3Unter der Lupe
Mehr Steuerung =
mehr Qualität?
15 Dossier
Klassenzimmer
unter Segeln
28 Recht§ausleger
Cannabis
in Schulen
6Im Brennpunkt
Endlich ein Lichtblick
Personal-
ratswahl
2024
Pädagogik & Hochschul Verlag . Graf-Adolf-Straße 84 . 40210 Düsseldorf · Foto: AdobeStock · Montage: Dömges
1781 | Ausgabe 4/2024 | JULI | 68. Jahrgang
INHALT
lehrer nrw ·
4/2024
2
UNTER DER LUPE
Sven Christoffer:
Mehr Steuerung = mehr Qualität? 3
BRENNPUNKT
Sarah Wanders:
Endlich ein Lichtblick 6
PERSONALRATSWAHL 2024
Jochen Smets: Nach der Wahl
ist vor der Arbeit 8
TITEL
»Momentaufnahme eines
kranken Systems« 10
DOSSIER
Klassenzimmer unter Segeln 15
SCHULE & POLITIK
Qualität der Lehrerausbildung
sicherstellen 19
Ausbaufähig 20
Ulrich Gräler: Schulabschluss als
self-fulfilling prophecy? 22
FORTBILDUNGEN
Raus aus der emotionalen Teilzeitfalle! 24
BATTEL HILFT
Evidenzbasiert? 26
SENIOREN
Bei Goldbeck und Güths Mariechen 27
Mülheim ist eine Reise wert 27
RECHT§AUSLEGER
Christopher Lange: Cannabis in Schulen 28
ANGESPITZT
Jochen Smets: Augen auf
bei der Berufswahl 30
HIRNJOGGING
Aufgabe 1: Fußball-ABC
Aufgabe 2: Sehenswürdigkeiten
in EM-Ländern
Aufgabe 3: Fuß(ball) Spiel 31
IMPRESSUM
lehrer nrw
– G 1781 –
erscheint sieben Mal jährlich
als Zeitschrift des
‘lehrer nrw’
ISSN 2568-7751
Der Bezugspreis ist für
Mitglieder des
‘lehrer nrw’
im Mitgliedsbeitrag enthal-
ten. Preis für Nichtmitglieder
im Jahresabonnement:
35,– inklusive Porto
Herausgeber und
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lehrer nrw e.V.
Nordrhein-Westfalen,
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Redaktion
Sven Christoffer,
Ulrich Gräler,
Christopher Lange,
Jochen Smets,
Sarah Wanders,
Marcel Werner
Düsseldorf
Verlag und
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PÄDAGOGIK &
HOCHSCHUL VERLAG
dphv-verlags-
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Zur Zeit gültig:
Anzeigenpreisliste Nr. 24
vom 1. Oktober 2023
Zuschriften und
Manuskripte nur an
lehrer nrw
,
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Für unverlangt eingesandte
Manuskripte kann keine Ge-
währ übernommen werden.
Namentlich gekennzeichnete
Beiträge geben die Meinung
ihrer Verfasser wieder.
Mehr Steuerung =
mehr Qualität?
Eine (bedenkliche?) Beobachtung und
ein (optimistischer!) Ausblick.
W
Wenn Sie die aktuelle Ausgabe unserer Ver-
bandszeitschrift erreicht, stehen Sie vor
der Ziellinie ‘Sommerferien’ oder haben
diese vielleicht sogar schon überschritten. Drei Din-
ge möchte ich Ihnen auf dem Weg in die wohlver-
diente Auszeit mitgeben: ein Dankeschön, eine Be-
obachtung und einen optimistischen Ausblick.
Zunächst einmal möchte ich mich bei all denjeni-
gen bedanken, die unseren Verband bei den Perso-
nalratswahlen gewählt haben. Wir werden alles
dafür tun, das in uns gesetzte Vertrauen zu recht-
fertigen. Bedanken möchte ich mich auch bei allen
Kandidatinnen und Kandidaten, die für
lehrer nrw
in den Ring gegangen sind – ein solches Engage-
ment ist wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Und
last but not least gilt mein Dank den Kolleginnen
und Kollegen, die unseren Wahlkampf vor Ort aktiv
unterstützt haben. Vor all diesen Menschen ziehe
ich meinen Hut!
3
4/2024 ·
lehrer nrw
UNTER DER LUPE
von SVEN CHRISTOFFER
An den Steuerreglern der Bildungspolitik: Bund und Land wollen mehr Einfluss.
Land und
Bund wollen
steuern
Was aktuelle schulpolitische Entwicklungen an-
geht, möchte ich eine Beobachtung mit Ihnen tei-
len, die ich in den letzten Wochen und Monaten
gemacht habe: Sowohl die Landes- als auch die
Bundesregierung scheinen aktuell verstärkt darauf
zu setzen, durch mehr Steuerung mehr Unterrichts-
qualität zu generieren. Vier Beispiele:
Beispiel 1: Das Startchancen-Programm
Das Programm besteht aus drei Säulen: einem
Budget für Investitionen in eine zeitgemäße und
förderliche Lernumgebung, einem Personalbudget
zur Stärkung multiprofessioneller Teams und einem
Chancenbudget »für bedarfsgerechte Lösungen in
der Schul- und Unterrichtsentwicklung«. Mit der
letzten Säule soll eine systemische Beratung zur
Verbesserung des Unterrichts und der Schulent-
wicklung finanziert werden. Es geht also um mehr
Steuerung.
Beispiel 2: Reform der Lehrkräftefortbildung
Vor wenigen Wochen hat Schulministerin Feller
ihren Sechs-Punkte-Plan zur Reform der Lehrkräfte-
fortbildung vorgestellt. Unter Punkt vier ‘Etablie-
rung verbesserter Steuerungs- und effizienterer
Umsetzungsstrukturen’ heißt es: »Zukünftig sollen
die Bedarfe und die Themen sowie Prioritä-
Foto: AdobeStock/princeoflove
lehrer nrw ·
4/2024
4
UNTER DER LUPE
ten und Umfänge des Fortbildungsangebots deutli-
cher landesweit definiert, priorisiert und gesteuert
werden. (…) Konkret werden wir eine verbindliche
landesweite Steuerung des Fortbildungssystems und
eine verbesserte und arbeitsteilige Zusammenarbeit
der Fortbildungsdezernate der Bezirksregierungen
und einen korrespondierenden Prozess der Weiter-
entwicklung des Arbeitsbereiches Lehrerfortbildung
in der QUA-LiS einleiten.« Auch hier geht es also um
deutlich mehr Steuerung als bisher.
Beispiel 3: QuaMath – Unterrichts- und Fortbil-
dungsqualität in Mathematik entwickeln
Zu ‘QuaMath’ hat der Hauptpersonalrat Realschule
durch das Schulministerium folgende Informationen
erhalten: »Diese Fortbildung ist eine Maßnahme des
Deutschen Zentrums für Lehrerbildung Mathematik
(DZLM) und des Leibniz-Instituts für die Pädagogik
der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) und
erstreckt sich über zehn Jahre. Die Maßnahme zielt
auf die Entwicklung mathematikbezogener Expertise
für die Realisierung von Unterrichtsqualität sowie
individueller und kollektiver Praktiken zur Planung,
Durchführung und Reflexion von qualitätsvollem
Unterricht. Die Fortbildung erfolgt in moderierten
Schulnetzwerken und schließt spezifische Transfer-
aufgaben für Schulteams ein. Mindestens zwei und
höchstens fünf Lehrkräfte einer Schule nehmen als
Schulteam an der Fortbildungsmaßnahme teil. Je
nach Teilnehmerzahl der einzelnen Schule bilden
fünf oder mehr Schulen ein Schulnetzwerk.« Ich in-
terpretiere den Ansatz, den ‘QuaMath’ verfolgt, fol-
gendermaßen: Es geht darum, evidenzbasierte Er-
kenntnisse der Mathematik-Didaktik über in Schul-
netzwerken organisierte Schulteams flächendeckend
in den Mathematikunterricht zu tragen und die kon-
krete Ausgestaltung des Mathematikunterrichts vor
Ort viel stärker als bisher zu steuern.
Beispiel 4: Rolle der Schulleitungen
Das Ministerium für Schule und Bildung hat im ver-
gangenen Jahr einen Prozess begonnen, die Rolle
der Schulleitungen angesichts veränderter Rahmen-
bedingungen und Herausforderungen zu überprüfen
und Unterstützungsbedarfe zu identifizieren. Dazu
hat das Haus in einem ersten Schritt eine Austausch-
runde aktiver Schulleiterinnen und Schulleiter instal-
liert, die Einblick in ihren Alltag gegeben und über
Lösungsansätze beraten haben. Für
lehrer nrw
hat
an diesem Austausch Olaf Korte teilgenommen. Am
2. Mai haben dann die Verbände und Gewerkschaf-
ten Einblick in die Arbeit und die Zwischenergebnis-
se der Austauschrunde erhalten. Dabei sind wir aus-
drücklich darum gebeten worden, noch keinerlei
Wasserstandsmeldungen nach außen zu tragen.
Daran werde ich mich selbstverständlich auch hal-
ten. Es zeichnet sich aber schon jetzt ab, dass Schul-
leitungen künftig mehr Gewicht und Verantwortung
bei der Steuerung von Unterrichts- und Schulent-
wicklungsprozessen erhalten sollen.
Ob mehr Steuerung auf allen Ebenen tatsächlich
zu einer Steigerung der Unterrichtsqualität führen
wird, bleibt abzuwarten. Wir werden diese Entwick-
lung auf jeden Fall sehr genau beobachten und uns
bei Bedarf in gewohnter Manier zu Wort melden.
Die Schullandschaft in 20 Jahren
Ich möchte Sie gerne mit einem positiven Gefühl in
die Sommerferien verabschieden und hatte Ihnen in
meiner Einleitung einen optimistischen Ausblick ver-
sprochen. Im Dezember letzten Jahres hatte die
‘Welt am Sonntag’ fünf Expertinnen und Experten
(und eben auch
lehrer nrw
) gebeten, die Schulland-
schaft in zwanzig Jahren zu beschreiben und dabei
ein bestmögliches und ein schlimmstmögliches
Szenario zu entwerfen. Letzteres erspare ich Ihnen,
ersteres haben wir so formuliert:
»Im besten Fall hat die Politik in zwanzig Jahren
längst ein Sondervermögen ‘Bildung’ aufgelegt, und
Milliarden Euro sind in die Schulen geflossen. Der
Arbeitsplatz Schule ist wieder attraktiv. Und Lehr-
kräftemangel gehört der Vergangenheit an. Dann ist
nicht nur genügend Zeit für die Vermittlung von Wis-
sen und Kompetenzen vorhanden, sondern auch für
Erziehungs- und Beziehungsarbeit. Das wirkt sich
auf das Schulklima aus: Schulen sind gewaltfreie
Orte. Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit
sind keine Floskeln, sondern gelebte Realität. An
Schulen in herausfordernden Lagen sind die Klassen
besonders klein, der Personalschlüssel ist besonders
gut. Innovation entsteht von unten. Den Schulen
werden daher ausreichend Freiräume und Zeit gege-
ben, um eigene Schwerpunkte zu setzen und sich
individuell zu entwickeln, den Lehrkräften werden
ausreichend Freiräume und Zeit gegeben für ihr
Kerngeschäft – guten Unterricht.«
Ich wünsche Ihnen erholsame Sommerferien, in
denen Sie ausreichend Kraft tanken können für alles,
was kommt!
Sven Christoffer ist Vorsitzender des
lehrer nrw
sowie stellv. Vorsitzender des HPR Realschulen
E-Mail: christoffer@lehrernrw.de
lehrer nrw ·
4/2024
6
EEnnddlliicchh eeiinn
LLiicchhttbblliicckk
Die International Civic and Citizenship Education Study
(ICCS) zeigt unter anderem, dass das Vertrauen von
Jugendlichen in die Demokratie und die demokratischen
Institutionen noch intakt ist. Für die politische Bildung
ist ein solides Fundament vorhanden.
A
Als unseren Verband die Einladung
vom Ministerium für Schule und
Bildung zur Vorstellung der ICCS-
Studie am 3. Mai 2024 erreichte, war meine
Befürchtung groß: Nicht schon wieder eine
Studie, für die sich die Lehrerschaft am Ende
wieder wochenlang in allen Medien recht-
fertigen muss.
Die Studie
Bei der ICCS-Studie handelt es sich um
eine internationale Schulleistungsstudie in
24 Bildungssystemen, darunter 21 aus
Europa und mit Nordrhein-Westfalen und
Schleswig-Holstein zwei deutschen Bundes-
ländern. Sie ist die größte international ver-
gleichende Studie mit dem Fokus auf politi-
sche Bildung und Demokratieerziehung. Ins-
gesamt haben 3500 Schulleitungen, 42 000
Lehrkräfte und 83 000 Achtklässlerinnen
und Achtklässler teilgenommen. Vorgestellt
wurden die Ergebnisse der Studie von Prof.
