3Unter der Lupe
Demokratie
braucht Bildung
15Dossier
Ein klares Votum für
die zweite Phase der
Lehrkräfteausbildung
24 Schule & Politik
Ökonomische
Bildung stärkt
die Demokratie
6Im Brennpunkt
Arbeitsplatz:
Schule
L
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Renovierungs-
bedürftig
Pädagogik & Hochschul Verlag . Graf-Adolf-Straße 84 . 40210 Düsseldorf · Foto: AdobeStock
1781 | Ausgabe 5/2024 | SEPTEMBER | 68. Jahrgang
INHALT
lehrer nrw ·
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UNTER DER LUPE
Sven Christoffer:
Demokratie braucht Bildung 3
BRENNPUNKT
Ulrich Gräler: Arbeitsplatz Schule 6
JUNGE LEHRER NRW
Marcel Werner: Klare Regeln für
ein positives Schulklima 8
MAGAZIN
Ministerin will Basiskompetenzen
stärken 10
TITEL
Joachim Göres: »Ich habe
nicht auf alles eine Antwort« 12
Studie: Große Ungleichheiten
beim Politikunterricht 14
DOSSIER
Ein klares Votum für die zweite
Phase der Lehrkräfteausbildung 15
SCHULE & POLITIK
Jugendliche wünschen sich
Umgang mit KI in der Schule 19
Ein Grundgesetz für Lehrer? 20
Turbo für Talente 22
Julia Hehl: Ökonomische Bildung
stärkt die Demokratie 24
FORTBILDUNGEN
KI-Wissen für Lehrkräfte 26
Ein brandaktuelles Thema 28
SENIOREN
Einblick in modernste Forschung 29
Auf dem Kölner Krippenweg 29
ANGESPITZT
Jochen Smets: Und die Erde
ist eine Scheibe 30
HIRNJOGGING
Aufgabe 1: Aufgabensalat
Aufgabe 2: Das hat alles Hand und Fuß
Aufgabe 3: Sprichwörter ohne Vokale 31
IMPRESSUM
lehrer nrw
– G 1781 –
erscheint sieben Mal jährlich
als Zeitschrift des
‘lehrer nrw’
ISSN 2568-7751
Der Bezugspreis ist für
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‘lehrer nrw’
im Mitgliedsbeitrag enthal-
ten. Preis für Nichtmitglieder
im Jahresabonnement:
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Nordrhein-Westfalen,
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Redaktion
Sven Christoffer,
Ulrich Gräler,
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Sarah Wanders,
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Düsseldorf
Verlag und
Anzeigenverwaltung
PÄDAGOGIK &
HOCHSCHUL VERLAG
dphv-verlags-
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vom 1. Oktober 2023
Zuschriften und
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lehrer nrw
,
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Für unverlangt eingesandte
Manuskripte kann keine Ge-
währ übernommen werden.
Namentlich gekennzeichnete
Beiträge geben die Meinung
ihrer Verfasser wieder.
Die Kultusministerkonferenz sieht
Demokratiebildung als Auftrag der
Schule. Einverstanden – aber dann
bitte auch mit den notwendigen zeit-
lichen und personellen Ressourcen.
D
Das Alter für die Wahlberechtigung bei Euro-
pawahlen ist erstmals für die Wahl im Jahr
2024 von bisher 18 auf 16 Jahre herabge-
setzt worden. Das Ergebnis der Wahl hat gezeigt,
dass auch unter den jüngsten Wählerinnen und
Wählern viele dem Lockruf extremistischer und
populistischer Parteien erlegen sind. Ist das mögli-
cherweise auch das Ergebnis eines jahrzehntelang
zu laxen Umgangs der bundesrepublikanischen
Gesellschaft mit der Demokratiebildung?
Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der
Kultusministerkonferenz (SWK) hat im Juli 2024 eine
Stellungnahme unter dem Titel ‘Demokratiebildung
als Auftrag der Schule’ veröffentlicht. In dem Papier
heißt es unter anderem:
»Weil aktuell der demokratische Rechtsstaat von
unterschiedlichen Seiten unter Druck gerät, rückt
Demokratiebildung verstärkt ins Zentrum der Auf-
merksamkeit. Demokratiebildung und die Förderung
gesellschaftlicher Integration sind neben der Ver-
mittlung fachlicher Kompetenzen und der Förderung
von Chancengerechtigkeit zentrale Funktionen der
Schule. In Zeiten globaler Krisen und innergesell-
schaftlicher Konflikte, in denen sich häufig Gesin-
nungsgemeinschaften in sozialen Netzwerken ge-
geneinander abschotten, ist Schule in besonderer
Weise (heraus-)gefordert. Die Ständige Wissen-
schaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz
hält es daher für erforderlich, Demokratiebildung in
Schulen noch besser zu verankern.«
SWK empfiehlt Stärkung der
Fächer Politik und Geschichte
Vor diesem Hintergrund formuliert die SWK sieben
Empfehlungen. Insbesondere müssten die Fächer Po-
litik und
Geschichte
in der Schule ge-
stärkt werden. Ein be-
sonderer Fokus solle nach
Auffassung der Kommission auf politi-
schem und historischem Wissen, Handlungs- und
Urteilskompetenz sowie der Förderung von politi-
schem und historischem Interesse liegen. Daneben
müsse Demokratiebildung auch als fächerübergrei-
fendes Unterrichtsprinzip weiterentwickelt werden.
Eine wirksame Verankerung von Demokratiebildung
bedürfe einer koordinierten Schulentwicklung, die
von allen Lehrkräften sowie von einer aktiven Schul-
leitung getragen werde.
Die Empfehlungen der SWK sind nachvollziehbar
und auch gut begründet. Mich stört allein, dass hier
(schon im Titel der Stellungnahme) Aufträge an Schu-
le adressiert werden, die von Schule eigentlich nur
dann qualitativ hochwertig erfüllt werden können,
wenn es genügend personelle und zeitliche Ressour-
cen gäbe. Kurz gesagt: Das liest sich gut, ist aber bei-
leibe nicht einfach umzusetzen.
Vier Punkte für Demokratie und
Zusammenhalt in der Schule
Deshalb ist es aus meiner Sicht auch zielführend,
nicht nur auf Empfehlungen der Wissenschaft und
Ideen der Politik zu warten, sondern selbst Vorstel-
lungen zu formulieren. Der VDR Bund, Dachverband
des
lehrer nrw
, hat anlässlich des Jubiläums des
Grundgesetzes im Mai vier Punkte für Demokratie
und Zusammenhalt in der Schule formuliert, die ich
Ihnen an dieser Stelle nicht vorenthalten möchte:
1.Der VDR steht unmissverständlich zur freiheitlich-
demokratischen Grundordnung. In der uns durch
das Grundgesetz und das Beamtenrecht übertra-
genen Verantwortung für die Gesellschaft sind wir
als systemrelevante Berufsgruppe in besonderem
Maße unserer Gesellschaft verpflichtet. Diese Ver-
antwortung nehmen wir wahr und positionieren
uns gegen Hass, Intoleranz, Rassismus, Antisemi-
tismus und Fremdenfeindlichkeit. Unsere Schulen
stehen für Vielfalt, Pluralismus, Solidarität und ein
respektvolles Miteinander.
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lehrer nrw
UNTER DER LUPE
von SVEN CHRISTOFFER
Demokratie
braucht Bildung
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UNTER DER LUPE
2.Demokratiebildung ist für Schülerinnen und Schü-
ler insbesondere infolge der ernsten innen- und
außenpolitischen Bedrohungslage in Europa und
im Nahen Osten wichtiger denn je geworden. Wir
brauchen daher verstärkt Programme gegen den
Antisemitismus und jedwede Form von Extremis-
mus sowie die Stärkung der politischen Bildung in
allen Bundesländern. Wir dürfen nicht wegschau-
en, wenn es darum geht, Haltung zu zeigen. Wir
alle müssen Stellung beziehen. Schule hat den
Auftrag, junge Menschen in ihrem Engagement
für den demokratischen Rechtsstaat und ihr ent-
schiedenes Eintreten gegen antidemokratische
und menschenfeindliche Haltungen und Entwick-
Sven Christoffer ist Vorsitzender des
lehrer nrw
sowie stellv. Vorsitzender des HPR Realschulen
E-Mail: christoffer@lehrernrw.de
Ins Schleudern geraten:
Das Erstarken von Parteien an den
Rändern des politischen
Spektrums ist nur ein Symp-
tom einer bedenklichen
gesellschaftlichen
Entwicklung. Darum
ist Demokratie-
bildung wichti-
ger denn je.
lungen zu stärken. Unsere Lehrkräfte müssen von
den politischen Entscheidungsträgern in den Bun-
desländern die volle Rückendeckung bei Gewalt
und Hass im Klassenzimmer besitzen. Es gilt,
Unterstützungsangebote für Lehrkräfte weiter
auszubauen.
3.Der VDR fordert, direkte Erfahrungen zu stärken:
Es gibt zahlreiche Gelegenheiten und Orte, das
Grundgesetz und die darin enthaltenen Bürger-
und Menschenrechte, aber auch deren Verletzun-
gen, sichtbar werden zu lassen: im Schulalltag, bei
Besuchen von Gedenkstätten oder Museen, durch
Einbeziehung von Abgeordneten oder Zeitzeugen
im Unterricht – und auf Klassenfahrten mit ge-
schichtlichen und politischen Spuren und Schau-
plätzen.
4.Wenn es darum geht, unseren Bildungs- und Er-
ziehungsauftrag für die Demokratie erfolgreich
und nachhaltig umzusetzen und gleichzeitig die
Qualität unserer Schulen, des Unterrichts oder der
Abschlüsse auch in Zukunft zu gewährleisten,
braucht es wissenschaftliche Grundlagen, Trans-
parenz im System sowie attraktive Arbeitsbedin-
gungen mit einer angemessenen Personal- und
Sachausstattung an der Schule vor Ort.
55. Mülheimer Kongress:
‘Demokratiebildung
in der Schule’
Auch unser diesjähriger Mülheimer Kongress
wird sich am 6. November mit dieser wich-
tigen Thematik auseinandersetzen. So re-
feriert Dr. Wolfgang Beutel von der
Leibniz Universität Hannover unter
dem Titel ‘Demokratiepädagogik
und Demokratiebildung: Quer-
schnittsaufgaben, Grundlagen und
fachliche Herausforderungen der
Schule’. Aus der Schweiz begrüßen
wir Prof. Dr. Monika Waldis. Sie ist
Leiterin des Zentrums Politische Bil-
dung und Geschichtsdidaktik an der
Pädagogischen Hochschule der Fach-
hochschule Nordwestschweiz und trägt
vor zum Thema ‘Politisches Argumentie-
ren und Urteilen fördern: Debattieren im
Unterricht’. Wir freuen uns auf Sie!
Foto: AdobeStock/U. J. Alexander
lehrer nrw ·
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BRENNPUNKT
E
Endlich! Möchte man meinen, wenn
man sieht, dass das Schulministerium
neben der finanziellen Seite des Ar-
beitsplatzes Schule auch an die Arbeitsbe-
dingungen herangeht, um die Aufgaben und
Belastungen zu hinterfragen und gegebe-
nenfalls notwendige Anpassungen herbeizu-
führen. Denn vieles, was in Schule geschieht,
müsste vielleicht einmal wieder auf den
Prüfstand gestellt werden, und zwar unter
den Gesichtspunkten der Sinnhaftigkeit, Ef-
fektivität und Notwendigkeit. Alles Gesichts-
punkte, die über die Kernfrage entscheiden,
wie attraktiv der Arbeitsplatz Schule heutzu-
tage noch für junge Menschen ist.
Pädagogische
Schwerpunktsetzungen
Deshalb darf man erfreut zur Kenntnis neh-
men, dass das Land NRW aus didaktisch-
pädagogischer Sicht bedarfsgerechtere
Maßnahmen ergreift, um die Grundlagen für
den weiteren Bildungsprozess abzusichern.
Die Einführung zusätzlicher Unterrichtsstun-
den in Deutsch und Mathematik im Grund-
schulbereich zielt dabei ganz sicher in die
richtige Richtung. Endlich scheint sich wie-
der die Überzeugung durchzusetzen, dass
das Fundament für die weiteren Bildungs-
gänge gut gelegt sein muss, um anschlie-
ßende Übergänge mit besseren Vorausset-
zungen vorzubereiten.
Zielgerichtete
Zusatzmaßnahmen
Gleichzeitig erfolgt mit dem Startchancen-
programm eine weitere Unterstützungsmaß-
nahme für Schulen mit besonderem Bedarf.
Diesen Schulen in herausfordernden Situa-
tionen zusätzliche Unterrichtsstunden mit
mehr Personal zu gewähren, greift noch
nicht in der notwendigen Breite, zeigt aber,
wie bei den Talentschulen auch, den richti-
gen Weg auf, bei den pädagogischen Nöten
mit dem größten Handlungsbedarf einzu-
greifen und abmildernde Maßnahmen ein-
zuleiten. Eine nicht nur unerlässliche päda-
gogische, sondern zudem massiv sozialpoli-
tische Maßnahme, die bis in die Familien
hineinwirken kann.
