3Unter der Lupe
Keine Lobby!
13Dossier
Darum hält Bildungsforscher
Rainer Bölling nicht viel von
der PISA-Studie
28 Recht§ausleger
Zu viel ist zu viel
6Im Brennpunkt
MindOut – Chance
und Schönheitsfehler
17. Schulrechtsänderungsgesetz
Pädagogische
Verirrung
Pädagogik & Hochschul Verlag . Graf-Adolf-Straße 84 . 40210 Düsseldorf Foto: AdobeStock
1781 | Ausgabe 2/2025 | APRIL | 69. Jahrgang
INHALT
lehrer nrw ·
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UNTER DER LUPE
Sven Christoffer:
Keine Lobby! 3
BRENNPUNKT
Sarah Wanders: MindOut –
Chance und Schönheitsfehler 6
JUNGE LEHRER NRW
Tobias Braune:
Gemeinsam etwas bewegen
Gewerkschaftliches Engagement –
darum zählt deine Stimme! 8
TITEL
»Ich rate Lehrkräften oft, sich selbst
einen TikTok-Account einzurichten« 10
Für Vielfalt in der Schule:
Friedrich Verlag gibt Whitepaper
Demokratiebildung heraus 12
DOSSIER
Darum hält Bildungsforscher
Rainer Bölling nicht viel von
der PISA-Studie 13
SCHULE & POLITIK
Pädagogische Verirrung 17
Pädagogische Freiheit:
Ist das wichtig – oder kann das weg? 18
Hauptausschuss stellt Weichen 20
Katrin Saniter-Hann: Unterrichts-
störungen, Mobbing und Gewalt
Warum es dringend wirkliche
Konsequenzen braucht 22
FORTBILDUNGEN
Teilzeitfalle und Stressbewältigung 24
SENIOREN
In der Herzkammer der Landespolitik 26
Vier Tage die Barockstadt Fulda erkunden 26
Herbstfahrt nach Potsdam 27
Energie und Kunst 27
RECHT§AUSLEGER
Christopher Lange: Zu viel ist zu viel 28
ANGESPITZT
Jochen Smets: Bildung? War da was? 30
HIRNJOGGING
Aufgabe 1: Gefüllte Kalbsbrust –
Knospenzeit 31
Aufgabe 2: Oster-Dreh-Rätsel 31
IMPRESSUM
lehrer nrw
– G 1781 –
erscheint sechs Mal jährlich
als Zeitschrift des
‘lehrer nrw’
ISSN 2568-7751
Der Bezugspreis ist für
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‘lehrer nrw’
im Mitgliedsbeitrag enthal-
ten. Preis für Nichtmitglieder
im Jahresabonnement:
35,– inklusive Porto
Herausgeber und
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lehrer nrw e.V.
Nordrhein-Westfalen,
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Redaktion
Sven Christoffer,
Christopher Lange,
Katrin Saniter-Hann,
Jochen Smets,
Sarah Wanders,
Tobias Braune
Düsseldorf
Verlag und
Anzeigenverwaltung
PÄDAGOGIK &
HOCHSCHUL VERLAG
dphv-verlags-
gesellschaft mbH,
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Anzeigenpreisliste Nr. 24
vom 1. Oktober 2023
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Für unverlangt eingesandte
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Namentlich gekennzeichnete
Beiträge geben die Meinung
ihrer Verfasser wieder.
Keine Lobby!
Das 17. Schulrechtsänderungsgesetz soll zum
neuen Schuljahr in Kraft treten und ist bereits
ins Parlament eingebracht worden. Staatssekre-
tär Dr. Urban Mauer bezeichnete die Paragraphen
zu den Realschulen mit Hauptschulbildungsgang als
»Herzstück« des neuen Gesetzes. Für mich ist es eher ein
Trauerstück. Am 25. März hatte ich Gelegenheit, meine Kritik
in einer Sachverständigenanhörung im Landtag gegenüber den
Parlamentariern noch einmal deutlich zu artikulieren.
D
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass § 132c
(‘Sicherung von Schullaufbahnen’) gestrichen
wird und stattdessen dem § 15 (‘Realschule’)
die folgenden Absätze 5 und 6 angefügt werden:
(5) Der Schulträger kann einen Bildungsgang ab
Klasse 7 einrichten, der zu den Abschlüssen der
Hauptschule (§ 14 Absatz 4) führt, insbesondere
wenn eine öffentliche Hauptschule in der Gemeinde
oder im Gebiet des Schulträgers im Sinne des § 78
Absatz 8 nicht vorhanden ist. Dies gilt als Änderung
der Schule im Sinne des § 81 Absatz 2. Die Schüle-
rinnen und Schüler in diesem Bildungsgang werden
im Klassenverband mit Schülerinnen und Schülern
des Bildungsgangs gemäß Absatz 1 unterrichtet;
hierbei sind nach Maßgabe der Ausbildungs- und
Prüfungsordnung gemäß § 52 Absatz 1 Formen inne-
rer und äußerer Differenzierung möglich. Absatz 3
Satz 2 bleibt unberührt. Schülerinnen und Schüler im
Bildungsgang der Realschule nach Absatz 1 können
in den Fällen des § 13 Absatz 3 und des § 50 Absatz
5 Satz 2 ihre Schullaufbahn im Bildungsgang nach
Satz 1 fortsetzen.
(6) Schulen mit einem genehmigten Bildungsgang
nach Absatz 5 können Schülerinnen und Schüler
nach dem Willen der Eltern und mit Zustimmung des
Schulträgers auch in die Klasse 5 aufnehmen und
nach den Bildungsgangzielen der Hauptschule (§ 14
Absatz 1) unterrichten. § 11 Absatz 6 Satz 2 bleibt
unberührt. In den Klassen 5 und 6 findet der Unter-
richt nach Maßgabe der Ausbildungs- und Prüfungs-
ordnung gemäß § 52 Absatz 1 in binnendifferenzie-
render Form im Klassenverband mit Schülerinnen
und Schülern im Bildungsgang nach Absatz 1 statt.
Der bisherige § 132c und der neue Absatz 5 des
§ 15 sind inhaltsgleich. Der Unterschied besteht aber
darin, dass die Sicherung von Schullaufbahnen im
§ 132c eine Übergangsregelung darstellte, im neuen
Gesetz würde diese Übergangsregelung in eine feste
gesetzliche Bestimmung überführt. § 15 Absatz 6
hingegen stellt eine inhaltliche Neuerung dar.
Ein tragischer Geburtsfehler
Als die rot-grüne Landesregierung unter dem Druck
des Hauptschulsterbens im Jahr 2015 die Realschu-
len mit Hauptschulbildungsgang ins Leben gerufen
hat, hat sie die Bildung eigener Hauptschulklassen
nicht ermöglicht. Stattdessen legte die Ausbildungs-
und Prüfungsordnung Sekundarstufe I seinerzeit die
Beschränkung der äußeren Differenzierung auf bis
zu einem Drittel der Stundentafel fest. Länger ge-
meinsam lernen auch an Realschulen – das ent-
sprach den rot-grünen Bildungsvorstellungen. Politik
first, Pädagogik second. Bis heute kann mir niemand
erklären, warum es eine gute Idee sein sollte, in ei-
ner Klasse nach zwei unterschiedlichen Lehrplänen
zu unterrichten. Das unterscheidet die Realschulen
mit Hauptschulbildungsgang übrigens von den Ge-
samt- und Sekundarschulen, an denen nach einem
Lehrplan binnendifferenziert unterrichtet wird. Als
Mehrbedarf ist den Realschulen mit Hauptschulbil-
dungsgang seinerzeit nur eine halbe Stelle zugebil-
ligt worden – lächerlich wenig. Auch das zeigt, dass
diese Schulen sicherlich keine Herzensangelegenheit
der damaligen Landesregierung gewesen sind.
Unter der schwarz-gelben Nachfolgeregierung ist
die Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundar-
stufe I zwar dahingehend geändert worden, dass
»Unterricht in äußerer Differenzierung im Umfang
von bis zur Hälfte der Stundentafel erfolgen
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lehrer nrw
UNTER DER LUPE
von SVEN CHRISTOFFER
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UNTER DER LUPE
kann«. Zudem ist der Mehrbedarf auf bis zu 2,5 zu-
sätzliche Stellen pro Schule angehoben worden (im
ersten Jahr werden beginnend mit der Jahrgangsstu-
fe 7 1,0 Stellen, im zweiten bis vierten Jahr werden
aufwachsend jeweils 0,5 zusätzliche Stellen je Schu-
le bereitgestellt). Den Mut, eigene Hauptschulklas-
sen zu ermöglichen, hatte das Schulministerium aber
nicht. Und das, obwohl ein entsprechender Land-
tagsbeschluss seit Juni 2018 vorlag.
Fehlende Lobby
Nun beabsichtigt die schwarz-grüne Landesregie-
rung aus einer untauglichen pädagogischen Über-
gangsregelung eine untaugliche pädagogische Dau-
erregelung zu machen. Dass ein landesweiter Auf-
schrei ausbleibt, hat auch damit zu tun, dass Real-
schulen und Hauptschulen nicht über dieselbe Lobby
verfügen wie beispielsweise Gymnasien. Man stelle
sich vor, die Landesregierung würde ihre Absicht be-
kunden, an Gymnasien einen Realschulbildungsgang
einzurichten. Die Kinder im gymnasialen Bildungs-
gang sollen künftig im Klassenverbund mit den Kin-
dern im Realschulbildungsgang nach den Kernlehr-
plänen des Gymnasiums sowie der Realschule unter-
richtet werden. Noch am selben Tag würden der
Philologenverband, die Rheinische Direktorenverei-
nigung, die Westfälisch-Lippische Direktorenvereini-
gung und die Landeselternschaft der Gymnasien in
Nordrhein-Westfalen auf das Heftigste protestieren
und die Landesregierung würde das Projekt ein-
stampfen. Aber an den Realschulen scheint man
damit durchzukommen…
Fehlende Ressourcen
Auch die unzureichende Ausstattung der Realschu-
len mit Hauptschulbildungsgang mit personellen,
zeitlichen und strukturellen Ressourcen deutet auf
eine fehlende Lobby hin. Im Gesetzentwurf heißt es:
»Es entstehen keine Kosten. Sämtliche Regelungsän-
derungen werden im Rahmen verfügbarer Haus-
haltsmittel inklusive der Finanzplanung realisiert.
Dies gilt insbesondere auch für die Verstetigung der
Möglichkeit, an Realschulen einen Hauptschulbil-
dungsgang ab Klasse 7 einzurichten. Die Umsetzung
der Regelung erfolgt haushalts-neutral im Rahmen
bereiter Mittel.« Wenn der Realschule nunmehr
dauerhaft die Aufgabe übertragen werden soll, an
Standorten, an denen eine öffentliche Hauptschule
in der Gemeinde oder im Gebiet des Schulträ-
gers nicht mehr vorhanden ist, einen Haupt-
schulbildungsgang ab Klasse 7 einzurich-
ten, hätten aus meiner Sicht aber zwin-
gend zusätzliche Ressourcen bereit-
gestellt werden müssen. Denn Real-
schulen mit Hauptschulbildungs-
gang bleiben dem Gesetzentwurf
nach aufgrund der weiterhin
fehlenden Möglichkeit, eigene
Hauptschulklassen zu bilden,
Schulen, an denen länger ge-
meinsam gelernt wird, ohne
dass ihnen die weitaus günsti-
geren Rahmenbedingungen der
Schulen des längeren gemeinsa-
men Lernens zur Verfügung gestellt
werden (geringeres Pflichtstundende-
putat der Lehrkräfte, bessere Lehrer-
Schüler-Relation, mehr Funktionsstellen).
Das entbehrt jeder Logik und ist mit mei-
nem Verständnis von Gleichbehandlung nicht
in Einklang zu bringen.
Sven Christoffer ist Vorsitzender des
lehrer nrw
sowie stellv. Vorsitzender des HPR Realschulen
E-Mail: christoffer@lehrernrw.de
Foto: AdobeStock/digitalpochi
Wider die pädago-
gische Vernunft:
Es passt nicht zusammen,
an Realschulen mit Haupt-
schulbildungsgang im
Klassenverband bildungs-
gangdifferenziert auf der
Grundlage zweier unter-
schiedlicher Kernlehrpläne
zu unterrichten.
lehrer nrw ·
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BRENNPUNKT
Die Förderung des sozialen und emotionalen Wohlbefindens
junger Menschen ist ein wichtiger Faktor für ihre positive
Entwicklung. Hier setzt MindOut an, ein Programm für weiter-
führende Schulen, das von der TU Dortmund wissenschaftlich
begleitet und implementiert sowie vom NRW-Schulministeri-
um unterstützt wird.
I
In einer Zeit, in der immer mehr Jugendli-
che mit psychischen Belastungen wie
Stress, Angstzuständen und Depressio-
nen zu kämpfen haben, gewinnt das Thema
mentale Gesundheit zunehmend an Bedeu-
tung – auch in den Schulen. Gerade Lehre-
rinnen und Lehrer, die täglich mit Schülerin-
nen und Schülern arbeiten, müssen häufiger
als früher präventiv und unterstützend ein-
wirken. Dies müssen sie allerdings häufig
tun, ohne entsprechend aus- oder fortgebil-
det zu sein. An dieser Stelle setzt MindOut
an.
Was ist MindOut?
MindOut ist ein kompetenzbasiertes Pro-
gramm zur Förderung des subjektiven
Wohlbefindens ab Klasse 9, da dieses Alter
als besonders herausfordernd gilt. Es soll die
sozialen und emotionalen Basiskompetenzen
der Schülerinnen und Schüler stärken.