Dr. Hermann Abs von der Universität Duis-
burg-Essen und Prof. Dr. Katrin Hahn-Lau-
denberg von der Universität Münster. Die
Studie wurde erstmalig unter der damaligen
Schulministerin Sylvia Löhrmann genehmigt,
ein zweites Mal unter ihrer Nachfolgerin
Yvonne Gebauer und jetzt unter der aktuel-
len Ministerin Dorothee Feller, was den
breiten politischen Konsens und eine par-
teiübergreifende Beständigkeit verdeut-
licht. Für Nordrhein-Westfalen konnten re-
präsentative Ergebnisse sowohl für Schüle-
rinnen und Schüler als auch für Lehrkräfte
erzielt werden, da die Teilnahme im Gegen-
satz zu Schleswig-Holstein hier verpflich-
tend war.
Ergebnisse und Erkenntnisse
Die Ergebnisse werden in die Bereiche
‘Wissen und Argumentieren’, ‘Identität’,
‘Einstellungen und Werte’ und ‘Partizipati-
onsbereitschaft’ gegliedert.
Im Bereich ‘politisches Wissen’ erreichen
die nordrhein-westfälischen Schülerinnen
und Schüler bessere Werte als im europäi-
schen Mittel, auch wenn die Werte stark
von SARAH WANDERS
Politische Bildung und Demokratieerziehung sind wichtiger
denn je. Das hat nicht zuletzt die Europawahl eindrücklich gezeigt.
BRENNPUNKT
7
4/2024 ·
lehrer nrw
von Schulform zu Schulform divergieren.
Auch wird ein Zusammenhang zwischen so-
zio-ökonomischem Hintergrund und politi-
schem Wissen deutlich.
Bei der Wahrnehmung von Zukunftsbedro-
hungen stellen Umweltverschmutzung,
Klimawandel und Krieg für etwa drei von
vier Schülerinnen und Schülern in Nordrhein-
Westfalen eine große Bedrohung dar, wohin-
gegen die globale Finanzkrise oder Arbeits-
losigkeit nur von 30 bzw. 25 Prozent der
Befragten als Bedrohung empfunden wird.
Vertrauen in Demokratie
und Parlamentarier
Positiv ist auch festzuhalten, dass aus der
Perspektive der Schülerinnen und Schüler
das politische System in Deutschland gut
funktioniert. So stimmen 82 Prozent der
Aussage zu, dass die Demokratie die beste
Regierungsform sei (74 Prozent Vergleichs-
gruppe Europa). 76 Prozent sind der Auf-
fassung, dass unser politisches System gut
funktioniere (56 Prozent VG Europa) und
69 Prozent finden, dass Abgeordnete die
Menschen im Land vertreten (55 Prozent
VG Europa). Allerdings ist das Vertrauen
darin, dass Abgeordnete auch junge Men-
schen vertreten mit 45 Prozent nur durch-
schnittlich ausgeprägt.
Auch wenn das Vertrauen in Institutio-
nen in den vergangenen Jahren abgenom-
men hat, so kommt die Studie zu dem Er-
gebnis, dass die politischen Institutionen
Deutschlands einen hohen Vertrauensvor-
schuss bei den Heranwachsenden genie-
ßen. Schülerinnen und Schüler vertrauen
den traditionellen Medien, Menschen im
Allgemeinen und der Regierung mehr als
die europäische Vergleichsgruppe.
Leider zeigt die Studie allerdings auch,
dass die Jugendlichen eine geringere Be-
reitschaft haben, einer Partei beizutreten
oder an Streiks oder Wahlen teilzunehmen.
Das Wissen um die Verantwortung ist also
vorhanden, die Handlungsbereitschaft eher
nicht.
Zwei Überraschungen
Als besonders überraschend stellte Prof.
Dr. Abs im Anschluss an die Präsentation
zwei Ergebnisse heraus: Das Niveau be-
züglich des politischen Wissens ist seit
2016 gleich geblieben. Man hätte eigent-
lich nach der Corona-Pandemie einen
Rückgang erwarten können. Das zeugt von
gewachsenem politischem Interesse bei
den Jugendlichen. Außerdem ist es überra-
schend, dass bei allgemein nachlassendem
Vertrauen das Vertrauen in die Bundes-
wehr gestiegen ist. Das ist darauf zurück-
zuführen, dass angesichts der Kriege und
Krisen weltweit der Sinn der Bundeswehr
mehr gesehen wird.
Die gesamte Studie im Detail darzustel-
len, würde den Rahmen dieses Beitrags
sprengen. Sie können sie kostenlos auf der
Seite der Universität Duisburg downloaden
(www.uni-due.de/edu-research/iccs2022.php).
Solides Fundament
Die Kriminalstatistik, die das Bundeskrimi-
nalamt gemeinsam mit dem Bundesminis-
terium des Innern und für Heimat am
21. Mai 2024 veröffentlicht hat, spricht
eine deutliche Sprache: »Die Zahl der poli-
tisch motivierten Straftaten ist im Jahr
2023 erneut angestiegen auf 60 028 Fälle.
Sie erreicht damit einen neuen Höchst-
stand. Innerhalb von zehn Jahren hat sich
die Zahl der Straftaten im Bereich der PMK
insgesamt fast verdoppelt.« Vor diesem
Hintergrund sind politische Bildung und
Demokratieerziehung wichtiger denn je.
Die ICCS-Studie hat gezeigt, dass unsere
Jugendlichen über ein solides Fundament
verfügen, auf das wir als Lehrkräfte auf-
bauen können und die Entwicklung politi-
scher Kompetenzen im Unterricht noch
weiter stärken können.
Demokratie braucht
Bildung
lehrer nrw
nimmt unter anderem die teil-
weise besorgniserregenden Tendenzen in
unserem Land, aber auch weltweit zum
Anlass, sich beim diesjährigen Mülheimer
Kongress am 6. November intensiv mit dem
Thema ‘Demokratiebildung in der Schule’
auseinanderzusetzen. Es warten spannende
Vorträge auf Sie
(siehe Kasten)
!
Sarah Wanders ist stellv. Vorsitzende des
lehrer nrw
sowie Vorsitzende des HPR Realschulen
E-Mail: wanders@lehrernrw.de
MEHR ZUM THEMA BEIM MÜKO 2024
‘Demokratiepädagogik und Demokratiebildung: Querschnittsaufgaben,
Grundlagen und fachliche Herausforderungen der Schule’
Dr. Wolfgang Beutel,
Institut für Didaktik der Demokratie, Leibniz Universität Hannover
‘Politisches Argumentieren und Urteilen fördern: Debattieren im Unterricht’
Prof. Dr. Monika Waldis,
Leiterin Zentrum Politische Bildung und Geschichtsdidaktik,
Pädagogische Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz
Foto: AdobeStock/JackF
SC
lehrer nrw ·
4/2024
8
Personalratswahl 2024
Nach der Wahl
ist vor der Arbeit
Weitgehend stabile Ergebnisse, einige große Erfolge und kleinere Wermuts-
tropfen: Das ist, salopp formuliert, die Bilanz zur Personalratswahl 2024, in
der lehrer nrw ein im Vergleich zur Wahl 2020 stabiles Ergebnis erzielte.
Gemeinsam zum Erfolg: Wir danken allen
Kandidatinnen und Kandidaten, die sich für lehrer nrw in
die Riemen gelegt haben, sowie allen Kolleginnen und
Kollegen, die unseren Wahlkampf vor Ort
aktiv unterstützt haben.
Foto: AdobeStock/corepics
Herausragend waren die
Ergebnisse für die Real-
schul-Bezirkspersonalräte in
Köln und Münster, wo lehrer nrw je-
weils um rund drei (Köln) bzw. sechs
Prozent (Münster) zulegte und sogar
je einen Sitz hinzugewann. Im Bezirk
Düsseldorf wurde das sehr gute
Resultat der letzten Wahl bestätigt.
Nicht zuletzt dank der starken Er-
gebnisse in Köln, Münster und Düs-
seldorf konnte sich lehrer nrw auch
im Hauptpersonalrat Realschule
um zwei Prozent steigern.
Sehr erfreulich waren die Ergeb-
nisse im Gesamt- und Sekundar-
schulbereich. Der Wiedereinzug in
fast alle Bezirkspersonalräte und
den Hauptpersonalrat ist gelungen,
wobei lehrer nrw in Köln wie schon
2020 sogar zwei Sitze holte. Ledig-
lich in Münster wurde der Einzug in
den Bezirkspersonalrat Gesamt- und
Sekundarschule haarscharf ver-
passt.
Dafür gelang erstmals in der
Geschichte unseres Verbandes der
Sprung in einen Hauptschul-Perso-
nalrat, und zwar im Regierungsbe-
zirk Köln. Auf Hauptpersonalrats-
Ebene erreichte lehrer nrw aus dem
Stand über fünf Prozent der Stim-
men und verfehlte einen Sitz im
HPR Hauptschulen nur hauchdünn.
Bedenklich schwach war die
Wahlbeteiligung, die mit 33,8 Pro-
zent (Gesamt- und Sekundarschulen)
bzw. 37,6 Prozent (Realschulen) so-
gar noch unter dem schwachen Wert
der 2020er Wahl lag. Hier wurde eine
Chance zur Partizipation verschenkt!
»Mein herzlicher Dank gilt allen
Kandidatinnen und Kandidaten, die
sich mit viel Herzblut in den Wahl-
kampf gestürzt und zu unserem gu-
ten Ergebnis beigetragen haben«, be-
tont der lehrer nrw -Vorsitzende Sven
Christoffer. »Festzustellen bleibt aber
auch: Unser Ergebnis ist zwar solide,
aber alles andere als ein sanftes Ru-
hekissen. Unser Ziel muss es sein, die
Position von lehrer nrw in allen Perso-
nalräten zu festigen oder auszubau-
en, damit wir weiter eine starke Stim-
me im Sekundarbereich I sind. Daher
gilt: Nach der Wahl ist vor der Arbeit.«
Jochen Smets
REALSCHULE
9
4/2024 ·
lehrer nrw
Personalratswahl 2024
Stimmen absolut Stimmen in % Sitze
GEW 1993 35,88 6
lehrer nrw 1938 34,89 5
vbe 1054 18,97 3
SchaLL 570 10,26 1
Hauptpersonalrat Realschule beim MSB NRW
Stimmen absolut
Stimmen in %
Sitze
GEW
425
41,4
7
lehrer nrw
237
23,1
3
vbe
274
26,7
4
SchaLL
90
8,8
1
Stimmen absolut
Stimmen in %
Sitze
GEW
427
41,0
7
lehrer nrw
353
33,9
6
vbe
179
17,2
3
SchaLL
83
8,0
1
Personalrat Realschule bei der Bezirksregierung
ARNSBERG
Personalrat Realschule
bei der Bezirksregierung
DETMOLD
Personalrat Realschule bei der Bezirksregierung
DÜSSELDORF
Stimmen absolut
Stimmen in %
Sitze
GEW
554
35,12
7
lehrer nrw
607
38,49
7
vbe
241
15,28
3
SchaLL
175
11,09
2
lehrer nrw ·
4/2024
10
Personalratswahl 2024
Stimmen absolut
Stimmen in %
Sitze
GEW
360
33,4
6
lehrer
427
39,6
7
vbe
175
16,2
2
SchaLL
117
10,8
2
Personalrat Realschule
bei der Bezirksregierung
KÖLN
Stimmen absolut
Stimmen in %
Sitze
GEW
281
33,61
5
lehrer
305
36,48
6
vbe
175
20,93
3
SchaLL
75
8,97
1
Personalrat Realschule
bei der Bezirksregierung
MÜNSTER
Stimmen absolut Stimmen in % Sitze
GEW 7830 57,13 9
vbe 2475 18,06 3
PhV 1357 9,90 1
lehrer nrw 809 5,90 1
SchaLL 837 6,10 1
fidel 397 2,90 0
Stimmen absolut
Stimmen in %
Sitze
GEW
1292
56,32
14
vbe
487
21,23
5
PhV
261
11,38
2
lehrer nrw
105
4,58
1
SchaLL
149
6,50
1
Hauptpersonalrat Gesamt- und Sekundarschule
Personalrat Gesamt- und Sekundarschule
bei der Bezirksregierung ARNSBERG
beim MSB NRW
Stimmen absolut
Stimmen in %
Sitze
GEW
1232
58,1
14
vbe
428
20,2
4
PhV
165
7,8
1
lehrer nrw
152
7,2
1
SchaLL
143
6,7
1
Personalrat Gesamt- und Sekundarschule
bei der Bezirksregierung DETMOLD
GESAMT- UND
11
4/2024 ·
lehrer nrw
Personalratswahl 2024
Stimmen absolut
Stimmen in %
Sitze
GEW
2374
57,2
16
vbe
543
13,1
3
PhV
426
10,3
2
lehrer nrw
279
6,7
1
SchaLL
240
5,8
1
fidel
287
6,9
2
Personalrat Gesamt- und Sekundarschule
bei der Bezirksregierung DÜSSELDORF
Stimmen absolut
Stimmen in %
Sitze
GEW
1623
54,0
14
vbe
569
18,9
5
PhV
332
11,1
2
lehrer nrw
251
8,4
2
SchaLL
228
7,6
2
Personalrat Gesamt- und Sekundarschule
bei der Bezirksregierung KÖLN
Stimmen absolut
Stimmen in %
Sitze
GEW
1354
62,22
15
vbe
421
19,35
4
PhV
179
8,23
1
lehrer nrw
88
4,04
0
SchaLL
134
6,16
1
Personalrat Gesamt- und Sekundarschule
bei der Bezirksregierung
MÜNSTER
SEKUNDARSCHULE HAUPT-
SCHULE
Stimmen absolut Stimmen in % Sitze
GEW 1189 45,93 8
vbe 974 37,62 6
lehrer nrw 136 5,25 0
SchaLL 290 11,2 1
Hauptpersonalrat Hauptschule
beim MSB NRW
Stimmen absolut
Stimmen in %
Sitze
GEW
222
40,59
6
vbe
217
39,67
5
lehrer nrw
43
7,86
1
SchaLL
65
11,88
1
Personalrat Hauptschule
bei der Bezirksregierung
KÖLN
lehrer nrw ·
4/2024
12
TITEL
»»MMoommeennttaauuffnnaahhmmee
eeiinneess kkrraannkkeenn
SSyysstteemmss««
Jede zweite Lehrkraft beobachtet Gewalt an der eigenen Schule. Dies ist ein zentrales
Ergebnis des aktuellen Deutschen Schulbarometers. Die repräsentative Umfrage der
Robert Bosch Stiftung zeigt hohe emotionale Erschöpfung bei Lehrkräften. Schwieriges
Schülerverhalten, der Umgang mit heterogenen Klassen, Personalmangel und marode
Schulgebäude werden als drängendste Probleme angesehen.