Mangelhaftes Tarifrecht
Doch ohne weiteres, vor allem auch gut aus-
gebildetes Personal wird es an Schulen kaum
besser werden. Personalräte erleben immer
wieder ungläubiges Staunen bei Bewerbern,
wenn diese beim Wechsel von einem kom-
munalen Arbeitgeber zum Land Einkommens-
verluste hinnehmen müssen. Oder sogar bei
ein und demselben Arbeitgeber, wenn unter-
schiedliche Behörden eine unterschiedliche
Anerkennung von beruflicher Vorerfahrung
vornehmen. Ein Zustand, der manchen
von ULRICH GRÄLER
INFO
Arbeitszeit neu gedacht
Der dbb (Deutscher Beamtenbund und tarifunion), der Dachverband von
lehrer nrw
,
war aktuell gut beraten, ein Symposium mit wissenschaftlicher Expertise unter dem Ti-
tel Arbeitszeit neu gedacht’ zu den Entwicklungen der Arbeitswelt und den möglichen
bzw. notwendigen Veränderungen abzuhalten. Denn die Arbeitsplatz- und Arbeitszeit-
gestaltung sind ein wesentlicher Schlüssel zur Gewinnung von Fachpersonal.
Arbeitsplatz:
Schule!
Was sich
zum neuen
Schuljahr
geändert
hat – und
was sich noch
ändern muss.
BRENNPUNKT
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lehrer nrw
KOMMENTAR
Modern times?
Seit Jahren fordert
lehrer nrw
bei Tarifver-
handlungen neben Einkommenserhöhungen
stets, die Arbeitsbedingungen zu verbes-
sern, um die Attraktivität des Arbeitsplatzes
Schule zu erhalten bzw. zu steigern. Denn
nachfolgende Generationen, aber auch die
Gesellschaft insgesamt legen zunehmend
Wert darauf, dem Privatleben neben der
Arbeit einen höheren Stellenwert einzuräu-
men.
Die Corona-Krise mit massiver Verlage-
rung von Arbeit in das Home-Office hat
hierbei zusätzlich wie ein Katalysator ge-
wirkt, da sowohl die Effektivität der berufli-
chen Tätigkeit und der Gewinn von Zeitres-
sourcen als auch die Verbesserung der Ver-
einbarkeit von Familie und Beruf sowie
neue Möglichkeiten der Gestaltung des Pri-
vatlebens offenkundig wurden. Vielfach ei-
ne Win-Win-Situation in der Berufswelt, die
die Implikationen und Folgen einer zuneh-
mend durch Arbeitsverdichtung geprägten
Tätigkeit ein wenig abmildern bzw. reduzie-
ren konnten.
Insbesondere der Schulbereich ist eben-
falls durch derartige Intensitätszuwächse
der Berufstätigkeit gekennzeichnet, verur-
sacht durch ständig zunehmende Aufgaben
für Lehrkräfte, ohne dass dafür entspre-
chend neues Personal gewonnen wurde.
Nicht alles von dem Symposium war auf
den Schulbereich übertragbar, da Schulen
mit der ‘pädagogischen Beziehung’ einen
besonderen Arbeitsplatz darstellen. Aber
dennoch lassen sich auch hier in manchen
Bereichen effektivere und flexiblere Struktu-
ren schaffen bzw. anwenden.
Ziel dieser notwendigen Veränderungen
kann es nur sein, Lehrkräfte effektiver in
ihrem Kerngeschäft einzusetzen, nämlich in
der notwendigen personalen Beziehung zu
den Schülern. Und am besten können diese
Möglichkeiten wohl die in Schule tätigen
Lehrkräfte einschätzen und beurteilen.
Darum: Fragen wir sie, wann ‘modern’
auch ‘gut’ bedeutet! Ulrich Gräler
Foto: AdobeStock/Nadezhda Buravleva
Bewerber an der Glaubwürdigkeit staatli-
cher Institutionen zweifeln lässt.
‘Leistungsfeindliche’
Beförderungsstruktur
Leider lässt auch das Besoldungsgefüge
zu wünschen übrig. Mit der löblichen,
aber auch überfälligen Einführung der
A13-Einstiegsbesoldung sind die Beför-
derungsperspektiven fast ausschließlich
auf Schulleitungsämter beschränkt. Be-
sondere Leistungsmerkmale im Kernge-
schäft ‘Unterricht’ werden somit nicht
mehr honoriert. Damit geht jedoch über
eine gesamte Berufsbiografie hinweg
gesehen der Verlust eines wirksamen
Instruments der Wertschätzung für dau-
erhaft pädagogische Leistungsträger im
Kollegium einher.
Verlust an ‘Demokratie
im Lehrerzimmer’
Zudem lohnt sicher auch einmal ein Blick
in das Innenleben des Arbeitsplatzes
Schule. Nicht wenige erleben den Berufs-
alltag als System, das permanent aus
Vorgaben und Dienstanweisungen von
oben nach unten besteht. Sicher auch
der Situation geschuldet, dass das Sys-
tem im Kern ‘überfordert’ ist und Schul-
leitung ganz überwiegend damit be-
schäftigt ist, das System überhaupt ‘am
Laufen’ zu halten. Darüber hinaus wirken
noch die Maßregelungen aus Zeiten vor-
heriger Landesregierungen nach, die
Lehrkräfte pädagogisch massiv bevor-
mundeten. Von pädagogischer Freiheit
war da keine Rede mehr.
Den Schulen wieder mehr Gestal-
tungsraum zu geben, der pädagogischen
Expertise der Kollegenschaft wieder
mehr zu vertrauen, könnte neue Impulse
für mehr Zufriedenheit am Arbeitsplatz,
vor allem aber auch für mehr situations-
bzw. bedarfsgerechte Arbeit hervorbrin-
gen. Der pädagogische Erfahrungsschatz
der Lehrkräfte ist das größte Pfund im
Hinblick auf eine Verbesserung schuli-
scher Leistung. Leider wurde diese Exper-
tise in den vergangenen Jahren zuneh-
mend zurückgedrängt. Manche schulpo-
litischen Irrtümer aus dem Schulministe-
rium wie ‘Schreiben nach Gehör’ hätten
so eher vermieden werden können.
Am Limit:
Überlastete Lehrkräfte sind längst ein strukturelles
Problem. Darum muss sich am Arbeitsplatz
Schule einiges ändern.
Ulrich Gräler ist stellv. Vorsitzender des
lehrer nrw
E-Mail: graeler@lehrernrw.de
lehrer nrw ·
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JUNGE LEHRER NRW
von MARCEL WERNER
Klare Regeln für ein
positives Schulklima
Empfehlungen für Lehrkräfte im Umgang mit schwierigen Schülern:
Ein ganzheitlicher Ansatz
I
Im Schulalltag begegnen Lehrer immer
wieder Schülern, deren Verhalten den
Unterricht stört und das Lernklima be-
einträchtigt. Um diesen Herausforderungen
gerecht zu werden, empfiehlt es sich, einen
ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen, der
nicht nur auf die Schüler selbst, sondern
auch auf die Zusammenarbeit mit den
Eltern, den Schulsozialarbeitern und dem
Kollegium abzielt. Dazu ist es besonders
wichtig, dass sich die Kollegen auf umsetz-
bare Regeln einigen und die bei Nichtein-
haltung resultierenden Konsequenzen. Er-
folg haben solche Ansätze allerdings nur,
wenn eine pädagogische Geschlossenheit
im Kollegium entsteht. Dies funktioniert
jedoch nur, wenn die aktuelle Schulordnung
auf den Prüfstand kommt und man sich auf
die wichtigsten Regeln einigt.
Einbindung der Eltern:
Partnerschaftlich für den
Erfolg des Kindes
Die Einbindung der Eltern ist ein zentraler
Aspekt im Umgang mit schwierigen Schü-
lern. Eltern kennen ihre Kinder oft am bes-
ten und können wertvolle Einblicke in deren
Verhalten und mögliche Ursachen liefern.
Daher ist es entscheidend, eine vertrauens-
volle Beziehung zu den Eltern aufzubauen
und sie regelmäßig in Gespräche einzube-
ziehen. Eltern-Lehrer-Konferenzen oder indi-
viduelle Gespräche bieten eine geeignete
Plattform, um gemeinsam Lösungsansätze
zu erarbeiten und eine einheitliche Linie
zwischen Schule und Elternhaus zu schaf-
fen. Nur durch diese Zusammenarbeit kann
eine nachhaltige Verhaltensänderung beim
Schüler erreicht werden. Dabei ist es auch
legitim, die Eltern an ihre Erziehungspflicht
zu erinnern und diese einzufordern.
Der Erziehungsauftrag
der Schule: Mehr als nur
Wissensvermittlung
Lehrer erfüllen nicht nur den Auftrag, Wissen
zu vermitteln, sondern tragen auch eine wich-
tige Verantwortung im Rahmen des Erzie-
hungsauftrags der Schule. Es gilt, den Schü-
lern soziale Kompetenzen, Verantwortungsbe-
wusstsein und Selbstdisziplin zu vermitteln.
Dieser erzieherische Aspekt erfordert Geduld,
Empathie und eine klare Haltung gegenüber
den Schülern. Indem Lehrer ihren pädagogi-
schen Auftrag ernst nehmen und mit einer
Vorbildfunktion vorangehen, schaffen sie ein
respektvolles und wertschätzendes Umfeld,
Aggression, Trotz, Desinteresse:
Herausforderndes Schülerverhalten kann
viele Facetten haben. Dementsprechend
sollten Lösungsansätze für den Umgang mit
schwierigen Schülerinnen und Schülern
ganzheitlich gedacht werden.
Foto: AdobeStock/Photographee.eu
JUNGE LEHRER NRW
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lehrer nrw
Marcel Werner ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft
junge
lehrer nrw
E-Mail: werner@lehrernrw.de
das für schwierige Schüler eine positive
Orientierung bietet. Die daraus resultierende
positive Lehrerpersönlichkeit hilft Ihnen und
letztlich dem gesamten Kollegium, ein gutes
Lernklima für die Wissensvermittlung zu
schaffen. Denn nur, wenn Sie Ihre Lehrerper-
sönlichkeit stärken, erhalten Sie die Anerken-
nung der Schüler. Durch das Einbinden eines
Trainingsraums oder dauerhafte Gänge zur
Schulleitung verschieben Sie das ‘Problem’
mit den schwierigen Schülern lediglich und
Ihre Persönlichkeit wird geschwächt.
Pädagogische
Geschlossenheit im
Kollegium: Gemeinsam stark
Eine der größten Herausforderungen für
Lehrer im Umgang mit schwierigen Schülern
ist die Aufrechterhaltung einer einheitlichen
pädagogischen Linie im Kollegium. In vielen
Schulen zeigt sich, dass eine zersplitterte
Haltung unter den Lehrkräften zu Verwirrung
und Unsicherheit bei den Schülern führen
kann. Um dies zu vermeiden, sollten Schulen
Wert auf regelmäßige Absprachen und Fort-
bildungen legen, in denen ein gemeinsames
pädagogisches Verständnis entwickelt und
gestärkt wird. Eine geschlossene Front sei-
tens des Kollegiums signalisiert den Schülern
klare Erwartungen und Grenzen, was letzt-
lich zu einem besseren Schulklima führt.
Wichtig ist die Frage: Wie stellen wir uns ein
Miteinander in unserer Schule vor und wie
können wir es leben? Ein oft unterschätzter
Aspekt im Umgang mit schwierigen Schülern
ist deren aktive Einbindung in den schuli-
schen Alltag und Entscheidungsprozesse.
Indem Schüler in die Regelentwicklung und
die Gestaltung des Unterrichts einbezogen
werden, erleben sie sich selbst als wichtigen
Teil der Gemeinschaft. Sie übernehmen Ver-
antwortung und erkennen, dass ihre Stimme
zählt. Dies fördert nicht nur das Selbstbe-
wusstsein, sondern auch die Bereitschaft,
sich an gemeinsame Absprachen zu halten.
Die Einbindung der Schüler kann beispiels-
weise durch Klassenratssitzungen oder Pro-
jektarbeiten erfolgen, bei denen sie ihre Per-
spektiven einbringen und Lösungen für Kon-
flikte mitgestalten können.
Gemeinsam klare
Regeln erarbeiten
Um schwierige Situationen im Unterricht zu
minimieren, ist das Schaffen klarer und ver-
ständlicher Regeln unerlässlich. Diese Re-
geln sollten gemeinsam mit den Schülern
erarbeitet werden, um deren Akzeptanz zu
fördern. Dabei ist es wichtig, dass die Re-
geln einfach und präzise formuliert sind, so-
dass sie von allen Schülern verstanden und
verinnerlicht werden können. Klare Regeln
bieten den Schülern Orientierung und Struk-
tur, was insbesondere für diejenigen wichtig
ist, die im häuslichen Umfeld möglicherwei-
se weniger Stabilität erfahren. Neben klaren
Regeln bedarf es auch der konsequenten
Umsetzung von Maßnahmen bei Regelver-
stößen. Hierbei sollte die Lehrerschaft da-
rauf achten, dass die Konsequenzen fair,
transparent und für die Schüler nachvoll-
ziehbar sind. Eine stufenweise Eskalation,
beginnend mit einer Verwarnung bis hin zu
härteren Maßnahmen, kann dabei helfen,
den Schülern die Ernsthaftigkeit der Regeln
zu verdeutlichen, ohne sie zu überfordern.
Wichtig ist, dass Konsequenzen unmittelbar
folgen und im Einklang mit den vorher fest-
gelegten Regeln stehen. Nur so können
Schüler die Verlässlichkeit und Gerechtigkeit
des Systems erkennen und ihr Verhalten
nachhaltig ändern.