In insgesamt 13 Sitzungen werden den
Schülerinnen und Schülern die Schlüsselkom-
petenzen des sozialen Lernens vermittelt:
1. Selbstbewusstsein,
2. Selbstorganisation,
3. soziales Bewusstsein,
4. Beziehungspflege und
5. verantwortliches Entscheidungsverhalten
von SARAH WANDERS
MindOut soll dabei helfen, die Problembewältigung bei jungen Menschen in der Schule und
im Alltagsleben zu verbessern sowie Stress und negative Emotionen wie Ängstlichkeit zu reduzieren.
MMiinnddOOuutt
CChhaannccee uunndd SScchhöönnhheeiittssffeehhlleerr
Foto: AdobeStock/Valerii Honcharuk
BRENNPUNKT
Hierzu werden Lehrkräfte geschult
und erhalten ausführliches Material,
um die einzelnen Sitzungen zu leiten.
Dieses Material wird von der TU Dort-
mund zur Verfügung gestellt. Da jede
Sitzung auf 45 Minuten ausgelegt ist,
soll das Programm leichter in die
Stundentafel integriert werden können. Aber
hierzu an späterer Stelle mehr. Darüber hinaus
werden regelmäßige Sprechstunden für die
Lehrkräfte, die das Programm durchführen,
angeboten. Sollten zum Beispiel Schülerinnen
oder Schüler im Rahmen der Sitzungen Lehr-
kräften psychische Probleme anvertrauen und
diese dann unsicher sein, wie sie weiter ver-
fahren sollen, können sie sich im Rahmen der
Sprechstunden beraten lassen. Das Ministeri-
um wie auch Professorin Ricarda Steinmayr,
die an der TU Dortmund dieses Projekt leitet,
betonen, dass es nicht Aufgabe der Lehrkräfte
sei, therapeutisch zu agieren. Sollten sie über
das Programm Kenntnis über psychische Pro-
bleme erhalten, vermitteln sie zum Beispiel an
den schulpsychologischen Dienst.
MindOut bietet insbesondere eine gute
und wertvolle Unterstützung für Startchan-
cen-Schulen. Es ist jedoch wichtig zu beto-
nen, dass die Teilnahme an dem Programm
freiwillig ist, da einige Schulen sich bereits
mit eigenen Konzepten und Maßnahmen
auf den Weg gemacht haben.
Sarah Wanders ist stellv. Vorsitzende des
lehrer nrw
sowie Vorsitzende des HPR Realschulen
E-Mail: wanders@lehrernrw.de
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lehrer nrw
WEITERE INFOS
https://ifp.ep.tu-dortmund.de/
lehrbereiche/paedagogische-und-
differentielle-psychologie/
forschungsprojekte/mindout/
Warum ist MindOut
wichtig?
Die mentale Gesundheit von Schülerinnen
und Schülern ist ein Thema, das oft zu we-
nig Beachtung findet. Dabei zeigt eine Viel-
zahl von Studien, dass gerade Jugendliche
in der heutigen Zeit mit einer zunehmenden
Belastung durch schulische Anforderungen,
soziale Medien und Zukunftsängste kon-
frontiert sind. »Schülerinnen und Schüler,
die ein stabiles Selbstwertgefühl haben,
können mit Herausforderungen besser um-
gehen. Das trägt dazu bei, dass es weniger
Aggressionen und Konflikte gibt«, betont
Schulministerin Dorothee Feller.
Lehrkräfte stehen vor der Herausforde-
rung, diese Themen anzusprechen und auf
die individuellen Bedürfnisse der Schülerin-
nen und Schüler einzugehen. Oft fehlen je-
doch die nötigen Ressourcen, um nachhalti-
ge Veränderungen zu bewirken. Angesichts
des Lehrkräftemangels und der stetig stei-
genden Anzahl von Aufgaben, die Lehrkräfte
bewältigen müssen, bleibt häufig kaum Zeit.
Ein Schönheitsfehler
MindOut umfasst 13 Sitzungen á 45 Minu-
ten. Gerade an Schulen in herausfordernden
Lagen ist häufig auch die Personaldecke
sehr dünn und Stellen können nicht besetzt
werden. Die Erfüllung der Stundentafel stellt
hier bereits eine Herausforderung dar. Vor
diesem Hintergrund stellt sich natürlich die
Frage der schulorganisatorischen Umset-
zung und schulfachlichen Bewertung dieser
Maßnahme. In diesem Zusammenhang hät-
ten wir zumindest Ideen und Anregungen
des MSB für die teilnehmenden Schulen
erwartet, wie die 13 zusätzlichen Stunden
ermöglicht werden sollen/können oder in
welches Fach das Programm integriert wer-
den kann, ohne dass eine Notengebung
beeinträchtigt wird oder für den Abschluss
wichtige Unterrichtsinhalte zu kurz kom-
men. Bei allem, was in Universitäten für
Schulen entwickelt wird, sollten rechtzeitig
Praktikerinnen und Praktiker eingebunden
werden. Es darf nicht sein, dass gute Pro-
gramme und Maßnahmen am Ende daran
scheitern, dass sie in der Praxis – angesichts
der Vielzahl von Aufgaben und Herausforde-
rungen für unsere Schulen – nicht umge-
setzt werden können.
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JUNGE LEHRER NRW
Gemeinsam
etwas bewegen
Gewerkschaftliches Engagement –
darum zählt deine Stimme!
W
Wenn wir morgens in unsere Klas-
senräume treten, haben wir ein
klares Ziel: Wir wollen junge Men-
schen begleiten, stärken, bilden – wir über-
nehmen Verantwortung für die Zukunft un-
serer Gesellschaft. Doch wer übernimmt Ver-
antwortung für uns Lehrkräfte? Wer sorgt
dafür, dass unsere Stimme gehört wird, dass
unsere Arbeitsbedingungen fair bleiben –
und besser werden? Die Antwort ist klar:
lehrer nrw
– unsere Gewerkschaft. Wir
setzen uns unermüdlich für bessere
Arbeitsbedingungen ein.
Eine starke Stimme
für Lehrkräfte
Gerade in einer Zeit, in der sich Schule ra-
sant verändert, politische Entscheidungen
häufig über unsere Köpfe hinweg getroffen
werden und der Arbeitsdruck stetig wächst,
brauchen wir eine starke Interessenvertre-
tung.
lehrer nrw
ist genau das – eine ge-
meinsame Stimme für die Belange von Be-
schäftigten in Nordrhein-Westfalen. Unser
Verband kämpft tagtäglich dafür, dass wir
im Schulalltag entlastet werden, dass unse-
re Besoldung fair gestaltet ist, dass Auf-
stiegschancen gerecht verteilt sind und dass
wir im Falle von Konflikten oder Unsicher-
heiten rechtliche Unterstützung erhalten.
Doch gewerkschaftliches Engagement
bedeutet noch viel mehr. Es geht nicht nur
um Tarifverhandlungen oder rechtlichen
Schutz – es geht darum, gemeinsam etwas
zu bewegen. Wir bieten eine Plattform für
Austausch, Weiterbildung und Mitsprache.
Wir bieten Raum für Ideen, Rückhalt in
schwierigen Momenten und ein starkes
Netzwerk von Kolleginnen und Kollegen,
die füreinander einstehen.
Aktiv mitgestalten
Gerade für junge Lehrkräfte ist das beson-
ders wichtig. Wer neu im Schuldienst ist,
steht vor vielen Herausforderungen – neue
Strukturen, hohe Anforderungen, Unsicher-
heiten im Schulalltag. Genau hier bieten wir
Unterstützung, Orientierung und ein starkes
Fundament. Und noch wichtiger: Junge Kol-
leginnen und Kollegen haben die Chance,
aktiv mitzugestalten. Denn die Zukunft un-
seres Berufs wird heute geschrieben – und
wer mitreden will, muss jetzt dabei sein. Es
reicht nicht, einfach abzuwarten und zu hof-
fen, dass sich andere schon kümmern. Wer
sich frühzeitig einbringt, kann Einfluss neh-
men, mitgestalten und Schwerpunkte set-
von TOBIAS BRAUNE
Junge Lehrkräfte stehen vor zahlreichen
Herausforderungen. Gerade in dieser Phase bietet
ein Verband wie
lehrer nrw
Unterstützung,
Orientierung und Gemeinschaft.
Foto: AdobeStock/baranq
JUNGE LEHRER NRW
zen. Die Perspektive junger Lehrkräfte ist
unverzichtbar – sie bringt frischen Wind,
neue Fragen und klare Sichtweisen in die
gewerkschaftliche Arbeit.
Vielleicht denkst Du: »Ich bin noch neu,
das betrifft mich noch nicht« oder »Was
kann ich als neue Kollegin, als neuer Kollege
schon bewirken?«. Dabei ist es gerade zu
Beginn der Laufbahn besonders wichtig,
sich zu vernetzen, sich zu informieren und
mitzugestalten. Denn die Arbeitsbedingun-
gen, unter denen Du in fünf, zehn oder
zwanzig Jahren arbeiten wirst, werden heu-
te mitbestimmt – und Du hast die Chance,
schon jetzt Einfluss darauf zu nehmen. Wer
sich engagiert, übernimmt Verantwortung
nicht nur für die eigene Zukunft, sondern
auch für die der Kolleginnen und Kollegen,
die nach uns kommen. Gewerkschaft lebt
vom Mitmachen und junge Stimmen sind
entscheidend, um Veränderungen voranzu-
treiben.
Mitdenken, mitreden,
mitgestalten
Deshalb geht es nicht nur darum, Mitglied
bei
lehrer nrw
zu sein – sondern sich als
Mitglied auch aktiv einzubringen. Wer sich
engagiert, gestaltet nicht nur Strukturen
mit, sondern bringt wichtige Impulse in die
gewerkschaftliche Arbeit ein – ob in Fach-
gruppen, Gremien, Arbeitskreisen oder bil-
dungspolitischen Diskussionen. Das ist ein
wertvoller Beitrag – für den Beruf, für das
Kollegium und für die nächsten Generatio-
nen von Lehrkräften. Wer sich engagiert,
verändert nicht nur etwas für andere, son-
dern wächst auch selbst. Genau deshalb
lohnt sich dieses Engagement.
lehrer nrw
lebt von Menschen, die mitdenken, mitre-
den, mitgestalten und die Schule von mor-
gen aktiv mitbauen wollen.
Mein Appell an die jungen Lehrkräfte:
Engagiert euch in unserer Gewerkschaft!
Euer Einsatz und Eure Ideen sind wertvoll –
für Euch selbst, für Eure Kolleginnen und
Kollegen und für die Zukunft unseres Be-
rufs. Lasst uns gemeinsam die Veränderun-
gen gestalten, die wir uns wünschen und
dafür sorgen, dass unser Beruf auch in
Zukunft attraktiv und gerecht bleibt. Seid
nicht nur Zuschauer – seid aktiv dabei!
lehrer nrw
ist der Ort, an dem Du mit Dei-
ner Stimme und Deinem Engagement wirk-
lich etwas bewegen kannst.
Wenn Du mehr über die Möglichkeiten
erfahren möchtest, wie Du Dich gewerk-
schaftlich einbringen kannst, dann schau
gerne auf unserer Homepage vorbei. Dort
findest Du weiterführende Informationen
und Angebote für ein aktives Engagement.
Scheue Dich nicht, Dich bei uns zu melden,
wenn Du Fragen hast oder mitmachen
möchtest.
Tobias Braune ist Vorsitzender der
Arbeitsgemeinschaft
junge
lehrer nrw
E-Mail: braune@lehrernrw.de
lehrer nrw ·
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TITEL
»Ich rate Lehrkräften oft, sich selbst
einen TikTok-Account einzurichten«
Damit Schülerinnen und Schüler in der täglichen Nachrichten-
flut den Überblick behalten und tagesaktuelle Themen und
Debatten für sich besser einordnen können, fasst das Medien-
unternehmen Buzzard täglich über 2000 Medien des gesamten
politischen Spektrums zusammen. Ein Gespräch mit dem Mit-
begründer Felix Friedrich über politische Trendthemen bei Ju-
gendlichen und was das über die Demokratiebildung aussagt.
Herr Friedrich, laut der letzten Shell-
Jugendstudie ist die Mehrheit der Ju-
gendlichen politisch interessiert. Die
jüngsten Wahlergebnisse aus Thürin-
gen und Sachsen zeigen, dass junge
Wähler verstärkt Parteien am rechten
Rand unterstützen. Gibt es da einen
Zusammenhang?
FRIEDRICH:
FRIEDRICH: Blickt man allein auf das
Medienverhalten, gibt es zumindest Erklä-
rungsansätze für den hohen Zuspruch extre-
mer Meinungen. Wie wir wissen, informie-
ren sich Jugendliche und junge Erwachsene
tendenziell eher via Instagram, TikTok oder
YouTube. Hier ist das politische Meinungs-
spektrum aber nicht unbedingt ausgewo-
gen. Für eine informierte Meinungsbildung
wurden diese Medien aber auch gar nicht
konzipiert, sondern um Nutzer:innen mög-
lichst lange am Handy zu halten. Extreme
Meinungen, Bilder und Themen haben es
auf diese Weise besonders einfach, Kinder
und Jugendliche zu erreichen.
Müssen wir also Schülerinnen und
Schüler nur dazu bringen, sich weni-
ger über die Sozialen Medien zu
informieren und stattdessen mehr
Zeitungen, Fernsehen und Radio zu
nutzen?
