachkraft im Multiprofessionellen Team’ kompakt, informativ und
anschaulich zusammen. Für tiefergreifende Fragen, die über das Glossar hinaus-
gehen, steht das Team von
lehrer nrw
gern zur Verfügung. Ansprechpartnerin-
nen und -partner sowie Kontaktmöglichkeiten finden sich ebenfalls in der
Broschüre. Sie kann auf der Website von
lehrer nrw
kostenlos heruntergela-
den werden.
DOWNLOAD
www.lehrernrw.de/2023/08/28/glossar-
fachkraft-im-multiprofessionellen-team/
lehrer nrw ·
6/2023
20
SCHULE & POLITIK
Wer qualifiziertes, motiviertes Lehr- und Schulpersonal
will, muss für einen attraktiven Arbeitsplatz und eine
faire Bezahlung sorgen.
I
In der Lehrkräfte-Entgeltordnung (TV
EntgO-L) ist im Jahr 2015 eine Systema-
tik entwickelt worden, nach der eine
tarifbeschäftigte Lehrkraft in der Entgelt-
gruppe eingruppiert wird, »die der beim
Arbeitgeber geltenden Besoldungsgruppe
entspricht, in welche sie eingestuft wäre,
wenn sie unter Zugrundelegung ihrer fachli-
chen und pädagogischen Voraussetzungen
im Beamtenverhältnis stünde«.
Nur dieser Systematik ist es zu verdanken,
dass die Anhebung der Eingangsbesoldung
von A 12 auf A 13 an Schulen der Primar-
stufe und der Sekundarstufe I den Tarifau-
tomatismus nach sich zieht, dass Lehrkräf-
te, die bisher nach EG 11 bezahlt wurden,
künftig nach EG 13 bezahlt werden. Im al-
ten TV-L, den die Entgeltordnung abgelöst
hat, hat es eine solche Zuordnung nicht
gegeben. Mit anderen Worten: Ohne TV
EntgO-L hätten tarifbeschäftigte Lehrkräfte
wahrscheinlich nicht von der Besoldungs-
anhebung im Beamtenbereich profitiert.
Das ist ein großer Erfolg des dbb, der im
Gegensatz zur GEW im Jahre 2015 für den
Übertritt in die Entgeltordnung geworben
hatte. GEW-Mitglieder, die seinerzeit dem
Rat ihrer Gewerkschaft gefolgt und im
TV-L verblieben sind, müssen gegenwärtig
Anträge auf Überleitung in die Lehrkräfte-
Entgeltordnung stellen, um von der oben
dargestellten Systematik zu profitieren.
Drei Kritikpunkte
Es gibt allerdings drei Tatbestände, die aus
Sicht von
lehrer nrw
kritisch zu sehen sind:
Es handelt sich um eine Entgeltord-
nung für Lehrkräfte. Für andere Tarifbe-
schäftigte an Schulen, die nicht in der
Tätigkeit einer lehramtsausgebildeten
Lehrkraft beschäftigt sind (zum Beispiel
HSU-Lehrkräfte, Fachlehrkräfte, Sozialpä-
dagogische Fachkräfte in der Schulein-
gangsphase, MPT-Fachkräfte, Fachkräfte
für Schulsozialarbeit), ergeben sich keine
tariflichen Folgewirkungen aus dem Ge-
setz und damit keine Änderungen in der
Eingruppierung bzw. beim Entgelt. Gerade
die Fachkräfte in Multiprofessionellen
Teams und für Schulsozialarbeit werden
aber dringend an unseren Schulen benö-
tigt. Deshalb muss der Arbeitsplatz Schule
für sie auch finanziell attraktiv bleiben.
Die Angleichung gilt nur für sogenann-
te ‘Erfüllerinnen und Erfüller’* und ‘beste
Nicht-Erfüllerinnen und Nicht-Erfüller’**.
‘Nicht-Erfüllerinnen und Nicht-Erfüller’***
bleiben hingegen von der anwachsenden
Zulage ausgeschlossen. Heißt konkret:
Die Besoldungsgruppe entspricht der Entgeltgruppe
A 9 9a**
A 10 9b**
A 11 10**
A 12, 12a 11**
A 13 13
A 14 14
A15 15
** Lehrkräfte in dieser Entgeltgruppe erhalten eine monatliche
Angleichungszulage in Höhe von zurzeit 105 Euro.
Foto: AdobeStock/ink drop
Tarifbeschäftigte
fair
bezahlen!
SCHULE & POLITIK
Während der Master of Education-Absol-
vent auch ohne Referendariat als bester
Nichterfüller gilt, gilt der Master of Sci-
ence-Absolvent als Nichterfüller. Gerade
auf diese letzte Personengruppe sind unse-
re Schulen aber dringend angewiesen, um
den Lehrkräftemangel in den MINT-Fä-
chern zu beseitigen. Hochqualifizierte
Seiteneinsteigende in diesem Bereich
werden den Weg in unsere Schulen aber
nur dann finden, wenn die Bezahlung
attraktiv ist.
Es ist davon auszugehen, dass die
Höhergruppierung zu den genannten
Bedingungen nach den Regularien des §17
Abs. 4 TV-L erfolgt. Hinweise darauf bietet
das Merkblatt ‘Tarifbeschäftigte’ vom De-
zember 2022 (www.schulministerium.nrw/
system/files/media/document/file/merk-
blatt_tarifbeschaeftigte_anpassung_lehr-
kraeftebesoldung_12_2022.pdf). Das be-
deutet, dass es keine allgemeine stufen-
gleiche Höhergruppierung gibt, sondern
die Beschäftigten derjenigen Stufe zuge-
ordnet werden, in der sie mindestens ihr
bisheriges Tabellenentgelt erhalten, min-
destens jedoch der Stufe 2. Beträgt der
Unterschiedsbetrag der Tabellenentgelte
weniger als 180 Euro, steht dies als Garan-
tiebetrag zu. Aus Sicht von
lehrer nrw
ist
es dringend erforderlich, dass bei den im
Herbst anstehenden Tarifverhandlungen
von Arbeitnehmerseite das Thema ‘Stufen-
gleiche Höhergruppierung’ offensiv ange-
gangen wird.