F
Fast jede zweite Lehrkraft (47 Prozent
der Befragten) sieht an der eigenen
Schule ein Problem mit psychischer
oder physischer Gewalt unter Schülerinnen
und Schülern. Besonders betroffen sind
Schulen in sozial benachteiligter Lage
(69 Prozent). Das Ende April veröffentlichte
Schulbarometer zeigt auch, dass Gewalt an
der eigenen Schule das Burnout- und Stress-
risiko von Lehrkräften deutlich erhöht. Mehr
als ein Drittel (36 Prozent) fühlt sich mehr-
mals pro Woche emotional erschöpft, vor
allem jüngere und weibliche Lehrkräfte so-
wie Grundschullehrerinnen und -lehrer sind
betroffen. Obwohl die große Mehrheit (75
Prozent) der Lehrkräfte mit ihrem Beruf zu-
frieden ist, würde mehr als ein Viertel der Be-
fragten (27 Prozent) den Schuldienst verlas-
sen, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten.
Berufliches Wohlbefinden
wird entscheidend
»Wir sehen in den Ergebnissen die Mo-
mentaufnahme eines kranken Systems«,
sagt Dr. Dagmar Wolf, Leiterin des Bereichs
Bildung der Robert Bosch Stiftung. »Lehre-
rinnen und Lehrer müssen seit langem die
Folgen des massiven Personalmangels aus-
gleichen und immer neue Belastungen be-
wältigen. Das führt dazu, dass bereits Be-
rufseinsteigerinnen und -einsteiger den
Schuldienst gar nicht erst antreten oder
schnell wieder verlassen wollen. Die einen,
weil sie dem Druck nicht standhalten, die
anderen, weil sie immer wieder an Gren-
zen stoßen und den Kindern und Ju-
Gewalt unter Schülerinnen und Schülern
ist ein Riesenproblem an vielen Schulen. Das wiederum
erhöht das Burnout- und Stressrisiko von Lehrkräften
enorm – zumal viele von ihnen nicht selten auch selbst
zum Ziel von verbaler oder körperlicher Gewalt werden.
TITEL
13
4/2024 ·
lehrer nrw
INFO
Klarer Auftrag an die Politik
Foto: AdobeStock/motortion
Als ‘bestürzend’ hat
lehrer nrw
die alarmierenden Ergebnis-
se des Schulbarometers in einer Pressemitteilung bezeichnet
und Konsequenzen gefordert. Die repräsentative Umfrage
der Robert Bosch Stiftung unter mehr als 1.600 Lehrkräften
zeige dringenden Handlungsbedarf auf mehreren Ebenen.
So sieht fast die Hälfte der Befragten ein Problem mit psy-
chischer oder physischer Gewalt unter Schülerinnen und
Schülern. Das wiederum erhöht das Burnout- und Stressrisi-
ko von Lehrkräften enorm – zumal viele von ihnen nicht
selten auch selbst zum Ziel von verbaler oder körperlicher
Gewalt werden. Dass 27 Prozent der befragten Lehrerinnen
und Lehrer den Schuldienst verlassen würden, wenn sie die
Möglichkeit dazu hätten, ist alarmierend.
Sven Christoffer, Vorsitzender von
lehrer nrw
, forderte
die Politik zum Handeln auf: »Diese erschütternden Befun-
de decken sich leider zu einhundert Prozent mit den Rück-
meldungen, die wir immer wieder aus den Schulen bekom-
men. Das ist nicht mehr hinnehmbar. Die Ergebnisse des
Schulbarometers ziehen einen klaren Auftrag an die Politik
nach sich: Das System Schule braucht mehr Investitionen,
mehr Personal und mehr Wertschätzung. Schule sollte ein
angst- und gewaltfreier Raum sein, in dem ein lernförder-
liches Klima und eine Kultur des Respekts herrscht. Ein
‘Weiter so‘ darf es nicht geben. Denn es kann nicht ge-
sund sein, in einem kranken System zu arbeiten und zu
lernen.«
lehrer nrw ·
4/2024
14
TITEL
gendlichen nicht so helfen können, wie sie
es sich vorgestellt haben. Das berufliche
Wohlbefinden wird in Zukunft enorm wich-
tig sein, um Lehrerinnen und Lehrer an den
Schulen zu halten und den Beruf für junge
Menschen wieder attraktiver zu machen.«
Größte Herausforderun-
gen, dringendster
Handlungsbedarf
Die größten Herausforderungen sehen
Lehrkräfte derzeit im Verhalten der Schüle-
rinnen und Schüler (35 Prozent) und im
Umgang mit heterogenen Klassen (33 Pro-
zent; an Grundschulen 45 Prozent), in de-
nen die Kinder individuelle Lernbiografien,
unterschiedliche kulturelle und familiäre
Hintergründe und unter Umständen auch
besondere Förderbedarfe haben. Auf die
Frage nach dem dringendsten Handlungs-
bedarf an der eigenen Schule nennen sie
die Behebung des Personalmangels (41
Prozent, an Grundschulen 51 Prozent),
dicht gefolgt von Investitionen in marode
Schulgebäude und in die technische und
digitale Ausstattung (35 Prozent).
Fortbildungen und
Feedback: Kaum
Rückmeldung
zur eigenen Arbeit
Erstmals beleuchtet das Deutsche Schulba-
rometer auch die Fortbildungen im deut-
schen Schulsystem und vergleicht die Ergeb-
nisse mit der internationalen TALIS-Studie
(Teaching and Learning International Survey
der OECD, 2018). Demnach werden Fortbil-
dungen zu pädagogischen Kompetenzen
(Deutschland: 23 Prozent; international:
73 Prozent) oder individualisiertem Lernen
(Deutschland: 20 Prozent; international:
49 Prozent) in Deutschland deutlich seltener
besucht. Auch informelle Fortbildungsange-
bote wie der Austausch mit Lehrkräften an-
derer Schulen werden in Deutschland deut-
lich seltener genutzt (Deutschland: 21 Pro-
zent; international: 41 Prozent). Direktes
Feedback durch Kolleginnen und Kollegen
der eigenen Schule erhält nur etwas mehr
als ein Viertel (28 Prozent). Jede vierte Lehr-
kraft (24 Prozent) hat im letzten Jahr über-
haupt kein Feedback zur eigenen Arbeit er-
halten.
In Deutschland wurden im vergangenen
Jahr vor allem Fortbildungen zum Einsatz
digitaler Medien besucht. Obwohl sich zwei
Drittel der Befragten (65 Prozent) zu diesem
Thema weitergebildet haben, fühlt sich ak-
tuell nur die Hälfte der Lehrkräfte (49 Pro-
zent) gut auf einen digital gestützten Unter-
richt vorbereitet.
Zu sehr auf sich
selbst fokussiert
»Die Überlastung der Lehrkräfte im Alltag
zeigt sich auch beim Thema Fortbildung«,
sagt Wolf. »Wir brauchen in Deutschland
eine Kultur des gemeinsamen Lernens, in
der sich qualitativ hochwertige Fortbildun-
gen mit gegenseitigen Hospitationen und
einer systematischen Feedback-Kultur er-
gänzen. Dazu gehört auch der Austausch in
schulübergreifenden Netzwerken. Im inter-
nationalen Vergleich sind unsere Lehrkräfte
hier noch viel zu sehr auf sich selbst fokus-
siert.«
LEHRER NRW
-UMFRAGE
85 Prozent
mit Gewalterfahrung
Im Rahmen des Personalratswahlkampfes hat
lehrer nrw
eine eigene Umfrage
zum Thema ‘Gewalt gegen Lehrkräfte’ gestartet. Die Ergebnisse spiegeln sich
in bedenklicher Weise mit dem Bild, das das Deutsche Schulbarometer zeich-
net. Von den rund 200 Lehrkräften, die sich an der Online-Umfrage beteilig-
ten, gaben knapp 85 Prozent an, in Ausübung ihres Dienstes schon einmal
Opfer verbaler (65,3 Prozent) oder physischer Gewalt (19,0 Prozent) gewor-
den zu sein. Nur gut 15 Prozent haben noch keine Gewalterfahrung machen
müssen.
Das Thema ‘Gewalt gegen Lehrkräfte’ hat
lehrer nrw
zur Personalratswahl 2024
in den Vordergrund gestellt und damit einen Nerv getroffen. Das zugehörige Pla-
kat symbolisierte, dass Gewalt gegen Lehrkräfte und anderes Schulpersonal viele
Facetten hat und von vielen Seiten kommt.
Spektakuläre Lernumgebung:
Auf der sechsmonatigen Reise befindet
sich der Klassenraum auf hoher See.
15
4/2024 · lehrer nrw
?
Was motiviert Lehrkräfte, unter
Segeln zu unterrichten?
Diese Frage habe ich mir vor 24 Jahren gestellt, als
ich noch im Schuldienst tätig war. Ich habe schon
damals sehr gerne mit Jugendlichen gearbeitet, je-
doch kam im schulischen Alltag die Zeit, sich mit
den Schülerinnen und Schülern über den Unterricht
hinaus zu beschäftigen, meistens etwas zu kurz. Ich
suchte nach einer Möglichkeit, meine fachliche Ex-
pertise einzubringen und gleichzeitig mehr
Klassenzimmer
unter Segeln
Das Wasser schwappt einem um die Füße, wenn man Unterricht hat. Biologie wird anhand
von fliegenden Fischen erklärt, die auf dem Segelschiff landen. Ein Interview mit Dr. Ruth
Merk, Leiterin des Projektes ‘Klassenzimmer unter Segeln’, über Unterricht und Alltag an Deck,
Grenzerfahrungen, menschliche Reifeprozesse und warum die Umwelt ein guter Lehrer ist.
Foto: FAU Nürnberg
Raum dafür zu haben. Wenn ich heute mit Lehrkräften
spreche, dann ist das genau das, was sie motiviert. Sie
wollen mehr als nur ihre fachliche Expertise einbringen
können. Klassenzimmer unter Segeln hat einen ganzheit-
lichen Ansatz, ähnlich dem Ansatz von reformpädagogi-
schen Schulen. Natürlich ist es auch spannend, einmal et-
was ganz anderes zu erleben, wie zum Beispiel das Set-
ting auf einem Segelschiff, auf dem es jedoch auch einen
Alltag gibt. Mit einem traditionellen Schiff um die Welt zu
segeln ist zwar ein großer Reiz, aber es gibt auch Perso-
nen, die von der Enge und der Reduktion auf das Wesent-
liche abgeschreckt werden. Das kann sich nicht jeder vor-
stellen.
?
Wie teilt sich die Zeit der Lehrkräfte zwischen
Unterrichtsvorbereitung, Unterricht, Arbeiten
und Leben an Bord auf?
Die Lehrkräfte müssen den Unterricht vor der Reise ge-
plant und vorbereitet haben, da sie auf dem Segelschiff
nicht nur als Lehrkräfte, sondern auch als Besatzungs-
mitglieder gefordert sind. Das bedeutet, dass sie in den
ganz normalen Schiffsalltag integriert sind. In der ers-
ten Etappe geht es vor allem um das Kennenlernen des
Schiffsbetriebes. In dieser Phase haben die Lehrkräfte
wie auch die Jugendlichen täglich sechs Stunden Wa-
che, zwei Stunden nautische Theorie und eine Stunde
Putzen des Schiffes. Einmal in der Woche absolviert die
Lehrkraft gemeinsam mit drei Jugendlichen den Kom-
büsendienst und verpflegt an diesem Tage die gesamte
Besatzung von fünfzig Personen. Wenn der klassische
Unterricht beginnt, so klassisch ist der Unterricht nun
auch nicht, werden sie je nach Stundenumfang von der
Schiffs- und Betreuungsarbeit freigestellt. Eine Lehrkraft
hat dann drei bis vier Stunden Schiffsdienst und ein bis
zwei Stunden Unterricht pro Tag.
