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1/2025 ·
lehrer nrw
SCHULE & POLITIK
Planmäßig erteilter
Unterricht
Die Erhebung zeigt, dass 83,7 Prozent des
Unterrichts so wie von den Schulen beab-
sichtigt erteilt werden – das sind fünf von
sechs Unterrichtsstunden. Davon werden
77,5 Prozent gemäß Stundenplan erteilt.
6,2 Prozent finden als Unterricht in beson-
derer Form statt, der verpflichtender Be-
standteil des schulischen Bildungs- und
Erziehungsauftrags ist. Hierbei handelt es
sich zum Beispiel um Schulfahrten, Exkur-
sionen, Projekttage, Praktika, Wettbewerbe,
Schul- oder Sportfeste. Dies alles sei ein
wichtiger Bestandteil des Schullebens und
dem planmäßigen Unterricht im Klassen-
raum qualitativ gleichzusetzen, heißt es
aus dem Schulministerium.
Vertretungsunterricht
und Eigenverantwortliches
Arbeiten
Insgesamt wurden inklusive Distanzunter-
richt 10,1 Prozent des Unterrichts vertreten.
Um Unterrichtsausfall zu vermeiden, wird in
der Primarstufe und der Sekundarstufe I
häufig Vertretungsunterricht angesetzt.
Dabei nahm die Vertretung im vorgesehe-
nen Fach in allen Schulformen den höchsten
Wert an (landesweit 5,1 Prozent). Ersatzun-
terricht in einem anderen Fach fand erheb-
lich seltener statt (1,6 Prozent). Die Auflö-
sung von Doppelbesetzungen spielt system-
bedingt zum Beispiel in der Förderschule
(5,6 Prozent) sowie in der Grundschule
(3,9 Prozent) eine größere Rolle.
Gründe für
Unterrichtsausfall
Eine genauere Analyse der Unterrichtsstatis-
tik auf Grundlage der Detailerhebung zeigt,
dass ein Teil des ersatzlosen Unterrichtsaus-
falls und des Eigenverantwortlichen Arbei-
tens auf systembedingte Gründe zurückzu-
führen ist. Diese ergeben sich unmittelbar
aus dem Schulalltag und betreffen den ge-
samten Schulbetrieb. Je nach Berücksichti-
gung sind das etwa zwischen 2,5 und 3,0
Prozent des gesamten Unterrichtsvolumens.
Dazu zählen zum Beispiel der Schuljahresbe-
ginn, die Zeugnisausgabe, regionale
Brauchtumstage, Eltern- sowie Schüler-
sprechtage oder auch schulinterne Fortbil-
dungen und pädagogische Tage. In etwas
mehr als der Hälfte aller Fälle lagen unge-
plante Abweichungen vom Stundenplan in
der Erkrankung der Lehrkraft begründet.
In drei von vier Unterrichtsstunden fand im
Fall von Erkrankungen Vertretungsunterricht
statt. Rund ein Viertel führte zu Unterrichts-
ausfall oder EVA.
Die Detailerhebung lässt auch Aussagen
zu Fächergruppen zu. Insgesamt zeigt sich,
dass der ersatzlose Unterrichtsausfall in den
Kernfächern Mathematik und Deutsch sowie
den Fremdsprachen und Naturwissenschaf-
ten unterproportional zum stundenplanmä-
ßigen Angebot war.
Kritik von der Opposition
Während Schulministerin Dorothee Feller und
auch die Regierungsfraktionen CDU und Grü-
ne hervorhoben, dass Nordrhein-Westfalen
beim Abbau des Unterrichtsausfalls auf ei-
nem guten Weg sei, gab es auf Seiten der
Opposition Kritik. »Schwarz-Grün bekommt
den Unterrichtsausfall nicht in den Griff«,
meinte Dilek Engin, schulpolitische Spreche-
rin der SPD-Fraktion, und forderte »ein
grundsätzliches Umdenken im System Schu-
le. Dazu gehören: kurzfristig eine Entschla-
ckung der Lehrpläne, mittelfristig eine umfas-
sende Lehrplanreform, moderne Prüfungsfor-
mate und Unterrichtsformen sowie mehr
Freiräume und Verantwortung für die Lehr-
kräfte. Das würde auch zu einer deutlichen
Attraktivierung des Lehrerberufs beitragen.«
INFO
Der Gesamtbericht über das Unterrichtsgeschehen an den Schulen
in Nordrhein-Westfalen im Schuljahr 2023/2024 findet sich unter
www.schulministerium.nrw/unterrichtsstatistik
Kommentar:
Ein zweischnei-
diges Schwert
Die Veröffentlichung der Unterrichtsausfallsta-
tistik in Nordrhein-Westfalen hat durchaus
ihre Berechtigung, da sie Transparenz über die
tatsächliche Situation an den Schulen schafft.
Doch gerade für die betroffenen Schulen und de-
ren Lehrkräfte kann diese Statistik auch negative
Konsequenzen nach sich ziehen, die in der öf-
fentlichen Diskussion nicht immer ausreichend
berücksichtigt werden.
Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen,
dass der Unterrichtsausfall nicht nur durch eine
unzureichende Anzahl von Lehrkräften verur-
sacht wird, sondern auch durch eine Vielzahl von
äußeren Faktoren wie Krankheit, Fortbildungen
oder unvorhersehbare Ereignisse. Der Druck, der
durch die Veröffentlichung solcher Daten ent-
steht, kann in Schulen jedoch zu einer zusätzli-
chen Belastung führen, da nun ein Fokus auf die
Abweichungen vom ‘idealen’ Lehrbetrieb gelegt
wird. Dies könnte ein ‘Schuldgefühl’ bei Schullei-
tungen und Lehrkräften erzeugen, die sich ohne-
hin oft mit begrenzten Ressourcen und steigen-
den Anforderungen konfrontiert sehen.
Eine direkte Folge der Veröffentlichung könnte
die Stigmatisierung von Schulen sein, die in der
Statistik besonders schlecht abschneiden. Hier
besteht die Gefahr, dass Eltern und die Öffent-
lichkeit die Schulen in einem schlechteren Licht
sehen und dabei übersehen, dass viele Schulen
mit besonderen Herausforderungen kämpfen, die
nicht in den Zahlen der Statistik erfasst werden.
Schulen in sozial benachteiligten Gebieten oder
in Regionen mit besonders hohem Lehrermangel
könnten dann als ‘Problemfälle’ wahrgenommen
werden, ohne dass die wahren Ursachen hinter
dem Ausfall von Unterricht ergründet werden.
Es ist daher wichtig, dass bei der Veröffentli-
chung solcher Statistiken stets die kontextuellen
Faktoren beachtet werden. Anstatt Schulen für
den Unterrichtsausfall zu kritisieren, sollte die
Gesellschaft hinter den Bildungseinrichtungen
stehen und sich auf die Ursachenforschung kon-
zentrieren, um langfristig tragfähige Lösungen zu
finden. Nur so kann der Unterrichtsausfall nach-
haltig verringert und die Qualität des Bildungs-
angebots in Nordrhein-Westfalen gesichert wer-
den. Sarah Wanders