FRIEDRICH:
FRIEDRICH: Klassische Medien wie Fern-
sehen, Radio und Zeitung mit ihren journa-
listisch aufbereiteten Beiträgen nehmen bei
der politischen Bildung immer noch eine
sehr wichtige Rolle ein, insbesondere was
ihre Transparenz, Unabhängigkeit und Aus-
gewogenheit betrifft. Im Universum der
Plattformen haben es solche Beiträge
schwer. Soziale Medien haben ihre eigenen
Foto: AdobeStock/Viktor
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lehrer nrw
TITEL
Spielregeln, wenn es um die Verknappung
und Emotionalisierung von Informationen
geht. Von daher ist es wichtig, Schülerin-
nen und Schüler auch an die klassischen
Medien heranzuführen. Dennoch bin ich
der Meinung, dass soziale Medien eine
wichtige Rolle in der Lebenswelt der Ju-
gendlichen übernehmen und dass dies
respektiert werden muss. Aber man muss
da genauer hinschauen: Wer sind die Ab-
sender von Stories, TikToks oder Reels und
was ist deren Absicht? Das ist oft nicht
klar. Aus meiner Sicht ist es wichtig, Quel-
len kritisch zu hinterfragen und zu erken-
nen, wie die Mechanismen hinter manipu-
lativen Inhalten funktionieren. Das heraus-
zufinden, dafür muss Schule einen Raum
bieten.
Demokratiebildung soll junge Men-
schen befähigen, politische und ge-
sellschaftliche Probleme kompetent
beurteilen zu können und sich für
Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden
ÜBER BUZZARD
Seit dem Start der App im Jahr 2020 basiert Buzzard auf der Idee, Schülerinnen und
Schülern eine unabhängige und umfassende Informationsquelle zu bieten. Sie will hel-
fen, eine differenzierte Meinung zu entwickeln, statt in der Informationsflut unterzuge-
hen oder durch soziale Medien einseitig informiert oder desinformiert zu werden. Das
Angebot finanziert sich aus Mitgliedern und Lizenzverkäufen wie etwa an Schulen in
Thüringen, Lübeck oder Aschaffenburg. www.buzzard.org
einzusetzen. Wo sehen Sie die
Schwerpunkte?
FRIEDRICH:
FRIEDRICH: In meiner Wahrnehmung
nimmt die Fähigkeit in der Gesellschaft ab,
sich mit unterschiedlichen Meinungen und
Standpunkten vertieft auseinanderzuset-
zen. Wenn ich mich nur in meiner ‘sozialen
Blase’ bewege, kann das im Extremfall so-
gar gefährlich werden. Schule sollte daher
das Aushalten unterschiedlicher Meinun-
gen und ein echtes Interesse am Zuhören
der anderen Meinung vermitteln. Auch die
Grenzen von Meinungsfreiheit sind auszu-
loten. Wann gilt es in einem Gespräch
»Halt, stopp!« zu rufen? Jugendliche sol-
len erkennen können, wann es sich bei
dem, was gesagt oder geschrieben wird,
um antidemokratische, diskriminierende,
rassistische oder andere menschenverach-
tende Äußerungen handelt. Das gehört
meiner Meinung nach mit zu den Grund-
kompetenzen einer gesunden, liberalen
Demokratie.
In unserer von Medienvielfalt ge-
prägten Welt gibt es unterschiedli-
che Positionen und kontroverse The-
men. Wie gelingt es, Schülern einen
guten Überblick zu verschaffen?
FRIEDRICH:
FRIEDRICH: Die Suche nach unterschied-
lichen Perspektiven zu kontroversen The-
men ist für Lehrkräfte sehr zeitintensiv, das
gibt der Schulalltag oftmals nicht her. Hin-
zu kommt, dass für die Demokratiebildung
insgesamt nur wenige bis gar keine Stun-
den im Lehrplan vorgesehen sind, d.h. en-
gagierte Lehrkräfte müssen da nach We-
gen suchen, solche Themen in ihren Fach-
unterricht zu integrieren. Mit Buzzard
schließen wir hier eine Lücke. Damit sich
Lehrkräfte und ihre Lerngruppen mit aktu-
ellen Debatten auch fächerübergreifend
auseinandersetzen können, fassen wir zen-
trale Debatten aus mehr als 2.000 Medien
tagesaktuell zusammen und ordnen sie
thematisch zu. So kann man dann etwa im
Fach Physik über Wasserstofftechnologie,
Wärmepumpen und auch das Heizungsge-
setz sprechen.
Mit Buzzard sprechen Sie gezielt ein
junges Publikum an. Wie gehen Sie
genau vor?
FRIEDRICH:
FRIEDRICH: Unsere
Redaktion wertet täg-
lich von 5:00 bis 17:00
Uhr deutsch- und eng-
lischsprachige Medien
aus. Was sind die
wichtigsten Themen
und Kontroversen des
Tages und wie berich-
ten die Medien jeweils
darüber? Die von uns
genutzten Medien
spiegeln das gesamte
politische Meinungs-
spektrum wider, von
klassischen linken Ta-
geszeitungen über li-
berale Wirtschaftsme-
dien bis hin zu rechts-
konservativen, politischen Blogs. Die Kern-
botschaften zu den jeweiligen aktuellen
Debatten werden von uns zusammenge-
fasst, die Quellen recherchiert und die Ab-
hängigkeiten zu Politik und Institutionen
offengelegt. Werktägig verschaffen wir jun-
gen Menschen damit Überblick und Orien-
tierung aus der Vogelperspektive, daher der
Name Buzzard. Dieses Angebot ist bislang
einmalig in Deutschland.
Für welche Debatten interessieren
sich Schülerinnen und Schüler aktu-
ell am meisten?
ZUR PERSON
Felix Friedrich,
Geschäftsführer und
Mitbegründer von
Buzzard.org, hat Po-
litikwissenschaft und
politische Philosophie
studiert.
Soziale Medien spielen eine
wichtige Rolle bei der poli-
tischen Meinungsbildung
von Jugendlichen. Wichtig
ist jedoch, Quellen kritisch
zu hinterfragen und zu er-
kennen, wie die Mechanis-
men hinter manipulativen
Inhalten funktionieren.
lehrer nrw ·
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TITEL
Für Vielfalt in der Schule:
Friedrich Verlag gibt White-
paper Demokratiebildung heraus
Fake News, polarisierte Debatten und
Rechtsruck: Demokratiebildung an
Schulen scheint wichtiger denn je. Wie
schaffen Lehrkräfte und Schulleitungen
Räume für Diskurse und Meinungsvielfalt?
Wie gelingt Demokra-
tiebildung im Schulall-
tag? Das neu erschie-
nene Whitepaper De-
mokratiebildung des
Friedrich Verlags lie-
fert dazu Anregun-
gen und Ideen.
Der Generatio-
nenforscher Rüdiger
Maas stellt im Whi-
tepaper die wich-
tigsten Ergebnisse
der Jugendwahl-
studie 2024 vor
und findet Erklä-
rungen dafür, wa-
rum sich Jung-
wählerinnen und
-wähler von politischen Extremen angezo-
gen fühlen. Anja Besand, Expertin für Di-
daktik der Politischen Bildung, erläutert,
warum Demokratiebildung ein Kernauf-
trag der Schule und aller Lehrkräfte ist
und wo aus ihrer Sicht Fallstricke lauern.
Eine Aktionswoche zu Kinderrechten oder
das Einbeziehen von Schülerinnen und
Schülern beim Erarbeiten der Kriterien für
die Leistungsbewertung: Zwei Schulleiter
berichten im Whitepaper, wie sie demo-
kratische Projekte an ihren Schulen um-
setzen.
Das Whitepaper fasst zudem zentrale
Ergebnisse der FiedrichDenkfabrik zusam-
men, einem neuen Veranstaltungsformat
des Friedrich Verlags, das den Dialog über
drängende Bildungsfragen mit Expertin-
nen und Experten aus Theorie
und Praxis
fördert und
Lösungsan-
sätze bietet.
Die erste
Veranstal-
tung der Rei-
he lud zum
Thema ‘De-
mokratiebil-
dung’ zum
Austausch.
Das Whitepa-
per versammelt
darüber hinaus
praxisnahe
Fachbeiträge
und Unterrichts-
vorschläge des
Friedrich Verlags zum Thema: Es enthält
Wissenswertes über die Rolle der Schullei-
tungen für die demokratische Kultur an
Schulen, darüber, wie Debattieren schon in
der Grundschule geübt werden kann und
wie Schülerinnen und Schüler ihre Kompe-
tenzen zu Grundrechten stärken. Simone
Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen
Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV),
stellt in ihrem Statement fünf Thesen auf,
wie Demokratieförderung an Schulen ge-
lingen kann.
DOWNLOAD
www.friedrich-verlag.de/fileadmin/FriedrichDenkfabrik/2025_
Whitepaper_Demokratiebildung_digital.pdf
Foto: Friedrich-Verlag
FRIEDRICH:
FRIEDRICH: In unserer Wahrnehmung in-
teressieren sich Jugendliche sehr für politi-
sche Themen und für das, was in den sozia-
len Medien und auf dem Schulhof passiert.
Der Krieg in der Ukraine, der Nahostkon-
flikt oder die Entwicklungen in der Klima-
politik werden aktuell stark nachgefragt.
Aber es gibt auch Social Media-Trends, die
wir mit abbilden. Im November gab es et-
wa Social Media-Hypes zu den Themen
ADHS und Cybermobbing. Wir reagieren
mit unseren Angeboten darauf, da Social
Media-Hypes oft nur einseitig sind. Wir ge-
ben zu solchen Themen eine Übersicht, was
in den Qualitätsmedien oder in Blogs darü-
ber berichtet wird. Das ist eine gute Aus-
gangsbasis für eine Unterrichtsstunde.
In diesem Zusammenhang steht auch un-
sere Kooperation mit Klett. Über die ‘Debat-
te des Monats’ richten wir regelmäßig den
Blick auf ein Thema, das eine hohe Brisanz
und Wichtigkeit für den Unterricht hat. Ne-
ben unserem Medienspiegel erhalten Schu-
len zusätzlich ein didaktisch aufbereitetes
Arbeitsblatt zum unmittelbaren Einsatz im
Unterricht. Damit haben wir ein niedrig-
schwelliges Angebot für die Suche nach dis-
kursorientierten Unterrichtseinheiten zur De-
mokratiebildung geschaffen, das gut ange-
nommen wird. Wir freuen uns sehr darüber.
Was sind für Sie Voraussetzungen
für eine gelingende Demokratiebil-
dung?
FRIEDRICH:
FRIEDRICH: Die Zeiten, in denen Schule
als autoritäre Wissensvermittlung verstan-
den wurde, sind vorbei. Es sollte vielmehr
und verstärkt um die Befähigung zur Parti-
zipation als mündige Bürger gehen. Sich
mit der Lebenswirklichkeit der Schülerin-
nen und Schüler auseinanderzusetzen, ist
eine wichtige Bedingung. Ich rate Lehrkräf-
ten oft, sich selbst einen TikTok-Account
einzurichten, um das besser bewerten zu
können. Jugendliche müssen ernst genom-
men, aber auch aktiviert und ermutigt wer-
den. Ich nutze hier bewusst den Begriff des
Empowerments.
Das Gespräch führte Anja Vrachliotis
für den Klett Themendienst.
Darum hält Bildungsforscher
Rainer Bölling nicht viel von der PISA-Studie
Die PISA-Studie vergleicht regelmäßig die Fähigkeiten von Schülern aus aller Herren Länder.
Die deutschen Ergebnisse sorgen immer wieder für Verzweiflung. Bildungsforscher Rainer
Bölling sieht dafür keinen Grund.
13
2/2025 · lehrer nrw
482 Punkte haben die deutschen Schüler im Durch-
schnitt bei der jüngsten PISA-Studie geholt. Dieses
mehr oder weniger durchschnittliche Ergebnis war
ein Schock für Viele. Bölling bemängelt jedoch eini-
ge methodische Schwächen bei der PISA-Studie.
Das Interview:
Herr Bölling, die PISA-Studie misst regelmäßig die
Kompetenzen unserer 15-jährigen Schülerinnen
und Schüler in den Bereichen Lesen, Mathematik
und Naturwissenschaften. Die Ergebnisse sorgen
regelmäßig für Katastrophenstimmung.
Ist es wirklich so schlimm?
Foto: AdobeStock/pathdoc
Im Tal der Ahnungslosen?
Wohl kaum. Der Hype um PISA-Punkte und Ranking-
Plätze ist vor allem ein deutsches Phänomen,
konstatiert der Bildungsforscher Rainer Bölling.
BÖLLING: Nein. Zum einen erfasst die PISA-Studie ja nur
einen Teil dessen, was in den Schulen gelehrt wird.
Fremdsprachenkenntnisse zum Beispiel spielen dabei
keine Rolle.
Zudem bleibt offen, ob die gemessenen Kompetenzen
alle in der Schule erworben wurden oder aber auch au-
ßerschulischen Instanzen zu verdanken sind wie Eltern-
haus oder privatem Nachhilfeunterricht, der zum Bei-
spiel in Japan und Korea sehr verbreitet ist.
Warum deutsche Schüler einen Nachteil
bei der PISA-Studie haben
Es macht auch etwas aus, ob die getesteten Fünfzehn-
jährigen an standardisierte Tests gewöhnt sind. In
Deutschland spielten sie anfangs eine geringe Rolle,
in den USA dagegen sind sie schon lange Alltag. Auch
die Länge der Aufgabentexte macht einen Unterschied.
Sie werden in Englisch und Französisch formuliert und
dann in die verschiedenen Landessprachen übersetzt.
Bei der Übersetzung ins Deutsche wird ein Text aber fast
immer deutlich länger. Ein deutscher Schüler braucht
also mehr Zeit, um die Aufgabe zu lesen und zu verste-
hen. Das ist also alles schwierig zu vergleichen.