Arbeitsplatz und
Bezahlung müssen
attraktiv sein
Fazit: Nur durch eine angemessene Bezah-
lung und klare Perspektiven können wir
sicherstellen, dass der Arbeitsplatz Schule
für das lehrende und das weitere pädago-
gische Personal auch in Zukunft attraktiv
bleibt. Hochqualifizierte Fachkräfte auch
aus anderen Fachrichtungen, auf die wir in
den nächsten Jahren dringend angewiesen
sind, werden wir nur gewinnen können,
wenn der Arbeitsplatz und die Bezahlung
attraktiv sind! Christoph Fahle
Kreisvorsitzender Aachen-Süd und Mitglied im
BPR Gesamt- und Sekundarschule Köln
* Erfüller: Lehrkräfte mit Lehramtsausbildung
nach dem Lehrerausbildungsgesetz NRW
** Beste Nicht-Erfüller: Lehrkräfte, die ein Lehramts-
studium abgeschlossen haben, aber nicht das
Referendariat bzw. den Vorbereitungsdienst
*** Nicht-Erfüller: Lehrkräfte mit Masterabschluss, die
aufgrund dessen eine Zulassung zum Unterrichten in
mindestens einem Schulfach besitzen/Lehrkräfte mit
Bachelorabschluss, die aufgrund dessen eine Zulas-
sung zum Unterrichten in mindestens einem Schul-
fach haben/andere Lehrkräfte/Lehrkräfte ohne Quali-
fikation
lehrer nrw ·
6/2023
22
SCHULE & POLITIK
Bildung braucht Aufbruch:
10,5%!
Eine wegweisende Tarifrunde steht bevor
D
Die Bundestarifkommission des
Deutschen Beamtenbundes, dem
Dachverband von
lehrer nrw
, hat
am 11. Oktober 2023 in Berlin die Forde-
rungen für die diesjährige Einkommens-
runde der Länder diskutiert und verab-
schiedet. Die bisherigen Signale der Arbeit-
geber, der Tarifgemeinschaft deutscher
Länder (TdL), sind allerdings beunruhi-
gend. Ihre bisher gezeigte Haltung wirkt
wie aus der Zeit gefallen. Kaum Zeichen
der Wertschätzung, kein Zugewinn an
Attraktivität, stattdessen Wegfall von
Flexibilität im Bereich der Teilzeit, höhere
Belastungen für das Bestandspersonal.
Wachsende Personalnot
In Zeiten einer stagnierenden bis leicht
rezessiven Wirtschaftskonjunktur ist der
Arbeitsmarkt insgesamt weitgehend sta-
bil geblieben. Das bedeutet, dass der vor-
handene branchenübergreifende Fach-
kräftemangel ebenfalls erhalten bleibt.
Beziehungsweise sich sogar noch zu ver-
schärfen droht, weil geburtenstarke Jahr-
gänge verstärkt in Pension oder Rente
gehen.
Diese allgemeinwirtschaftliche Lage
schlägt nicht mehr nur indirekt, sondern
direkt auf den Lehrkräftebereich durch,
da Schulen tendenziell zunehmend grund-
INFO
Terminplan für die Einkommensrunde
Die Tarifverhandlungen zum TV-L mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL),
der fast alle Bundesländer als Arbeitgeber angehören, beginnen am 26. Oktober in
Berlin. Die zweite Verhandlungsrunde ist für den 2./3. November anberaumt, bevor
dann spätestens in der letzten Verhandlungsrunde vom 7. bis 9. Dezember 2023 in
Potsdam ein neuer Tarifabschluss mit der TdL vereinbart werden sollte.
von ULRICH GRÄLER
Foto: dbb
Mit einer Forderung
von 10,5 Prozent
mehr Gehalt,
mindestens jedoch 500 Euro
pro Monat für die Beschäf-
tigten im öffentlichen
Dienst, darunter rund
213000 Lehrkräfte in Nord-
rhein-Westfalen, gehen der
Deutsche Beamtenbund und
die Dienstleitungsgewerk-
schaft Verdi in die anstehen-
den Tarifverhandlungen.
23
6/2023 ·
lehrer nrw
SCHULE & POLITIK
KOMMENTAR
Entweder …
oder!
Die Zeit drängt! Die Arbeits-
bedingungen im Bildungs-
bereich werden nach wie
vor als nicht ausreichend
attraktiv wahrgenommen.
Andere Branchen wirken
interessanter und lukrativer.
Und zudem als persönlich
sinnstiftender.
Das bedeutet im Klartext:
jetzt wird es richtig schwie-
rig, ausreichend Personal
in den Schulen vorzuhalten,
um den gesetzlich vorge-
schriebenen Bildungsauf-
trag zu erfüllen. Und das
dann noch in Krisenzeiten,
in denen auf das System
Schule zusätzliche Aufgaben
zukommen.
Es braucht jetzt den Mut,
sich die Wahrheit einzuge-
stehen, dass im bisherigen
System nicht mehr alles im
gleichen Umfang und in der
gleichen Qualität geleistet
werden kann. Wer dies ver-
schleiern will, verliert an
Glaubwürdigkeit.
Wer dies mit höheren Be-
lastungen für Bestandslehr-
kräfte lösen will, verliert
auch diese, durch Krankheit,
innere Kündigung, vorzeiti-
ge Zurruhesetzung, tatsäch-
liche Kündigung. Und löst
am Ende dann doch nichts,
weil er auch keine neuen
bzw. zu wenig Bewerber
findet.
Das System Schule steht
am Scheideweg: entweder
… oder!
Ulrich Gräler
Ulrich Gräler ist stellv. Vorsitzender des
lehrer nrw
E-Mail: graeler@lehrernrw.de
ständig ausgebildetes Personal durch Zur-
ruhesetzungen verlieren, auf der anderen
Seite aber gleichermaßen qualifiziertes
Personal immer weniger rekrutieren kön-
nen und stattdessen auf fachfremdes Per-
sonal angewiesen sind.
Unzureichende
Maßnahmen
Doch bei einem branchenübergreifenden
Personalmangel gelingt es von Jahr zu Jahr
weniger, diese so genannten ‘Seitenein-
steiger’ mit ausreichender Qualifikation zu
gewinnen. Andere Branchen kommen mit
immer besseren Bedingungen daher, um
genügend Bewerber für eine Tätigkeit im
Unternehmen zu finden. Das Nachsehen
hat dann der öffentliche Dienst mit seinen
eher starren Strukturen.