Fazit: Ein ganzheitlicher
Ansatz für langfristigen Erfolg
Der Umgang mit schwierigen Schülern erfor-
dert von Lehrkräften ein hohes Maß an Pro-
fessionalität, Empathie und Durchsetzungs-
vermögen. Durch die Einbindung der Eltern,
das Bewusstsein für den Erziehungsauftrag
der Schule, eine pädagogische Geschlossen-
heit im Kollegium, klare Regeln und die kon-
sequente Umsetzung von Konsequenzen
kann es gelingen, schwieriges Verhalten zu
minimieren und ein positives Lernklima zu
schaffen. Ein solcher ganzheitlicher Ansatz
ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen und
nachhaltigen pädagogischen Arbeit.
lehrer nrw ·
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MAGAZIN
Ministerin will
Basiskompetenzen
stärken
Schulministerin Dorothee Feller hat zum
Start des Schuljahres 2024/2025 neue Maßnahmen
vorgestellt, um die Basiskompetenzen der
Schülerinnen und Schüler weiter zu fördern
sowie Lehrerinnen und Lehrer zu entlasten.
Unterrichtsversorgung als Drahtseilakt
Foto: AdobeStock/micmacpics
Mit Lob und Kritik reagierte
lehrer nrw
auf die Ankündigungen
von Schulministerin Dorothee Feller in ihrer Auftakt-Pressekon-
ferenz. Mehr Fachunterricht für Deutsch und Mathematik in der
Grundschule, ein landesweites Screening zur Erhebung des Sprach-
stands für die Grundschulanmeldung sowie ein neues Schulnetz-
werk zur Alphabetisierung neu zugewanderter Kinder seien Schritte,
die in die richtige Richtung gingen.
Heikle Themen hat die Ministerin allerdings großzügig umschifft.
So ist und bleibt der Lehrkräftemangel angesichts über 6000 unbe-
setzter Stellen auch im Schuljahr 2024/ 2025 die größte Herausfor-
derung für die Schulen in Nordrhein-Westfalen. »Zwar hat die
Ministerin mehr Menschen ins System gebracht, aber eben nicht
nur grundständig ausgebildete Lehrkräfte, sondern auch viele Sozi-
alpädagoginnen und -pädagogen sowie Alltagshelferinnen und
-helfer. Dieses zusätzliche pädagogische Personal ist wichtig und
willkommen, ersetzt allerdings keine Lehrinnen und Lehrer. Insofern
wird eine stabile Unterrichtsversorgung an vielen Schulen ein Draht-
seilakt bleiben«, sagt Sven Christoffer, Vorsitzender von
lehrer nrw
,
in einer Pressemitteilung.
Zudem zeige das aktuelle Urteil des Verwaltungsgerichts Münster,
das der Abordnungspraxis der dortigen Bezirksregierung einen Rie-
gel vorgeschoben hat, eines sehr deutlich, so Christoffer: »Der Lehr-
kräftemangel lässt sich nicht mit der Brechstange bekämpfen. Ab-
ordnungen sind eine Notlösung und können deshalb kein langfristi-
ges Instrument sein, zumal sie auch an den abgebenden Schulen
Lücken reißen. Darüber hinaus wirken Abordnungen und andere res-
triktive Maßnahmen, etwa Einschränkungen der Teilzeitmöglichkei-
ten, im Hinblick auf die Attraktivität des Lehrberufs kontraproduktiv
und daher eher abschreckend auf junge Menschen, die erwägen,
diesen Weg einzuschlagen.« Klar muss sein, so der Verbandsvorsit-
zende: »Die Verwaltung des Mangels darf nicht auf den Rücken des
Bestandspersonals abgewälzt werden.«
Lesen, Schreiben
und Rechnen
bilden die unverzichtba-
ren Grundlagen für alle
weiteren Bildungs- und
Lebenswege. Diese Ba-
siskompetenzen sollen
verstärkt gefördert
werden.
Ministerin will
Basiskompetenzen
stärken
Schulministerin Dorothee Feller hat zum
Start des Schuljahres 2024/2025 neue Maßnahmen
vorgestellt, um die Basiskompetenzen der
Schülerinnen und Schüler weiter zu fördern
sowie Lehrerinnen und Lehrer zu entlasten.
I
In den Grundschulen des Landes soll
künftig mehr Unterricht in den Fächern
Deutsch und Mathematik erteilt wer-
den. Dazu beabsichtigt das Schulministeri-
um, die Stundentafel anzupassen und für
die beiden Fächer in jeder Jahrgangsstufe
jeweils eine Stunde mehr vorzusehen, er-
klärte die Ministerin bei ihrer Pressekonfe-
renz zum Schuljahresauftakt am 15. Au-
gust. Damit werden von Klasse 1 bis 4 fast
durchgehend sechs Stunden Deutsch und
fünf bis sechs Stunden Mathematik pro
MAGAZIN
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lehrer nrw
Woche unterrichtet. »Mit dem Lesen,
Schreiben und Rechnen werden die unver-
zichtbaren Grundlagen für alle weiteren
Bildungs- und Lebenswege unserer Schü-
lerinnen und Schüler gelegt«, betonte
Feller.
Landesweites Screening
für die Grundschul-
anmeldung
Zur Grundschulanmeldung im Herbst
2024 wird das Schulministerium den
Grundschulen in Nordrhein-Westfalen ein
neues Testverfahren zur Erhebung des
Sprachstands der Kinder zur Verfügung
stellen. ‘ILEA-T’ (Individuelle Lern-Ent-
wicklungs-Analyse in der Transition) wur-
de von der Universität Halle-Wittenberg
entwickelt, ist wissenschaftlich erprobt
und direkt einsetzbar. Es wird allen
Grundschulen kostenfrei zur Verfügung
gestellt.
Perspektivisch soll bei der Grundschul-
anmeldung ein digitales Screening-Verfah-
ren zum Einsatz kommen, kündigte Feller
an. Das Schulministerium erprobt ein sol-
ches digitales Screening-Tool in diesem
Jahr an rund 130 Grundschulen. Nach er-
folgreichem Testlauf soll es im Herbst
2025 allen Grundschulen zur Verfügung
stehen. Das digitale Tool erfasst insbeson-
dere sprachliche Kompetenzen systema-
tisch und wertet diese unmittelbar aus.
Es ermittelt, an welchen Stellen die Kinder
Unterstützungsbedarf haben und bietet
passgenaue Übungen an. Darüber hinaus
sollen die Grundschulen von umfangrei-
chen Dokumentationspflichten entlastet
werden.
Pilotprojekt zum
Einsatz von KI an
weiterführenden Schulen
Derzeit werden unter Federführung von
Nordrhein-Westfalen in der Kultusminis-
terkonferenz Handlungsleitlinien für den
Einsatz von KI im Unterricht erarbeitet.
Daran anknüpfend startet das Schulmi-
nisterium im Herbst dieses Jahres ge-
meinsam mit der Universität Siegen ein
neues KI-Pilotprojekt. 25 Projektschulen
werden in den kommenden drei Jahren
konkrete Unterrichtseinheiten entwickeln
und zeigen, wie KI sinnvoll im Unterricht
eingesetzt werden kann, um die Basis-
kompetenzen zu stärken. Dafür stellt die
Landesregierung über eine Million Euro
zur Verfügung. Die Projektschulen veröf-
fentlichen ihre Arbeitsergebnisse bereits
während der Projektlaufzeit, sodass alle
Schulen in Nordrhein-Westfalen davon
profitieren können, teilte die Ministerin
mit.
Neues Schulnetzwerk
zur Alphabetisierung
neu zugewanderter
Schülerinnen und Schüler
Die Erfahrungen der vergangenen Jahre
haben gezeigt, dass viele neu zugewan-
derte Schülerinnen und Schüler im Rah-
men der schulischen Erstförderung zu-
nächst grundlegende Lese- und Schreib-
kompetenzen erwerben müssen. Die
Alphabetisierung stellt vor allem für die
weiterführenden Schulen eine große
Herausforderung dar. Mit Beginn des
neuen Schuljahres wird das Schulminis-
terium daher unter dem Namen ‘BiSS’
(Bildung durch Sprache und Schrift) ein
neues Schulnetzwerk ins Leben rufen,
das sich vor allem an weiterführende
Schulen richtet. Über 660 Schulen aus
Nordrhein-Westfalen arbeiten bereits ge-
meinsam daran, die Sprachbildung ihrer
Schülerinnen und Schüler zu verbessern.
Ab sofort können die Schulen in Nord-
rhein-Westfalen ihr Interesse an einer
Teilnahme am neuen Netzwerk unter
https://www.biss-akademie.nrw/
angebot-zur-alphabetisierung/
bekunden.
Zudem werde das Schulministerium
den Schulen zum neuen Schuljahr einen
Praxisleitfaden mit konkreten Hilfestellun-
gen zur Deutschförderung neu zugewan-
derter Schülerinnen und Schüler zur Verfü-
gung stellen. Im Mittelpunkt steht auch
hier die Alphabetisierung, hieß es in der
Pressekonferenz.
lehrer nrw ·
5/2024
12
TITEL
»Ich habe nicht auf
alles eine Antwort«
Demokratiebildung in der Schule bedeutet, kontroverse Themen
kontrovers zu behandeln und dabei auch deutlich für Grund- und
Menschenrechte Stellung zu beziehen. Die Begeisterung für das
demokratische System muss dabei von allen Lehrkräften glaub-
haft vorgelebt und erfahrbar gemacht werden, so ein Bildungs-
experte in einem Beitrag des Klett-Themendienstes.
W
Welche Aufgabe hat Schule, gerade
wenn es um kontroverse Themen
geht? Für Steve Kenner, Professor
für Politikwissenschaft und ihre Didaktik an
der Pädagogischen Hochschule Weingarten,
ist die Antwort klar: »Kontroverse Positio-
nen müssen im Unterricht kontrovers darge-
stellt werden, aber nicht zwingend als
gleichwertig.« Das bedeute zum Beispiel,
dass die Position der wenigen Klimawandel-
Skeptiker in Bezug auf den vom Menschen
beeinflussten Treibhauseffekt nicht gleichge-
setzt wird mit der auf wissenschaftlicher
Evidenz basierenden Position der großen
Mehrheit der Fachwissenschaft.
»Demokratie braucht
politische Bildung,
keine Neutralität«
Kenner ist Mitinitiator des aktuellen Papiers
»Demokratie braucht politische Bildung, kei-
ne Neutralität« der Deutschen Vereinigung
für politische Bildung (DVPB). Darin betont
die Vereinigung der Politiklehrkräfte, dass es
in der Schule nicht nur um die Vermittlung
von Kenntnissen gehe, sondern darum,
»Grund- und Menschenrechte sowie die de-
mokratische Auseinandersetzung erfahrbar
zu machen«, damit junge Menschen an der
Demokratie mitwirken können. Dabei gelte
es laut Kenner, deutlich Stellung zu bezie-
hen. »Immer häufiger kommen Lehrkräfte
oder auch Schülerinnen und Schüler auf uns
zu, die sich gegen Rassismus, Homophobie,
Menschen- und Demokratiefeindlichkeit en-
gagieren. Viele Schulen setzen bereits ein
klares Zeichen. Nicht selten fehlt es aller-
dings an Rückhalt für engagierte Demokra-
tinnen und Demokraten.« Dies werde unter
anderem mit dem angeblichen Neutralitäts-
gebot begründet.
»Der demokratische Bildungsauftrag, der
in den meisten Bundesländern Verfassungs-
rang hat, fordert dazu auf, sich für die
Grundwerte unserer Gesellschaft einzuset-
zen. Ein allgemeines politisches Neutrali-
Foto: AdobeStock/crevis
tätsgebot lässt sich weder aus dem Bil-
dungsauftrag der Landesverfassungen, noch
den Schulgesetzen oder dem Beamtenrecht
begründen«, heißt es in der DVPB-Stellung-
nahme.
Engagement aller Lehr-
kräfte für Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte
Angesichts bevorstehender Wahlen müsse
der Politikunterricht die Partei- und Wahl-
programme kritisch unter die Lupe nehmen
und dabei aktuelle Äußerungen von Politi-
kern hinterfragen. Kenner: »Wenn Politike-
rinnen und Politiker sich rassistisch, antise-
mitisch, homophob oder in einer anderen
Weise demokratie- oder menschenverach-
tend äußern, muss dies in der Schule aufge-
griffen und klar Position bezogen werden.