Was messen diese PISA-Punkte eigentlich?
BÖLLING: Es ist ein bisschen wie bei einem IQ-Test. Da ist
das Durchschnittsergebnis immer 100, egal wie gut es ist.
Der Intelligenzquotient misst nur, wie sehr man sich vom
Durchschnitt aller bisherigen Tests unterscheidet. Bei der
PISA-Studie liegt der ursprüngliche Durchschnittswert
bei 500, die Standardabweichung beträgt 100 Punkte.
Das bedeutet, dass 68 Prozent aller PISA-Werte zwischen
400 und 600 Punkten liegen.
Die 482 Punkte, die der deutsche Durchschnittsschüler
beim letzten Mal geholt hat, sind also gar nicht so
schlecht?
BÖLLING: Eben. Auch weil der jüngste Test im Jahr 2022
gemacht wurde, als die Schüler gerade aus der Corona-
Pandemie kamen und zwei Jahre Unterricht unter er-
schwerten Bedingungen hinter sich hatten. Der OECD-
Durchschnitt lag auch nur noch bei 478. Die PISA-Ma-
cher versuchen, solche abstrakten Differenzen in Schul-
jahre umzurechnen. 2009 und 2012 galten ihnen circa
125 Punkte als Äquivalent für drei Schuljahre, 2015 wa-
ren es noch 100. Die Spannweite bei den Ergebnissen
innerhalb eines Landes beträgt aber gut dreihundert
Punkte. Dann wären die besten 15-jährigen Schüler den
schlechtesten also mindestens neun Schuljahre voraus.
Das ist wenig plausibel.
Skandinavische Länder rechnen Migranten
aus PISA-Studie heraus
Wenn man in die Zahlen einsteigt, ist auffällig, dass
Deutschland 2018 die höchste Erfassungsquote hatte.
BÖLLING: Ja, 2018 galten die 5450 getesteten Schülerin-
nen und Schüler in Deutschland laut OECD als reprä-
sentativ für 99,3 Prozent aller Fünfzehnjährigen – zehn
Prozentpunkte über dem OECD-Durchschnitt. Das wurde
von OECD-Seite als vorbildlich gelobt, hatte aber
schlechtere Punktwerte zur Folge. In Ländern mit niedri-
gerer Erfassungsquote werden nämlich vor allem Sc-
ler mit absehbar schwächeren Leistungen ausgeschlos-
14 2/2025 · lehrer nrw
Foto: AdobeStock/S.Kobold
sen. Schweden zum Beispiel zog im Nationen-Ran-
king knapp an Deutschland vorbei, weil es viele
Migranten offenbar wegen mangelnder Sprach-
kenntnisse vom Test ausgeschlossen und so seinen
Erfassungsgrad von 94 auf 86 Prozent gesenkt hat-
te. Zehn Prozentpunkte Unterschied beim Erfas-
sungsgrad können aber 15 bis 20 PISA-Punkte aus-
machen.
Wie reagieren die Macher der Studie auf so etwas?
BÖLLING: Sie erwähnen das Problem gewisserma-
ßen im Kleingedruckten, reden es aber klein. Offi-
ziell genügt bei PISA sogar eine Mindestbeteili-
gungsquote von 80 Prozent. Die übertrafen die vier
chinesischen Provinzen, die 2018 den Spitzenplatz
einnahmen, denkbar knapp. Und als Shanghai
2012 diese Hürde riss, wurde es trotzdem von der
OECD als PISA-Sieger präsentiert. Außen vor blieben
dort die Kinder von Millionen Wanderarbeitern,
weil sie gar nicht die weiterführenden Schulen be-
suchen durften, an denen der PISA-Test stattfand.
Dass die OECD solche Regelverstöße akzeptiert, ist
nicht zu verstehen.
Ist eine solche Ausschlusspraxis zulässig?
BÖLLING: Vorgesehene Gründe, von der PISA-Studie
ausgeschlossen zu werden, sind zum Beispiel eine
Lernbehinderung
und mangelnde
Sprachkenntnisse.
Die OECD geht aber
davon aus, dass
man nach einem
Jahr Unterricht ge-
nug gelernt hat, um
den Test in der Lan-
dessprache zu ab-
solvieren. Doch ein
Schüler, der vor an-
derthalb Jahren aus Syrien oder Afghanistan geflo-
hen ist, hat in der Regel deutlich schlechtere
Sprachkenntnisse als ein Klassenkamerad, der von
Geburt an von dieser Sprache umgeben ist. Wohl
deshalb haben Länder wie Schweden und Däne-
mark 2022 acht- bis zwölfmal so viele Schüler vom
Test ausgeschlossen wie Deutschland und dann im
Ranking besser abgeschnitten. Bei PISA wird das
irgendwo auf den über 500 Seiten des deutschen
Ergebnis-Bandes dokumentiert, bleibt aber ohne
Auswirkungen auf das Ranking, das die Berichter-
stattung beherrscht.
Was wir aus der PISA-Studie lernen können
Die Länder untereinander zu vergleichen ist also
schwierig. Kann man wenigstens die Entwicklung
des Bildungswesens aus der PISA-Studie ableiten?
BÖLLING: Auch das ist schwierig. Deutschland hat
zum Beispiel nach der ersten PISA-Studie, die 2001
erschienen ist, bis 2012 durchgehend besser abge-
schnitten. Die PISA-Macher haben das mit dem Aus-
bau der frühkindlichen Bildung erklärt, der als Kon-
sequenz aus PISA dargestellt wurde. Er hatte aber
schon Jahre früher begonnen. Nach 2012 aber
15
2/2025 · lehrer nrw
ZUR PERSON
Rainer Bölling ist ehema-
liger Gymnasiallehrer
und Bildungsforscher. Er
forscht unter anderem zur
historischen Entwicklung
des deutschen Bildungs-
wesens. Öffentlich ist er
als Kritiker der PISA-Studie
in Erscheinung getreten.
Sorgt zuverlässig für
Verdruss in der Schülerschaft,
für Gereiztheit bei Lehrkräften
und für Aktionismus in
der Bildungspolitik:
die PISA-Studie.
16 2/2025 · lehrer nrw
sind die PISA-Ergebnisse wieder schlechter geworden,
was wohl kaum am weiteren Ausbau der frühkindlichen
Bildung lag. Eine zentrale Schwäche der PISA-Studie
liegt eben darin, dass sie keine kausalen Zusammen-
hänge nachweisen kann.
Der Leiter des Direktorats für Bildung bei der OECD,
Andreas Schleicher, der diese Studien koordiniert, ist
ja nicht um konkrete politische Forderungen verlegen.
BÖLLING: Die auch sehr unrealistisch sind. Wenn er etwa
meint, dass die Lehrer eigene Lernsoftware entwickeln
und auch noch die Eltern ihrer Schüler zu Hause besu-
chen sollen, so ist das einfach unrealistisch. Ich hatte als
Gymnasiallehrer zeitweise acht Lerngruppen gleichzei-
tig, also an die 200 Schüler. Das ist gar nicht zu leisten.
Schleichers Ausfälle gegenüber Lehrern sind unsäglich
und erreichen allenfalls, dass Interessenten vom Lehrbe-
ruf abgeschreckt werden.
Warum wird PISA trotz all dieser Schwächen so ernst
genommen?
BÖLLING: Das liegt wohl an der schieren Größe des Pro-
jekts. Die ist schon einzigartig. Aber der Umgang damit
ist auch ein speziell deutsches Problem, denn in ande-
ren Ländern wird die Studie nicht gar so ernst genom-
men wie bei uns. Schon vor 60 Jahren hat ja Georg Picht
den Deutschen in einer viel beachteten Artikelserie eine
Bildungskatastrophe prophezeit. Im »Land der Dichter
und Denker« fällt sowas offenbar auf fruchtbaren Boden.
So konnte dann auch der ‘PISA-Schock’ von 2001 medial
entsprechend vermarktet werden. Und wenn jetzt der
großenteils coronabedingte Rückgang des deutschen
Durchschnittsergebnisses um gerade fünf Punkte gegen-
über damals als erneuter PISA-Schock empfunden wird,
erscheint mir das schon ziemlich übertrieben. Damit will
ich nicht sagen, dass es in der Bildungspolitik keine Bau-
stellen gibt – wie etwa den Lehrermangel. Aber das wis-
sen wir auch ohne PISA.
Auch andere Länder nehmen ihr Bildungssystem
hoffentlich ernst.
BÖLLING: Ja, aber sie sind eher weniger nervös als wir.
Ein Land hat jetzt zum Beispiel mit 45 Punkten gegen-
über 2000 das Neunfache von Deutschland verloren,
nämlich der dreifache PISA-Sieger Finnland. Dort hat
man das aber relativ entspannt gesehen und sich in
Ruhe auf die Suche nach den Ursachen gemacht. Dieser
PISA-Hype ist vor allem ein deutsches Phänomen. Statt
sich genauer mit den Ergebnissen zu befassen, wird oft
nur das bloße Ranking als Argument benutzt, um schul-
politische Forderungen zu begründen, die man sowieso
schon immer stellte. Nach längerem gemeinsamen Ler-
nen zum Beispiel.
Eine Forderung, die auch Herr Schleicher seit der ersten
PISA-Studie erhebt.
BÖLLING: Dass längeres gemeinsames Lernen zu besse-
ren Ergebnissen führt, lässt sich aus der PISA-Studie nicht
herleiten. Die nordischen Länder zum Beispiel haben ein
Gesamtschulsystem und waren anfangs führend bei
PISA, sind dann aber ziemlich abgesackt. Frankreich
hat ein Gesamtschulsystem und schneidet seit 2006
durchgehend schlechter ab als Deutschland. Wenn
Gesamtschulsysteme besser wären, müsste diese Länder
durchgehend vor Deutschland liegen.
Warum es Migrantenkinder
in Deutschland bei PISA
besonders schwer haben
Wie sieht es mit den Auswirkungen von Migration aus?
BÖLLING: Die PISA-Studie verwendet den Begriff ‘Mi-
grant’ rein formal und kommt dann etwa zu der Aussa-
ge, dass Migranten in Mathematik besser abschneiden
als der Durchschnitt. Als Beispiel wird die Schweiz ge-
nannt. Dort sind die größten Migrantengruppen aber
Deutsche, Italiener, Portugiesen und Franzosen, die zu-
meist von Geburt her mit einer der Landessprachen der
Schweiz vertraut sind. In Deutschland dagegen spre-
chen Migrantenkinder zu Hause ein Dutzend verschie-
dener Sprachen, die mit Deutsch nichts zu tun haben,
darunter Russisch, Türkisch, Kurdisch, Arabisch und eine
der zahlreichen Sprachen Afghanistans. Die Sprachbar-
rieren sind also bei Schweizer Migranten sehr viel gerin-
ger, wogegen die Akademikerquote deutlich höher
liegt. Der undifferenzierte Gebrauch des Begriffs ‘Mi-
grant’ bei PISA führt also zu fundamentalen Fehlein-
schätzungen.
Zumal das Ergebnis eines Schülers, der die meiste
Zeit auf syrische Schulen gegangen ist, mehr über
das Bildungssystem in Syrien aussagt als über das
deutsche. Auch wenn er schon seit einem Jahr in
Deutschland lebt.
BÖLLING: Tatsächlich erzielen muslimisch geprägte
Länder, wenn sie denn gelegentlich bei PISA mitma-
chen, meistens Ergebnisse weit unter 400 Punkten. Das
sind im Vergleich zu den OECD-Staaten bildungspoli-
tisch völlig andere Welten.
INFO
Dieser Beitrag ist ein Nachdruck eines Interviews,
das Sören Becker mit Rainer Bölling für die Neue
Osnabrücker Zeitung führte.
17
2/2025 ·
lehrer nrw
SCHULE & POLITIK
Pädagogische
Verirrung
Mit dem 17. Schulrechtsänderungsgesetz schlägt die
schwarz-grüne Landesregierung hinsichtlich der Realschu-
len mit Hauptschulbildungsgang einen pädagogischen Irr-
weg ein. Damit würde eine untaugliche Übergangslösung
zu einer untauglichen Dauerlösung, mahnt
lehrer nrw
.
S
Scharfe Kritik an dem Gesetzentwurf
übte der
lehrer nrw
-Vorsitzende
Sven Christoffer bei einer Experten-
anhörung im Düsseldorfer Landtag. Auch
andere Sachverständige sahen das Vorha-
ben der Landesregierung kritisch. Hoch
problematisch ist aus Sicht von
lehrer nrw
insbesondere der § 15. Demnach kann der
Schulträger an Realschulen nunmehr dau-
erhaft einen Bildungsgang ab Klasse 7 ein-
richten, der zu den Abschlüssen der Haupt-
schule führt, insbesondere wenn eine öf-
fentliche Hauptschule vor Ort nicht vor-
handen ist. Die Schülerinnen und Schüler
im Hauptschul-Bildungsgang werden im
Klassenverband mit Schülerinnen und
Schülern des Bildungsganges Realschule
unterrichtet.
Strukturell angelegte
Überforderung
Aktuell gibt es bereits achtzehn Realschu-
len mit Hauptschulbildungsgang in Nord-
rhein-Westfalen. Die Möglichkeit, in einer
Klasse Kinder parallel nach zwei völlig un-
terschiedlichen Lehrplänen zu unterrich-
ten, war vor zehn Jahren das Ergebnis ei-
nes halbherzigen politischen Kompromis-
ses. Politische Erwägungen hatten seiner-
zeit Vorrang vor pädagogischen. Die einfa-
che Formel »eine Klasse, ein Lehrplan, ein
Schulbuch« wurde über Bord geworfen.