?
Was ist das Besondere bei
Klassenzimmer unter Segeln?
Im normalen schulischen Kontext wird zum Teil auch
darauf geachtet, dass der Unterrichtsstoff auf den All-
tag übertragen wird bzw. diesen integriert. Wir haben
den Lehrplan bewusst so gestaltet, dass vieles, was
uns umgibt, zum Gegenstand des Unterrichts wird.
Wenn zum Beispiel eine Welle an Bord schwappt oder
Wale am Bug auftauchen, werden diese zum Inhalt
des Unterrichts. Wie alle Schulen wollen wir junge
Menschen auf das Leben als junge Erwachsene
vorbereiten, wir nutzen jedoch verstärkt die Chance,
dass Ereignisse, die uns begegnen, und der Alltag,
der uns umgibt, konkret in den Unterricht einbezogen
werden.
?
Inwiefern erfassen die Schülerinnen
und Schüler bei der Schiffsreise besser
den Sinn des Lernens?
Indem das, was die Jugendlichen unmittelbar wahr-
nehmen und erleben, zum Unterrichtsgegenstand ge-
macht wird. Wenn wir im tropischen Regenwald sind,
werden wir etwa mit der Gefährdung des Regenwaldes
konfrontiert und besprechen dies. Wenn wir auf dem At-
lantik sind, nehmen wir Wasserproben, untersuchen die-
16 4/2024 · lehrer nrw
Dr. Ruth Merk, Jahrgang 1967, ist die Mitinitiatorin und
pädagogische Leiterin von ‘Klassenzimmer unter Se-
geln’ (KUS) und verantwortlich für Planung, Organisati-
on und Durchführung des Projektes. Das Konzept für
‘Klassenzimmer unter Segeln’ entwickelte sie im Rah-
men ihrer Promotion im Jahr 2006. Seit 1995 ist sie Gym-
nasiallehrerin für die Fächer Mathematik und Sport
und seit 2007 an der Friedrich-Alexander-Universität Er-
langen-Nürnberg tätig und zuständig für das KUS-Pro-
jekt. In ihrer Jugend war sie Leistungssportlerin in der
Leichtathletik und im Kanupolo.
ZUR PERSON
Foto: privat
se unter dem Mikroskop und erfahren direkt die Mi-
kroplastikproblematik in unseren Meeren. Wir mer-
ken an dem Interesse der Schülerinnen und Sc-
ler, das sich in vielen Nachfragen äußert, dass sie
sich intensiv mit den Unterrichtsthemen auseinan-
dersetzen. Die Schiffsroute führt den jungen Men-
schen in vielen Aspekten unmittelbar die Heraus-
forderungen unserer Zeit vor Augen. Leben und
17
4/2024 · lehrer nrw
Klassenzimmer unter Segeln (KUS)
ist ein Bildungs- und Forschungs-
projekt der Friedrich-Alexander-
Universität Erlangen-Nürnberg.
Es bietet Schülerinnen und Schü-
lern der 10. oder 11. Jahrgangsstu-
fe durch ein ganzheitliches Erzie-
hungs- und Bildungskonzept eine
gleichberechtigte Förderung von
Fach-, Methoden-, Selbst- und Sozi-
alkompetenz. Bildung und Lernen
erfolgen in KUS durch Teilhabe an
der Lebens- und Erfahrungswelt.
Dabei sind Leben, Lernen und Ar-
beiten nicht – wie oftmals in der
Schule – getrennt, sondern auf-
einander bezogen. Mündigkeit
und Verantwortung werden im All-
tag gelebt und weiterentwickelt.
KUS ist ein Lebens-, Erfahrungs-
und Lernraum, in dem die Ju-
gendlichen während der sechs-
monatigen Reise ihre gesamte
Persönlichkeit entwickeln und ent-
falten können. In KUS werden re-
formpädagogische Bildungskon-
zepte mit zeitgemäßen bildungs-
theoretischen Ansätzen und inno-
vativen Lehr-Lernformen kombi-
niert. Den Bildungsangeboten von
KUS liegt ein modernes didakti-
sches und entwicklungspsycholo-
gisches Konzept zu Grunde. Dabei
werden die Jugendlichen aufge-
fordert und herangeführt, an der
eigenen Erziehung und Bildung in
Auseinandersetzung mit der Welt
mitzuwirken. Die Anforderungen
des staatlichen Schulsystems wer-
den im Konzept berücksichtigt,
um den Schülerinnen und Sc-
lern eine nahtlose Fortsetzung
ihrer Schullaufbahn zu ermögli-
chen.
Ziel von KUS ist es, junge Men-
schen in ihrer Selbstständigkeit,
ihrer Eigeninitiative und ihrem
Verantwortungsgefühl zu stärken
und sie auf die Anforderungen
einer komplexen und globalisier-
ten Welt vorzubereiten. Die Ju-
gendlichen sollen auf ihrem Weg
zur Mündigkeit und in der Ent-
wicklung ihrer Persönlichkeit
unterstützt werden.
Das Curriculum von KUS bein-
haltet die Bereiche Schiffsbetrieb,
mehrwöchige Landaufenthalte in
fremden Ländern, Unterricht, Pro-
jekte und Praktika. Zu allen Berei-
chen im Projekt erhalten die Ju-
gendlichen ein Feedback, das so-
wohl ihre fachliche Leistung, aber
auch ihre soziale und persönliche
Entwicklung beinhaltet.
KUS folgt regelmäßig den Spu-
ren der großen Entdecker wie
Alexander von Humboldt oder
Christoph Kolumbus. Die Reise
beginnt in Deutschland, führt zu
den Kanarischen Inseln, über
den Atlantik bis in die Neue Welt.
Neben dem Besuch einiger klei-
ner Inselstaaten in der Karibik
finden in der Neuen Welt mehr-
wöchige Landaufenthalte wie
zum Beispiel in Panama oder in
Kuba statt. Die Rückreise erfolgt
über die Azoren nach Deutsch-
land. Die Reise findet jedes Jahr
von Oktober bis April des nächs-
ten Jahres statt.
Summerschool Reisen
Eine weitere Option des Klassen-
zimmers unter Segeln sind die
Summerschool Reisen. Hier kön-
nen Schülerinnen und Schüler
ab der vollendeten 7. Jahrgangs-
stufe eine Zeit ihrer Ferien auf
dem Dreimasttoppsegelschoner
Thor Heyerdahl’ verbringen. Da-
bei lernen sie den Schiffsalltag
eines Großseglers kennen, erhal-
ten auf See täglich Unterricht
und unternehmen eine Expediti-
on mit dem Schlauchboot
und/oder zu Fuß bzw. mit dem
Fahrrad. Segelkenntnisse sind
keine Voraussetzung. Ziele der
Törns sind die Förderung perso-
naler und sozialer Kompetenzen
durch Erfahrung und Abenteuer
sowie schulischer bzw. seemän-
nisch/nautischer Fach-Kenntnis-
se.
Die Summerschool-Reisen ver-
stehen sich als Beitrag zur ganz-
heitlichen Erziehung und Bil-
dung von Jugendlichen. Leben
und Lernen finden in der Natur
statt – auf dem Meer, auf dem
Schiff, an Land. Es finden drei
verschiedene Summerschool-Rei-
sen mit unterschiedlichen
Schwerpunkten statt: die Sum-
merschool English (Schwerpunkt
Englischförderung), die Summer-
school Science (Schwerpunkt na-
turwissenschaftliche Förderung)
und die Summerschool Sail
(Schwerpunkt Förderung von See-
mannschaft & praxisorientierten
Fertigkeiten).
Dr. Ruth Merk von der Friedrich-
Alexander-Universität Erlangen-
Nürnberg (FAU) hat die pädago-
gischen Konzepte entwickelt und
betreut die Reisen. Die Summer-
school-Reisen sind aus dem Bil-
dungsprojekt ‘Klassenzimmer
unter Segeln’ entstanden.
HINTERGRUND UND KONZEPT
18 4/2024 · lehrer nrw
Lernen ist bei uns eng verknüpft und diese Verknüp-
fung gibt dem Lernen einen Sinn.
?
Was sind die Vor- und Nachteile des
Unterrichtens auf dem Segelschiff?
Der Vorteil ist, dass man den Unterrichtsstoff vor der
Nase hat. Wenn etwa fliegende Fische an Bord kom-
men, dann macht der Biologielehrer das am nächsten
Tag zum Unterrichtsgegenstand. In solchen Situationen
muss die Lehrkraft flexibel bleiben, die besondere Situa-
tion wahrnehmen, gestalten und in den Unterricht inte-
grieren. Der Nachteil ist eine Umgebung, die mitunter so
viel Ablenkung bietet, dass es den Jugendlichen
schwerfällt, sich auf den Unterrichtsstoff zu konzentrie-
ren. Manchmal treten Schwierigkeiten auf, die es er-
schweren, den Unterricht situationsgerecht zu gestalten.
Bei starken Winden muss die Lehrkraft beispielsweise
aufpassen, dass das Unterrichtsmaterial nicht wegge-
weht wird.
?
Wie schaffen es die Lehrkräfte, Schülerinnen
und Schüler in schwierigen Situationen zum
Lernen zu motivieren?
Unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchlaufen
ein zweistufiges Bewerbungsverfahren. Es bewerben
sich Jugendliche, die mehr wollen als die normale
Schule, die sich für die Welt und das Weltgeschehen
interessieren und die gefordert werden wollen. Im
Durchschnitt sind dies gute bis sehr gute Schülerinnen
und Schüler. Die Motivation ist also nicht das Problem.
Es sind eher die primären Bedürfnisse der Jugendli-
chen, die unter bestimmten Umständen nicht befrie-
digt werden können, wie zum Beispiel Unwohlsein bei
Seekrankheit oder Schlafmangel. Dies kann zu Motiva-
tionsproblemen führen. Da auf dem Segelschiff vor al-
lem Themen unterrichtet werden, die die Jugendlichen
persönlich erleben, ist das Interesse grundsätzlich
hoch.
?
Was brauchen Lehrkräfte, wenn Jugendliche
eine Grenzerfahrung durchleben, wenn sie
nicht mehr wollen oder überfordert sind?
Als Lehrkraft oder Betreuer muss man zunächst wahr-
nehmen, dass sich ein Jugendlicher in einer bestimm-
ten Situation nicht wohl fühlt. Die Lehrkraft muss in der
Lage sein, den Blick von sich selbst weg und auf die Um-
gebung richten zu können. In herausfordernden Situa-
tionen benötigen Menschen unterschiedliche Unterstüt-
zung: Der eine benötigt vielleicht Zuwendung, der an-
dere eine rationale Erklärung, um mit der Situation bes-
ser umgehen zu können. Wieder ein anderer muss aus
der Situation herausgeholt werden. Es gibt nicht nur
einen Weg, Grenzerfahrungen zu begleiten. Grundsätz-
lich geht es darum, die Situation erst einmal wahrzu-
nehmen, zu akzeptieren und entsprechend zu reagie-
ren, damit Selbsterfahrung möglich wird. Wir wollen
Selbsterfahrung ermöglichen und auch motivieren,
Grenzen zu erfahren und zu erweitern. Auch mit Ermuti-
gungen wie »Komm, du schaffst das schon, so schlimm
ist es nicht!«
?
Welche mentale Einstellung brauchen die
Lehrkräfte, um so etwas zu bewältigen?
Sie sollten offen sein für Neues und gerne in Gemein-
schaft sein. Sie sollten auch mit Grenzerfahrungen um-
gehen können, weil jeder und jede aufgrund des engen
Zusammenlebens auch mit den Jugendlichen sowie
den außergewöhnlichen Rahmenbedingungen an sei-
ne Grenzen kommen wird. Die Lehrkräfte benötigen für
sich Strategien, wie sie mit solchen Erfahrungen umge-
hen. Jemand, der es bei Stress gewohnt war, eine Runde
joggen zu gehen, der muss an Bord darauf verzichten.
Sie müssen andere Strategien entwickeln, wie zum
Beispiel Tagebuch schreiben, Bücher lesen oder Musik
hören.
?
Wie wirkt sich die Reise mit dem Schulschiff
auf die Persönlichkeit der Schülerinnen und
Schüler aus?
Es entstehen keine neuen Menschen mit völlig anderen
Charaktereigenschaften. Aber während des halben
Jahres auf dem Segelschiff haben die Jugendlichen
viele Lernchancen, ihre Potenziale zu entdecken, sich
mehr zuzutrauen, flexibler zu agieren bzw. reagieren
und ihre Zeit besser einzuteilen. Soziale Kompetenzen
wie Konfliktfähigkeit werden trainiert, sie lernen, in ei-
ner Gemeinschaft zu leben und sich in diese zu integrie-
ren. Sie erfahren, dass sie sich auf andere verlassen kön-
nen, wenn sie Hilfe benötigen. Auch die Gemeinschaft
außerhalb der sozialen Medien gewinnt an Bedeutung.