Kürzlich hat ein Kreisverband der AfD gegen
eine Geflüchtetenunterkunft mobil gemacht
und in einem Flyer von einem ‘millionenfa-
chen Bevölkerungsaustausch’ schwadro-
niert. Das ist ein völkisch-nationalistisches
Verschwörungsnarrativ, das Menschen ver-
achtet und die Demokratie gefährdet. Als
solches muss es auch im Unterricht benannt
und besprochen werden.«
Dafür müsse das Fach Politik besser ge-
fördert werden. »Politische Bildung sollte
deutlich früher beginnen und mit mehr
Wochenstunden ausgestattet werden. Sonst
bleibt oft zu wenig Zeit, um all die relevan-
ten Themen in Zeiten multipler Krisen anzu-
gehen«, sagt Kenner. Er wünscht sich das
TITEL
13
5/2024 ·
lehrer nrw
Engagement aller Lehrkräfte für Demokra-
tie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrech-
te: »Im Sinne einer Demokratiebildung als
Querschnittsaufgabe müssen sich alle Lehr-
kräfte positionieren.«
Demokratiebildung
im Unterricht
Auch Lorenz Steinert, Gruppenleiter Gesell-
schaftslehre, Geschichte, Geographie und
Politik beim Ernst Klett Verlag in Leipzig,
weist auf die Bedeutung der gesamten
Schule bei der Demokratiebildung hin. Das
beginne mit der Wahl von Klassensprechern
und dem Ernstnehmen der Schülervertreter
in schulischen Gremien. Die Begeisterung
für das demokratische System müsse von
Lehrkräften glaubhaft vorgelebt und erfahr-
bar gemacht werden. Im Unterricht bieten
sich Simulationen und Rollenspiele an, um
aus unterschiedlichen Perspektiven Proble-
me zu bearbeiten und gemeinsam nach Lö-
sungen zu suchen. Steinert: »Recht geläufig
ist das Inselspiel, bei dem die Schülerinnen
und Schüler sich in die Situation versetzen
sollen, als Gruppe auf einer einsamen Insel
gefangen zu sein. Ihre Aufgabe ist es, ihr Zu-
sammenleben und die Arbeitsteilung zu or-
ganisieren. Bei dieser Situation erfahren sie
die Grundzüge politischer Arbeit und idea-
lerweise auch demokratischer Strukturen.«
Melanie Jacobi unterrichtet Religion an
einer Integrierten Gesamtschule in Osna-
brück. Dort hat sie ein Projekt zum Ukraine-
Krieg geleitet, bei dem mehr als 200 Schüle-
rinnen und Schüler Friedensbotschaften auf-
geschrieben haben, die in einem Buch veröf-
fentlicht wurden. Dabei haben zum Beispiel
syrische Kinder über ihre Fluchterlebnisse
berichtet. Ukrainische als auch russische
Schüler haben sich an der Aktion beteiligt.
»Ich habe nichts korrigiert, es gab keine
problematischen Äußerungen. Der Wunsch
nach Frieden als Abwesenheit von Krieg ist
der kleinste gemeinsame Nenner, das wol-
len alle«, sagt Jacobi und fügt hinzu: »Wir
haben allerdings keine politische Diskussion
geführt.« Sie ermutigt Lehrkräfte dazu, ak-
tuelle Themen von sich aus anzusprechen.
»Der Krieg in der Ukraine bewegt viele Kin-
der und Jugendliche, darauf muss man ein-
gehen. Dabei kann man seine eigene Ohn-
macht zeigen. Ich bin ehrlich und sage, dass
ich nicht auf alles eine Antwort habe
Text: Joachim Göres
für den Klett-Themendienst
Im Interesse eines friedlichen
gesellschaftlichen Miteinanders ist
Demokratiebildung wichtiger denn je.
lehrer nrw ·
5/2024
14
TITEL
Studie:
Große
Ungleichheiten
beim
Politikunterricht
P
Politikverdruss, sinkendes Vertrauen in
staatliche Institutionen, Wahlerfolge
extrem rechter Parteien – diese und
weitere als demokratiegefährdend einge-
stufte Entwicklungen der letzten Jahre füh-
ren zu Forderungen, die politische Bildung
an Schulen auszubauen. Dem Politikunter-
richt wird dabei eine Schlüsselfunktion bei
der Stärkung demokratischen Verhaltens
und Handelns zugeschrieben. Mithilfe von
Daten aus historischen Stundentafeln konn-
ten Forschende des Leibniz-Instituts für Bil-
dungsverläufe (LIfBi) die Entwicklung des
Unterrichtsfachs Politik in den vergangenen
Jahrzehnten nachzeichnen – mit durchaus
überraschenden Befunden.
Um zu klären, welchen Stellenwert Poli-
tikunterricht an Schulen in Deutschland hat,
schuf ein LIfBi-Forschungsteam (Dr. Norbert
Sendzik, Ulrike Mehnert, Prof. Dr. Marcel
Helbig) auf Basis von Stundentafeln einen
neuen Datensatz. Dieser erfasst für alle
westdeutschen Bundesländer seit 1949 bis
2019, wie viele Wochenstunden ‘Politik’ in
der Sekundarstufe I, also von der 5. bis ein-
schließlich 10. Klasse, in den verschiedenen
Schulformen pro Schuljahr gelehrt werden
sollten. Die Daten der ostdeutschen Bundes-
länder sind darin seit der Wiedervereinigung
enthalten.
Große Unterschiede
zwischen den Ländern
Die Analysen zeigen, dass seit den 1970er
Jahren die Bedeutung des Politikunterrichts
zunahm und sich die Unterrichtszeit für die-
ses Fach in allen Bundesländern und an al-
len Schularten bis zu den 1990er Jahren na-
hezu verdoppelte. Dabei gab es große Bun-
deslandunterschiede. So wurde beispiels-
weise um die Jahrtausendwende das Fach
Politik in Nordrhein-Westfalen mit sieben
Wochenstunden gelehrt (also pro Schuljahr
im Durchschnitt rund 1,2 Wochenstunden),
während es in Bayern und Sachsen nur zwei
Wochenstunden waren (rund 0,3 pro Schul-
Foto: AdobeStockDay Of Victory Stu
Demokratiebildung
ist Voraussetzung
für Partizipation.
Grundlagen dafür werden auch
im Politikunterricht gelegt.
Studie:
Große
Ungleichheiten
beim
Politikunterricht
jahr). Aber auch in der jüngeren Vergangen-
heit finden sich bundeslandspezifische Ent-
wicklungen: So wurde in Hessen die Unter-
richtszeit seit den 1990er Jahren bis in die
2010er Jahre von sieben auf drei Wochen-
stunden mehr als halbiert, während sie in
Schleswig-Holstein im selben Zeitraum von
rund einer auf fast fünf Wochenstunden an-
stieg.
Mehr politische Bildung
unter SPD-geführten
Regierungen
In seltener Klarheit zeigt sich im neuen Da-
tensatz zudem ein politischer Einfluss der
Landesregierung auf den Politikunterricht,
insbesondere für die 1970er bis Ende der
1990er Jahre, so Dr. Norbert Sendzik: »Je
nach politischer Landesfarbe erhielten die
Schülerinnen und Schüler unterschiedlich
viel politische Bildung. War die SPD an einer
Regierung beteiligt, wurde mehr politische
Bildung unterrichtet. Regierte die CDU, war
weniger politische Bildung vorgesehen. Be-
sonders deutlich ist das für die ostdeutschen
Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Thüringen, die nach der Wende christdemo-
kratisch geprägt waren. Dort war im Ver-
gleich sehr wenig politische Bildung vorge-
sehen.« Seit den 2000er Jahren sei politi-
sche Bildung jedoch weniger von der Zu-
sammensetzung der Landesregierung ge-
prägt, stellten die Forscher fest.
Mehr politische Bildung
an nicht-gymnasialen
Schulformen
Die Daten zeigen nicht nur die unterschiedli-
che und politisch beeinflusste zeitliche Aus-
prägung des Politikunterrichts. So waren
entgegen der landläufigen Vermutung in der
Geschichte der Bundesrepublik in der Regel
mehr Unterrichtsstunden ‘Politik’ an nicht-
gymnasialen Schulformen im Vergleich zum
Gymnasium vorgesehen. Der Befund war in
der Form nicht zu erwarten, denn andere
Forschung weist für die Gegenwart darauf
hin, dass Gymnasiasten heutzutage mehr
politische Bildung erhalten als Schülerinnen
und Schüler an anderen Schulformen.
Ein klares Votum für die zweite
Phase der Lehrkräfteausbildung
Am 7. Juni 2024 startete lehrer nrw eine Online-Umfrage zur Lehrkräfteausbildung in
Nordrhein-Westfalen. Innerhalb von knapp vier Wochen nahmen fast 1200 angehende oder
aktive Lehrerinnen und Lehrer daran teil. Die Ergebnisse sind ebenso überraschend wie
eindeutig – und sie sind bereits im NRW-Schulministerium angekommen.
15
5/2024 · lehrer nrw
Hintergrund der Initiative von lehrer nrw war
die Tatsache, dass aktuell sehr viel über ei-
ne perspektivische Änderung der Lehramts-
ausbildung berichtet und laut nachgedacht wird.
Die Überlegungen nehmen unter anderem die Ver-
knüpfung der beiden Phasen (Studium und Vorbe-
reitungsdienst) der Ausbildung zur Lehrkraft in den
Blick. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission
der Kultusministerkonferenz plädiert in ihrem letzten
Gutachten für eine Stärkung des universitären An-
teils. Dies könnte aus Sicht von lehrer nrw zu einer
weiteren Verkürzung und möglichen Schwächung
der praxisnahen Ausbildung an den Zentren für
schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) führen.
Auch die vermeintlich hohen Abbruchquoten in der
Lehramtsausbildung, für deren Gründe es jedoch
keine validen Evaluationen gibt, heizen immer wie-
der die Diskussion an. lehrer nrw plädiert immer da-
für, auf die Expertinnen und Experten vor Ort zu hö-
ren und sie in Reformüberlegungen, sei es in Schule
oder in der Lehrkräfteausbildung, einzubeziehen.
Deshalb war es für unseren Verband nur folgerich-
tig, Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter
sowie fertig ausgebildete Lehrkräfte zu befragen.
Foto: DZMITRY/AdobeStock
Berufseinstieg
mit Frage-
zeichen:
Viele Lehramtsan-
wärterinnen und
-anwärter beklagen
vor allem in der uni-
versitären Phase
der Ausbildung zu
wenig Praxisbezug.
16 5/2024 · lehrer nrw
noch in der Ausbildung 524
abgeschlossener 18-monatiger
Vorbereitungsdienst 363
abgeschlossener 24-monatiger
Vorbereitungsdienst 278
Als erstes wurden die Erfahrungen in der universitären Aus-
bildung abgefragt. An dieser Stelle ging es zunächst um ei-
ne Bewertung in Schulnoten mit der anschließenden Mög-
lichkeit, die Erfahrungen in einem Freitextfeld zu schildern.
»Mathematik war an der TU Dortmund gut, da es viele Praxisbei-
spiele gab. Dennoch hat das ganze wenig mit der Realität zu
tun.«
»Die große Varianz an Angeboten bzgl. der einzelnen Fächer und
die Ausblicke auf mögliche Anwendungsfelder in der Schule.
Außerdem die Projekte zwischen Universität und Schulen, welche
(wenn auch keine schulalltägliche) Vermittlung ermöglichten.«
»Viele Freiheiten, Dinge zu lernen, die mich persönlich
weitergebracht haben!«
Analog zur Fragestellung bezüglich der ersten Phase der
Lehrkräfteausbildung befragten wir die Teilnehmenden
auch zur zweiten Phase.
Grundschule (G) 257
Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamt-
schule (HRSGe)/Sekundarstufe I 465
Sonderpädagogische Förderung (SF) 238
Gymnasium/Gesamtschule (GyGe)/
Sekundarstufe II 167
Berufskolleg (BK) 38
Die Ergebnisse
der Umfrage
Bis zum 4. Juli 2024 hatten 1165 Personen
an der Umfrage teilgenommen.
Die Teilnehmerzahl verteilte sich wie folgt auf die
unterschiedlichen Schulformen:
Nicht nur Kolleginnen und Kollegen, die sich derzeit noch
in der Ausbildung befinden, sondern auch Lehrkräfte, die
schon länger im Dienst sind, nahmen an der Befragung teil.
Aufgrund der hohen Beteiligung und des Umfangs der Zita-
te haben wir nur einige wenige exemplarisch ausgewählt:
»An der Sport-Hochschule die praxisnahe Ausbildung«
»Viel didaktisches Hintergrundwissen wurde vermittelt, worauf
sich meine Beratungsgespräche gut aufbauen lassen.«
»Zwei Seminare zur praktischen Umsetzung in Schule – es waren
die einzigen beiden, die mit meinem Beruf zu tun hatten.«
»Es gab einige sinnvolle Seminare, was auf persönliches Engage-
ment der Dozenten und gute Überlegungen in dieser Universität
zurückzuführen war. Leider waren die meisten Vorlesungen nicht
zielführend und hatten wenig mit der Praxis zu tun.«
Ministerin
will Vorberei-
tungsdienst
nicht antasten
Am 27. August 2024
hatten der lehrer nrw-
Vorsitzende Sven
Christoffer und seine
Stellvertreterin Sarah
Wanders Gelegenheit zu einem persönlichen Aus-
tausch mit Schulministerin Dorothee Feller (Mitte).
Dabei überreichten sie die 280 Seiten umfassende
Auswertung der Befragung zur Lehrkräfteausbildung
an die Ministerin. Erfreulicherweise stellte Dorothee
Feller im Gespräch sehr deutlich klar, dass mit ihr
weder eine Kürzung noch gar eine Abschaffung
des Vorbereitungsdienstes zu machen sei.
INFO
Auch hier exemplarisch einige Zitate:
»Die intensive Beschäftigung in allgemein- und fachdidakti-
schen Fragen und die Erprobung des Gelernten im Unterricht.