»Leidtragende dieser pädagogischen Verir-
rung sind die Lehrkräfte, die parallel unter-
schiedliche Unterrichtsgegenstände be-
handeln und Lerninhalte vermitteln müs-
sen. Diese in den Strukturen angelegte
Überforderung verhindert Unterrichtsquali-
tät. Wer das negiert, hat niemals vor einer
Klasse gestanden«, kritisiert Christoffer.
Leidtragende sind aber auch die Schüle-
rinnen und Schüler: Der Städte- und Ge-
meindebund Nordrhein-Westfalen verweist
in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf
darauf, dass unter den Schülerinnen und
Schülern im Hauptschulbildungsgang eine
hohe Anzahl ohne Abschluss die Schule ver-
lässt.
lehrer nrw
hält es deshalb für zwin-
gend erforderlich, dass die Landesregierung
den Realschulen mit Hauptschulbildungs-
gang die Bildung eigener Hauptschulklassen
ermöglicht.
Längeres gemeinsames
Lernen zu
Realschulkonditionen
Mit der nun geplanten Institutionalisierung
der Realschulen mit Hauptschulbildungsgang
im Schulgesetz würde die Landesregierung
eine untaugliche Übergangsregelung in eine
untaugliche Dauerregelung überführen. »Es
ist vollkommen absurd, das differenzierte
Schulsystem erhalten zu wollen, indem man
die Realschulen mit Hauptschulbildungsgang
dazu zwingt, integriert zu unterrichten«, be-
tont Christoffer. »Wer trotzdem einen solchen
Ansatz verfolgt, muss diesen Realschulen
dann aber zumindest die weitaus günstige-
ren Rahmenbedingungen der integrierten
Schulformen zur Verfügung stellen. Das um-
fasst ein geringeres Pflichtstundendeputat
der Lehrkräfte, eine günstigere Lehrer-Schü-
ler-Relation und mehr Funktionsstellen. Län-
ger gemeinsam lernen zu Realschulkonditio-
nen ist mit meinem Verständnis von Gleich-
behandlung nicht in Einklang zu bringen.«
»Mit meinem Ver-
ständnis von Gleich-
behandlung nicht
in Einklang zu brin-
gen«: Der
lehrer nrw
-
Vorsitzende Sven
Christoffer kritisierte
den Gesetzentwurf
scharf.
INFO
Einen Videomit-
schnitt des State-
ments von Sven
Christoffer sehen
Sie hier (ca. ab
Minute 38):
https://www.landtag.nrw.de/home/mediathek/
video.html?kid=31226ff4-9baf-
4090-908a-eacad4fb48af
lehrer nrw ·
2/2025
18
SCHULE & POLITIK
Pädagogische Freiheit:
Ist das wichtig –
oder kann das weg?
Wie weit geht die pädagogische Freiheit der Lehrkraft, wenn
an Schulen neue gemeinsame Unterrichtskonzepte etabliert
werden? Wie viel Kooperation ist nötig und wie viel Autonomie
des Einzelnen möglich? Wann ist Widerspruch gefragt und wann
Verständigung auf gemeinsame Prinzipien? Michael Felten, Bil-
dungsexperte und Gastautor, sucht Antworten auf diese Fragen.
E
Ein Schulleiter beschließt, an seiner
Schule ein neues Lernkonzept einzu-
führen. Er möchte den traditionellen
Unterricht weitgehend auflösen und die
Lernverantwortung weitgehend in die
Hände der Schülerinnen und Schüler legen;
diese sollen ihren Arbeitsplatz im gesam-
ten Schulhaus selbst wählen und sich bei
Fragen von Lehrkräften in Lernbüros bera-
ten lassen. Viele erfahrene Kolleginnen und
Kollegen teilen seine Begeisterung jedoch
nicht und wenden ein, gerade schwächere
Lerner seien mit solcher Eigenständigkeit
überfordert, die pädagogische Bindung an
die Lehrkräfte erodiere auf diesem Weg.
Der Schulleiter geht auf derlei Vorbehalte
aber nicht ein – wem der neue Weg nicht
passe, der könne sich ja einen anderen Ar-
beitsplatz suchen. Das tun denn auch eine
ganze Reihe, andere machen beim Umbau-
prozess zähneknirschend mit. Ob die
Neuerungen sich tatsächlich entwicklungs-
förderlich auswirken, bleibt offen.
Was sagt das Gesetz?
Ein gar nicht seltener institutioneller Kon-
flikt: Einerseits stehen Vorgesetzte und
Schulaufsicht in der Verantwortung, den
gesetzlichen Bildungsauftrag bestmöglich
zu organisieren, auch unter sich wandeln-
den gesellschaftlichen Bedingungen. Ande-
rerseits steht Lehrkräften so etwas wie pä-
dagogische Freiheit zu – ein Dilemma?
Laut Wikipedia bezeichnet pädagogische
Freiheit »den für die Unterrichts- und Er-
ziehungsarbeit erforderlichen Ermessens-
und Entscheidungsspielraum« der Lehr-
kräfte; nach Hessischem Schulgesetz etwa
darf dieser nicht unnötig oder unzumutbar
eingeengt werden. Baden-Württemberg
hingegen fokussiert primär die pädagogi-
sche ‘Verantwortung’, hinsichtlich welcher
die einzelne Lehrkraft keinem unbe-
schränkten Weisungsrecht unterliege; da-
bei wird indes auch unterstrichen, dass da-
raus kein einklagbares subjektives öffentli-
ches Recht gegenüber der Schulaufsicht er-
wachse.
Auf die Lehrkraft kommt es an – auch und
besonders, wenn es um pädagogische Freiheit geht.
Foto: AdobeStock/LIGHTFIELD STUDIOS
SCHULE & POLITIK
19
2/2025 ·
lehrer nrw
Die Allgemeine Dienstordnung (ADO) in
Nordrhein-Westfalen versucht, beide Pole zu
verbinden; es gehöre nämlich zum Lehrberuf,
»in eigener Verantwortung und pädagogi-
scher Freiheit die Schülerinnen und Schüler
zu erziehen, zu unterrichten, zu beraten, zu
beurteilen, zu beaufsichtigen und zu betreu-
en«. Zwar seien die Lehrkräfte an Vorgaben
gebunden (wie Rechts- und Verwaltungsvor-
schriften, Richtlinien und Lehrpläne, Konfe-
renzbeschlüsse und Anordnungen der Schul-
aufsicht). Indes dürften Letztere »die Freiheit
und Verantwortung der Lehrerinnen und Leh-
rer bei der Gestaltung des Unterrichts und
der Erziehung nicht unzumutbar einschrän-
ken«. Auch Schulleitungen könnten in diese
»nur im Einzelfall eingreifen«, nämlich bei
Verstößen gegen sie »oder wenn eine geord-
nete Unterrichts- und Erziehungsarbeit nicht
gewährleistet ist«. Durchaus ein Spannungs-
verhältnis also. Aber vor klarer Grundlage:
Denn Unterrichten und Erziehen verlangen
persönliches Eingehen auf jeden Schüler, in
wechselnden Situationen und bei vielschich-
tigen Problemlagen. Lehrkräfte müssen spon-
tan entscheiden und gestalten können, des-
halb wäre jede schablonenartige Normierung
ein Unding (vgl. Däschler-Seiler 2018).
Und die Forschung?
Bemerkenswerterweise gibt es in der weiter-
geführten XXL-Metastudie von John Hattie
einen noch zu wenig diskutierten Faktor,
dem eine herausragend hohe Effektstärke
auf den Lernfortschritt von Schülern attes-
tiert wird: die ‘kollektive Wirksamkeitserwar-
tung’ (d = 1,3). Was sich leicht missverste-
hen ließe als »Alle müssen das Gleiche tun«
meint de facto die Überzeugtheit von Kolle-
gien, dass man gemeinsam Herausforderun-
gen überwinden und beabsichtigte Ergeb-
nisse erzielen könne (Hattie 2024, S. 185f.).
Es geht also nicht darum, individuelle Leh-
rertypen zu normieren oder ihr ‘Handeln’
schematisch zu reglementieren, sondern da-
rum, eine gemeinsame ‘Denkweise’ über
Lernen und Entwicklung anzustreben, bei-
spielsweise die forschende Debatte darüber,
was die Kinder der konkreten Schule nach-
weislich voranbringe. Dieses Gemeinsame
dürfe nur nicht »konstruiert, unauthentisch,
gezwungen« sein; wichtig sei, die Lehr-Lern-
Wirklichkeit im Kollegium vorbehaltlos mit-
einander zu diskutieren und auch divergen-
te Stimmen zuzulassen. Dieser Befund ver-
dient auch deshalb breitere Würdigung, weil
er ein Mehr an sinnvoller kollegialer Koope-
ration geradezu herausfordert – und diese
ist ja im Sekundarbereich mit ihrem Fach-
lehrerprinzip vielfach noch ein Stiefkind. In
meinen Weiterbildungstagen für Lehrerkol-
legien erlebe ich immer wieder, wie ergiebig
engerer Austausch und kluge Arbeitsteilung
in fachlicher wie pädagogischer Hinsicht
sein kann.
Was heißt das jetzt
für den Schulalltag?
Grundsätzlich ist festzuhalten: Nur weil eine
Veränderung vorübergehend zusätzlich Ar-
beit macht, dürfen Lehrkräfte sie nicht ein-
fach abweisen. Es gibt vielerlei zweckmäßi-
ge Innovationen, die es verdienen, vom ge-
samten Kollegium getragen zu werden – für
deren Implementierung müssen Schulleitun-
gen allerdings werben, statt sie ungeprüft
durchzusetzen.
Aber innerschulische Festlegungen kön-
nen auch zu weit gehen. So wurden in einer
Schule allen Klassen Lärmampeln verordnet
– ob das wirklich sinnvoll ist, darf bezwei-
felt werden. Die eine Kollegin braucht sie
nämlich gar nicht, weil sie das auf der Be-
ziehungsebene viel dynamischer regelt, für
eine andere ist der formale Rahmen hinge-
gen eine große Hilfe. Und wenn Vorgesetzte
schulpädagogische Moden gar wider alle
Evidenz propagieren, dann wäre es merk-
würdig, wenn erfahrene Lehrkräfte dies wi-
derspruchslos hinnähmen oder die Schule
wechseln müssten. Denn der von Kant ge-
adelte Imperativ endet ja nicht an der Leh-
rerzimmertüre: »Habe Mut, dich deines ei-
genen Verstandes zu bedienen!« Was leich-
ter gesagt als getan ist – wer möchte schon
in Debatten und Konflikten gerne als Miese-
peter dastehen oder um seinen guten Stun-
denplan bangen?
Wenn Innovationen langfristig allzu auf-
wendig sind, steht Lehrkräften übrigens
auch ein offizieller Schritt zu: Überlastungs-
anzeige stellen. Wobei diese besser ‘Gefähr-
dungsanzeige’ hieße – der Arbeitgeber soll
nämlich auf Gefahren hingewiesen werden,
die durch Überlastung des oder der Bediens-
teten entstehen können. Und im Falle recht-
licher Bedenken ist man geradezu verpflich-
tet zu widersprechen, das Beamtenstatusge-
setz nennt das ‘Remonstration’ (§ 36).
Erinnern wir uns an die Lehrkräfte der
Modellschule im Eingangsbeispiel: Sie hät-
ten an Beispielen belegen müssen, dass
schwächere Schülerinnen und Schüler mit
der projektierten Eigenständigkeit grund-
sätzlich überfordert seien und dass deren
verringerte pädagogische Bindung an Lehr-
kräfte prinzipiell ungünstig für ihre Lernent-
wicklung sei. Dafür hätte es durchaus einige
Evidenz gegeben. »Der erste Schritt zum
Lernen ist die Liebe zum Lehrer« formulierte
schon Erasmus von Rotterdam. Und in aktu-
eller Diktion (Joachim Bauer) heißt es: »Der
Mensch ist für den Menschen die Motivati-
onsdroge Nummer eins
DER AUTOR
Michael Felten arbeitet nach langem
Lehrerleben als freier Schulentwick-
lungsberater und beantwortet Fragen
unter www.eltern-lehrer-fragen.de.
Er war Kolumnist der ‘Schulfrage’
(ZEIT online) und ist Autor zahlreicher
pädagogischer Sachbücher, etwa
‘Lernwirksam unterrichten’ (mit Elsbeth
Stern, 2014) oder ‘Unterricht ist Bezie-
hungssache’ (Reclam 2020)
HINWEIS
Dieser Fachbeitrag ist als Erstveröffentlichung
auf dem Deutschen Schulportal erschienen
https://deutsches-schulportal.de
lehrer nrw ·
2/2025
20
SCHULE & POLITIK
Hauptausschuss stellt Weichen
Aktuelle schulpolitische Entwicklungen, personelle Weichenstellungen
und ein Ausblick auf den Mülheimer Kongress 2025 waren die bestimmenden Themen
bei der Sitzung des Hauptausschusses von
lehrer nrw
am 7. März in Dortmund.
B
Beim Blick auf die politische Lage
machte Verbandsvorsitzender Sven
Christoffer deutlich, dass die Ein-
schränkung der Teilzeitmöglichkeiten zum
Bumerang für die Landesregierung zu wer-
den droht. Immer mehr Lehrkräfte lassen
sich wegen der Belastungssituation am Ar-
beitsplatz mit ärztlichem Attest teildienst-
fähig schreiben, weil sie auf anderem We-
Die Mitglieder des Hauptausschusses
arbeiteten in Dortmund eine prall gefüllte Tagesordnung ab.
Die frisch gewählten Referatsleitungen werden die inhaltliche Arbeit von
lehrer nrw
vorantreiben. (Auf dem Foto fehlen Michael Freise, Rolf Fischer und Monika Holder).
Fotos: Smets
ge keine Chance auf eine vorausset-
zungslose Teilzeit-Tätigkeit haben.
Sowohl für die Schulen als auch für
das Land selbst sei das eine äußerst
problematische Entwicklung, sagte
Christoffer und forderte ein Umdenken
der Landesregierung.
Nicht minder problematisch ist aus
Sicht des Verbandsvorsitzenden der
Entwurf des 17. Schulrechtsänderungs-
gesetzes, der es Schulträgern erlauben
würde, an Realschulen nunmehr dauer-
haft einen Bildungsgang ab Klasse 7
einzurichten, der zu den Abschlüssen
der Hauptschule führt. In einer Exper-
tenanhörung im Landtag am 25. März
kritisierte Christoffer diese Pläne
scharf
(siehe Bericht auf Seite 17).
Es gab aber auch deutlich erfreulichere
Themen in der Hauptausschuss-Sitzung.
So wurde Dieter Peters nach bis dato 57-
jähriger (!) Verbandsarbeit zum Ehren-
mitglied von
lehrer nrw
ernannt. Peters
Besetzung der Referatsleitungen.
Die vierzehn Fachreferate geben
maßgebliche Impulse für die in-
haltlich-programmatische Weiter-
entwicklung von
lehrer nrw
(siehe Kasten).
Ein Highlight für den Verband
steht im Herbst an: Der 56. Mülhei-
mer Kongress findet am 26. und
27. November wieder im Tagungs-
zentrum ‘Die Wolfsburg’ statt. Das
Leitthema der Traditionsveranstal-
tung könnte nicht aktueller und
dringlicher sein: Antisemitismus,
Rassismus und Diskriminierung in
der Schule begegnen’. Im Vortrags-
programm geht es unter anderem
um Antidiskriminierungsarbeit und Bera-
tung bei Rassismus und Antisemitismus,
um diskriminierungssensible Schulentwick-
lung sowie um Best-Practice-Beispiele aus
dem Projekt ‘Schule ohne Rassismus –
Schule mit Courage’. Jochen Smets
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lehrer nrw
SCHULE & POLITIK
REFERATE IM ÜBERBLICK
Besoldung + Versorgung Horst Joosten
Fachleitungen Hardi Gruner
Gleichstellung Petra Wiora-Köster
Hauptschulen Kerstin Thomsen
Homepage Manfred Berretz
Inklusion + Integration Brunhilde Dobrowolski
Mutterschutz + Elternzeit Sarah Wanders
Öffentlichkeitsarbeit Michael Freise
Privat- und Ersatzschulen Rolf Fischer
Schulen des längeren
gemeinsamen Lernens Andreas Kucharski
Schulleitung Olaf Korte
Schwerbehinderte Tanja Heinrichs
Seniorinnen + Senioren Monika Holder
Tarif Ulrich Gräler
war 1968 in den damaligen Realschulleh-
rerverband NRW eingetreten und hatte
den Verband unter anderem als langjähri-
ger Leiter des Referats Bildung auch
inhaltlich stark geprägt. Einstimmig
beschlossen wurde in Dortmund die
lehrer nrw ·
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22
SCHULE & POLITIK
Unterrichtsstörungen,
Mobbing und Gewalt
Warum es dringend wirkliche Konsequenzen braucht
Foto: AdobeStock/contrastwerkstatt
D
Das NRW-Schulministerium hat im
vergangenen Schuljahr in einer flä-
chendeckenden Erhebung den Unter-
richtsausfall an den Schulen in NRW erfas-
sen lassen, deren Ergebnisse im Dezember
2024 veröffentlicht wurden (wir berichteten
in der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift da-
rüber). Der auf der Homepage des Schulmi-
nisteriums abrufbare Gesamtbericht enthält
Details über den Unterrichtsausfall an allen
Schulformen und lässt erkennen, dass 83,7
Prozent des Unterrichts planmäßig erteilt
wurde und nur 4,8 Prozent des Unterrichts
ersatzlos ausgefallen sind, was erst einmal
positiv wirkt. Durch teils zweifelhafte Maß-
nahmen wie die Reduzierung vorausset-
zungsloser Teilzeit oder die Rückgewinnung
pensionierter Lehrkräfte bemüht sich die
Behörde zudem, Unterrichtsausfälle durch
Personalmangel zu minimieren.
Unterrichtsausfall durch
Störungen taucht in
keiner Statistik auf
Doch wieviel Unterricht fällt eigentlich täg-
lich aus, weil der Unterricht permanent ge-
stört wird und Lehrkräfte immer mehr Zeit
darauf verwenden müssen, Erziehungsauf-
gaben wahrzunehmen und ein Mindestmaß
an sozialverträglichem Verhalten von Schü-
lerinnen und Schülern einzufordern, das ei-
gentlich selbstverständlich sein sollte? Dazu
sagt die Statistik nichts aus.
Eine Untersuchung der Universität Graz
aus dem Jahr 2014 betont, dass durch Un-
terrichtsstörungen Lehr- und Lernzeit verlo-
ren geht, was sich langfristig negativ auf
den Unterrichtserfolg auswirkt. Der Anteil
der durch Störungen verlorenen Unterrichts-
zeit dürfte dabei um ein Vielfaches höher
sein als jener durch ausgefallene, also nicht
abgehaltene Unterrichtsstunden.
von KATRIN SANITER-HANN
23
2/2025 ·
lehrer nrw
SCHULE & POLITIK
Die aktuelle Situation
an Schulen
Die Disziplin an Schulen hat sich in den letz-
ten Jahren zunehmend verschlechtert. Lehr-
kräfte sowie Schülerinnen und Schüler berich-
ten vermehrt von Respektlosigkeit, verbalen
und physischen Übergriffen sowie einem ge-
nerellen Verfall sozialer Normen. Besonders
problematisch sind Gewaltvorfälle gegenüber
Mitschülern und Lehrkräften, die nicht selten
nur mit milden oder verspäteten Sanktionen
geahndet werden. Dies führt zu einem Klima
der Unsicherheit und Resignation.
Jede Schülerin und jeder Schüler hat je-
doch ein Recht auf eine sichere Lernumge-
bung. Gewalt und Mobbing dürfen nicht als
normale Bestandteile des Schulalltags ak-
zeptiert werden. Eine Studie des Kriminolo-
gischen Forschungsinstituts Niedersachsen
zeigt, dass Mobbingopfer oft schlechtere
schulische Leistungen erbringen und lang-
fristige psychische Schäden erleiden. Wenn
Täter keine ernsthaften Konsequenzen für
ihr Verhalten spüren, fühlen sich Opfer oft
schutzlos und ohnmächtig.
Eine funktionierende Schule benötigt
klare Regeln. Lehrer müssen in der Lage
sein, ihre Autorität durchzusetzen, um den
Unterricht zu kontrollieren und ein respekt-
volles Miteinander sicherzustellen. Dies ge-
lingt nur, wenn Regelverstöße konsequent
und streng geahndet werden. In einer dis-
ziplinierten Umgebung kann sich jeder
Schüler besser auf den Unterricht konzen-
trieren. Der Bildungsforscher Prof. Klaus
Hurrelmann betont: »Ohne klare
Regeln und Konsequenzen entsteht eine
Atmosphäre der Unsicherheit, die das
Lernen massiv behindert.«
Warum härtere und
schnellere Konsequenzen
notwendig sind
Eine funktionierende Schule benötigt klare,
strenge und vor allem schnelle Konsequen-
zen für Fehlverhalten, um das allgemeine
Sicherheitsgefühl zu gewährleisten und ein
positives Lernumfeld zu fördern. Strafen
haben nicht nur die Funktion einer Sankti-
on, sondern auch einer Abschreckung.
Wenn Kinder und Jugendliche wissen, dass
Fehlverhalten sofort geahndet wird, überle-
gen sie es sich zweimal, bevor sie eine Re-
gel brechen. Ein unzureichendes oder zu
spät greifendes Sanktionssystem verstärkt
hingegen die Haltung, dass Regelverstöße
keine ernsthaften Folgen haben. Diese Hal-
tung ist leider unter Schülerinnen und Schü-
lern zunehmend verbreitet, immer öfter
sind von Delinquenten Äußerungen zu hö-
ren wie: »Ich kann doch machen, was ich
will, es passiert doch sowieso nichts!«. Und
so steigt die Frustration beteiligter Lehrkräf-
te und Schulleitungen, die durch teils veral-
tete, nicht mehr zeitgemäße schulrechtliche
Bestimmungen, die die kleinschrittige Ein-
haltung und Dokumentation einer be-
stimmten Abfolge von Maßnahmen unbe-
dingt vorschreiben, bevor eine wirkungsvol-
lere Konsequenz erfolgen darf, sowie durch
mangelnde personelle Ressourcen daran
gehindert werden, massives oder gehäuftes
Fehlverhalten wirksam zu ahnden.
Die Rolle der Schulpolitik
Die Politik muss reagieren, um die Eskalati-
on der Gewalt und Disziplinlosigkeit an
Schulen zu stoppen. Dazu gehören Verände-
rungen im Schulgesetz, um Lehrerinnen und
Lehrer mit mehr Entscheidungshoheit aus-
zustatten und zu ermöglichen, dass wirksa-
me Sanktionen nicht erst nach langen Ver-
fahren und Abstimmung mit mehreren Gre-
mien verhängt werden.
Lehrkräfte benötigen mehr Handlungsfrei-
heit und Rückhalt, um einen störungsfreien
Unterricht durchzusetzen und ein angeneh-
mes Sozialklima in der Schule zu fördern.
Dazu gehört eine gesetzliche Grundlage,
die es ihnen ermöglicht, störende Schüler
konsequent des Unterrichts zu verweisen.
Für Kinder und Jugendliche, die wiederholt
negativ auffallen, könnten spezielle Time-
out-Klassen eingerichtet werden, wo sie
nicht nur Schulunterricht, sondern auch
Sozialtraining erhalten sollten, um ihr Ver-
halten zu verbessern. Auch Eltern sollten
in die Pflicht genommen werden, wenn ihr
Kind wiederholt negativ auffällt.
Chancengleichheit und
Bildungserfolg benötigen
gesetzliche Reformen
Ohne eine Reformierung der entsprechen-
den gesetzlichen Regelungen wird sich die
Problematik an unseren Schulen weiter ver-
schärfen. Schnelle und wirksame Sanktio-
nen sind notwendig, um das Sozialverhalten
und die Lernbedingungen an Schulen zu ver-
bessern. Die Schulpolitik muss in die Pflicht
genommen werden, um Gesetze entspre-
chend nachzubessern und an die heutige
Realität anzupassen. Nur so kann langfristig
eine respektvolle und leistungsfördernde
Schulkultur etabliert werden, in der Lehr-
kräfte gern und gesund unterrichten. Und
nur so ist es möglich, Chancengleichheit
und Bildungserfolg für alle Schülerinnen
und Schüler zu sichern.
Quatschen im Unterricht:
Sicherlich der Klassiker unter den Un-
terrichtsstörungen. Doch viele Lehr-
kräfte können von weit weniger
harmlosen Zwischenfällen berichten.
Katrin Saniter-Hann ist stellvertretende Vorsitzende
des
lehrer nrw
.
E-Mail: saniter-hann@lehrernrw.de
lehrer nrw ·
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FORTBILDUNGEN
Teilzeitfalle
und
Stressbewältigung
Wie Lehrkräfte, die in Teilzeit arbeiten, mit ihrer Entscheidung für Familie UND Lehrberuf
ein zufriedenes Leben führen können, ist Thema eines Online-Seminars von
lehrer nrw
.
Ein weiteres Seminar vermittelt kreative Stressbewältigung für Lehrkräfte. Noch mehr
Fortbildungs-Highlights finden Sie in der Tabelle rechts. Anmeldungen sind online möglich.
Raus aus der emotionalen Teilzeitfalle!
Solange die eigenen Kinder noch klein sind, entscheiden sich viele Mütter,
und manchmal auch Väter, in Teilzeit zu arbeiten. Rahmenbedingungen sind
durch gesetzliche Vorgaben gut gelöst, doch dies bedeutet nicht immer, dass
die Balance zwischen Familie und Schule gelingt. Erwartungen an die eigene
Elternrolle und der eigene professionelle Anspruch kollidieren gelegentlich
und führen möglicherweise zu Belastung, Stress und Anspannung. Die Refe-
rentin Tanja Schmitz-Remberg lädt die Teilnehmenden ein, Ihren inneren
Antreibern liebevoll auf die Schliche zu kommen und erste Schritte zu ent-
wickeln, mit ihrer Entscheidung für Familie UND Lehrerberuf ein zufriedenes
Leben zu führen.
Referentin: Tanja Schmitz-Remberg
Seminar-Nr.: 2025-0506
Termin: Dienstag, 6. Mai 2025
Uhrzeit: 9:00 bis 14:00 Uhr
Art: Online-Seminar
Kosten: 90 Euro für
lehrer nrw
Mitglieder, 140 Euro für sonstige Teilnehmer
Anmeldeschluss: 23. April 2025
Als Follow up zu diesem Online-Seminar findet am 19. Mai 2025 von 11:00
bis 13:00 Uhr ein Online-Austausch mit der Referentin statt, in dem die Nach-
haltigkeit des Erlernten im Alltag überprüft werden kann.