Von einigen Eltern habe ich gehört, dass sie mit ihren
Kindern ein anderes Miteinander pflegen als vor der
Reise. Mitunter wird dieses schwieriger, da die Jugendli-
chen sich ein halbes Jahr lang selbst gemanagt und
gelernt haben, Entscheidungen für sich zu treffen. Sie
sind selbstbewusster geworden. Teilweise verändert sich
nach der Reise auch der komplette Freundeskreis des
Jugendlichen, weil sie mit den bisherigen Freunden
nicht mehr viel anfangen können. Das ist wahrschein-
lich auf einen beschleunigten Reifeprozess zurückzufüh-
ren.
Interview: Arndt Zickgraf für den Klett-Themendienst
SCHULE & POLITIK
19
4/2024 ·
lehrer nrw
Qualität der Lehrer-
ausbildung sicherstellen
Angesichts neuerlicher Überlegungen seitens Politik und Kul-
tusbürokratie, den Vorbereitungsdienst im Rahmen der Lehr-
amtsausbildung zu beschneiden, warnt
lehrer nrw
vor einer
gravierenden Schwächung der Ausbildungsqualität und hat
eine Online-Umfrage gestartet.
A
Aktuell wird sehr viel über eine perspek-
tivische Änderung der Lehramtsausbil-
dung berichtet und laut nachgedacht. Die
Überlegungen nehmen unter anderem die
Verknüpfung der beiden Phasen (Studium
und Vorbereitungsdienst) der Ausbildung zur
Lehrkraft in den Blick. Die Ständige Wissen-
schaftliche Kommission der Kultusminister-
konferenz (SWK) plädiert in ihrem letzten
Gutachten für eine Stärkung des universitä-
ren Anteils. Dies könnte aus Sicht von
lehrer
nrw
zu einer weiteren Verkürzung und mög-
lichen Schwächung der praxisnahen Ausbil-
dung an den Zentren für schulpraktische
Lehrerausbildung (ZfsL) führen.
Auch wird in den Medien immer wieder
über die Belastung während der Ausbil-
dung und vermeintlich hohe Abbruchquo-
ten diskutiert, ohne dies differenziert zu
betrachten und eine Unterscheidung zwi-
schen den Lehrämtern vorzunehmen.
Gründe für den Abbruch der Ausbildung
sowohl während des Studiums als auch
während des Vorbereitungsdienstes wur-
den jedoch bisher in keiner Studie valide
evaluiert.
Aus diesem Grund bittet
lehrer nrw
Sie
um Ihre Mithilfe. Nehmen Sie sich bitte
kurz Zeit, um an einer Umfrage zur Lehr-
kräfteausbildung teilzunehmen. Selbstver-
ständlich sind Ihre Angaben anonym.
INFO
Über den folgenden Link oder den QR-Code gelangen Sie zur Umfrage:
https://app.edkimo.com/feedback/abmapbi?utm_source=pwa&utm_medium=fbc-copy
lehrer nrw ·
4/2024
20
SCHULE & POLITIK
Ausbaufähig
In Nordrhein-Westfalen gibt es ein großes Angebot an
Fortbildungen für Wirtschaftslehrkräfte – allerdings
auch einiges an Verbesserungspotenzial. Dies ist ein
Befund der aktuellen OeBiX-Studie.
S
Schulpolitische Reformen, die Anpas-
sung von Bildungs- und (Kern-)Lehr-
plänen, eine veränderte Schüler-
schaft, neue pädagogische, fach(wissen-
schaft)liche und didaktische Erkenntnisse
und Konzepte machen eine fortlaufende
und fundierte Fort- und Weiterbildung für
Lehrkräfte – gerade auch wenn sie fach-
fremd unterrichten (müssen) – besonders
wichtig. Ein Ziel, das auch viele Schul-, Bil-
dungs- und Kultusministerien formulieren.
Aber: Erfüllen die Fortbildungen im Bereich
der Ökonomischen Bildung die nötigen in-
haltlichen und zeitlichen Anforderungen, die
für eine erfolgreiche Fortbildung notwendig
sind? Das hat das Institut für Ökonomische
Bildung an der Universität Oldenburg (IÖB)
in der jetzt erschienenen, von der Flossbach
von Storch Stiftung in Auftrag gegebenen
OeBiX Schwerpunkt-Studie zu den Fortbil-
dungsangeboten in der Ökonomischen Bil-
Foto: AdobeStock/JpegPhotographer
dung in den einzelnen Bundesländern unter-
sucht.
Fortbildungen mit hohem
Bezug zur Ökonomischen
Bildung
Im bundesweiten Vergleich schneidet das
zahlenmäßige Angebot an Fortbildungsmaß-
nahmen für Ökonomische Bildung in Nord-
rhein-Westfalen überdurchschnittlich gut
ab: In fast 80 Prozent der 159 Fortbildun-
gen, die die Lehrkräfte besuchen können,
bestehen Bezüge zur Ökonomischen Bil-
dung. In 65 Fortbildungen ist die Vermitt-
lung Ökonomischer Bildung explizit aufge-
führt, in 46 geht es ausschließlich um Öko-
nomische Bildung. Gerade inhaltlich passen-
de Angebote in der dritten Qualifizierungs-
phase spielen für Lehrkräfte in den Anker-
fächern der Ökonomischen Bildung eine
wichtige Rolle: So nehmen viele fachfremd
unterrichtende Lehrkräfte die fachlichen
und fachdidaktischen Impulse über Fortbil-
dungen gerne an. Diese stärken einen zeit-
gemäßen Unterricht mit aktuellen Inhal-
ten.
Kurze Fortbildungen
dominieren das Angebot
Bei der Länge der angebotenen Fortbildun-
gen besteht ebenfalls Optimierungsbedarf:
70,5 Prozent aller Maßnahmen dauern ma-
ximal acht Stunden – mit Blick auf die Wirk-
samkeit wären längere Fortbildungen wün-
schenswert. Denn die Dauer von Fortbildun-
gen für Lehrkräfte ist mitentscheidend für
deren Effekt. Insbesondere den so genann-
ten One-Shot-Maßnahmen, die nur wenige
Stunden dauern, wird von der Bildungsfor-
schung ein geringes Wirkungspotenzial zu-
geschrieben. Vor dem Hintergrund des ho-
hen Anteils fachfremd unterrichtender Lehr-
kräfte in der Ökonomischen Bildung ist der
geringe Anteil längerer Fortbildungen be-
sonders problematisch.
NRW-weit nur 25 Fort-
bildungen zur finanziellen
Allgemeinbildung
In Nordrhein-Westfalen wurden im Erhe-
bungszeitraum nur 25 Fortbildungen zur
SCHULE & POLITIK
21
4/2024 ·
lehrer nrw
INFO
Das Institut für Ökonomische Bildung (IÖB) an der Carl-von-Ossietzky-Universität Olden-
burg untersuchte für die Flossbach von Storch Stiftung im Zeitraum vom 15. August 2022
bis zum 14. August 2023 die Fortbildungsangebote für Lehrkräfte der Ökonomischen Bil-
dung auf den offiziellen Portalen der Bildungsministerien der Länder. Dabei wurden die
Dauer der Maßnahmen, die Berücksichtigung fachwissenschaftlicher und fachdidakti-
scher Inhalte sowie die Rolle von Erprobungsphasen und Praxiskontakten analysiert.
Alle Studienergebnisse finden Sie hier: www.oebix-studie.de
Lückenhaft: Das Fortbildungsange-
bot für Wirtschaftslehrkräfte in Nord-
rhein-Westfalen ist verbesserungswürdig.
finanziellen Allgemeinbildung angeboten.
Finanzielle Allgemeinbildung ist ein zentra-
les Themenfeld der Ökonomischen Bildung.
Entrepreneurship Education
findet nicht statt
Ebenso gibt es in Nordrhein-Westfalen keine
Fortbildungs-Angebote zur Entrepreneurship
Education, die auch bundesweit noch viel
Verbesserungspotenzial aufweist. Entrepre-
neurship Education gilt als wichtiger Teilbe-
reich einer modernen Ökonomischen Bil-
dung – insbesondere vor dem Hintergrund
der aktuellen gesellschaftlichen und ökono-
mischen Herausforderungen (zum Beispiel
Klimawandel, digitaler Strukturwandel,
Nachfolge im Mittelstand). Im Rahmen einer
schulischen Entrepreneurship Education sol-
len unternehmerische Kreativität, Innovati-
onsfähigkeit, der Umgang mit Risiken und
Verantwortungsbewusstsein gefördert und
soll Schülerinnen und Schülern die berufli-
che Selbstständigkeit als eine zukünftige
Handlungsoption aufgezeigt werden.
Keine Praxiskontakte
In Nordrhein-Westfalen werden Lehrkräften
für die Ankerfächer der Ökonomischen Bil-
dung keine Maßnahmen angeboten, die
Praxiskontakte integrieren bzw. thematisie-
ren. Praxiskontakte stellen ein zentrales Ele-
ment modernen Wirtschaftsunterrichts dar
und bieten vielfältige Lehr-, Lern- und Erfah-
rungsmöglichkeiten. Zu Praxiskontakten
zählen unter anderem Betriebserkundun-
gen, Praktika oder Befragungen von Exper-
tinnen und Experten.
Keine Fortbildungen zu
beruflicher Orientierung
Die Fortbildungsportale in Nordrhein-West-
falen bieten Lehrkräften für die Fächer der
Ökonomischen Bildung keine Fortbildungen
zur Berufsorientierung an. Hier ist NRW das
Schlusslicht. 17,6 Prozent der Fortbildungen
thematisieren Bildung für Nachhaltige Ent-
wicklung (BNE). BNE und Berufliche Orien-
tierung sind schulische Querschnittsaufga-
ben, zu denen der Wirtschaftsunterricht ei-
nen wichtigen Beitrag leisten kann. Beides
sind wichtige Bildungsanliegen, die aber,
anders als die Finanzbildung oder Entrepre-
neurship Education, keine originären Aufga-
ben der Ökonomischen Bildung darstellen.
Angebote zu unter-
richtlichen Methoden
verbesserungswürdig
In Nordrhein-Westfalen spielen unterrichtli-
che Methoden in 31 Qualifizierungsangebo-
ten eine Rolle, während sich 15 Fortbildun-
gen mit (digitalen) Medien auseinanderset-
zen. Insbesondere im Bereich der Wirtschafts-
didaktik gäbe es aber viele Möglichkeiten für
eine moderne Unterrichtsgestaltung, zum
Beispiel Planspiele sowie Simulation von
Markt- und Preisbildungsmodellen.
Julia Hehl
Referentin bei der Flossbach von Storch Stiftung
lehrer nrw ·
4/2024
22
SCHULE & POLITIK
Schulabschluss
als
self-fulfilling
prophecy?
Scheinbar ganz still und leise verändert sich
unser Bildungssystem. Ansprüche gehen verloren,
Zielsetzungen verwässern, äußere Einflüsse
gewinnen, Bedingungen werden brüchig.
Die Schulen stehen vor Herausforderungen,
die das System insgesamt erschüttern.
D
Das bringt auch neue Aufgaben für
die neu gewählten Personalräte mit
sich. Die alten Gewissheiten verlie-
ren an Gültigkeit, neue müssen definiert
werden. Dabei gilt es jedoch, den Blick
über den Horizont hinaus zu lenken, um die
gesamtgesellschaftlich bedeutsamen Ziele
und Ansprüche im Bereich Bildung und Er-
ziehung unter dem Druck der akuten Notsi-
tuation längerfristig gesehen nicht aus den
Augen zu verlieren.
Da wundert man sich schon, warum
bei der Versetzungsordnung die Ansprüche
beim ersten Schulabschluss (auf dem nied-
rigsten Niveau!) im laufenden Schuljahr
massiv abgesenkt wurden, mit Wirkung
schon für dieses Abschlusszeugnis. Ist ein
Absenken des Leistungsanspruchs eine
adäquate Antwort auf die beruflichen He-
rausforderungen, vor denen die nachwach-
sende Generation steht? Ein genauer Blick
auf die neuen Bestimmungen lässt kaum
erkennen, welcher Leistungsanspruch mit
dem Abschluss überhaupt noch zu verbin-
den ist.
Geänderte
Versetzungsordnung
Der allererste Hauptschulabschluss wird
bislang am Ende der Klasse 9 mit der Ver-
setzung in Klasse 10 Typ A vergeben. Dafür
darf er entweder maximal eine mangelhafte
Leistung in den Hauptfächern Deutsch oder
Mathematik sowie eine weitere mangelhaf-
te Leistung in den übrigen Fächern (inklusi-
ve Englisch) oder zwei mangelhafte Leistun-
gen in den übrigen Fächern (inklusive Eng-
lisch), davon eine sogar eine ungenügende
aufweisen.