Auch die intensive Betreuung und Beratung bei der Bewältigung
der schulischen Anforderungen war wichtig.«
»Beziehung zu den Fachleiter/innen, praxisnahe Ausbildung,
viele Unterrichtsbeispiele, produktive Nachbesprechungen,
viel Zeit für Austausch und gegenseitige Hospitationen«
»Der Praxisbezug. Fast in jeder Fachseminarsitzung wurden
Dinge entwickelt, erarbeitet, zur Verfügung gestellt.
17
5/2024 · lehrer nrw
»Super nützlich, auch heute noch. Der Austausch mit
den Mitreferendaren. Und tatsächlich mochte ich auch
die Rückmeldung nach den UBs. Ich habe mein Refe-
rendariat gerne gemacht.«
»Die Verknüpfung aus Theorie und Praxis. Der fachliche
Austausch mit erfahrenen Lehrkräften/Ausbildern.«
»Die Unterstützung und Erfahrung der Mentoren sowie
die Zusammenarbeit von Schule und ZfsL, der Aus-
tausch mit weiteren Referendar/innen im ZfsL«
»Der Raum zum Austausch in den Seminaren und das
hilfreiche Feedback durch Fachleitungen und Kernse-
minarleitung. Ebenfalls empfinde ich das Coaching als
sehr wertvolles Element der Ausbildung am ZfsL.«
Mit Blick auf die vermeintlich hohen Abbruchquo-
ten galt es auch zu erfragen, wie hoch der persön-
lich empfundene Druck während der einzelnen
Phasen der Lehrkräfteausbildung war.
FAZIT
Finger weg vom
Vorbereitungsdienst
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage
haben die zweite Phase der Lehrkräfteausbildung als
hilfreicher für die Praxis und somit für das spätere Be-
rufsleben empfunden als die universitäre Ausbil-
dung. Dies zeigt deutlich, dass der Praxisbezug in der
universitären Ausbildung verstärkt werden sollte. Ei-
ne frühzeitige Einbindung von Praxiselementen im
Studium, betreut und inhaltlich gestaltet durch die
Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL),
wäre äußerst erfolgversprechend. Es ist jedoch wich-
tig zu betonen, dass diese Praxisanteile zusätzlich
zum Vorbereitungsdienst (VD) erfolgen sollten und
nicht zu einer weiteren Kürzung des VD führen dür-
fen. Dies würde dazu beitragen, den sogenannten
‘Praxisschock’ zu vermeiden, den viele Lehramtsan-
wärterinnen und -anwärter erleben, wenn sie erst-
mals umfassend mit der Realität des Unterrichtens
konfrontiert werden.
Durch eine schrittweise Annäherung an die Praxis
könnten die Studierenden besser auf die großen und
steigenden Anforderungen ihres späteren Berufs vor-
bereitet werden. Darüber hinaus sollte die Mitwir-
kung der Ausbilderinnen und Ausbilder der ZfsL bei
der Konzeption und Lehre der Lehramtsstudiengänge
sowie des universitären Teils des Praxissemesters ver-
stärkt werden. Durch ihre praktische Erfahrung kön-
nen sie sicherstellen, dass diese Ausbildungselemen-
te praxisnah gestaltet werden und den tatsächlichen
Anforderungen des Schulalltags entsprechen. Die
Studienangebote müssen sich dabei an den schuli-
schen Inhalten der Fächer und den Aufgaben der
Lehrkräfte orientieren, um eine realitätsnahe und ziel-
gerichtete Ausbildung zu gewährleisten.
Trotz der Tatsache, dass die Ausbildung an den
ZfsL als hilfreicher empfunden wurde, empfanden
die Befragten in der zweiten Phase mehr Druck als in
der ersten. Ein häufig genannter Grund hierfür war
die hohe Anzahl an Unterrichtsbesuchen in kurzer
Zeit. Auch die Beantwortung der letzten Frage legt
nahe, dass der Faktor Zeit für die Lehramtsanwärte-
rinnen und Lehramtsanwärter von großer Bedeutung
ist. Die Umfrageergebnisse legen also nahe, dass die
zweite Phase der Lehrkräfteausbildung elementar
wichtig für die angehenden Kolleginnen und Kolle-
gen ist. Eine zeitliche Kürzung zur schnelleren Behe-
bung des Lehrkräftemangels wäre fatal und würde
sicherlich nicht zur Steigerung der Unterrichtsqualität
beitragen.
Zur Frage, ob der Druck im Studium als unangemes-
sen empfunden wurde, sollten die Umfrage-Teilneh-
menden ihre Sicht schildern. Auch hier aus der Fül-
le der Rückmeldungen einige beispielhafte Zitate.
»Die Inhalte in der Universität hatten in der Regel nur
Wissenschaftsbezug. Viele Inhalte waren so weit ent-
fernt von der Praxis, dass man Sorge hatte, den An-
schluss zu verlieren.«
»Es werden Inhalte von Dozenten verlangt, die später
absolut keine Relevanz im Job haben. Allerdings sind
die Noten der einzelnen Module für unseren universitä-
ren Abschluss von besonderer Relevanz. So entsteht
Druck für etwas, was im späteren Beruf nicht benötigt
wird. Die Sinnhaftigkeit wird permanent hinterfragt!«
»Die Studieninhalte waren so anspruchsvoll (Mathematik,
Physik), dass ich fast abgebrochen hätte. Viele Studenten
haben abgebrochen. Die Voraussetzungen, die ich – trotz
guten Abiturs – mitbrachte, waren nicht ausreichend.«
»Der fachwissenschaftliche Anspruch in jedem Fach
war sehr hoch. Und es war klar, dass dieses Fachwissen
keinerlei Relevanz in der Schule haben würde.«
Auch zur Frage, ob sie den Druck im Vorbereitungs-
dienst als unangemessen empfunden haben, konn-
ten die Befragten Rückmeldung geben. Hier eine
kleine Auswahl:
18 5/2024 · lehrer nrw
Eine tiefgreifende Modernisierung tut Not
KOMMENTAR
Die jüngste Umfrage zur Lehrkräfte-
ausbildung in Nordrhein-Westfa-
len offenbart erhebliche Defizite und
macht klar: Es besteht dringender
Handlungsbedarf, insbesondere in
Bezug auf die Praxisnähe und Reali-
tätsbezogenheit der ersten Ausbil-
dungsphase.
Der Vorbereitungsdienst (VD) am
Zentrum für schulpraktische Lehrer-
ausbildung (ZfsL) wird von den meis-
ten Lehramtsanwärterinnen und -an-
wärtern (LAA) als unverzichtbar und
weitaus effektiver als die universitäre
Ausbildung empfunden. Erschreckend
sind Rückmeldungen von LAA, dass
sie nach nur zwei Monaten im VD
mehr gelernt haben als in vier Jahren
Studium. Diese erste Phase, die eigent-
lich das Fundament der Lehrerausbil-
dung legen sollte, wird massiv kriti-
siert.
Auch wenn unter anderem ‘unrea-
listische Ansprüche’ bei Unterrichtsbe-
suchen bemängelt werden, zeigt sich
dennoch: Nur im Rahmen des VD kön-
nen sich LAA so intensiv mit den Lern-
prozessen der Schülerinnen und Schü-
ler auseinandersetzen, den Unterricht
gründlich durchdenken, Rückmeldun-
gen erhalten und sich professionalisie-
ren. Die geringe Unterrichtsverpflich-
tung im VD und die dadurch frei wer-
denden Vorbereitungszeiten ermögli-
chen es den LAA, sich selbst und neue
Methoden in den Unterrichtsbesuchen
zu erproben und wertvolle praktische
Erfahrungen zu sammeln. Dieser an-
spruchsvolle Lern- und Entwicklungs-
prozess, der von Beratung, Rückmel-
dung und Bewertung begleitet wird,
ist herausfordernd, aber unerlässlich.
Schließlich ist das spätere Tätigkeits-
feld ebenfalls von vielen Herausforde-
rungen geprägt.
lehrer nrw fordert daher eine tief-
greifende Modernisierung der Lehr-
kräfteausbildung. Es ist unerlässlich,
zusätzliche praxisbezogene Anteile in
die universitäre Phase zu integrieren,
jedoch nur unter der strikten Leitung
der ZfsL, um sicherzustellen, dass diese
Inhalte realitätsnah gestaltet werden
und den Anforderungen des Schulall-
tags entsprechen. Dies bedeutet nicht,
dass das Anspruchsniveau der Phase
reduziert werden soll.
Ein Orientierungspraktikum ist ein
guter Start. Ein Praxissemester einzu-
führen, das mit wissenschaftlichen
Aufgaben überladen wird, setzt jedoch
falsche Schwerpunkte. Die Studieren-
den benötigen den Raum, sich voll-
ständig auf die Herausforderungen
des Unterrichtens und des schulischen
Alltags zu konzentrieren, anstatt sich in
theoretischen Aufgaben zu verlieren.
Nur so lässt sich der ‘Praxisschock’ mil-
dern, und die unnötig hohen Abbruch-
quoten können gesenkt werden.
Es ist zudem fragwürdig, dass die
universitäre und die zweite Ausbil-
dungsphase in der Gesamtnote gleich
gewichtet werden, wenn der VD als
deutlich relevanter für die spätere Be-
rufspraxis angesehen wird. Gleiches
gilt für die Gewichtung der Unter-
richtspraktischen Prüfung (UPP) in Be-
zug auf die zweite Ausbildungsphase.
Eine zeitliche Verkürzung des Vorbe-
reitungsdienstes, um dem Lehrkräfte-
mangel entgegenzuwirken, wäre ein
fataler Fehler und würde die Qualität
des Unterrichts erheblich gefährden.
Die klare Positionierung von Schulmi-
nisterin Dorothee Feller gegen eine
Verkürzung ist der richtige Schritt.
Was jetzt gebraucht wird, ist eine
universitäre Ausbildung, die die ange-
henden Lehrkräfte in den Vorlesungen
endlich auf die Realität des Berufs vor-
bereitet – alles andere ist am Ziel vor-
bei. Hardi Gruner
Leiter Referat Fachleitungen im lehrer nrw
Mitglied des Netzwerkes
Fachleiter*innen NRW
»Der Druck entstand, weil man in der Zeit der Lehrerschwemme
einen sehr guten Abschluss brauchte, um noch eine Einstellungs-
chance zu bekommen. Zum einen gab es den Leistungsdruck,
den man sich selbst machte, zum anderen den Konkurrenzdruck.«
»Mehr Zeit im VD würde Druck abbauen!«
»Erwartungen an einzelne »Showstunden«, die acht Zeitstunden
Planung voraussetzen, sind völlig realitätsfern.«
»Die Unterrichtsreihen wurden so aufgebaut, dass sie allen
Schülerinnen und Schülern gerecht werden. Der Zeitumfang
und die Arbeitszeit, die in dieser Vorbereitung liegen, sind
enorm hoch und entsprechen in keinem Fall der Realität!«
»Hohe Erwartungen auch seitens der Seminarleiter – der
Vergleich untereinander – zu viele Unterrichtsbesuche in
der kurzen Zeit«
Sarah Wanders ist stellv. Vorsitzende des
lehrer nrw
sowie
Vorsitzende des HPR Realschulen · E-Mail: wanders@lehrernrw.de
SCHULE & POLITIK
Jugendliche wünschen sich
Umgang mit KI in der Schule
D
Der Einzug von Künstlicher Intelligenz
in sämtliche Lebensbereiche wird auch
im Unterricht nicht Halt machen und dort
bereits in den kommenden Jahren für Ver-
änderungen sorgen. Davon ist ein Großteil
der jungen Generation in Deutschland
überzeugt. Bisher spielt der Einsatz von KI
im schulischen Bereich für die meisten
Schülerinnen und Schüler jedoch kaum ei-
ne Rolle, Regelungen sind meist nicht vor-
handen (siehe Grafik). Dementsprechend
besteht bei einer Mehrheit der jungen
Menschen der Wunsch, dass der Umgang
mit KI im Unterricht behandelt wird. Denn
dass der Einsatz von Künstlicher Intelli-
genz mehr Chancen als Risiken bietet, da-
von sind die jungen Menschen überzeugt.
Das sind Ergebnisse der repräsentativen
Studie ‘Pioniere des Wandels: Wie Schüle-
rinnen und Schüler KI im Unter-
richt nutzen möchten’ von in-
fratest dimap im Auftrag der
Vodafone Stiftung, für die mehr
als 1500 Jugendliche zwischen
14 und 20 Jahren befragt wur-
den.
Die geringe Nutzung von KI in der Schule
bedeutet nicht, dass KI nicht längst im pri-
vaten Alltag der Jugendlichen angekom-
men ist: 74 Prozent der Befragten nutzen
bereits KI-Anwendungen, wobei 71 Prozent
angeben, dass die Nutzung häufiger aus
Eigeninitiative für private oder schulische
Zwecke erfolgt und seltener durch die Schu-
le angeregt wird. Großes Interesse haben
die Jugendlichen und jungen Erwachsenen
am Kennenlernen sinnvoller Anwendungs-
möglichkeiten für den Einsatz in der Schule
(47 Prozent) und im Alltag (44 Prozent)
sowie an der Sensibilisierung für den Um-
gang mit möglichen Gefahren (47 Prozent).