Foto: AdobeStock/contrastwerkstatt
Lehrkräfte am Limit – kreative Stress-
bewältigung in schwierigen Zeiten
Lehrkräftemangel, hohe Krankenstände, wachsende
Zusatz- und Integrationsaufgaben – Lehrende sind im
Schulalltag oft bis an die Grenzen der Belastbarkeit ge-
fordert. Wer hier als Pädagogin bzw. Pädagoge bestehen
will und dabei gesund, freudvoll und motiviert bleiben
möchte, braucht eine gute Portion psychischer Wider-
standskraft. Wie jeder einzelne von Ihnen individuelle
Bewältigungsstrategien entwickeln und ausweiten kann,
erarbeiten wir anhand des hochwirksamen BASIC-PH
Modells für Resilienzstärkung.
Referentin: Gabriele Schmidt
Seminar-Nr.: 2025-0522
Termin: Donnerstag, 22. Mai 2025
Uhrzeit: 9:00 bis 16:30 Uhr
Ort: Premier Inn Köln City Mediapark,
Hansaring 97, 50670 Köln
Kosten: 160 Euro für
lehrer nrw
Mitglieder,
210 Euro für sonstige Teilnehmer
Anmeldeschluss: 10. April 2025
ANMELDUNG
www.lehrernrw.de/lehrernrw-de-fortbildungen/lehrernrw-de-fortbildungsuebersicht/
Am Limit: Lehrkräfte arbeiten oft bis an die
Grenzen der Belastbarkeit – und nicht selten darüber
hinaus. Doch es gibt Bewältigungsstrategien.
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lehrer nrw
FORTBILDUNGEN
Seminar
Nr.
Titel Kurzinhalt
Referenten
Wo
Wann Uhrzeit
Gebühr
lehrer nrw-
Mitglied
Gebühr
sonst.
Teilnehmer
Anmelde-
schluss
2025-0505
Chaos im Klassenzimmer:
Herausforderndes Verhalten
von Schülerinnen und Schülern
entschärfen
Lernen Sie Erscheinungsformen von und vor allem Ursachen für auffällige
Verhaltensweisen kennen. Erarbeiten Sie praxisorientierte Strategien und
alltagstaugliche Entscheidungsmöglichkeiten, um zukünftig diesen Kindern
ganz anders, gestärkt, ruhig und beharrlich entgegentreten zu können.
Lea
Lindemann
Ringhotel Drees
Hohe Straße 107
44139 Dortmund
Montag
05.05.2025
09:00 bis
16:30 Uhr
160 210
auf
Anfrage
2025-0506
Online-Seminar
Raus aus der emotionalen
Teilzeitfalle!
Follow up online
Rahmenbedingungen zur Teilzeit sind durch gesetzliche Vorgaben gut ge-
löst, doch dies bedeutet nicht immer, dass die Balance zwischen Familie und
Schule gelingt. Erwartungen an die eigene Elternrolle und der eigene pro-
fessionelle Anspruch kollidieren gelegentlich und führen möglicherweise zu
Belastung, Stress und Anspannung. In diesem Seminar lernen Sie erste
Schritte zu entwickeln, mit Ihrer Entscheidung für Familie UND Lehrerberuf
ein zufriedenes Leben zu führen.
Im Follow up findet ein Austausch mit der Referentin statt, in dem die
Nachhaltigkeit des Erlernten im Alltag überprüft werden kann.
Tanja
Schmitz-
Remberg
Zoom-Webinar
Dienstag
06.05.2025
Montag
19.05.2025
09:00 bis
14:00 Uhr
11:00 bis
13:00 Uhr
90 140 23.04.2025
2025-0512
Elternabend mal anders!
Ideen und Methoden für aktive
Elternabende und schulinterne
Arbeitsgruppen
Sie lernen Formate aus Moderation, Facilitation und Gruppenarbeit kennen,
um mehr Beteiligung und konstruktive Beiträge zu erzielen und auch zu-
rückhaltende Eltern zu integrieren. Lehrkräfte mit Führungsaufgaben, die
Arbeitsgruppen, Gremien und Teilkonferenzen leiten, können ebenfalls viele
praxisnahe Anregungen erhalten.
Tanja
Schmitz-
Remberg
Leonardo Düsseldorf
City Center
Ludwig-Erhard-Allee 3
40227 Düsseldorf
Montag
12.05.2025
09:30 bis
16:00 Uhr
160 210 auf
Anfrage
2025-0513
Recht im Schulalltag Diese Fortbildung informiert über wichtige rechtliche Grundlagen,
die Lehrkräfte für ihren Berufsalltag benötigen.
Christopher
Lange
GDL Sitzungsraum 1. OG
Graf-Adolf-Straße 84
40210 Düsseldorf
Montag
12.05.2025
14:00 bis
17:00 Uhr
40 70
28.04.2025
2025-0522
Lehrkräfte am Limit –
kreative Stressbewältigung
in schwierigen Zeiten
Lehrkräftemangel, hohe Krankenstände, wachsende Zusatz- und Integrati-
onsaufgaben – Lehrende sind im Schulalltag oft bis an die Grenzen der
Belastbarkeit gefordert. In dieser Fortbildung lernen Sie nicht nur, wie Sie
psychische Entlastung sowie körperliche und geistige Entspannung, sondern
auch mehr Freude, Verbundenheit und Sinnhaftigkeit erfahren können.
Gabi
Schmidt
Premier Inn Köln City
Mediapark
Hansaring 97
50670 Köln
Donnerstag
22.05.2025
09:00 bis
16:30 Uhr
160 210 auf
Anfrage
2025-0604
Aufgeben?! Für mich keine
Option! – Unterrichten mit 50+
Modul 3 – Longevity und die
Bedeutung von Grenzen im
Lehrerleben
Inhalt:
Strategien zur wirksamen Arbeitserleichterung
Bedeutung von Auszeiten zur wirkungsvollen Regeneration
Abgrenzung von Beruf und Privatleben
Professionelle Distanz im Lehrerzimmer
Eigene Grenzen wahren ohne Schuldgefühle
Claudia
Schäfer
und
Ulrike
Fischer
Die Wolfsburg
Falkenweg 6
45478 Mülheim a.d. Ruhr
Mittwoch
04.06.2025
13:00 bis
17:00 Uhr
100 150 28.04.25
2025-0626
Wohlwollende Autorität – die
überzeugende Kernkompetenz
einer Lehrkraft
Gerade die Mischung aus freundlicher Zugewandtheit einerseits und ent-
schlossener Führungsstärke andererseits fällt vielen Lehrkräften besonders
schwer. In dieser Fortbildung werden die Teilnehmenden in einer Mischung
aus Theorie und praktischen Übungen gezielt in ihrem Auftreten, ihrer inne-
ren Haltung, ihrer Eigenregulationsfähigkeit und in ihrem Selbstwertgefühl
gestärkt.
Gabi
Schmidt
Premier Inn Köln City
Mediapark
Hansaring 97
50670 Köln
Donnerstag
26.06.2025
09:00 bis
16:30 Uhr
160 210 15.05.25
lehrer nrw ·
2/2025
26
SENIOREN
Vier Tage die Barockstadt Fulda erkunden
D
Da die geplante Frühjahrsfahrt nach
Rhodos wegen zu geringer Teilnehmer-
zahlen abgesagt werden musste, konnte
schnell ein alternatives Ziel gefunden wer-
den: Die Barockstadt Fulda ist das Ziel der
Tour vom 25. bis 28. Mai 2025.
In Fulda sind quasi alle Sehenswürdig-
keiten zu Fuß erreichbar, denn das Zen-
trum ist überschaubar, und doch gibt es an
jeder Ecke große und kleine Highlights:
Der Dom St. Salvator ist das berühmteste
Wahrzeichen und zugleich die bedeutend-
ste Barockkirche Hessens. Als glanzvollen
Mittelpunkt muss man das Stadtschloss
bezeichnen sowie den dazugehörigen Gar-
ten. Auch das prächtige Adelspalais ist ein
Barockgebäude. Die Michaelskirche aus
dem 9. Jahrhundert hingegen kündet vom
Mittelalter, und in der Altstadt bezaubern
die liebevoll restaurierten Fachwerkhäuser
sowie die angrenzende große Parkanlage.
Auf einem der sieben Hügel der Stadt, dem
Frauenberg, thront das spätbarocke Fran-
ziskanerkloster, das eine herrliche Sicht
über die Stadt und die umliegenden Berge
von Rhön und Vogelsberg bietet.
Achtung: Der Anmeldeschluss
ist bereits am 20. April 2025.
Der Reisepreis beträgt 522 Euro im
Einelzimmer und 351 Euro für
½ Doppelzimmer.
In der Herzkammer
der Landespolitik
A
Am 19. März waren die
lehrer nrw
Seniorinnen und
Senioren zu Gast im Düsseldorfer Landtag. Dort hat-
ten wir Gelegenheit zum Gespräch mit der Abgeordne-
ten Angela Freimuth von der FDP. Es war ein sehr infor-
mativer und angenehmer Austausch in entspannter At-
mosphäre. Frau Freimuth stellte uns ihren Werdegang in
die Politik vor, sie ist seit dem Jar 2000 Mitglied des
Landtags für die FDP, wurde nach dem Abitur zur Werk-
zeugmacherin ausgebildet und begann 1988 ihr Studium der
Rechtswissenschaften. Wir sprachen über Themen wie das Ab-
schneiden der FDP bei der Bundestagswahl, dem Sonderfonds zur
Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit in der NATO, dem
Einfluss der sogenannten »Sozialen Medien« mit ihren Chancen
und Gefahren. Die Schwierigkeit besteht oft darin, zwischen Nach-
richt und Meinung zu unterscheiden. Wir teilten mit Frau Freimuth
die Besorgnis, dass die Demokratie, wie wir sie kennen und verste-
hen, kein Selbstläufer ist und in vielen Bevölkerungsschichten nicht
unbedingt gepflegt wird.
Vor allem die jüngere Generation gilt es dafür zu sensibilisieren,
welche Vorteile das Leben in einer Demokratie bietet und dass sie
deshalb auch gelebt werden muss. Leider wird zu oft mit Populis-
mus und Versprechungen Meinungsmache betrieben, die oft unkri-
tisch übernommen wird. Wir alle sind in der Pflicht, der jüngeren
Generation zu vermitteln, dass die Errungenschaften und Vorteile,
in einer Demokratie leben zu dürfen, nicht selbstverständlich sind
und unser aller Einsatz erfordert.
Nach dem Gespräch bekamen wir dann den Landtag und den
Plenarsaal zu sehen, mit vielen Informationen zum Ablauf von Sit-
zungen und zur Gesetzgebung. Wir bekamen einen Einblick in die
Aufgaben und die Arbeit im Landtag. Immer wieder waren wir
auch beeindruckt von den Ausblicken aus den Räumen und den
Fluren auf den Rhein. Nicht nur die Architektur, auch die Kunst im
Parlament ist sehenswert. Monika Holder
INFO
Weitere Informationen
und Anmeldung:
www.lehrernrw.de/2025/03/14/lehrernrw-
senioren-reise-nach-fulda/
Gruppenbild auf der berühmten Landtagstreppe mit der
FDP-Abgeordneten Angela Freimuth (vorne links).
Viele schöne Ein- und Aus-
blicke, wie hier auf den
Dom, hat die Barockstadt
Fulda zu bieten.
Foto: AdobeStock/fotokunst63
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2/2025 ·
lehrer nrw
SENIOREN
Herbstfahrt nach Potsdam
D
Die große Herbstfahrt der Seniorinnen und Senioren des
lehrer nrw
führt vom 27. bis 31. Oktober 2025 nach Potsdam, der einstigen Residenz
der preußischen Kurfürsten, Könige und Kaiser. Potsdam ist UNESCO-Welterbe-Stadt, die Stadt der Schlösser und Gärten an den idyllischen
Havelseen, eine vielseitige Kulturstadt, UNESCO-Kreativstadt des Films, ein Zentrum der Bildung und Wissenschaft, geprägt von mehr als
1000 Jahren Geschichte und Landeshauptstadt
Brandenburgs. Zahlreiche Denkmäler und
spannende Zeugnisse moderner Architektur
laden ein, entdeckt zu werden. Wohnen wird
die Reisegruppe im Hotel ‘Dorint Sanssouci’.
INFO
Weitere Informationen und Anmeldung:
www.lehrernrw.de/2025/03/14/lehrernrw-senioren-reise-nach-potsdam-und-berlin-2025/
Energie und Kunst
D
Die Seniorinnen und Senioren von
lehrer nrw
besuchten am 19. Februar Siemens Energy und das Kunstmuseum in Mülheim/Ruhr.
Am Mülheimer Standort von Siemens Energy sind mehr als 4000 Beschäftigte und 150 Auszubildende beim Bau von
Turbinen und Generatoren für Kraftwerke, in der Montage, im Service und Vertrieb sowie in der Gasturbinentechnik tätig.
Nach einer kurzen Sicherheitsbelehrung begann unsere interessante Werksführung in der Fertigung für
Gas- und Dampfturbinen. Hier werden Wellen zur Aufnahme der Turbinenschaufeln mit einem Ge-
wicht bis zu 100 Tonnen durch Drehen und Fräsen bearbeitet. Die Produktion der Turbinentei-
le erfolgt automatisiert, wird aber auch kombiniert mit Handarbeit. So werden bei-
spielsweise die Schaufeln von speziell ausgebildeten Fachkräften von Hand in die Wel-
len eingeschlagen. Den Abschluss unseres Rundganges bildete der Generatorenbau.
Dank unserer beiden sympathischen, kompetenten Werksführer, die gerade ein duales
Studium im Bereich Maschinenbau/Produktdesign absolvieren, erhielten wir in zwei
Stunden einen kleinen Einblick in die Fertigung.
Bei einer Mittagspause in einem Restaurant gab es genügend Gelegenheit zum
Austausch in gemütlicher Runde.
Einen guten Kontrast zum Vormittag bildete eine spannende, kurzweilige Führung im
Kunstmuseum. Bereits vor der Eröffnung der neuen Ausstellung am 22. Februar
durften wir einen Blick in einen Ausstellungsraum werfen und beendeten unseren
Besuch in der größten Zille-Sammlung außerhalb Berlins.
Petra Wiora-Köster
Die
lehrer nrw
Gruppe erhielt bei
der Führung durch den Mülhei-
mer Standort des Energietech-
nologie-Unternehmens Siemens
Energy interessante Einblicke.
lehrer nrw ·
2/2025
28
Zu viel ist
zu viel
Die Arbeitsbelastung der Lehrerinnen und Lehrer in Nord-
rhein-Westfalen nimmt überhand. Manche suchen ein Ent-
rinnen aus einem überlastenden Alltag in der Reduzierung
von Stunden. Wenn das nicht möglich sein sollte, kann eine
Überlastungsanzeige das Mittel der Wahl sein.
»
»L
Lehrkräfte haben nachmittags ja
frei.« Hinter diesem hartnäckigen
Vorurteil steckt ein oberflächliches Bild ei-
ner Lehrkraft, die – grob gesagt – ungefähr
nur die Hälfte der Zeit mit Arbeit verbringt,
während andere mit einem Arbeitsplatz in
einem Büro, Atelier, Führerhaus oder einer
Industrieanlage ganztags schuften müssen.
Wenn das wirklich so wäre, dann müssten
ja eigentlich viel mehr Menschen Lehrer
oder Lehrerin werden wollen. Doch Realität
ist, dass es in Deutschland – auch in Nord-
rhein-Westfalen – einen eklatanten Lehrer-
mangel gibt. Allein in Nordrhein-Westfalen
sind 7.000 Stellen unbesetzt.
Lehrermangel wird auf
den Schultern des aktiven
Personals ausgetragen
Als Grund dafür wird unter anderem gese-
hen, dass man die Zunahme der Zuwande-
rung nicht beim Aufbau von Stellen voraus-
gesehen und berücksichtigt hat. Sicher
liegt der Mangel ebenso daran, dass im-
mer weniger junge Leute in den Lehrberuf
gehen wollen. Und warum das? Ganz ein-
fach: Der Lehrermangel selbst hat letzten
Endes gravierende Auswirkungen auf das
Arbeitspensum der Lehrerinnen und Lehrer
im aktiven Dienst – denn auf deren Schul-
tern wird der Mangel ausgetragen.
Man kann dem NRW-Schulministerium
nicht vorwerfen, nicht so einiges versucht
zu haben, um auch im Sinne der Reduzie-
rung der Arbeitsbelastung der aktiven
Kräfte den Mangel zu bekämpfen: So wird
zum Beispiel die Zahl der Studienplätze
ausgebaut, so werden mehr Quereinsteiger
eingestellt. Diese Maßnahmen erweisen
sich jedoch eher als Tropfen auf dem hei-
ßen Stein. Weil sie zumindest kurzfristig
keinen Erfolg versprechen, greift das Mi-
nisterium auch zu unpopulären Mitteln.
Dazu zählt die Einschränkung der Möglich-
keit, in Teilzeit arbeiten zu können.
Rasanter Zuwachs an
Teilzeitanträgen aus
gesundheitlichen Gründen
Diese Einschränkung gilt natürlich nicht,
wenn die Antragstellerin oder der Antrag-
steller gesundheitliche Gründe vorweisen
kann, dass er oder sie einer höheren oder
vollen Stundenbelastung nicht gewachsen
ist. Das Wissen darum scheint sich wie ein
Lauffeuer verbreitet zu haben, denn die
Zahl entsprechender Anträge ist deutlich
gestiegen. Auch die Anzahl von Fällen von
Teildienstfähigkeit nach vorausgehender
amtsärztlicher Beurteilung lag 2024 mit
1067 Fällen um das Fünffache höher als
2020 – und das nicht nur pandemiebe-
dingt.
Klar ist damit, dass ein Großteil der
Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen ihr
Arbeitspensum auf einer entsprechenden
Skala nicht bei ‘viel’ oder ‘sehr viel’, son-
dern bei ‘zu viel’ einstufen würden. Darun-
ter wird nach verständiger Betrachtung
aber eine überwiegende Zahl sein, die eine
Lösung nicht in der Reduzierung von Stun-
den sieht, sondern in einem Mittel, die
Missstände so konkret wie möglich zu
beseitigen. Und dies insbesondere für die
betroffene Person selbst. Dies kann das
Stellen einer Überlastungsanzeige sein.
RECHT§AUSLEGER
von CHRISTOPHER LANGE
Foto: AdobeStock/contrastwerkstatt
Wenn Stress und Belastung am Arbeitsplatz
Schule zum Dauerzustand werden, kann ein
möglicher Ausweg darin liegen, eine
Überlastungsanzeige zu stellen.
Signal, dass der
Arbeitsaufwand nicht
mehr zu bewältigen ist
Eine Überlastungsanzeige dient nach den
Gedanken des Arbeitsschutzgesetzes in
erster Linie dazu zu dokumentieren, dass
eine Lehrkraft aufgrund von übermäßigen
Arbeitsbelastungen ihre Aufgaben nicht im
üblichen und adäquaten Maß erfüllen
kann. Sie stellt eine formelle Mitteilung an
die Dienstvorgesetzten dar, die darauf hin-
weist, dass die Arbeitsbelastungen nicht
den zumutbaren und insbesondere ver-
traglichen beziehungsweise rechtlichen
Anforderungen entsprechen. Ziel ist es,
eine Lösung oder Unterstützung zu finden,
bevor die Belastung zu einer Gefährdung
der Gesundheit oder einer Beeinträchti-
gung der Unterrichtsqualität führt. Eine
Überlastungsanzeige muss damit nicht
zwingend eine sofortige Entlastung zur
Folge haben, sondern ist ein Signal dahin-
gehend, dass der Arbeitsaufwand nicht
mehr zu bewältigen ist. Einschränkungen,
die überlastungsbedingt auftreten können,
sollten möglichst konkret benannt werden
(zum Beispiel bei der Betreuung von Ar-
beitsgemeinschaften oder Praktikantinnen
und Praktikanten). Ebenso Gründe für die
Problematiken (beispielsweise Klassengrö-
ße, Menge der Korrekturen, fehlende Ver-
tretungsreserven).
Die Schulleitung ist gemäß. § 59 Abs. 8
Schulgesetz NRW für den Arbeits- und Ge-
sundheitsschutz verantwortlich und in der
Folge richtiger unmittelbarer Adressat der
Überlastungsanzeige (in der Praxis ist da-
bei auch eine Adressierung an den Dienst-
herrn auf dem Dienstweg über die Schul-
leitung verbreitet). Sofern bauliche Mängel
angezeigt werden sollen, sind diese zu-
nächst dem Schulträger schriftlich zu mel-
den. Falls die Schulleitung der Überlas-
tungsanzeige nicht abhelfen kann oder
will, leitet sie diese an die Bezirksregie-
rung als dienstvorgesetzte Stelle zur eigen-
ständigen Prüfung weiter. Das Verfahren
endet sodann entweder mit der begründe-
ten Einleitung oder Ablehnung von Entlas-
tungsmaßnahmen.
Keine Nachteile durch
die Überlastungsanzeige
Niemand muss dabei Nachteile befürchten
und sich scheuen, eine Überlastungsanzei-
ge zu stellen. Denn das Bundesverfas-
sungsgericht hat entschieden, dass die
Folgen der Überlastung weder zum Anlass
für disziplinarische Maßnahmen genommen
werden noch sich bei sonstigen dienstlichen
Maßnahmen, insbesondere Beurteilungen
oder Beförderungen, zum Nachteil des Be-
troffenen auswirken dürfen1. Es ist Aufgabe
des Dienstherrn, durch geeignete Organisa-
tionsmaßnahmen dafür Sorge zu tragen,
dass für die zu bewältigenden Aufgaben in
ausreichendem Maße Personal und sachli-
che Mittel zur Verfügung stehen. Und es ist
Aufgabe und Verpflichtung des Beamten
aus seinem Dienst- und Treueverhältnis,
seine Bedenken unverzüglich geltend zu
machen. Beamtinnen und Beamte tragen
die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit
ihrer dienstlichen Handlungen gemäß Be-
amtenstatusgesetz (BeamtStG). Verletzen
sie vorsätzlich oder grob fahrlässig ihre
Pflichten, sind sie nach dem BeamtStG
zum Schadensersatz verpflichtet.
Angestellte Lehrerinnen und Lehrer sind
nach Treu und Glauben entsprechend
§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch verpflich-
tet, ihre Arbeitsleistung so zu erbringen,
wie es die Rücksicht auf die Verkehrssitte
erfordert. Deshalb müssen sie ihre Vorge-
setzten rechtzeitig darüber informieren,
wenn übertragene Tätigkeiten nur mangel-
haft erledigt werden können.
Wem die Formulierung einer Überlas-
tungsanzeige nicht leicht fällt, kann sich
an den zuständigen Personalrat wenden.
1 BVerfG, Beschluss vom 11. März 2008, Az. 2 BvR 263/07
RECHT§AUSLEGER
Christopher Lange leitet die Rechtsabteilung
des
lehrer nrw
E-Mail: Rechtsabteilung@lehrernrw.de
INFO
Ein Musterantrag einer Überlastungsanzeige steht für Mitglieder
von
lehrer nrw
hier zum Download bereit:
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UEberlastungsanzeige.pdf
lehrer nrw ·
2/2025
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ANGESPITZT
W
Wissen Sie noch, woran die Ampel
gescheitert ist? An 15 bis 20 Milli-
arden Euro. Das war der mutmaßliche
Fehlbetrag für einen ausgeglichenen
Haushalt 2025. Weil die Ministerien
nicht mehr sparen wollten und weil der
Finanzminister trotz sanften Kanzler-
drucks nicht an die Schuldenbremse ran-
wollte, stellte die Ampel den Betrieb ein.
15 bis 20 Milliarden! Lächerlich,
oder? Da kann der künftige Kanzler und
ehemalige Schuldenbremsenabschaf-
fungsbremser nur müde lächeln. Was
machen Friedrich Merz und Lars Kling-
beil als erfolgreichstes Gelddruck-Duett
seit Modern Talking da gerade für
Fantastilliarden locker!
Die Schuldenbremse war schneller
vom Tisch als der Kuchen beim Kinderge-
burtstag. Aufrüstung ist angesagt. Aber
weil wir ja jetzt schlecht bloß noch Pan-
zer und Tarnanzüge produzieren können,
zauberten die beiden Wunderwuzzis
noch ein Sondervermögen aus dem Hut:
500 Milliarden für die Infrastruktur. Das
wird ein knalliges Feuerwerk für die Bau-
konjunktur. Jetzt werden Straßen und
Brücken gebaut und saniert, dass es nur
so scheppert! Die Digitalisierung, das
Gesundheitssystem und die Energienetze
werden ebenfalls aufgemöbelt. Ach ja –
und weil man die Grünen wegen der
Zweidrittelmehrheit bei Laune halten
musste, wird auch noch was für den
Klimaschutz abgezweigt.
Und Bildung? War da was? Nun ja,
ein paar Schulgebäude sanieren, das
wäre schon drin, da hat auch das örtli-
che Handwerk was davon. Aber darüber
hinaus wird’s echt schwierig. Eine echte
Lehrkräfte-Offensive? Eine zeitgemäße
Ausstattung? Kleinere Klassen? Bessere
Personalschlüssel? Das hat auf der Berli-
ner Wünsch-dir-was-Agenda eine eher
gering ausgeprägte Priorität. Außerdem
ist Bildung sowieso Ländersache, mit
solchen Lappalien können sich der
Friedrich und der Lars nicht auch noch
rumschlagen. Bildung scheint getreu
der Lesart von Altkanzler Schröder das
neue ‘Gedöns’ zu sein. Schon irgendwie
wichtig, aber nicht so richtig. Nur dabei,
statt mittendrin.
Nein, politisch sieht es in Sachen Bil-
dung gerade wirklich nicht nach einem
Sondervermögen aus. Eher nach Unver-
mögen. Jochen Smets
Bildung? War da was?
Gefüllte Kalbsbrust – Knospenzeit
Der Frühling beginnt, und überall
sprießen Knospen. Finden Sie in
jeder Zeile ein Wort, das mit dem
vorgegebenen Anfangsbuchstaben
beginnt und mit dem Endbuchsta-
ben endet.
Alle Wortarten sind erlaubt!
Wer möchte, kann versuchen, Begrif-
fe mit Frühlingsbezug zu wählen.
Zusatzaufgabe:
Suchen Sie mindestens 20 Wörter,
die keinen einzigen Buchstaben
aus dem Wort ‘Knospenzeit’
enthalten.
Beispiele für gültige Wörter:
* Bach
* Wald
* Luchs
Oster-Dreh-Rätsel
Die Osterzeit steckt voller Überraschungen – und auch in
diesem Rätsel ist genaues Hinsehen gefragt!
Ihre Aufgabe: In jeder Zeile wurden die Bilder gedreht.
Doch Achtung: In jeder Zeile ist genau ein Bild zusätzlich
gespiegelt!
Finden Sie heraus, welches Bild in jeder Zeile nicht
nur gedreht, sondern auch gespiegelt wurde.
Über Feedback zu meinen Gehirnjogging Übungen würde ich mehr sehr freuen: mail@heike-loosen.de Heike Loosen
HIRNJOGGING
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2/2025 ·
lehrer nrw
Lösung: 2-5-1-3-4
AUFGABE 1
AUFGABE 2