Dieser erste Schulabschluss wird nun an
Realschulen, Gymnasien sowie den entspre-
chenden Bildungsgängen der Sekundarschu-
len aus ‘Gleichbehandlungsgründen’ deut-
lich leichter ermöglicht, indem dort das Un-
terschreiten der Mindestanforderungen für
eine Versetzung durch zusätzliche Minder-
leistungen in den Fächern Mathematik und
Englisch akzeptiert wird.
bbz UND ANDERE
Ein Beispiel, wie es besser laufen könnte: Wäre nicht der umgekehrte Weg sinnvoller,
betreffende Schüler mit geringem Leistungsvermögen auf einem Weg in eine Be-
rufsausbildung intensiver zu begleiten? Sehr erfolgreiche Projekte, wie sie zum Beispiel
im Berufsbildungszentrum (bbz) der IHK Siegen gemeinsam mit der heimischen Wirt-
schaft durchgeführt wurden, indem sie leistungsschwache Hauptschüler in einem be-
sonderen, die Schule ergänzenden Projekt zur Ausbildungsfähigkeit geführt haben und
dabei eine Vermittlungsquote in die betriebliche Ausbildung von über neunzig Prozent
erreichten. Ein höchst erfolgreiches Projekt, das leider eingestampft worden ist.
Foto: AdobeStock/Markus
von ULRICH GRÄLER
Rückbauarbeiten
an der Bildungsqualität?
Die Landesregierung hat die Anforde-
rungen für den ersten Schulabschluss
deutlich heruntergeschraubt.
23
4/2024 ·
lehrer nrw
SCHULE & POLITIK
Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit
die Versetzung in die Klasse 10 dieser Schu-
len erreicht wird, sondern lediglich, dass da-
mit der Schulabschluss (ESA) nach Klasse 9
erfolgreich bestanden wurde. Was dazu
führt, dass die Bildungsgänge, die mit ent-
sprechenden Schulformen verbunden wa-
ren, weiter ausgehöhlt werden.
Aufgabe der
Bildungsgänge?
Die Funktion der sogenannten Erprobungs-
stufe, Schullaufbahnen entsprechend unter-
schiedlicher Bildungsgänge pädagogisch
sinnvoll vorzubereiten, verliert damit an
Bedeutung. Zudem bereitet diese Entschei-
dung den Weg dafür, alle Bildungsgänge in
der Sekundarstufe I gleichzusetzen. Das,
was zum Beispiel organisatorisch an Real-
schulen mit der Möglichkeit gemäß § 132c
(Hauptschulbildungsgang) eröffnet wurde,
nämlich zwei Bildungsgänge mit zum Teil
getrennten Lerngruppen in einer Schule
vorzuhalten, wird mit der neuen Maßgabe
schleichend nivelliert.
Honni soit qui …
Da kommt einem doch unwillkürlich das in
solchen Fällen stets bemühte Zitat in den
Sinn: »Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!«
Doch was steckt dahinter, dass die Landes-
regierung diesen Weg einschlägt? Die Pro-
blematik der ‘Seiteneinsteiger’ allein kann
es nicht sein.
Natürlich gibt es aufgrund der weltpoliti-
schen Krisen deutlich höhere Quoten an
‘Seiteneinsteigern’, die verspätet in die Bil-
dungsgänge der Schulformen eintreten und
mit unterschiedlichem Erfolg unterrichtet
werden. Aber muss das dazu führen, dass
dann gleich Systembedingungen verwässert
oder abgesenkt werden?
Politische Nebeneffekte!
Zwei wesentliche Motive mit entsprechen-
den Auswirkungen scheinen dieser Maßnah-
me zusätzlich zugrunde zu liegen.
Zum einen entsteht durch diese Maßnah-
me die Möglichkeit, dass ‘falsche’ Schullauf-
bahnentscheidungen nach der Erprobungs-
stufe dadurch geheilt werden, dass Schüler
an der gewählten Schulform mit dem höhe-
ren Anspruchsniveau dennoch ihren Schul-
abschluss erfolgreich schaffen. Die hohe
Schulabbrecherquote, die durch alle Nach-
richten gegangen ist und die Menschen
über die tatsächliche Bildungsqualität im
Lande informiert hat, kann dadurch in der
nächsten Statistik deutlich reduziert wer-
den. Das Schulsystem wird also ‘erfolgrei-
cher’, auf dem Papier.
Zum anderen bereitet das Land auf die-
sem Weg den nächsten Schritt zu einer Ver-
einheitlichung der Bildungsgänge im Sekun-
darstufe I-Bereich vor und damit die ‘Ein-
heitsschule’ für die Jahrgänge 5 bis 10. In
manchen Kommunen liegen jahrzehntealte
Verwaltungsvorlagen in den Schubladen für
eine örtliche/regionale Schulentwicklung
mit genau diesem Ziel. Was auf der Strecke
bleibt, ist die Leistungsorientierung in dem
System. Ganz zu schweigen von den Ergeb-
nissen der empirischen Bildungsforschung.
KOMMENTAR
Wir nehmen
das wahr!
Welche Vorgaben das Land
macht, wirkt bis auf die unters-
te Ebene des Systems. Insofern
ist es nicht ohne Bedeutung,
welche Signale damit in die
Gesellschaft, aber auch in die
Kollegien der Schulen gesendet
werden. Eltern und Lehrkräfte
haben ein feines Gespür dafür,
»woher der Wind weht«.
Mit den neuen Vorgaben zur
Erlangung des Hauptschulab-
schlusses werden weitere Impli-
kationen für die betroffenen Bil-
dungsgänge verbunden sein.
Und zwar nicht im Sinne des
Erhalts des bislang noch gülti-
gen Leistungsanspruchs.
Gleichzeitig hat sich das Land
Nordrhein-Westfalen auf der
anderen Seite dazu entschlos-
sen, für die Abiturprüfungen ein
fünftes, zusätzliches Prüfungs-
fach einzuführen, um die bun-
desweite Vergleichbarkeit der
Abschlüsse zu verbessern. Ein
Ansinnen, das jahrzehntelang
von der zuständigen Politik in
Frage gestellt und mit allen
Mitteln torpediert wurde. Eine
überfällige Entscheidung, die
zur Stärkung des Abiturs in
Nordrhein-Westfalen beiträgt.
Wohin steuert Nordrhein-
Westfalen? Die Werterhaltung
aller Abschlüsse mit entspre-
chendem Leistungsniveau in
wirtschaftlich schwieriger wer-
denden Zeiten ist dringend ge-
boten. Ansonsten droht die
Basis wegzubrechen, das fach-
kundige Personal.
Wir haben das im Blick!
Ulrich Gräler
Ulrich Gräler ist stellv. Vorsitzender des
lehrer nrw
E-Mail: graeler@lehrernrw.de
lehrer nrw ·
4/2024
24
FORTBILDUNGEN
Raus aus der emotionalen
Teilzeitfalle!
Wie Lehrkräfte, die in Teilzeit arbeiten, mit ihrer Entscheidung für Familie UND Lehrberuf ein
zufriedenes Leben führen können, ist Thema eines Online-Seminars von
lehrer nrw
. Weitere
Fortbildungs-Highlights finden Sie in der Tabelle rechts. Anmeldungen sind online möglich.
Foto: AdobeStock/Geber86
S
Solange die eigenen Kinder noch klein sind, entschei-
den sich viele Mütter, und manchmal auch Väter, in
Teilzeit zu arbeiten. Rahmenbedingungen sind durch
gesetzliche Vorgaben gut gelöst, doch dies bedeutet nicht
immer, dass die Balance zwischen Familie und Schule ge-
lingt. Erwartungen an die eigene Elternrolle und der eigene
professionelle Anspruch kollidieren gelegentlich und führen
möglicherweise zu Belastung, Stress und Anspannung. Die
Referentin Tanja Schmitz-Remberg lädt die Teilnehmenden
ein, ihren inneren Antreibern liebevoll auf die Schliche zu
kommen und erste Schritte zu entwickeln, mit ihrer Entschei-
dung für Familie UND Lehrerberuf ein zufriedenes Leben zu
führen. In dem Seminar werden ausgewählte Aspekte der
Transaktionsanalyse sowie Methoden aus dem systemischen
Coaching zum Einsatz kommen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer
lernen ihre Antreiber und eigenen Erwartungen kennen,
aktivieren ihre Ressourcen,
stärken ihre Fähigkeit, um Unterstützung zu bitten.
Referentin: Tanja Schmitz-Remberg
Seminar-Nr.: 2024-0924
Art: Online-Seminar
Termin: Dienstag, 24. September 2024, von 9:00 bis 14:00 Uhr
Kosten: 80 Euro für
lehrer nrw
Mitglieder,
130 Euro für sonstige Teilnehmer
Anmeldeschluss: 3. September 2024
Als Follow up zu diesem Online-Seminar findet am 9. Oktober 2024 von
11:00 bis 13:00 Uhr ein Online-Austausch mit der Referentin statt, in
dem die Nachhaltigkeit des Erlernten im Alltag überprüft werden kann.
ANMELDUNG
www.lehrernrw.de/lehrernrw-de-fortbildungen/lehrernrw-de-fortbildungsuebersicht/
Familie und
(Lehr-)Beruf
unter einen Hut zu
bekommen, ist nicht
immer einfach. Wie
es gelingen kann, da-
zu gibt das Online-
Seminar von
lehrer nrw
Impulse.
25
4/2024 ·
lehrer nrw
FORTBILDUNGEN
Seminar
Nr.
Titel Kurzinhalt
Referenten
Wo
Wann Uhrzeit
Gebühr
lehrer nrw-
Mitglied
Gebühr
sonst.
Teilnehmer
Anmelde-
schluss
2024-0916 Geschmeidiger Umgang
mit Widerstand
Häufig erleben Lehrkräfte Widerstand bei ihren Schülerinnen und
Schülern, wenn sie Erwartungen des intensiveren Lernens und Vorberei-
tens an sie richten. In diesem Seminar erlangen Sie eine erhöhte fachliche
Distanz zu herausforderndem Widerstand und fügen Ihrem Handlungs-
repertoire weitere Interventionen hinzu.
Tanja
Schmitz-
Remberg
Leonardo Düsseldorf
City Center
Ludwig-Erhard-Allee 3
40227 Düsseldorf
Montag
16.09.2024
09:30 bis
16:00 Uhr
140 EUR 190 EUR 18.08.2024
2024-0917
Motivierende Gesprächs-
führung: Menschen helfen, sich
zu verändern (Basisseminar)
Das Seminar gibt einen Überblick über die Werkzeuge und die Grundhal-
tung in der motivierenden Gesprächsführung und lädt in abwechslungs-
reichen Übungen zum Ausprobieren ein. Das hier erlernte Wissen ist nutz-
bar in Gesprächen mit Schülerinnen und Schülern, Eltern sowie Kollegin-
nen und Kollegen und übertragbar auf alle Gespräche, bei denen es um
Veränderungen jeder Art geht.
Yvonne
Michel
Leonardo Düsseldorf
City Center
Ludwig-Erhard-Allee 3
40227 Düsseldorf
Mittwoch
18.09.2024
09:30 bis
17:00 Uhr
140 EUR 190 EUR 18.08.2024
2024-0918 Effektive Klassenführung –
Maßnahmenkiste, Zauberformel
oder was?
Wie gut eine Lehrperson ihre Klasse im Griff hat, dafür gibt es zwar keine
direkten Rezepte. Die Forschung hat aber eine Handvoll non-reaktiver
Strategien des Unterrichtens ermittelt, mit denen man 'Störungen' nicht
hinterherläuft, sondern ihr Aufkommen vorbeugend verhindern bzw.
reduzieren kann.
Michael
Felten
Leonardo Hotel Köln
Waldecker Straße 11-15
51065 Köln
Mittwoch
18.09.2024
09:00 bis
16:30 Uhr
140 EUR 190 EUR 18.08.2024
2024-0927 »Aufgeben?! Für mich keine
Option!« – Unterrichten mit
50+
Wie erhalte ich mir meine Freude, Energie und Zuversicht mit fortschrei-
tender Karriere im Schulalltag? Wir bieten Ihnen ein mutmachendes
Seminar zur Bewusstmachung und Wiederentdeckung der eigenen
(verschütteten) Ressourcen.
Claudia Schäfer
und
Ulrike Fischer
Leonardo Düsseldorf
City Center
Ludwig-Erhard-Allee 3
40227 Düsseldorf
Mittwoch
25.09.2024
09:30 bis
17:00 Uhr
140 EUR 190 EUR 26.08.2024
2024-0926 »Stress lass nach!« – Einfache
und effektive Selbstregulierung
mit EPT-Tapping
Stressige Phasen und belastende Gefühle sind im aufreibenden Schulge-
schehen mitunter nicht zu vermeiden. In dieser Fortbildung lernen die Teil-
nehmenden die wissenschaftlich fundierte EFT-Klopftechnik kennen, mit
der sie ihr Nervensystem und Gehirn beruhigen, herausfordernde Gefühle
regulieren können und dadurch Entlastung und Erleichterung erfahren.
Gabi
Schmidt
acom Hotel Köln
Hansaring 97
50670 Köln
Donnerstag
26.09.2024
09:00 bis
16:30 Uhr
140 EUR 190 EUR 26.08.2024
2024-1001 Generation Z: Schülerinnen und
Schüler ohne Zuversicht und
Anstregungsbereitsschaft?
Kleine Nudging-Ideen
Im Seminar betrachten wir kurz die aktuelle Studienlage, um »diese
Generation« besser verstehen zu können. Wir erkennen ihre Besonderheit
und schauen in die lösungsorientierte Beratung, die hier Ideen anbietet,
mit kleinen Kniffen die Zuversicht und Anstrengungsbereitschaft ein
wenig anzustupsen (nudging).