INFO
Weitere Informationen und Download der Studie:
www.vodafone-stiftung.de/jugendstudie-künstliche-intelligenz
Grafik: Vodafone Stiftung
D
Die Lehrerinnen und Lehrer unserer
Kinder sind recht unterschiedliche
Typen, das ist erstens nicht zu än-
dern und zweitens gar nicht so übel. Denn
auf diese Weise ler-
nen Heranwachsen-
de, mit der Verschie-
denheit von Men-
schen zurecht zu
kommen. Zudem ist
unser Bildungswesen
föderal strukturiert,
Lehrer in Bayern und
Lehrer in Bremen
handeln also nicht
nach exakt gleichen Devisen. Gleichwohl
ist nicht von der Hand zu weisen, dass es
lehrer nrw ·
5/2024
20
SCHULE & POLITIK
Ein Grundgesetz
für Lehrer?
In der letzten Zeit haben wir einiges über unser Grundgesetz
gehört. Seit 75 Jahren gibt es dem Zusammenleben der Men-
schen in Deutschland eine rechtliche Grundlage, nicht in den
Details, aber in den grundlegenden Zügen. Es gilt für alle hier Le-
benden, nicht zuletzt auch für Lehrer. Aber für diese müsste man
es eigentlich noch ein wenig spezifizieren. Denn Lehrer haben ja
in besonderer Weise mit unserem Gemeinwesen und unserer Zu-
kunft zu tun – wir vertrauen ihnen immerhin unsere Jugend an.
– neben den Richtlinien und Dienstordnun-
gen der Länder – einige Basisregeln der pä-
dagogischen Zunft geben sollte. Nur sind
diese nirgendwo aufgeschrieben – wohlan,
ein Versuch sei gewagt.
Artikel 1:
Lehrkräfte sind pädago-
gische Führungsfiguren.
Lehrkräfte sind weder beste Freunde noch
Offiziere. Sie müssen vielmehr die Kunst be-
herrschen, gleich und ungleich zugleich mit
jungen Menschen umzugehen. Sie müssen
sich einerseits in kindliches Denken und
Empfinden sensibel einfühlen, andererseits
aber auch unerschrocken die Richtung wei-
sen und Beurteilungen aussprechen können.
Artikel 2:
Skepsis ist eine der
wichtigsten Eigenschaften
von Lehrkräften.
Denn sie arbeiten in einer Art Bermuda-
Dreieck: Schüler wollen möglichst wenig
Hausaufgaben machen, Eltern wollen für
ihr Kind zumindest das Abitur, und das Bil-
dungsministerium will vor der Wahl dieses
und nachher jenes. Lehrkräfte sollten des-
halb innerlich unabhängige und kritische
Personen sein, denn sie müssen denjeni-
gen Weg finden, den sie für ihre jeweilige
Lerngruppe und ihre speziellen Schüler
verantworten können.
Artikel 3:
Es gibt viele Möglich-
keiten, lernwirksam
zu unterrichten.
Das hört sich banal an, ist es aber nicht.
Vielerorts galt lange Zeit die Parole, es
gebe eine alleinseligmachende Lehr-Lern-
Methode, etwa das selbstorganisierte, ei-
genverantwortliche Lernen von Schülern.
Die Forschung hat das widerlegt, einzel-
ne Autoritäten haben dies auch einge-
standen – aber die Lehrkräfte im Lande
sollten auch davon wissen. Überhaupt
sollten sie sich auf dem Laufenden darü-
ber halten, was die Forschung darüber
weiß, welche Wege eher nach Rom füh-
ren – und welche eher nicht. Entschei-
dend darf nicht sein, ob eine Methode ei-
nen wohlklingenden Namen hat oder gut
aussieht. Sondern ob die Lernprozesse
der Schüler nachhaltig, ob sie tiefenwirk-
sam sind.
Artikel 4:
Menschen sind
wichtiger als Zahlen.
Neuerdings wird ja all unser Tun vermes-
sen – und gewiss, auch im Bildungswesen
liefert Evaluation interessante Daten. Aber
Kennwerte sind in Schule lange nicht al-
les. Unterricht ist ganz wesentlich Bezie-
hungssache, ein emotional grundierter
Austausch zwischen Lehrenden und Ler-
INFO
Werte Kolleginnen und
Kollegen, welche weite-
ren Artikel für ein ‘Grund-
gesetz für Lehrkräfte’
halten Sie für sinnvoll?
Zuschriften bitte an den
Autor via Website
www.eltern-lehrer-fragen.de
Was zeichnet ei-
ne gute Lehr-
kraft aus, und
wovon sollte sie
sich in ihrem Tun
leiten lassen?
Michael Felten
wagt den Ver-
such eines
‘Grundgesetzes
für Lehrkräfte’.
Foto: AdobeStock/contrastwerkstatt
ZULETZT ERSCHIENEN
SCHULE & POLITIK
DER AUTOR
Michael Felten, geboren 1951, hat
35 Jahre Mathematik und Kunst un-
terrichtet, ist Autor von Sachbüchern
und Unterrichtsmaterialien, arbeitet
als freier Lehrerweiterbildner, Human
Award 2014 der Uni Köln,
www.eltern-lehrer-fragen.de
»Schwierige« Schüler. Wer sie
versteht, kann ihnen helfen
Reclam Bildung und Unterricht
Originalausgabe | 120 Seiten
ISBN: 978-3-15-014361-2 | 6,80 Euro
(inklusive MwSt., ggf. zzgl.
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Unterricht ist Beziehungssache
Reclam Bildung und Unterricht
Originalausgabe | 112 Seiten
ISBN: 978-3-15-019692-2 | 6,80 Euro
(inklusive MwSt., ggf. zzgl.
Versandkosten)
nenden. Er funktioniert anders als die Ab-
läufe in einer Brötchenbackstraße, lässt sich
höchstens ansatzweise in der Sprache der
Ökonomie beschreiben, wird durch Begriffe
wie Output oder Income letztlich nicht er-
fasst.
Artikel 5:
Bildung für morgen geschieht
an Gegenständen im heute.
Allenthalben hört man, die Schule müsse
völlig umgekrempelt werden – für das
21. Jahrhundert mit seiner Unsicherheit und
Komplexität brauche es ganz neue Kompe-
tenzen. Bildung könne deshalb nicht länger
Wissenserwerb sein, vielmehr gehörten Kol-
laboration, Kreativität, kritisches Denken
und Kommunikation auf die Agenda. Nun,
das waren natürlich immer schon ungemein
wichtige Fähigkeiten – nur lassen sich diese
nicht im Trockendock erwerben, sondern
gerade im Rahmen von fachlichem Lernen.
Ohnehin war die Zukunft auch für frühere
Generationen vor allem eines: ungewiss.
Ernsthafte und anspruchsvolle Bildung in
einer historisch reflektierten Gegenwart,
das war immer schon das Beste, was eine
Gesellschaft ihrer Jugend mitgeben konnte.
Michael Felten
(zuerst erschienen im Online-Bildungsportal news4teachers)
lehrer nrw ·
5/2024
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SCHULE & POLITIK
1000 GESUNDHEITS-WOCHEN ab 380 €
0631-47472, fasten-wander-zentrale.de
Turbo für Talente
Nordrhein-Westfalen macht beim Ausbau seines Talent-
scouting-Programms für mehr Chancengerechtigkeit Tempo.
Ina Brandes, Landesministerin für Kultur und Wissenschaft,
und Prof. Dr. Bernd Kriegesmann, Präsident der Westfäli-
schen Hochschule Gelsenkirchen Bocholt Recklinghausen,
überreichten nach erfolgreicher Weiterbildung die Ab-
schlusszertifikate an vierzig neue Talentscouts.
L
Landesweit begleiten inzwischen über
100 Talentscouts kontinuierlich mehr
als 30 000 Schülerinnen und Schüler
an etwa 550 Schulen in Nordrhein-Westfa-
len auf ihrem individuellen Bildungsweg.
Damit ist das NRW-Talentscouting eines
der größten Programme für mehr Chan-
cengerechtigkeit in Deutschland. Mut ma-
chen, über Träume sprechen, Visionen für
die berufliche Zukunft entwickeln, hilfrei-
che Netzwerke schaffen und gemeinsam
Barrieren überwinden – das Talentscouting
ist ein aufsuchender, individueller und
langfristiger Ansatz, der Expertisen zur
chancengerechten Förderung von Talenten
bündelt. Die NRW-Talentscouts, die alle im
NRW-Zentrum für Talentförderung eine be-
rufsbegleitende zertifizierte Weiterbildung
absolviert haben, sind mittlerweile an
23 Hochschulen in Nordrhein-Westfalen
angestellt und begleiten Schülerinnen und
Schüler ergebnisoffen beim Übergang von
der Schule in eine Ausbildung oder ein
(duales) Studium.
Talentscouting wirkt!
»Talentscouting wirkt! Jede einzelne Er-
folgsgeschichte ist der Beweis, dass gute
Bildung unabhängig von Wohnort oder
Herkunft für alle möglich ist. Inzwischen
gehört das Programm zu den größten
Projekten für gute Bildungschancen in
Deutschland. Auch im Ausland wurde er-
kannt, dass das Talentscouting eine groß-
artige Möglichkeit ist, junge Menschen auf
ihrem Weg in ein Studium oder eine Aus-
bildung zu unterstützen. Von der individu-
ellen, professionellen Begleitung profitie-
ren sowohl die Jugendlichen als auch der
Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen,
der qualifizierte Fachkräfte braucht«, sagte
Ministerin Ina Brandes.
Neben Talentscouts der kooperierenden
Partnerhochschulen aus Nordrhein-Westfa-
len wurden erstmals auch Talentscouts von
Hochschulen aus Hessen und vom größten
deutschen Begabtenförderungswerk, der
Studienstiftung des deutschen Volkes, zer-
tifiziert. Hinzu kommen Mitarbeitende der
TalentKollegs Ruhr in Gelsenkirchen, Ha-
gen und Oberhausen, des Schülerstipen-
dienprogramms NRWTalente und der Stadt
Gelsenkirchen.
Blaupause zur Hebung
von Talentreserven
»30 000 Jugendliche aus ganz Nordrhein-
Westfalen profitieren inzwischen von die-
ser wirklich erfolgreichen Form der Talent-
Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des
Landes Nordrhein-Westfalen (2.v.l.), und Prof. Dr. Bernd
Kriegesmann, Präsident der Westfälischen Hochschule
Gelsenkirchen Bocholt Recklinghausen (rechts), über-
reichten nach erfolgreicher Weiterbildung die Ab-
schlusszertifikate an vierzig neue Talentscouts. Mit im
Bild: Nicole Rosenbach und Bernd Kreuzinger, die am
selben Tag den Award ‘Talentscout ehrenhalber’ erhal-
ten haben.
Foto: NRW-Zentrum für Talentförderung
SCHULE & POLITIK
förderung. Das NRW-Talentscouting ist da-
mit eine Blaupause für die flächendeckende
Hebung von Talentreserven. Angesichts der
riesigen Herausforderungen in den Ausbil-
dungssystemen ist es gut und richtig, dass
dieses Programm in Nordrhein-Westfalen
systematisch ausgebaut wird. Besonders
freut uns, dass das zunehmend auch bun-
desweite Beachtung findet«, ergänzte Prof.
Kriegesmann.
Über 100 Talentscouts nutzten den Tag
der feierlichen Zertifikatsverleihung außer-
dem für ein Netzwerktreffen und tauschten
sich zu neuen Instrumenten ihrer Arbeit aus.
Mehr Chancengerechtigkeit
durch Talentscouting
Seit 2014 fördert das Ministerium für Kultur
und Wissenschaft des Landes Nordrhein-
Westfalen das NRW-Zentrum für Talentför-
derung mit Sitz in Gelsenkirchen. Laut einer
Langzeitstudie (seit 2017) des Wissen-
schaftszentrums Berlin für Sozialforschung
verhilft das Talentscouting zu einer individu-
ell passgenauen Ausbildungswahl und hat
so einen positiven Einfluss auf die Chancen-
gerechtigkeit: Jugendliche ohne akademi-
schen Familienhintergrund nehmen im
Talentscouting-Programm häufiger ein
Studium auf; Jugendliche aus Akademiker-
Familien entscheiden sich im Talentscouting-
Programm häufiger für eine duale Ausbil-
dung. Beide Effekte zusammengenommen,
verringern die Chancenungleichheit beim
Hochschulzugang um über siebzig Prozent.
INFO
Das NRW-Zentrum für Talentförderung der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen
hat sich in den vergangenen Jahren zur zentralen Plattform für Talentförderung in
Nordrhein-Westfalen entwickelt. Neben dem landesweiten Ausbau des Talentscoutings
werden hier weitere innovative Formate für mehr Chancengerechtigkeit organisiert
und umgesetzt, wie beispielsweise das Schülerstipendienprogramm NRWTalente und
die TalentKollegs Ruhr. Zudem bietet das NRW-Zentrum für Talentförderung Qualifizie-
rungsformate für Lehrkräfte, Schulsozialarbeitende und weitere Akteure an, die sich für
die individuelle Förderung von Kindern und Jugendlichen insbesondere aus Familien
mit Teilhaberisiken einsetzen. Das NRW-Talentzentrum wird vom Ministerium für Kultur
und Wissenschaft (MKW) sowie vom Ministerium für Schule und Bildung (MSB) des
Landes Nordrhein-Westfalen getragen.
lehrer nrw ·
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SCHULE & POLITIK
Ökonomische Bildung
stärkt die Demokratie
In einer Zeit, in der populistische Tendenzen den medialen
politischen Diskurs zunehmend mitbestimmen, bleibt die
Bedeutung der Ökonomischen Bildung im schulischen Kon-
text noch immer oft vernachlässigt. Zu Unrecht, wie unsere
Gastautorin betont.