In dieser Situation als Arbeitgeber Maß-
nahmen zu ergreifen, um »Beschäfti-
gungsreserven zu heben«, ist ein nach-
vollziehbarer und sinnvoller Ansatz. Dies
aber mit ‘Zwangsmaßnahmen’ zu versu-
chen, wie sie im Rahmen des Handlungs-
konzepts der Landesregierung eingeführt
wurden, kann nicht die Lösung sein. Denn
schon jetzt sind die Lehrkräfte psycho-
physischen Belastungen ausgesetzt, die
sie an ihre Grenzen bzw. darüber hinaus
bringen.
Trendumkehr ist möglich
Derartige Maßnahmen machen den Ar-
beitsplatz Schule noch unattraktiver. Und
das in einer Zeit, in der das Gegenteil von-
nöten wäre. Denn Bewerber findet man
nur, wenn der Arbeitsplatz ‘Schule’ im Ver-
gleich zu anderen Branchen als attraktiver
wahrgenommen wird.
Im Bereich der Krankenpflege, der eben-
falls mit hohen psycho-physischen Belas-
tungen einhergeht, scheint diese Trendum-
kehr in Nordrhein-Westfalen mit dem letz-
ten Tarifergebnis gelungen zu sein. Dort
hat die Zahl der Beschäftigten gegen den
allgemeinen Trend zugenommen. Bei
gleichzeitigem Erhalt der bisher üblichen
Flexibilität für eine Tätigkeit in Teilzeit.
Zeitgemäße
Arbeitsplatzgestaltung
Nur ein Arbeitsplatz, der den Wünschen
und Bedürfnissen der Menschen entgegen-
kommt, hat auf Dauer eine Chance, ausrei-
chend Interessenten zu finden. Bei einem
Arbeitnehmermarkt ist das nun einmal so.
Wer aber die psycho-physische Belastungs-
fähigkeit der Menschen am Arbeitsplatz
immer weiter ausreizt und letzten Endes
dauerhaft überfordert, der zwingt Men-
schen in die Teilzeit. Obwohl eigentlich
jeder Arbeitsplatz so gestaltet sein müsste,
dass alle Beschäftigten in Vollzeit bei
gleichzeitigem Erhalt ihrer Gesundheit
tätig sein können müssten. Dies ist im
Bereich Schule jedoch schon länger nicht
mehr der Fall.
Fehlender Gestaltungswille
Daher liegt es an den Arbeitgebern, sich
vermehrt Gedanken über die konkrete Ar-
beitsplatzgestaltung im System Schule zu
machen. Und die Gesunderhaltung ihrer
Beschäftigten im Blick zu behalten. Dies
gilt für alle Bundesländer, für Nordrhein-
Westfalen aber ganz besonders, da hierzu-
lande bundesweit das höchste Unterrichts-
deputat zu leisten ist.
Das Einkommen ist ein wesentlicher
Baustein des Arbeitsplatzes. Die massiv
gestiegene Inflation und die Einkommens-
entwicklungen in anderen Branchen ha-
ben einen deutlichen Nachholbedarf für
die Landesbeschäftigten verursacht. Auch
im Vergleich zu anderen Beschäftigten im
öffentlichen Dienst bei Bund und Kommu-
nen.
Darüber hinaus sind es aber auch die
besonderen Arbeitsbedingungen als weite-
rer wesentlicher Baustein. Diese zusätzlich
zu verschärfen, wirkt in hohem Maße kon-
traproduktiv. Und führt letzten Endes das
System in eine Sackgasse. Hier gilt es,
dringend Vorsicht walten zu lassen bzw.
umzusteuern.
lehrer nrw ·
6/2023
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FORTBILDUNGEN
‘Schwierige’ Eltern, starke Stimme
Wie ein konstruktiver Umgang auch mit ‘schwierigen’ Eltern gelingen kann und wie unsere Stimme
zu einem souveränen Auftreten beitragen kann, ist Thema zweier
lehrer nrw
Seminare. Weitere
Fortbildungs-Highlights finden Sie in der Tabelle rechts. Anmeldungen sind online möglich.
Elternarbeit: Last und
Kampf – oder Fundgrube
und Unterstützung?
Viel ist von Erziehungspartnerschaft zwi-
schen Familie und Schule die Rede. Indes
erweist sich der Umgang mit übertrieben
anspruchsvollen und/oder unzugänglichen
Eltern im Schulalltag als besonders heikles
Unterfangen. Die Veranstaltung gibt kon-
krete Anregungen, die Sicht auf bzw. den
Kontakt mit ‘schwierigen’ Eltern konstruk-
tiver zu gestalten – ob im Beratungsge-
spräch oder am Elternabend.
Das Angebot: Impulsreferat, Workshop-
Phasen, Fallbesprechungen, kollegialer
Austausch sowie Materialien zum Thema.
Referent: Michael Felten
Seminar-Nr.: 2023-1108
Ort: Leonardo Hotel Köln | Waldecker
Straße 11-15 | 51065 Köln
Termin: Mittwoch, 8. November 2023
Uhrzeit: 9:00 Uhr bis 16:30 Uhr
Kosten: 130 Euro
lehrer nrw
-Mitglieder,
180 Euro sonstige Teilnehmer
(jeweils inklusive Tagesverpflegung)
»Alle mal herhören, bitte!«
Die Stimme als unterschätzter Erfolgsfaktor im Unterricht
Wir alle kennen das: Wir wollen eine wichtige Ansage machen oder etwas Neues
erklären, und die Klasse hört nicht zu. Oder nur teilweise. Manche schalten womöglich
schnell wieder ab. Das ist nicht nur anstrengend, sondern auch ärgerlich, denn das
Ringen um die Aufmerksamkeit der Lernenden kostet jede Menge Zeit und Energie,
die uns dann an anderer Stelle fehlt.
Dabei ist den wenigsten Lehrkräften bewusst, welch entscheidende Rolle ihre Stimme
in der Ansprache der Klasse spielt. Monotone, dünne, kicksige oder gepresste Stimmen
können uns ungewollt langweilig, unsicher oder sogar unsympathisch erscheinen lassen.
Sprechen wir hingegen bewusst resonanzvoll, lebendig und mit wenig Druck, wird da-
durch unser gesamtes Auftreten souveräner, interessanter und durchsetzungsstärker.
In diesem Seminar bekommen Sie einige Impulse dazu
wie die Stimme funktioniert,
wie Sie klangvoll sprechen und Lautstärke ohne Druck erzeugen können,
wie Sie Ihre Stimme geschickt einsetzen, um je nach Unterrichtssituationen
eine bestimmte Wirkung zu erzielen,
wie Sie Ihre Stimme pflegen und schonen.
Alle Inhalte werden in einem Wechsel aus Theorie und Praxis erprobt.
Referentin: Gabi Schmidt
Seminar-Nr.: 2023-1128
Ort: acom Hotel Köln | Hansaring 97 | 50670 Köln
Termin: Dienstag, 28. November 2023
Uhrzeit: 9:00 Uhr bis 16:30 Uhr
Kosten: 130 Euro
lehrer nrw
-Mitglieder, 180 Euro sonstige Teilnehmer
(jeweils inklusive Tagesverpflegung)
ANMELDUNGEN
www.lehrernrw.de/lehrernrw-de-fortbildungen/lehrernrw-de-fortbildungsuebersicht/
Foto: AdobeStock/fantom_rd
Das Miteinander zwischen
Eltern und Lehrkräften
ist nicht immer einfach. Tipps zu
einer konstruktiven Elternarbeit
gibt Experte Michael Felten.
25
6/2023 ·
lehrer nrw
Seminar
Nr. Titel Kurzinhalt Referenten Wo Wann Uhrzeit
Gebühr
lehrer nrw-
Mitglied
Gebühr
sonst.
Teilnehmer
Anmelde-
schluss
2023-1107 Wege in den Ruhestand –
Beamtenversorgung und
Altersteilzeit
Rechtliche Grundlagen Horst Joosten GDL Sitzungsraum
1. OG
Graf-Adolf-Straße 84
40210 Düsseldorf
Dienstag
07.11.2023
15:00 bis
18:00 Uhr
50 EUR 80 EUR auf
Anfrage
2023-1108 Elternarbeit: Last und Kampf –
oder Fundgrube und Unter-
stützung?
Die Veranstaltung gibt konkrete Anregungen, die Sicht auf bzw. den
Kontakt mit ‘schwierigen’ Eltern konstruktiver zu gestalten – ob im
Beratungsgespräch oder am Elternabend.
Michael Felten Leonardo Hotel Köln
Waldecker Straße 11-15
51065 Köln
Mittwoch
08.11.2023
09:00 bis
16:30 Uhr
130 EUR 180 EUR auf
Anfrage
2023-1114 Wege in den Ruhestand –
Beamtenversorgung und
Altersteilzeit
Rechtliche Grundlagen Horst Joosten Ringhotel Drees
Hohe Straße 107
44139 Dortmund
Dienstag
14.11.2023
15:00 bis
18:00 Uhr
50 EUR 80 EUR auf
Anfrage
2023-1115 Das iPad in der Grundschule In dieser Fortbildung werden konkrete Einsatzmöglichkeiten des iPads
im Grundschulbereich aufgezeigt und spezifische Apps wie zum Beispiel
der Book Creator, Kahoot, QRafter und Stop-Motion in der Praxis erprobt.
Im weiteren Verlauf sollen konkrete Einsatzmöglichkeiten im Unterricht
erarbeitet werden.
Moritz Becker
und
Piotr Wysluch
Realschule Kastanienallee
Raum 41
Kastanienallee 32
42549 Velbert
Dienstag
14.11.2023
14:00 bis
17:00 Uhr
25 EUR 40 EUR 07.11.2023
2023-1128 »Alle mal herhören, bitte!« –
Die Stimme als unterschätzter
Erfolgsfaktor im Unterricht
In diesem Seminar geht es darum, wie Sie Ihre Stimme und Ihre Sprache
in unterschiedlichen Unterrichtssituationen variabel und zielführend
verwenden können. Darüber hinaus werden Tipps für einen schonenden
Umgang mit der Stimme gegeben.
Gabi Schmidt acom Hotel Köln
Hansaring 97
50670 Köln
Dienstag
28.11.2023
09:00 bis
16:30 Uhr
130 EUR 180 EUR auf
Anfrage
2023-1129 Den Durchblick behalten im
App-Dschungel
In dieser Veranstaltung soll ein Überblick zu vorinstallierten und optiona-
len Apps insbesondere für das iPad gegeben werden. Die Teilnehmerinnen
und Teilnehmer erfahren an konkreten Unterrichtsanlässen und Praxisbei-
spielen den konkreten und zielgerichteten Einsatz der Apps im Schulun-
terricht. Dabei sollen Apps in den Bereichen Feedback geben, Urteilen,
kollaboratives Lernen, Einstiegsimpulse und allgemeine Unterrichtsorga-
nisation vorgestellt und erprobt werden.
Moritz Becker
und
Piotr Wysluch
Realschule Kastanienallee
Raum 41
Kastanienallee 32
42549 Velbert
Dienstag
28.11.2023
14:00 bis
17:00 Uhr
25 EUR 40 EUR 21.11.2023
2023-1204 Classroom Management Classroom Management meint das Schaffen einer produktiven
Lernatmosphäre. Konsequent angewandt, reduziert es kleine Störungen,
bevor sie zum Problem werden.
Dorthe
Leschnikowski-
Bordan
Ringhotel Drees
Hohe Straße 107
44139 Dortmund
Montag
04.12.2023
09:00 bis
16:00 Uhr
130 EUR 180 EUR auf
Anfrage
FORTBILDUNGEN
Die VIP-Karte
Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Stefan Battel gibt in seiner
Kolumne regelmäßig Antworten auf Fragen aus dem Lehrerall-
tag. Diesmal geht es um die ‘Very Important Persons’ im Leben
eines Schülers bzw. einer Schülerin.
D
Diesmal würde ich Ihnen gerne die
Methode der VIP-Karte
(siehe Abbil-
dung)
vorstellen. Die VIP-Karte ist
ein Instrument für die Soziale Arbeit, kann
aber auch und gerade im Kontext Schule
eingesetzt werden. Mit ihr können die ‘sehr
wichtigen Personen’ (‘Very Important Per-
sons’ – VIPs) im Leben eines Schülers gra-
fisch dargestellt werden. Mit der VIP-Karte
lässt sich das gesamte soziale Umfeld der
Schüler in den Blick nehmen, sie lenkt die
Aufmerksamkeit der Schüler und der Profis
zu gleichen Teilen auf Familie, Freunde, Be-
kannte, Arbeitsplatz, Schule und professio-
nelle Helfer und erleichtert es, die dort vor-
handenen Hilfsquellen und Unterstützungs-
möglichkeiten aufzuspüren.
Bei der VIP-Karte handelt es sich um ein
einfaches Vier-Felder-Diagramm, in das die
wichtigsten Personen im Leben eines Men-
schen eingezeichnet werden. Die ‘Hauptper-
son’ steht im Mittelpunkt. Das soziale Um-
feld wird untergliedert in die Bereiche ‘Fa-
milie’, ‘Freunde/Bekannte’, ‘Arbeit/Schule’
und ‘Professionelle Helfer’. Es wird nach
den jeweils wichtigsten Menschen in diesen
Bereichen gefragt, sie werden je nach ihrer
aktuellen Bedeutung und Wichtigkeit in ei-
nem entsprechenden Abstand zur Hauptper-
son eingetragen. Dabei ist entscheidend,
dass der Schüler bzw. die Schülerin den Grad
der Bedeutung und Wichtigkeit festlegt.
Der Schwerpunkt der VIP-Karte liegt auf
dem Gespräch, das man führt, während sie
erstellt wird, und auf den Erkenntnissen, die
sich im Verlauf dieses Gespräches ergeben.
Wichtig sind dabei das Interesse, das man
für das Leben des Schülers zeigt, die Zeit,
die man sich für die Erkundung nimmt, die
Suche nach positiven Erlebnissen und Bezie-
hungen sowie die Erarbeitungen von bereits
Ein Schwerpunkt beim Arbeiten mit der
VIP-Karte liegt darin, nach Ressourcen und
dem ‘Sozialen Kapital’ zu fahnden: Wer
könnte im Umfeld des Schülers Unterstüt-
zung bieten als Tröster oder Ermunterer,
durch seine/ ihre Lebenserfahrung? »Wer in
Deinem Bekanntenkreis war schon mal in ei-
ner ähnlichen Situation?«; als
ldeen- und Hinweisge-
ber: »Wer könnte
Dir da ein paar
nützliche Tipps
geben?« – »Wel-
chen Rat würde
er Dir geben?«;
mit materieller
Hilfe: »Bei
wem könntest
Du für ein paar
Tage wohnen,
wenn Du jetzt
nicht nach Hau-
se kannst?«; als
Vorbild: »Wie würde
sich ein beispielsweise der Lieblingsonkel in
so einer Situation verhalten?« – »Was davon
könntest Du ähnlich machen?«
ZUR PERSON
Dr. med. Stefan
Battel ist Facharzt
für Kinder- und Ju-
gendpsychiatrie
und -psychothera-
pie (tätig in einer
Praxis in Bonn) und
seit 2012 systemi-
scher Familienthe-
rapeut (DGSF). Im
Rahmen des
lehrer
nrw
-Fortbildungs-
programms greift
er in einer Vor-
tragsreihe regel-
mäßig verschiede-
ne Themen aus
dem Bereich der
Jugendpsychologie
auf.
Foto: Andreas Endermann
lehrer nrw ·
6/2023
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BATTEL HILFT
vorhandenen oder möglicherweise noch zu
erschließenden Ressourcen im sozialen Um-
feld der betreffenden Person.
27
6/2023 ·
lehrer nrw
SENIOREN
Alte Ritter und moderne Fabrikation
Senioren-Exkursion nach Bielefeld
B
Bielefeld gibt es! Und das wahrscheinlich
seit 1214, als die Siedlung das Stadt-
recht erhalten haben soll. Doch erst um
1250 bauten die Grafen von Ravensberg auf
dem Bergsporn über Bielefeld ihre Burg, die
Sparrenburg, um den Pass, einen der weni-
gen Übergänge über den Teutoburger Wald,
und die Stadt zu sichern.
Bei der Führung durch einen Teil der drei-
hundert Meter langen Kasemattengänge
mit der Burgwartin Ditta Sokolowsky erhiel-
ten wir spannende Einblicke in die Verteidi-
gungsstrategien von Stadt und Burg und in
das Leben der Soldaten und Söldner. Die
derzeitigen Bewohner der Burg bekamen
wir nicht zu Gesicht: Von den neunzehn in
Nordrhein-Westfalen lebenden Fledermaus-
arten sind fünfzehn in den Gewölben der
Sparrenburg nachgewiesen. Darum sind
nicht alle Räumlichkeiten der Sparrenburg
zugänglich.
Beim anschließenden Mittagessen im
Burghof konnten wir das Panorama der
Stadt Bielefeld bei bestem Wetter genießen.
Ganz anders war der Besuch bei Schüco,
einem weltweit tätigen Unternehmen, das
nicht Fenster, wie oft angenommen, sondern
Profile und Fassaden in unterschiedlichen
Ausführungen herstellt. So wurden uns mit
echten Pflanzen begrünte Fassaden, Sicher-
heitsfassaden, feuerfeste Fassaden sowie
Hybridfassaden vorgestellt. Auch Türen und
Fronten, denen weder Sprengstoff noch Feu-
er – zumindest für bis zu dreißig bzw. neun-
zig Minuten – etwas anhaben konnten, so-
wie von KI betriebene Werkzeuge und Ma-
schinen wurden uns bei einer sehr unter-
haltsamen Führung präsentiert.
Christine Arnsfeld
Tarifrunde: Aufruf an Versorgungsempfänger
Bei der dbb-Regionalkonferenz in Düsseldorf am 5. September war
die anstehende Tarifrunde das Hauptthema. Die Regionalkonfe-
renzen wurden eingerichtet, um die Vertreter von Verbänden und
Gewerkschaften als Multiplikatoren über die anstehende Tarifver-
handlungsrunde zu informieren und Absprachen zu treffen, um bei
den Tarifverhandlungen möglichst viele Beschäftigte der Länder zu
mobilisieren.
Sehr schnell war allen Teilnehmenden klar, dass diese Verhandlun-
gen angesichts der angespannten Lage der Länder nicht einfach
werden. Die Forderungen entsprechen den im Frühjahr mit dem Bund
beschlossenen Ergebnissen und sollten so auch auf die Landesbe-
diensteten übertagen werden. Für uns Senioren darf es nicht wieder
zu einer Benachteiligung der Versorgungsempfänger kommen. Auch
für Versorgungsempfänger muss es einen Ausgleich geben. Es darf
nicht sein, dass diese erneut von der allgemeinen Lohnentwicklung
abgehängt werden, zumal sie, wie jeder aktiv Beschäftigte, die Infla-
tion und die gestiegenen Energiepreise genauso verkraften müssen.
Zwischenzeitlich liegen die Forderungen – 10,5 Prozent, mindes-
tens jedoch 500 Euro – auf dem Tisch. Verhandlungsbeginn ist am
26. Oktober. Die Verhandlungen sollten möglichst durch effektive
Maßnahmen untermauert werden, die die Verhandlungsposition stär-
ken. Auch wir Versorgungsempfänger sollten mit Aktionen dazu bei-
tragen, unsere Interessen in großer Zahl kundzutun. Die aktive Teil-
nahme an Demonstrationen, Mahnwachen und anderen wirksamen
Kundgebungen ist nötig. Nur unser aller Einsatz kann zu einem be-
friedigenden Ergebnis führen! Monika Holder
Über den Dächern von Bielefeld: Kleine
Verschnaufpause auf der Sparrenburg.
Spannende Einblicke in die Produkt- und Markenwelt
eines ‘Global Players’ erhielten die
lehrer nrw
-
Seniorinnen und Senioren beim Schüco-Besuch.
lehrer nrw ·
6/2023
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MMaall
ggaannzz
aannddeerrss
aarrbbeeiitteenn
Eine Abordnung an ein Kommunales Integrations-
zentrum oder die Landesstelle Schulische Integration
kann neue berufliche Perspektiven eröffnen.
T
Tagein, tagaus vor einer Klasse zu ste-
hen – das erfüllt Lehrerinnen und Leh-
rer in aller Regel. Das kann nach lan-
gen Jahren, je nach Einzelfall, aber auch als
eintönig, ermüdend oder stressig empfun-
den werden. Der eine oder die andere wird
sich vielleicht – aus welchen Motiven auch
immer – schon gefragt haben, ob man sich
weiterhin für die Förderung insbesondere
von jungen Menschen einsetzen möchte –
dies aber für eine Weile auf ganz andere Art
und Weise, ohne sich jedoch auf Dauer vom
Beruf Lehrkraft zu verabschieden.
Eine Alternative für Lehrerinnen und Leh-
rer kann die Arbeit an einem Kommunalen
Integrationszentrum oder an der Landesstel-
le Schulische Integration (LaSI) sein.
Kernaufgabe Integration
Kommunale Integrationszentren tragen da-
zu bei, dass die Integration neu zugewan-
derter Menschen und Menschen mit Ein-
wanderungsgeschichte vor Ort gelingt. Es
gibt sie inzwischen fast flächendeckend in
Nordrhein-Westfalen. Zu ihren Aufgaben ge-
hören beispielhaft die Analyse zu integrati-
onsrelevanten Daten und Fakten, die Ent-
wicklung von Konzepten interkultureller und
sprachlicher Bildung entlang der Bildungs-
kette Kindergarten, Schule und Übergang
von Schule zu Beruf, die Durchführung von
Fortbildungen zur Sprachbildung für Erziehe-
rinnen und Erzieher sowie für Lehrerinnen
und Lehrer. Dazu gehören auch die Umset-
zung von Programmen der Landesregierung
wie ‘Griffbereit’, ‘Rucksack-Kita’, ‘Rucksack
Schule’ und ‘Schule ohne Rassismus – Schule
mit Courage’ und die Organisation von Bil-
dungspartnerschaften zwischen Kita, Schule
und dem Elternhaus sowie die Berücksichti-
gung kultursensibler Aspekte in der Altenhil-
fe1. In den Kommunalen Integrationszentren
arbeiten auf in der Regel zwei Vollzeitstellen
vom Land frei gestellte Lehrkräfte2.
RECHT§AUSLEGER
von CHRISTOPHER LANGE
Foto: AdobeStock/Marco2811
Warum nicht mal
andere Wege gehen?
Der Wechsel an ein Kommuna-
les Integrationszentrum oder
an die Landesstelle Schulische
Integration birgt möglicher-
weise neue Chancen.
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lehrer nrw
Bildungserfolg von der
Herkunft entkoppeln
Die LaSI mit Sitz in Dortmund ist landesweit
tätig und gehört als Dezernat 40 zur Schul-
abteilung der Bezirksregierung Arnsberg.
Die LaSI besteht aktuell aus ungefähr gut
fünfzig Personen. Dies sind neben den Mit-
gliedern der Leitung abgeordnete Lehrkräfte
aus allen fünf Regierungsbezirken und allen
Schulformen sowie Verwaltungsmitarbeite-
rinnen und -mitarbeiter. Aufgabe der LaSI ist
die Entkoppelung des Bildungserfolgs von
Schülerinnen und Schülern von ihrer Her-
kunft insbesondere durch die Stärkung von
Schulen in der Migrationsgesellschaft und
die Förderung von Mehrsprachigkeit als
Normalität. Die LaSI arbeitet unter anderem
mit den Kommunalen Integrationszentren
zusammen und berät Schulaufsicht, Schu-
len, Lehrkräfte und andere Beteiligte an in-
tegrationsspezifischen Aufgaben. Die LaSI
entwickelt zudem zusammen mit der Wis-
senschaft an Universitäten, die Lehrkräfte
ausbilden, sowie mit anderen geeigneten
staatlichen und zivilgesellschaftlichen Ak-
teuren neue Wege für gelingende Integrati-
onsprozesse3.
Bewerbung über
STELLA NRW
Bewerben kann man sich auf ausgeschrie-
bene Stellen, die unter anderem bei STELLA
NRW4 zu finden sind. Über die Bewerbun-
gen entscheidet eine gemeinsame Auswahl-
kommission von Land und Kommune, die
sich in der Regel aus einer Vertretung der
unteren oder oberen Schulaufsicht, einer
Vertretung aus der Kommune, der Leitung
des Kommunalen Integrationszentrums so-
wie der Gleichstellungsbeauftragten sowie
gegebenenfalls der Vertretung der jeweils
zuständigen Personalräte und der Schwer-
behindertenvertretungen zusammensetzt.
Die Schulaufsicht überprüft im Nachgang
die Entscheidung der Kommission sowie die
allgemeine Verfügbarkeit der ausgewählten
Lehrerin oder des ausgewählten Lehrers.
Bei erfolgreicher Bewerbung wird die
Lehrkraft abgeordnet. Eine Abordnung ist ei-
ne Personalmaßnahme, die der zeitlich be-
fristeten Übernahme einer Tätigkeit in einer
anderen Dienststelle dient. Möglich ist da-
bei eine Abordnung im vollen Umfang oder
eine Teilabordnung.5 Eine Abordnung erfolgt
in der Regel für ein Jahr ‘zum Kennenlernen’
und insgesamt meistens für drei bis vier
Jahre.
Wird die Lehrkraft an einem Kommunalen
Integrationszentrum eingesetzt, wird sie an
die jeweilige Gemeinde beziehungsweise
den jeweiligen Kreis abgeordnet. Die Ge-
meinde oder der Kreis werden dann für die
Dauer der Abordnung zum neuen Dienstort.
Bei einer Tätigkeit in der LaSI erfolgt die
Abordnung innerhalb des Dienstbereichs
des Landes Nordrhein-Westfalen an die Be-
zirksregierung Arnsberg. Da die LaSI ihren
Sitz in einer Nebenstelle der Bezirksregie-
rung in Dortmund hat, ist der Dienstort im
Regelfall dort.
Zwei Dienstvorgesetzte
Auch wenn eine Lehrkraft in den Dienstbe-
reich einer Kommune oder eines Landkrei-
ses und damit eines anderen Dienstherrn/
Arbeitgebers abgeordnet ist, verbleibt die
Aufsicht über die Lehrkraft beim Land Nord-
rhein-Westfalen, da sich die Rechtsstellung
zum abordnenden Dienstherrn/Arbeitgeber
durch eine Abordnung nicht ändert bzw. das
bestehende Beschäftigungsverhältnis fort-
besteht. Die Lehrkraft hat während der Ab-
ordnung aber zwei Dienstvorgesetzte: Die
Leitung der Beschäftigungsbehörde wird
unmittelbare Dienstvorgesetzte und trifft
damit alle tätigkeitsbezogenen Entscheidun-
gen. Die abordnende Behörde bleibt hinge-
gen zuständig für alle Entscheidungen, die
den Status der Lehrkraft betreffen, wie bei-
spielsweise Beförderungen oder Höhergrup-
pierungen.
Arbeitet man an einem Kommunalen In-
tegrationszentrum oder der LaSI, muss man
sich im Hinblick auf Arbeitszeiten und -um-
stände darauf einstellen, nicht mehr, wie als
Lehrkraft üblich, hauptsächlich nur im Rah-
men des Stundendeputats und besonderer
Veranstaltungen am Dienstort zu sein. Wer
den Schulalltag hinter sich lassen will, sollte
sich nicht nur, aber unter anderem auch mit
einem Büroalltag anfreunden können. An
Kommunalen Integrationszentren oder der
LaSI hat man grundsätzlich im Hinblick auf
den zu leistenden Aufwand einen Arbeitsall-
tag und -umfang wie ‘normale’ Beamtinnen
und Beamten und Tarifkräfte des Landes.
Gewohnte Vergütung,
eventuell plus Stellenzulage
Hinsichtlich der Besoldung oder Vergütung
können abgeordnete Kräfte entspannt sein:
Da eine Lehrkraft während ihrer Abordnung
grundsätzlich in ihrem statusrechtlichen
Amt beziehungsweise ihrer Entgeltgruppe
verbleibt, erhält sie auch ihre bisher ge-
währte Besoldung oder Vergütung. Zusätz-
lich erhält die abgeordnete Lehrkraft jedoch
noch eine Stellenzulage für die Tätigkeit im
Kommunalen Integrationszentrum, sofern
sie mit mindestens achtzig Prozent ihrer Ge-
samtarbeitszeit abgeordnet ist6. Die Zulage
beläuft sich auf 150 Euro monatlich. Bei ei-
ner Tätigkeit in der LaSI entfällt die Stellen-
zulage.
Lehrkräfte, die ein Kommunales Integrati-
onszentrum leiten, erhalten aufgrund ihrer
Leitungsverantwortung eine Stellenzulage
in Höhe von 250 Euro monatlich7.
1 siehe: https://www.mkjfgfi.nrw/kommunale-
integrationszentren, abgerufen am 16. Oktober 2023
2 Kommunale Integrationszentren, 3.2, gemäß Runderlass
des Ministeriums für Schule und Bildung und Ministeriums
für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration vom
8. Mai 2018, BASS 12-21 Nr. 18
3 siehe: https://www.bra.nrw.de/bildung-schule/
landesstelle- schulische-integration/ziele-und-
arbeitsschwerpunkte-der-landesstelle-schulische-
integration, abgerufen am 16. Oktober 2023
4 siehe: https://www.schulministerium.nrw.de/BiPo/Stella/
online, abgerufen am 16. Oktober 2023
5 vergleiche hierzu: § 24 Landesbeamtengesetz NRW
und § 4 Abs. 1 Tarifvertrag der Länder
6 vergleiche § 55 Abs. 1 Nr. 4 Landesbesoldungsgesetz/
Abschnitt 1 Absatz 4 Satz 1 Tarifvertrag über die
Eingruppierung und die Entgeltordnung für die
Lehrkräfte der Länder).
7 siehe zum Ganzen: https://www.schulministerium.nrw/
abgeordnete-lehrkraefte-kommunalen-integrationszen-
tren-ki-oder-der-landesstelle-schulische, abgerufen am
16. Oktober 2023
RECHT§AUSLEGER
Christopher Lange leitet die Rechtsabteilung
des
lehrer nrw
E-Mail: Rechtsabteilung@lehrernrw.de
lehrer nrw ·
6/2023
30
ANGESPITZT
W
Work-Life-Balance soll ja heutzuta-
ge sehr wichtig sein, hört man.
Vor allem die sogenannte Generation Z
lege darauf großen Wert, heißt es.
Generation Z, das sind die Jugendlichen
und jungen Erwachsenen, die jetzt oder
bald ins Berufsleben einsteigen. Die
legen Wert auf ein ausgewogenes
Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit.
Ein Burnout ist für die Generation Z
kein Nachweis eines heroischen Arbeits-
ethos‘, sondern das wenig erstrebens-
werte Resultat von Stress, Überlastung
und übersteigertem Pflichtgefühl.
Darum möchte die Generation Z gern
gesunde Arbeitsbedingungen. Dazu ge-
hören zum Beispiel eine optimale Ver-
einbarkeit von Familie, Freizeit und Be-
ruf, attraktive Teilzeit-Angebote, flexible
Home-Office-Regelungen, höhenverstell-
bare Schreibtische und Yoga am Mittag.
Das Ganze bei weitgehendem Verzicht
auf Überstunden und Wochenendarbeit.
Wer sich vor, sagen wir, 25 Jahren mit
diesen Wünschen im Bewerbungsge-
spräch vorgestellt hätte, wäre von je-
dem Personaler hinauskomplimentiert
worden. Mit der Empfehlung, es mal
beim Sozialamt zu versuchen. Damals
galt Arbeit noch als Wert an sich. Es war
hip, einen Burnout zu haben. Oder zu-
mindest einen Tinnitus.
Heute ist das anders. Wir leben in
Zeiten des Fachkräftemangels. Heute
bewerben sich junge Menschen nicht
mehr beim Arbeitgeber, sondern umge-
kehrt. Da muss man sich als Arbeitge-
ber schon was einfallen lassen, um den
Berufsnachwuchs für einen Job im ei-
genen Laden zu begeistern. Und da ist
der Arbeitsplatz Schule ganz vorn.
Schon vor sechs Jahren surfte das
NRW-Schulministerium souverän auf
der Trendwelle, als eine Lehrerwerbe-
kampagne mit brillanter Jugend-Rhe-
torik à la »Job mit Pultstatus – Gönn
Dir« scharenweise junge Menschen ins
Lehramtsstudium treiben sollte. Was
dann aus unerfindlichen Gründen nicht
so ganz klappte, aber das ist eine an-
dere Geschichte.
Was also hat der Arbeitsplatz Schule
angehenden Lehrkräften heute zu bie-
ten? Nun ja. Das mit der Teilzeit können
wir gerade nicht garantieren. Home
Office? Ähm, im Moment ungünstig,
aber bei der nächsten Pandemie ganz
bestimmt. Flexible Arbeitszeiten? Auf
jeden Fall: Zwischen 19:00 Uhr abends
und 6:00 Uhr morgens können Sie sich
frei entfalten! Und Klassenarbeiten dür-
fen maximal flexibel sogar am Wochen-
ende korrigiert werden!
Und überhaupt: Was kann es Schöne-
res geben als die Arbeit mit Kindern –
von denen manche sogar eine rudimen-
täre Erziehung genossen haben?
Also: Gönn Dir!
Jochen Smets
Lehrer werden? Gönn Dir!
31
6/2023 ·
lehrer nrw
Über Feedback zu meinen
Gehirnjogging-Übungen würde ich mehr sehr freuen: mail@heike-loosen.de
Suchsel Zugvögel
Zahlen-
ana-
gramme
Diese Aufgabe hat es in sich:
Dekodieren Sie die folgenden Ana-
gramme, indem Sie die Buchstaben so
umstellen, und dabei die zusätzlichen
Buchstaben in der angegebenen Anzahl
einfügen, dass sich ein herbstliches
Lösungswort ergibt.
Beispiel:
2 x N + ACGHIMOP = CHAMPIGNON
1. 2 x E + MNBRVO
2. 2 x A + 2 x N + TEKSI
3. 2 x S + 2 x P + BRKIÜEU
4. 2x E + 2x N + KATRD
5. 4 x E + 2x L + BNCISRH
6. 2 x R + 2 x E + MSGNICH
7. 2 x L + 2 x E + WAHON
8. 3 x E + 2x N + DIFGLRACH
9. 2 x U + 2 N + SWGTARMR
10. 2 x L + RUOPVE
11. 3 x E + 2 x N + TKA
12. 3 x E + PLRANFT
13. 2 x A + 2x U+ LBHFEN
14. ACFGHIKLNRU
15. 3 x E + WSILN
16. 3 X E + 2 x T + 2 x N + LARFS
17. 2 x E + 3 x H + 2 x N + 2x C + IÖR
18. 3 x E + 2 x R + NHTBSFI
19. EGHINUZ
20. 2 x E + KUARMIFN
Lösungen
Aufgabe 2: 1. November | 2. Kastanien | 3. Kürbissuppe | 4. Erntedank | 5. Nebelschleier | 6. Regenschirm | 7. Halloween | 8. Drachenfliegen | 9. Sturmwarnung | 10. Pullover |
11. Teekanne | 12. Apfelernte | 13. Laubhaufen | 14. Kranichflug | 15. Weinlese | 16. Laternenfest | 17. Eichhörnchen | 18. Herbstferien | 19. Heizung | 20. Kaminfeuer
Aufgabe 3: MAUERSEGLER | FELDLERCHE | KIEBITZ | BRACHVOGEL | NACHTIGALL | STORCH | GRAUGANS | STAR | KRANICH | KUCKUCK
HIRNJOGGING
In diesem Suchsel sind zehn Zugvögel versteckt. Suchen Sie waagerecht, senkrecht und diagonal.
Märchen-ABC
Im Herbst sitzt man gerne am Kaminfeuer oder bei Kerzenschein. zusammen.
Wie schön ist es dann, den Kindern ein Märchen oder eine Geschichte vorzulesen.
Aufgabe:
Schreiben Sie das ABC untereinander und suchen Sie zu jedem Buchstaben ein Märchen.
Dabei ignorieren Sie den Artikel im Titel. ‘Das tapfere Schneiderlein’ könnten Sie unter T oder S
verwenden.
Wie viele Märchen fallen Ihnen ein? Sollte es um Ihren Märchen-Fundus nicht so gut bestellt
sein, erweitern Sie die Aufgabe und nehmen Sie andere Geschichten oder Kinderbücher dazu.
M B N K H H Y I Y U Y F
M A R W I S T O R C H E
K G U A D E P I F S K L
M R N E C V B O E E R D
S A U K R H Q I U D A L
P U G D U S V R T T N E
N G W V H C E O Q Z I R
J A J F S K K G G U C C
E N K S T A R U L E H H
G S U R E Z L P C E L E
W O A T I H U C T K R H
O X N A C H T I G A L L
AUFGABE 3:
AUFGABE 2:
AUFGABE 1:
Heike Loosen