Tanja
Schmitz-
Remberg
Leonardo Boutique Hotel
Oststraße 128
40210 Düsseldorf
Dienstag
01.10.2024
09:30 bis
16:00 Uhr
140 EUR 190 EUR 30.08.2024
2024-1002
Privat- und Ersatzschulen –
Rechtliche Besonderheiten
Rechtliche Besonderheiten des Dienstes an Ersatzschulen Rolf
Fischer
Leonardo Hotel Köln
Waldecker Straße 11-15
51065 Köln
Dienstag
01.10.2025
10:00 bis
16:00 Uhr
110 EUR 160 EUR
30.08.2024
2024-1007 Classroom Management Classroom Management meint das Schaffen einer produktiven Lern-
atmosphäre. Konsequent angewandt, reduziert es kleine Störungen,
bevor sie zum Problem werden.
Dorthe
Leschnikowski-
Bordan
Ringhotel Drees
Hohe Straße 107
44139 Dortmund
Montag
07.10.2024
09:00 bis
16:00 Uhr
140 EUR 190 EUR 30.08.2024
lehrer nrw ·
4/2024
26
BATTEL HILFT
Evidenzbasiert?
Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Stefan Battel gibt in seiner Kolumne
regelmäßig Antworten auf Fragen aus dem Lehreralltag.
Diesmal geht es über Sinn und Unsinn von Suspendierungen.
Z
Zunehmend bekomme ich von
Eltern die Rückmeldung, dass ihre
Kinder mit oder ohne Diagnosen
bei ‘Fehlverhalten’ in der Schule zwei bis
fünf Tage suspendiert werden. Ich habe
mich immer gefragt, auf welcher evidenz-
basierten Einschätzung bzw. Grundlage
die Ausgrenzung aus dem Schulbetrieb ei-
nen positiven Outcome und eine adäqua-
tere Bildungsteilhabe generieren? In
manchen Altersklassen kann ich das Sus-
pendieren vom Unterricht noch nachvoll-
ziehen, etwa ab der neunten Klasse, zum
Beispiel bei Gewaltvorfällen auf dem
Schulhof, aber selbst da müsste man sich
die Form der Ausgrenzung doch mal ge-
nau überlegen.
Natürlich sind Personalmangel und psy-
chomotorisch unruhige Grundschulkinder
eine schwierige Kombination – aber im-
mer gleich suspendieren oder ausgren-
zen? Ich versuche also nochmal zu analy-
sieren, ob es sogenannte wissenschaftli-
che Beweise gibt, dass bei Fehlverhalten
in der Grundschule (ich rede von sechs-
bis zehnjährigen Kindern!) und der Konse-
quenz daraus Schüler und Schülerinnen
für mehrere Tage suspendiert werden und
bei ihrer Rückkehr gestärkter, offener und
kommunikativer, besser in der Emotion re-
guliert sind? Symptomatiken, die vorher
noch als echte Herausforderung galten,
sind auf einmal wie weggeblasen, und das
betreffende Kind besser in die Klassenge-
meinschaft integriert? Meine Erfahrung ist
eine andere.
Und hier will ich beim besten Willen
nicht pauschal agieren und erst recht kein
Lehrerbashing betreiben. Mir geht es um
eine konkrete Analyse über Zustände, die
bei den betroffenen Kindern Spuren hin-
terlassen. Man könnte jetzt die bunten
MRT-Bilder von Erwachsenen-Gehirnen
heranziehen, die in einem fingierten Spiel
während eines funktionellen MRTs (Ge-
hirnaktivität wird dabei sichtbar gemacht)
ausgegrenzt werden, was in den Berei-
chen des Gehirns Reaktionen auslöst, in
denen auch Schmerzverarbeitung lokali-
siert wird …
Ich persönlich halte eine Suspendierung
von Kindern gerade im Grundschulbereich
für eine Bankrotterklärung an den pädago-
gischen Auftrag und für mehr als nur kon-
traproduktiv. Die entscheidende Frage bei
störendem Verhalten im Klassenkontext –
mit oder ohne Diagnose – muss doch lau-
ten: Welche Option bietet Schule hier?
Welche Möglichkeiten können trotz man-
gelnden Fachpersonals, fehlender Integra-
tionshelfer und vielleicht auch fehlender
Räumlichkeiten gemeinsam im Lehrerteam
gestaltet werden?
Meine Hoffnung ist, dass hier auch
Familien miteinbezogen werden, nicht
im Sinne von »Holen Sie ihr Kind ab«,
sondern mit dem Ziel einer Kooperation
und einer Stärkung der Familien. Aus-
grenzung ist mit Schmerz verbunden,
seelischem Schmerz, der Spuren hinter-
lässt. Also: Wo bleibt die Evidenz der
Sinnhaftigkeit einer Suspendierung vom
Unterricht?
ZUR PERSON
Dr. med. Stefan
Battel ist Facharzt
für Kinder- und Ju-
gendpsychiatrie
und -psychothera-
pie (tätig in einer
Praxis in Bonn) und
seit 2012 systemi-
scher Familienthe-
rapeut (DGSF). Im
Rahmen des
lehrer
nrw
-Fortbildungs-
programms greift
er in einer Vor-
tragsreihe regel-
mäßig verschiede-
ne Themen aus
dem Bereich der
Jugendpsychologie
auf.
Foto: Andreas Endermann
27
4/2024 ·
lehrer nrw
SENIOREN
Bei Goldbeck und
Güths Mariechen
A
Am 13. Juni trafen sich die Seniorinnen und Senioren des
lehrer nrw
bei der
Firma Goldbeck in Bielefeld. Bis dahin hatte kaum einer von uns eine Vorstel-
lung, was hinter diesem europaweit agierenden Bauunternehmen steckt. Bei einer
ausführlichen Besichtigung des Betriebs erfuhren wir, dass hier seit über fünfzig Jah-
ren das Bauen mit System perfektioniert wird. Im Portfolio sind viele Gebäude, die
von der Planung bis zur Fertigstellung europaweit vertrieben und aufgebaut werden.
Das sind zum Beispiel Logistik- und Produktionshallen, Bürogebäude, Parkhäuser,
Schulgebäude, Sporthallen und Wohngebäude. Dabei bietet Goldbeck von der Pla-
nung über den Bau und die Begleitung der im Betrieb befindlichen Gebäude bis zur
Revitalisierung alles aus einer Hand an. Beeindruckend waren die Betriebsgebäude,
die Parkhäuser und die gesamte Außenanlage des Firmenkomplexes.
Wir hätten den spannenden Ausführungen noch länger zuhören können, aber in
Gütersloh wartete das Mittagessen mit anschließendem, sehr informativem Stadt-
rundgang durch Gütersloh. Bei dieser Führung gab es auch immer wieder Anekdoten
von ‘Güths Mariechen’, einer bekannten Marktfrau, die zu Beginn der 20. Jahrhun-
derts geschäftstüchtig für ihre Familie ein auskömmliches Leben ermöglichte. Ihrer
Schlagfertigkeit und ihrem Geschäftssinn wird durch eine Statue in der Nähe des
Stadtmuseums Rechnung getragen. Mit einem abschließenden gemütlichen Kaffee-
trinken im Stadtmuseums-Café ließen wir die Exkursion ausklingen und waren wieder
einmal begeistert von den neuen Eindrücken.
Ein herzlicher Dank für die Planung und das Gelingen der Exkursion geht an Christine
Arnsfeld. Monika Holder
Mülheim ist
eine Reise wert!
W
Wir alle kennen den ‘Mülheimer Kon-
gress’, aber die wenigsten kennen
Mülheim. Und so erkundeten die Seniorin-
nen und Senioren des
lehrer nrw
die Stadt
bei ihrer Frühlingsfahrt. Mülheim hat so eini-
ges zu bieten und überrascht mit vielen grü-
nen Oasen und Sehenswürdigkeiten. Einige
davon bekamen wir bei einer Altstadtfüh-
rung zu sehen. Nach so vielen Eindrücken
und Informationen konnten wir uns bei
Frankys, direkt an der Ruhr gelegen, bei gu-
tem und reichlichem Essen stärken und den
Sonnenuntergang über der Ruhr bestaunen.
In gemütlicher Runde ließen wir den Tag an
der hoteleigenen Bar ausklingen.
Der nächste Tag führte uns zu der weltweit
größten ‘Camera Obscura’, die sich in einem
ehemaligen Wasserturm befindet: Erstaunli-
che Bilder, die mit Hilfe eines Spiegels und
einer Optik von der Stadt auf der runden
weißen Tischplatte zu sehen waren. Das
aktuelle Stadtleben mit Fußgängern, Fahrrad-
fahrern und dem Autoverkehr, markante Ge-
bäude und vieles mehr breitete sich auf der
Tischplatte aus. Durch Drehen des Spiegels
konnte man überall hinschauen. Das war
beeindruckend und verblüffend zugleich.
Nebenbei erfuhren wir Wissenswertes über
die Stadt, ihre Vergangenheit und Gegenwart.
Am Nachmittag trafen wir uns an der alten
Schleuse zu einer Schifffahrt nach Essen-Kett-
wig. Eine Landschaft, grüner als jeder vermu-
tet hätte, zog an uns vorbei. Kettwig erfreute
mit seiner sehenswerten alten Bebauung, of-
fener Kirche oder einem gemütlichen Plausch
bei Kaffee und Kuchen. Am dritten Tag stand
die Besichtigung des Schlosses Broich an. Wir
erhielten eine detaillierte und umfangreiche
Führung durch einen Historiker, der Mülheims
Geschichte bestens kennt.
Wir waren uns nach dem ereignisreichen
Wochenende einig: Mülheim ist eine Reise
wert – nicht nur wegen des Mülheimer Kon-
gresses! Monika Holder
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Frühjahrsfahrt entdeckten
in Mülheim viele Sehenswürdigkeiten und manche grüne Oase.
Die
lehrer nrw
-Gruppe auf
Entdeckungstour in Gütersloh.
lehrer nrw ·
4/2024
28
Cannabis
in Schulen
Das umstrittene Cannabis-
gesetz sorgt auch an den
Schulen in Nordrhein-
Westfalen für Unruhe.
Ungeachtet der Teillega-
lisierung unterstreicht
das NRW-Schulministeri-
um, dass der Cannabis-
Konsum an Schulen aus-
nahmslos verboten ist.
RECHT§AUSLEGER
Foto: AdobeStock/Syda Productions
Ein Joint in der großen Pause?
Nicht an Schulen in Nordrhein-Westfalen.
Dort ist der Konsum von Cannabisprodukten
verboten.
Cannabis
in Schulen
Das umstrittene Cannabis-
gesetz sorgt auch an den
Schulen in Nordrhein-
Westfalen für Unruhe.
Ungeachtet der Teillega-
lisierung unterstreicht
das NRW-Schulministeri-
um, dass der Cannabis-
Konsum an Schulen aus-
nahmslos verboten ist.
29
4/2024 ·
lehrer nrw
macht. Damit läuft es im Endeffekt auf fol-
gende Regelungen hinaus: Unbeschadet ei-
nes allgemeinen Rauchverbots nach § 54 Ab-
satz 6 Schulgesetz NRW in Verbindung mit
dem Nichtraucherschutzgesetz NRW gilt im
Hinblick auf Cannabis, dass an Schulen und
in deren Sichtweite (100 Meter Umkreis) der
Konsum ausnahmslos verboten ist, so das
Cannabisgesetz und der Runderlass ‘Gesund-
heitsförderung in der Schule; Suchtpräventi-
on’ des Schulministerium vom 28. März
2023. Das Verbot gilt für die Schülerschaft
und die Lehrkräfte gleichermaßen.
Minderjährigen ist der Besitz von Cannabis
innerhalb und außerhalb von Schulgeländen
verboten. Erwachsene Schüler und Schülerin-
nen dürfen allerdings erlaubte Mengen von
25 Gramm Cannabis sanktionsfrei mit in
Schulen bringen. In einer Hausordnung kön-
nen Schulen jedoch aus Gründen des Ge-
sundheitsschutzes ausdrücklich ein komplet-
tes Cannabisverbot verankern. Daraus ergibt
sich beispielsweise, dass Lehrkräfte – sollten
sie bei minderjährigen Schülern oder Schüle-
rinnen Cannabis finden – dieses wegnehmen
und später den Eltern aushändigen können.
Eine Durchsuchung bleibt unzulässig. Darü-
ber hinaus setzt das Ministerium stark auf
Präventionsmaßnahmen und stellt den Schu-
len Informationen und Materialien zur Can-
nabis-Prävention zum Einsatz im Unterricht
online zur Verfügung.
Keine klare rechtliche
Grundlage
Außerdem zeigt Nordrhein-Westfalen mit
dem Finger auf den Bund: Dieser habe es ver-
säumt, für ein Verbot von Cannabis an Schu-
len eine klare rechtliche Grundlage zu schaf-
fen. Die Landesregierung will nicht nur selbst
fortlaufend prüfen, ob weitere Schritte zum
Schutz von Kindern und Jugendlichen erfor-
derlich sind. Auch der Bund müsse angekün-
digte Präventionsmaßnahmen für Kinder und
Jugendliche zügig umsetzen. Auch nach neu-
esten nachträglichen Änderungen am Canna-
bisgesetz fordert die Bundesärztekammer
weiterhin eine noch gezieltere Prävention.