I
In unserer Gesellschaft spielen wirt-
schaftliche Aspekte eine wichtige
Rolle: Von globalen Handelsabkommen
über Steuerpolitik bis hin zu Vorsorge –
wirtschaftliche Entscheidungen beeinflus-
sen zahlreiche Aspekte unseres Lebens.
Trotz dieser wachsenden Bedeutung wird
Ökonomische Bildung oft als »nice to ha-
ve« angesehen, als etwas, das zwar nütz-
lich, aber kein essenzieller Teil einer mo-
dernen Allgemeinbildung ist. Doch genau
hier liegt der Denkfehler: Ökonomische
Bildung ist kein Luxus, sondern ein unver-
zichtbarer Bestandteil für eine mündige,
resiliente und handlungsfähige Bürger-
schaft.
Zusammenhänge
verstehen
Warum? Weil Ökonomische Bildung Men-
schen Wissen und die Fähigkeit vermit-
telt, komplexe Zusammenhänge zu ver-
stehen, die in einer Demokratie von Be-
deutung sind. Ohne dieses Verständnis
verharren Bürgerinnen und Bürger in
ihrer Rolle als Zuschauer, die politische
Entscheidungen zwar beobachten, aber
nur oberflächlich reflektieren können. Sie
verstehen nicht, wie ökonomische Aspek-
te ihr tägliches Leben beeinflussen oder
warum bestimmte politische Maßnahmen
diskutiert werden. Mit ökonomischem,
ethischem und politischem Wissen hinge-
gen erlangen Menschen das notwendige
Rüstzeug, um sich aktiv in politische Aus-
einandersetzungen und Prozesse sowie
in die Gesellschaft einzubringen. Sie sind
in der Lage, wirtschaftliche Sachverhalte
faktenbasiert zu analysieren, politische
Agenden zu hinterfragen und die Vor-
und Nachteile sowie Konsequenzen un-
terschiedlicher politischer Entscheidun-
gen oder zum Beispiel von Finanzproduk-
ten besser abzuschätzen. Es ist dieses
Rüstzeug, das die Bürgerinnen und Bür-
ger zu mündigen politischen und ökono-
mischen Akteurinnen und Akteuren
macht, die nicht nur reaktiv, sondern pro-
aktiv an der Gestaltung ihrer Zukunft teil-
haben.
Schutz vor Manipulation
und Populismus
In Zeiten, in denen der politische Diskurs
immer öfter von einfachen Lösungen und
emotionalen Parolen beeinflusst wird, ist
die Fähigkeit, zwischen Fakten und Fake-
News differenzieren zu können, entschei-
dend. Eine ökonomisch gebildete Bürgerin,
ein ökonomisch gebildeter Bürger hat das
Wissen und die Werkzeuge, um solche sim-
plifizierenden Aussagen zu hinterfragen.
Wo andere vielleicht von einfachen, aber
unrealistischen Versprechen überzeugt wer-
den können, ist der wirtschaftlich gebildete
und medienkompetente Mensch in der La-
ge, die zugrunde liegenden Annahmen zu
hinterfragen und kritisch zu prüfen. Er kann
analysieren, ob ein politisches Versprechen
wirtschaftlich sinnvoll und langfristig trag-
fähig ist, oder ob es sich nur um eine kurz-
fristige, populistische Maßnahme handelt,
die mehr Schaden als Nutzen anrichtet.
Durch dieses Wissen wird die Gesellschaft
insgesamt weniger manipulierbar. Eine Be-
völkerung, die wirtschaftliche Zusammen-
hänge versteht, ist weniger anfällig für po-
litische Akteure, die versuchen, mit Halb-
wahrheiten oder dem Schüren von Neid
Foto: AdobeStock/EtiAmmos
SCHULE & POLITIK
und Angst zu arbeiten. Das verbessert die
Qualität der demokratischen Entschei-
dungsfindung erheblich.
Kritisches Denken als
Fundament für reflektierte
Entscheidungen
Eine der zentralen Aufgaben der Ökonomi-
schen Bildung ist die Stärkung des kriti-
schen Denkens und Urteilsvermögens. Wer
die Grundlagen wirtschaftlicher Zusam-
menhänge versteht und vernetzt denken
kann, wird besser in der Lage sein, fun-
dierte Entscheidungen zu treffen – sei es
bei politischen Wahlen, im alltäglichen
Konsum, Vorsorge und Vermögensaufbau
oder in Diskussionen über Themen wie
Chancengerechtigkeit und Sozialpolitik.
Ökonomische, politische und ethische Bil-
dung schafft die Grundlagen dafür, dass
Bürgerinnen und Bürger nicht nur kurzfris-
tige, sondern auch langfristige Folgen poli-
tischer Entscheidungen erkennen. Dies
führt zu einer stärkeren und fundierteren
Beteiligung an demokratischen Prozessen,
was letztlich die Demokratie selbst festigt
und schützt.
Fazit: Das Fundament
einer starken
Demokratie
Abschließend lässt sich sagen: Ökonomi-
sche Bildung ist nicht nur ein wichtiges
Bildungsziel, sondern eine Notwendig-
keit, wenn wir eine starke, widerstands-
und zukunftsfähige Demokratie erhalten
wollen. Eine Demokratie, die auf dem
Fundament Ökonomischer Bildung auf-
baut, ist besser gerüstet, die Herausfor-
derungen der Gegenwart und Zukunft zu
meistern und ihre Bürgerinnen und Bür-
ger aktiv in die Gestaltung ihres selbst-
bestimmten Lebens sowie einer gerech-
teren und nachhaltigeren Welt einzube-
ziehen.
Julia Hehl, Referentin bei der
Flossbach von Storch Stiftung
Fakt oder Fake?
Wer über ökonomisches,
ethisches und politisches Wis-
sen verfügt, kann das eine
vom anderen unterscheiden.
lehrer nrw ·
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FORTBILDUNGEN
KKII--WWiisssseenn
ffüürr LLeehhrrkkrrääffttee
Der Megatrend Künstliche Intelligenz ist Thema zweier
Online-Seminare von
lehrer nrw
. Darin lernen Einsteiger
Grundlagen von KI kennen, und Fortgeschrittene können ihr
Wissen vertiefen. Weitere Fortbildungs-Highlights finden
Sie in der Tabelle rechts. Anmeldungen sind online möglich.
D
Die Fortbildung für ‘KI-Neuentde-
cker’ ist für Lehrkräfte konzipiert,
die bisher wenig bis keinen Kontakt
mit Künstlicher Intelligenz (KI) hatten oder
skeptisch gegenüber dieser Technologie
sind. In diesem Kurs erhalten Sie eine Ein-
führung in die Grundlagen der KI und des
maschinellen Lernens. Sie erfahren, wie sich
KI von herkömmlicher Software unterschei-
det und welche Potenziale und Grenzen KI
im Bildungswesen hat. Die praxisnahen
Hands-on-Sessions ermöglichen Ihnen, erste
Schritte mit einfachen KI-Tools zu machen
und die Scheu vor der Technologie abzubau-
en. Sie lernen, wie KI das Lernen und Lehren
unterstützen kann. Auch der verantwor-
tungsvolle Umgang mit KI und Datenschutz
wird thematisiert.
Die Fortbildung für ‘KI-Explorer’ richtet
sich hingegen an Lehrkräfte, die bereits ers-
te Erfahrungen mit KI-Tools wie ChatGPT
gesammelt haben, jedoch noch kaum bis
gar nicht im Bildungskontext angewendet
haben. Vermittelt wird vertiefendes Wissen
über spezifische KI-Anwendungen im Bil-
dungsbereich, zum Beispiel personalisiertes
Lernen oder die Automatisierung von Be-
wertungen. In Workshops lernen Sie, wie Sie
mit Hilfe von KI-Tools eigenes Lehrmaterial
erstellen können und erhalten Strategien
zur sinnvollen Integration von KI in
Ihre Lehrpläne. Sie werden in die neuesten
Entwicklungen im Bereich KI eingeführt und
ermutigt, interdisziplinäre KI-Projekte zu
entwickeln.
Referent ist Anton Luków, Geschäftsfüh-
rer von educaite, einem bundesweit tätigen
Anbieter von Fortbildungen für Lehrkräfte
im Umgang mit Künstlicher Intelligenz.
WICHTIG: Teilnehmende beider Webinare
sollen vorher einen Account bei ChatGPT
erstellt haben.
Fortbildung für KI-Neuentdecker
Referent: Anton Luków
Seminar-Nr.: 2024-0928
Art: Online-Seminar
Termin: Freitag, 27. September 2024 von 14:00 bis 16:30 Uhr
Kosten: 120 Euro für
lehrer nrw
Mitglieder,
150 Euro für sonstige Teilnehmer
Anmeldeschluss: auf Anfrage
Fortbildung für KI-Explorer
Referent: Anton Luków
Seminar-Nr.: 2024-1115
Art: Online-Seminar
Termin: Freitag, 15. November 2024 von
14:00 bis 16:30 Uhr
Kosten: 120 Euro für
lehrer nrw
Mitglieder,
150 Euro für sonstige Teilnehmer
Anmeldeschluss: 25. Oktober 2024
Foto: AdobeStock/Deemerwha studio
ANMELDUNG
www.lehrernrw.de/lehrernrw-de-fortbildungen/lehrernrw-de-fortbildungsuebersicht/
27
5/2024 ·
lehrer nrw
FORTBILDUNGEN
Seminar
Nr. Titel Kurzinhalt Referenten Wo Wann Uhrzeit
Gebühr
lehrer nrw-
Mitglied
Gebühr
sonst.
Teilnehmer
Anmelde-
schluss
2024-1010 Selbstbewusst und stark:
Mit Selbstfürsorge durch
stressige Zeiten
Durch Selbstfürsorge lernen wir Prioritäten zu setzen, auch mal Nein
zu sagen, stärken so indirekt unser Selbstbewusstsein, lernen, stressige
Zeiten leichter zu meistern und die Energie zu steigern.
Yvonne
Michel
Leonardo Boutique Hotel
Oststraße 128
40210 Düsseldorf
Donnerstag
10.10.2024
09:30 bis
17:00 Uhr
140 190 auf
Anfrage
2024-1029 Wege in den Ruhestand Beamtenversorgung und Altersteilzeit Horst
Joosten
GDL Sitzungsraum 1. OG
Graf-Adolf-Straße 84
40210 Düsseldorf
Dienstag
29.10.2024
15:00 bis
18:00 Uhr
55 85 auf
Anfrage
2024-3110 Recht im Schulalltag Diese Fortbildung informiert über wichtige rechtliche Grundlagen,
die Lehrkräfte für ihren Berufsalltag benötigen.
Christopher
Lange
GDL Sitzungsraum 1. OG
Graf-Adolf-Straße 84
40210 Düsseldorf
Donnerstag
31.10.2024
14:00 bis
17:00 Uhr
35 65 17.10.2024
2024-1112 Unterrichtsstörungen?
Durchschauen, vorbeugen,
entschärfen …
Zeitgemäße Störungskompetenz zielt auf eine präventive Haltung: die
Lerngruppe umsichtig und souverän zu führen (classroom management)
sowie ‘schwierige’ Schüler in ihrer individuellen Motivlage zu verstehen
und ermutigend zu unterstützen.
Michael
Felten
Leonardo Hotel Köln
Waldecker Straße 11-15
51065 Köln
Dienstag
12.11.2024
09:00 bis
16:30 Uhr
140 190 01.10.2024
2024-1115 Fortbildung für KI-Explorer Für Lehrkräfte, die bereits erste Erfahrungen mit KI-Tools wie ChatGPT
gesammelt haben, jedoch noch kaum bis gar nicht im Bildungskontext
angewendet haben, bieten wir die Fortbildung für KI-Explorer an.
Vertiefen Sie Ihr Wissen u. a. über spezifische KI-Anwendungen im
Bildungsbereich, wie personalisiertes Lernen und die Automatisierung
von Bewertungen.
Anton
Luków
Webinar Freitag
15.11.2024
14:00 bis
16:30 Uhr
120 150 25.10.2024
2024-1125 Lehrkräfte am Limit –
kreative Stressbewältigung in
schwierigen Zeiten
Lehrkräftemangel, hohe Krankenstände, wachsende Zusatz- und
Integrationsaufgaben – Lehrende sind im Schulalltag oft bis an die
Grenzen der Belastbarkeit gefordert. In dieser Fortbildung lernen Sie nicht
nur wie Sie psychische Entlastung, körperliche und geistige Entspannung,
sondern auch mehr Freude, Verbundenheit und Sinnhaftigkeit erfahren
können.
Gabi
Schmidt
Leonardo Düsseldorf
City Center
Ludwig-Erhard-Allee 3
40227 Düsseldorf
Montag
25.11.2024
9:00 bis
16:30 Uhr
140 190 14.10.2024
2024-1128 Elternarbeit: Last und Kampf –
oder Fundgrube
und Unterstützung?
Die Veranstaltung gibt konkrete Anregungen, die Sicht auf bzw. den
Kontakt mit ‘schwierigen’ Eltern konstruktiver zu gestalten – ob im
Beratungsgespräch oder am Elternabend.