RECHT§AUSLEGER
von CHRISTOPHER LANGE
Christopher Lange leitet die Rechtsabteilung
des
lehrer nrw
E-Mail: Rechtsabteilung@lehrernrw.de
W
Würde man die nordrhein-westfäli-
sche Schulministerin Feller oder ih-
ren Stab im Ministerium, der sich
mit Suchtmitteln, Suchtprävention in Schulen
und damit zusammenhängenden Themen be-
fasst, danach befragen, welche Mittel unter
Schülern und Schülerinnen zurzeit zu den ‘an-
gesagtesten’ oder ‘hippsten’ gehören, wäre
die Antwort gar nicht so leicht vorauszuah-
nen. Wer an E-Zigaretten beziehungsweise
sogenannte Vapes oder an Lachgas denkt,
liegt dabei vermutlich nicht ganz falsch. Aber
auch das Stichwort Cannabis wird wohl fal-
len. Und in dem Zusammenhang drängt sich
unweigerlich die Frage nach Regelungen im
Umgang und Konsum damit auf.
‘Dampfen’ als
Einstiegsdroge?
Bei Vapes handelt es sich um Einweg-E-Ziga-
retten, die bei Jugendlichen wohl nicht zu-
letzt deshalb extrem beliebt sind, weil es sie
in unterschiedlichsten Geschmacksrichtun-
gen wie zum Beispiel ‘Strawberry Ice Cream’
oder ‘Watermelon’ gibt. Der Geschmack von
Vapes wird von jungen Menschen meistens
als wesentlich angenehmer empfunden als
der von Nikotin. Und auch wenn Vapes weni-
ger oder kein Nikotin enthalten, deuten Ana-
lysedaten auf gesundheitsschädliche Wirkun-
gen wie unter anderem mögliche Schädigun-
gen des Herzkreislaufsystems hin. Da Vapes
unter Umständen ebenfalls abhängig ma-
chen, eignen sie sich für Kinder und Jugend-
liche nicht als Variante zum Rauchen. In eini-
gen Bundesländern wird bereits in Schulen
über entsprechende Gefahren aufgeklärt.
Lachgas für den
‘schnellen Kick’
Auch Lachgas, früher eher bekannt als Narko-
semittel beim Zahnarzt oder im Lebensmittel-
bereich als Treibmittel für Schlagsahne, hat
heutzutage eine Bedeutung als Droge unter
jungen Menschen. Immer mehr Kinder und Ju-
gendliche nutzen Lachgas für den ‘schnellen
Kick’ zur Regulation ihrer Stimmung. Beson-
ders kritisch ist, dass Lachgas auch für Minder-
jährige einfach erhältlich ist, ob im Supermarkt
in Kapseln, Sahnespendern, über das Internet
oder auch in frei zugänglichen Automaten zwi-
schen Snacks und Getränken. Gefährlich ist
Lachgas nach ärztlicher Ansicht, weil durch
den Konsum Nervenschädigungen entstehen
können, die zu Missempfindungen und Läh-
mungen führen können. Aus Niedersachsen
hat ein Alarmbrief eines Elternrates Bundesge-
sundheitsminister Karl Lauterbach erreicht,
weil Lachgasbehälter in Warenautomaten in
der Nähe einer Schule zu kaufen seien. Minis-
ter Lauterbach will nach Medienberichten das
Thema schnell angehen. Ein Verkaufsverbot an
Minderjährige stehe im Raum.
Cannabisgesetz löst Kritik
und Bedenken aus
Die Differenzierung zwischen Minder- und
Volljährigen spielt auch bei Cannabis eine
entscheidende Rolle. In dem Zusammenhang
hatte die Ampelregierung der NRW-Schulmi-
nisterin Dorothee Feller zu Ostern dieses Jah-
res ein schönes Ei ins Nest gelegt: Pünktlich
zum 1. April 2024 ist das Cannabisgesetz, auf
den Weg gebracht vom Bundesgesundheits-
ministerium, in Kraft getreten. Es erlaubt den
legalen Besitz und Konsum von Cannabis un-
ter bestimmten Voraussetzungen für Perso-
nen ab achtzehn Jahren. Ärztliche Fachver-
bände warnen jedoch davor, dass der Kon-
sum von Cannabis gerade bei jungen Men-
schen mit heftigen gesundheitlichen Folgen
und Auswirkungen im sozialen Bereich ein-
hergeht. Die nordrhein-westfälische Landes-
regierung befürchtet sogar Entwicklungsstö-
rungen und Folgewirkungen für die kognitive
Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendli-
chen. Lernprobleme, ein Abfall schulischer
Leistungen und sogar vorzeitige Schulabbrü-
che seien denkbar. Kein Wunder, das Ministe-
rin Feller gesagt haben soll: »Cannabis hat an
unseren Schulen nichts zu suchen«.
Cannabis-Konsum an Schu-
len ausnahmslos verboten
Doch wegen der Teillegalisierung durch das
Cannabisgesetz sind der Landesregierung
letztlich in gewissem Rahmen Vorgaben ge-
lehrer nrw ·
4/2024
30
ANGESPITZT
E
Es gibt zwei gute Gründe, Lehrer zu
werden: Juli und August (zwinker,
zwinker). Hören Sie bei solch originel-
len Sprüchen aus dem nicht unterrich-
tenden Freundes-, Bekannten- und Ver-
wandtenkreis noch hin? Natürlich kön-
nen Sie nicht mitreden, wenn Zeitge-
nossen, die einen ordentlichen Beruf
ergriffen haben, Ihnen oder sich selbst
ihr Leid über den Mörderstress in ihrem
Bürojob klagen. Sie wissen nicht, wie
es ist, wenn sich zwischen zwei Video-
konferenzen im Home Office tatsäch-
lich ein Kunde erdreistet, mit einer un-
zumutbar eiligen Anfrage (»Ginge das
bis Ende nächster Woche?«) die per-
sönliche Burnout-Richterskala in den
roten Bereich zu treiben. Es dauert
dann nicht lange bis zum mit waidwun-
dem Blick und wehmütigem Unterton
vorgetragenen Stoßseufzer: Ja, Lehrer
müsste man sein. 14 Wochen Ferien,
praktisch unkündbar und dazu ein Top-
Gehalt!
Da kann man nur entgegnen: Es ist
nie zu spät. Seiteneinsteiger werden
händeringend gesucht. Allerdings droht
dann der Praxisschock: Den vermeint-
lichen Halbtagsjob (»Lehrer haben mor-
gens Recht und nachmittags frei«;
zwinker, zwinker) gibt es nicht mehr.
Und unter den lieben Kleinen, die da
ach so brav und wissbegierig vor einem
sitzen, sind manche, die nur Rudimente
einer Erziehung genossen haben. Wenn
man dann das zweifelhafte Vergnügen
hat, die Eltern kennenzulernen, weiß
man auch, warum. Dass neben dem
Unterrichtsdeputat von mindestens
25,5 Stunden nochmal ungezählte Stun-
den (inklusive manchem Sonn- und Feri-
entag) für Korrekturen, Unterrichtsvor-
und -nachbereitung oder Konferenzen
draufgehen, sei der Vollständigkeit hal-
ber noch erwähnt. Ein weiterer Vorteil
des Lehrerberufs: Sie müssen sich nicht
um die tollsten Reiseschnäppchen au-
ßerhalb der Schulferien balgen – wenn
Sie verreisen, sind die Autobahnen am
vollsten und die Unterkünfte am teuers-
ten. Da weiß man immer, woran man
ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen:
Sollten Sie das Glück haben, in den
kommenden Sommerferien Urlaub
machen zu können, lassen Sie die Seele
baumeln und den Alltag für ein paar
kostbare Tage hinter sich. Das haben
Sie sich nämlich mehr als verdient!
Und sollte irgendein Bürohengst am
Salatbuffet Ihnen gönnerhaft versi-
chern, wie gut Sie es doch als Lehrerin
oder Lehrer haben, kontern Sie mit ei-
nem lässigen: »Augen auf bei der Be-
rufswahl« (zwinker, zwinker).
Jochen Smets
Augen auf bei der Berufswahl
E
Europa ist im EM-Fieber. Sie auch? Dann dürften Sie Spaß an dieser Aufgabe haben: Erstellen Sie eine ABC-Liste mit Begriffen rund um das
Thema ‘Fußball’. Schreiben Sie dazu einmal das komplette Alphabet untereinander auf einen Zettel. Lassen Sie dann die Augen über die
Liste schweifen. Wenn Ihnen ein Wort zu einem Buchstaben einfällt, schreiben Sie es dahinter. Es ist leichter, wenn Sie nicht versuchen,
unbedingt die Reihenfolge einzuhalten, sondern Sie sich einfach überraschen lassen, zu welchem Buchstaben Ihnen etwas einfällt. Vielleicht
legen Sie die Liste auch einfach auf Ihren Fernsehtisch und ergänzen die fehlenden Buchstaben im Laufe der EM.
A: Abseits B: Ball C:C…
Tipp: Wenn Ihnen zu einem Buchstaben einfach kein vernünftiger Begriff einfällt, dürfen Sie auch kreativ schummeln.
Zum Beispiel ‘Wichtige Zuschauer’ (Staatsoberhäupter) unter ‘W’.
Variante: Wenn Fußball so gar nicht Ihr Ding ist, wählen Sie ein anderes Oberthema, zum Beispiel Ihr Hobby oder ein sonstiges Interessensgebiet.
Über Feedback zu meinen Gehirnjogging Übungen würde ich mehr sehr freuen: mail@heike-loosen.de Heike Loosen
Sehenswürdigkeiten in EM-Ländern
Fußball-ABC
D
Durch Gespräche mit den Besuchern aus vielen
Ländern haben wir Lust bekommen, einige
Sehenswürdigkeiten in deren Heimatländern zu
besichtigen. Leider sind die Buchstaben der jewei-
ligen Sehenswürdigkeiten durcheinandergeschüt-
telt worden (Ü = UE, Ö = OE). Können Sie trotz-
dem erkennen, was wir uns ansehen möchten?
Und welche Länder müssen wir hierfür bereisen?
Beispiel:
Otrdenrebung Rrab => Brandenburger Tor:
Deutschland
1. Schen Los
2. Nhtmerarot
3. Uoskmsloe
4. Afsagai amdlria
5. Eeurfnij klumenrgae
6. Berget Dorwi
7. Mrtleifufe
8. Okeneuhkf
9. Bescrons Loschshnun
10. Umtaomi
11. Rrlekcabkseu
12. Agphai ohisa
Lösung:
1. Loch Ness Schottland
2. Matterhorn Schweiz
3. Kolosseum Italien
4. Sagrada Familia Spanien
5. Kleine Meerjungfrau Dänemark
6. Tower Bridge England
7. Eiffelturm Frankreich
8. Keukenhof Niederlande
9. Schloss Schönbrunn Österreich
10. Atomium Belgien
11. Karlsbrücke Tschechien
12. Hagia Sophia Türkei
Fuß(ball) Spiel
E
Eine Übung zur Konzentration
und Merkfähigkeit: Stellen Sie
sich gerade hin. Beide Füße ne-
beneinander auf dem Boden. Le-
sen Sie den folgenden Text lang-
sam durch. Bei bestimmten Buch-
staben stellen Sie sich vor, dass Sie
einen imaginären Ball schießen,
indem Sie Ihren Fuß in eine be-
stimmte Richtung bewegen.
Hierfür merken Sie sich vorab,
bei welchem Buchstaben, welcher
Fuß in welche Richtung schießt.
1. E – Rechts vor
2. N – Links vor
3. D – Rechts zur Seite
4. L – Links zur Seite
5. T – Rechts nach hinten
6. S – Links nach hinten
»Beim verrückten Duell zwischen dem FC Tollpatsch und den
Flinken Flamingos erlebten die Zuschauer einen wahren Slap-
stick. Der Torwart des FC Tollpatsch fiel spektakulär beim Abstoß
hin, während die Flamingos ein Eigentor per Fallrückzieher erziel-
ten. Das Spiel endete 2:2, mit mehr Lachern als Toren. Die Fans
applaudierten den unfreiwilligen Komikern auf dem Spielfeld.«
Variante 1: Wenn Ihnen das zu schwer
ist, können Sie die Schwierigkeit lang-
sam steigern, indem Sie den Text mehr-
fach durchgehen. Starten Sie mit den
Schüssen nach vorne (Buchstaben E
und N) und nehmen Sie nach und nach
jene zur Seite und nach hinten hinzu.
Variante 2: Wem das zu leicht ist,
kann die Arme hinzunehmen und diese
jeweils gegengleich mitbewegen. Bei-
spiel E: Rechter Fuß vor und gleichzei-
tig linken Arm nach hinten bewegen.
AUFGABE 1
AUFGABE 2
AUFGABE 3
HIRNJOGGING
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4/2024 ·
lehrer nrw