Michael
Felten
Leonardo Hotel Köln
Waldecker Straße 11-15
51065 Köln
Donnerstag
28.11.2024
09:00 bis
16:30 Uhr
140 190 10.10.2024
2024-1205 Recht im Schulalltag –
speziell für Berufsanfängerinnen
und -anfänger
Junge Kolleginnen und Kollegen sind mit Rechtsfragen oft überfordert.
Die Fortbildung beantwortet die wichtigsten Fragen aus dem Schulalltag.
Christopher
Lange
GDL Sitzungsraum 1. OG
Graf-Adolf-Straße 84
40210 Düsseldorf
Donnerstag
05.12.2024
14:00 bis
17:00 Uhr
35 65 21.11.2024
28
EEiinn bbrraannddaakkttuueelllleess
TThheemmaa
Angesichts einer Verrohung der politischen Kultur und einer
Erosion gesellschaftlicher Werte, die nicht zuletzt in den jüngs-
ten Wahlergebnissen Ausdruck fand, ist das Thema des Mülhei-
mer Kongresses am 6. November wichtiger und aktueller denn
je: ‘Demokratiebildung in der Schule’.
W
Was Schule beitragen kann, um
junge Menschen zu mündigen,
verantwortungsvollen Demokra-
ten heranzubilden und welche Chancen und
Herausforderungen damit verbunden sind,
werden zwei Top-Referenten erläutern. So
spricht Dr. Wolfgang Beutel, Direktor des
Instituts für Didaktik der Demokratie an der
Leibniz Universität Hannover, über ‘Demo-
kratiepädagogik und Demokratiebildung:
Querschnittsaufgaben, Grundlagen und
fachliche Herausforderungen der Schule’.
Beutel hat sich nach einem Lehramtsstudi-
um für eine akademische Laufbahn ent-
schieden, ist aber dem Forschungsschwer-
punkt Schule gewissermaßen treu geblie-
ben. Nicht von ungefähr lautete sein Promo-
tionsthema 1996 ‘Schule als Ort der Politi-
schen Bildung’.
Prof. Dr. Monika Waldis, Leiterin des Zen-
trums Politische Bildung und Geschichtsdi-
daktik an der Pädagogischen Hochschule
der Fachhochschule Nordwestschweiz,
kommt mit einem ebenso spannenden wie
praxisnahen Thema nach Mülheim: ‘Politi-
sches Argumentieren und Urteilen fördern:
Debattieren im Unterricht’. Sie hat zehn Jah-
re, von 1989 bis 1999, als Primarlehrerin in
der Schweiz gearbeitet und wechselte an-
schließend in die Wissenschaft. Zu ihren lau-
fenden Projekten zählt unter anderem das
Planspiel ‘SpielPolitik!’, in dem Schulklassen
der Sekundarstufe I realitätsnah den Prozess
politischer Beratung und Beschlussfassung
simulieren können.
DAS PROGRAMM
… im Überblick
ab 9:45 Uhr Stehkaffee
10:15 Uhr Intro und Begrüßung
11:00 Uhr Grußwort
Ralf Neugschwender,
Vorsitzender VDR Bund
11:15 Uhr ‘Demokratiepädagogik
und Demokratiebildung:
Querschnittsaufgaben,
Grundlagen und fachliche
Herausforderungen der
Schule’
Dr. Wolfgang Beutel, Institut für
Didaktik der Demokratie,
Leibniz Universität Hannover
anschließende Diskussion
12:45 Uhr Mittagessen
14:00 Uhr ‘Politisches Argumen-
tieren und Urteilen
fördern: Debattieren
im Unterricht’
Prof. Dr. Monika Waldis, Leiterin
Zentrum Politische Bildung und
Geschichtsdidaktik, Pädagogische
Hochschule der Fachhochschule
Nordwestschweiz
anschließende Diskussion
15:30 Uhr Kaffeepause
16:00 Uhr Musikalischer Ausklang
Big Band der Erich-Klausener-
Realschule, Herten
16:30 Uhr Ende des Kongresses
Verabschiedung durch
den Vorsitzenden
INFO
Der Mülheimer Kongress findet am Mitt-
woch, 6. November, in der Akademie
‘Die Wolfsburg’ in Mülheim/Ruhr statt.
Die Teilnahmegebühr beträgt 119 Euro
für
lehrer nrw
-Mitglieder, 99 Euro für
lehrer nrw
-Mitglieder im Ruhestand und
149 Euro für sonstige Teilnehmer.
Anmeldung: www.lehrernrw.de/
lehrernrw-de-fortbildungen/
lehrernrw-de-fortbildungsuebersicht/
Volles Haus: Wie hier beim
Mülheimer Kongress 2023 wartet
auch auf die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer der diesjährigen Aus-
gabe ein spannendes Programm.
Foto: Smets
lehrer nrw ·
5/2024
28
FORTBILDUNGEN
S
Spannende Einblicke erhielt eine Senioren-
Gruppe des
lehrer nrw
bei einer Exkursi-
on ins Forschungszentrum Jülich am 27. Au-
gust. Das renommierte und weltbekannte
Forschungszentrum sieht sich als Schrittma-
cher für den Wandel und den Fortschritt der
Gesellschaft, erläuterte Dr. Dirk Tunger, der
als Gästeführer die Arbeit der Einrichtung
und ihrer Institute erläuterte.
Ein Kurzreferat der Doktorandin Katarina
Kretschmer zeigte die Möglichkeiten der
Künstlichen Intelligenz in der Wissenschaft
auf. Allerdings galt auch hier der Hinweis:
Ohne entsprechendes Wissen der Anwender
von KI geht es nicht.
Nach dem Mittagessen im Seekasino wur-
de die
lehrer nrw
-Gruppe zuerst zum Institut
für Bio- und Geowissenschaften geführt. Der
Institutsleiter Dr. Thomas Classen erklärte,
woran in seinem Institut geforscht wird, und
konnte sehr anschaulich in die Arbeit Einbli-
cke geben. Hier wird unter anderem unter-
sucht, wie aus nachwachsenden Rohstoffen
industriell oder pharmazeutisch genutzte
Wertstoffe gewonnen werden können. Dok-
toranden stellten uns ihre Versuchsaufbau-
ten vor und erklärten, was dabei geschieht.
Mit großem Interesse wurden viele Fragen
gestellt und auch beantwortet.
Wir wären gerne noch länger vor Ort ge-
blieben, aber im Institut für Energie- und
Klimaforschung wurden wir bereits von Ke-
vin Streckel erwartet, der uns einen umfas-
senden Überblick über die Entwicklung von
Membranen verschaffte, die zur Abtrennung
von Sauerstoff bei der Zerlegung von Was-
ser dienen. Diese Membranen müssen we-
gen der hohen Temperaturen über 1.000
Grad Celsius aus keramischem Material
bestehen.
Am Ende waren alle beeindruckt von der
Vielfalt der Forschungsgebiete und die Ein-
blicke, die wir erhalten durften, und dass wir
jungen und engagierten Menschen bei ihrer
Arbeit über die Schulter sehen durften, die
hier für die Zukunft forschen und arbeiten.
Monika Holder
Einblick in modernste Forschung
Eine Gruppe von Seniorinnen und Senioren
des
lehrer nrw
erkundete am 27. August das
Forschungszentrum Jülich.
Über 100 Krippen sind auf dem Kölner Krippenweg zu sehen, darunter auch die Kölner Stadtkrippe.
Viele davon werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Krippentour am 3. Dezember erleben.
Foto: AdobeStock/E. Schittenhelm
Auf dem Kölner Krippenweg
Am 3. Dezember findet ein geführter Besuch des Kölner Krippenwegs statt. Start ist am Hauptbahnhof um 11 Uhr. Die Führung
dauert rund zwei Stunden. Nach dem Rundgang ist ein gemeinsames Mittagessen in der Nähe des Doms vorgesehen. Weitere
Details folgen an dieser Stelle und auf den Seniorenseiten unter www.lehrernrw.de. Die Führung kostet für maximal zwanzig
Personen insgesamt 210 Euro. Anmeldung bei: Monika Holder,
holder@lehrernrw.de oder telefonisch unter 02739 1899
29
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lehrer nrw
SENIOREN
lehrer nrw ·
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30
ANGESPITZT
E
Es gibt Dinge, die sind unumstößlich.
Dass die Erde eine Kugel ist, zum
Beispiel. Da können irgendwelche Ver-
schwörungstheoretiker noch so oft be-
haupten, sie sei eine Scheibe, von der
wir nur nichts wüssten, weil Bill Gates
und die Ampel uns diese Wahrheit vor-
enthalten.
Es gibt noch so einen unumstößlichen
Grundsatz: In Bayern sind die Sommer-
ferien immer am letztmöglichen Termin,
der sich in der Regel über den gesamten
August erstreckt. Da ist das Wetter in
Deutschland meistens am schönsten,
und darum ist es nur konsequent, dass
Bayern dann Ferien zu haben hat. Das
wurde von einem Vorläufergremium der
Kultusministerkonferenz ungefähr im
Pleistozän beschlossen. Damit ist diese
Regelung älter als die zehn Gebote und
damit eben unumstößlich. Darum haben
die Bayern (und übrigens auch die Ba-
den-Württemberger) in der schönsten
Zeit des Jahres Ferien, während die
Schüler- und Lehrerschaft im Rest der
Republik in aufgeheizten Klassenräu-
men vor sich hindörrt.
Doch in einem geradezu tollkühnen
Akt hat es die nordrhein-westfälische
Schulministerin Dorothee Feller gewagt,
dagegen aufzubegehren. Die nächsten
Verhandlungen über die bundesweiten
Ferien-Regelungen werde die NRW-Lan-
desregierung nutzen, »um sich für eine
für alle Länder gerechte Lösung einzu-
setzen, die ohne Sonderrechte für die
südlichen Bundesländer auskommt«,
wurde Feller in einem Bericht der
Rhei-
nischen Post
zitiert. Dieser ungeheuerli-
che Vorstoß erfüllt aus bajuwarischer
Sicht mindestens den Tatbestand der
Majestätsbeleidigung, wenn nicht gar
der Gotteslästerung. Gleichwohl wird
Markus I. darüber vermutlich huldvoll
hinweglächeln. Denn am bayerischen
Ferien-Privileg zu rütteln – das haben
schließlich schon ganz andere ver-
sucht…
Dennoch blicken wir gespannt in die
Zukunft, genauer gesagt ins Jahr 2030.
Bis dahin sind die Ferientermine zwi-
schen den Ländern nämlich schon fest-
gezurrt. Änderungen sind erst ab dann
wieder möglich. Wenn die wackere Vor-
kämpferin für ferielle Chancengerech-
tigkeit Erfolg hat, werden die Schulkin-
der in Nordrhein-Westfalen im Jahr
2031 im August ausspannen können.
Und die Erde wird eine Scheibe sein.
Jochen Smets
Und die Erde ist eine Scheibe
Buchstaben-
salat
Streichen Sie alle doppelten Buchstaben
durch. Die übrig gebliebenen Buchstaben
bilden das Lösungswort.
Variante: Deutlich schwieriger wird es,
wenn Sie die doppelten Buchstaben nur
im Kopf ‘durchstreichen’.
Lösung: SPORT
Über Feedback zu meinen Gehirnjogging Übungen würde ich
mehr sehr freuen: mail@heike-loosen.de Heike Loosen
Das hat alles
Hand und Fuß
Mein Bauchgefühl sagt mir, dass Sie die
folgende Aufgabe ohne großes Kopf-
zerbrechen lösen werden.
Suchen Sie Begriffe, in denen
Körperteile vorkommen.
Beispiel: Armleuchter, Halskette, ….
Variante: Es gibt auch viele Sprichwörter und
Redewendungen, in denen Körperteile vorkommen.
Ich möchte Sie nicht auf den Arm nehmen,
wenn ich Ihnen sage, dass ich mit meiner Senioren-
gruppe über 100 Redewendungen gefunden habe.
Wenn Sie uns eine Nasenlänge voraus sein
wollen, dann fangen Sie an und schreiben Sie Ihre
Lösungen frei von der Leber weg auf.
HIRNJOGGING
31
5/2024 ·
lehrer nrw
Sprichwörter
ohne Vokale
Wo wir gerade bei Sprichwörtern und Redewendungen sind: In den
folgenden Sprichwörtern fehlen die Vokale, die Leerzeichen wur-
den falsch gesetzt und die Groß- und Kleinschreibung missachtet.
Finden Sie heraus, um welche Sprichwörter es sich handelt?
1. MrgNstndh
Tgl Dmmnd.
2. Llrg TndnGsn Ddr.
3. DrPflfl Ltnc HtwT
vstmm.
4. NHn DwsChtd ndr.
5. Wrs GtMssch Sgn.
6. DrFr hVglfn GtdnWr.
7. Wsd htkn Nstbsrg
Ndsvrsch BncHt FmRgn.
8. Rdn stSlb
RsChWg nStgld.
9. Drw Gstd Szl.
10. VlLkch vrdb rnDnBr.
1. Morgenstund hat Gold im Mund.
2. Aller guten Dinge sind drei.
3. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.
4. Eine Hand wäscht die andere.
5. Wer A sagt, muss auch B sagen.
6. Der frühe Vogel fängt den Wurm.
7. Was du heute kannst besorgen,
das verschiebe nicht auf morgen.
8. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
9. Der Weg ist das Ziel.
10. Viele Köche verderben den Brei.
AUFGABE 1
AUFGABE 2
AUFGABE 3
Lösung: