lehrer nrw ·
3/2020
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TITEL
gaben für die jeweiligen Jahrgangsstufen
einzustellen. Oft kommt auch die Lernplatt-
form IServ für den Austausch mit den Schü-
lerinnen und Schülern zum Einsatz. Rege
genutzt wird ebenso die digitale Pinnwand
’Padlet’. An der Realschule Kastanienallee in
Velbert zum Beispiel hat jede Klasse ihr ei-
genes Padlet, das von den Fachlehrkräften
ausgefüllt wurde. »Das Klassen-Padlet konn-
te von der Homepage aufgerufen werden
und war mit einem Passwort geschützt«,
berichtet Schulleiter Olaf Korte. Ein Problem
ist die teils sehr unterschiedliche digitale
Ausstattung der Elternhaushalte: Fast alle
Schüler verfügen zwar über ein internetfähi-
ges Smartphone, haben aber keinen PC,
Laptop, Tablet und auch keine Möglichkeit,
Arbeitsblätter auszudrucken, so Korte.
Dass Lehrerinnen und Lehrer sehr viel Zeit
investierten, um den persönlichen Kontakt
aufrecht zu erhalten, kam bei vielen Eltern
und Schülern sehr gut an. Gerade die jünge-
ren Schüler vor allem der fünften und sechs-
ten Klassen brauchen noch viel Zuwendung,
Erklärung und Anleitung. Viele Eltern zeig-
ten sich dankbar über entsprechende Unter-
stützung von Lehrerseite. Astrid Pradella,
Lehrerin an einer Bielefelder Realschule, hat
für einen Neuntklässler, der keinen Zugang
zum Internet hat, sogar die Aufgaben aus-
gedruckt und persönlich in den Briefkasten
geworfen.
Unterschiedlich
ausgeprägter Arbeitseifer
Sehr unterschiedlich ausgeprägt ist die Ar-
beitsbereitschaft unter den Schülerinnen
und Schülern. Ein Lehrer einer Brennpunkt-
schule im Ruhrgebiet berichtet, er habe sei-
nen beiden Chemieklassen über die Schul-
Homepage Arbeitsmaterial zusammenge-
stellt, mit der Bitte, die ausgefüllten Bögen
abzufotografieren und per Mail an ihn zu-
rückzuschicken. Von insgesamt 51 Schülern
kamen dem fünf (!) nach. Eine einzige Schü-
lerin hatte um mehr Aufgaben gebeten, weil
sie fertig sei. Der Kollege hat sich aber nicht
entmutigen lassen und inzwischen einen ei-
genen YouTube-Kanal eingerichtet und erste
Erklärvideos produziert.
INFO
F
orscher und Experten des Insti-
tuts für Bildungsmanagement
und Bildungsökonomie IBB der
Pädagogischen Hochschule Zug
(Schweiz) und des World Education
Leadership Symposium WELS haben
in einer Umfrage ein Stimmungsbild
zur schulischen Situation in Corona-
Zeiten ermittelt. Für das Schul-Baro-
meter in Deutschland, Österreich
und der Schweiz wurden über 7100
Personen befragt (unter anderem
Schulleitungen, Lehrkräfte, Eltern,
Schülerinnen und Schüler, Schulauf-
sicht/Schulverwaltung).
Die Ergebnisse zeigen, dass die
Krise vor alle im Bereich der Digitali-
sierung große Chancen mit sich
bringt. Lernen mit und durch Tech-
nologie sowie über Technologie sei
gefragt. Digitalisierung könnte ein
Mehr an Differenzierung ermögli-
chen, so das optimistische Fazit der
Autoren des Schul-Barometers.
Andererseits liege die Vermutung
nahe, dass es einen Schereneffekt
gibt, bei Schülerinnen und Schü-
lern, Eltern sowie innerhalb und
zwischen Schulen. »Wir gehen da-
von aus, dass sich in Krisensituatio-
nen verschiedene Schulqualitäten
deutlicher auswirken, vorhandene
Unterschiede sich noch vergrößern.
In der Konsequenz zeigen sich gro-
ße Herausforderungen hinsichtlich
Bildungsgerechtigkeit und Chan-
cengleichheit. (Bildungs-)Verlierer
in der aktuellen Situation sind, so
ist zu befürchten, wahrscheinlich
Schülerinnen und Schüler aus so-
zio-ökonomisch (hoch) benachtei-
ligten Elternhäusern. Schulen mit
einem hohen Anteil an benachtei-
ligten Schülerinnen und Schülern
stehen vor besonders großen
Herausforderungen«, resümieren
die Autoren. Daher werde nach der
Wiederöffnung der Schulen eine
große Aufgabe das Bemühen um
eine Kompensation der Scherenef-
fekte bei den Schülerinnen und
Schülern sein.
Ein weiterer Befund des Schul-
Barometers: Bei den Schülerinnen
und Schülern sind zwei Gruppen
erkennbar: Die einen finden es gut,
in ihrem eigenen Lerntempo und
-rhythmus selbstbestimmter zu ar-
beiten, sie lernen nach eigenen Aus-
sagen jetzt effektiver, kommen gut
mit der Situation zurecht. Die ande-
ren haben Probleme, unter anderem
im Hinblick auf die Strukturierung
ihres Tages, ihrer Aufgaben und ihrer
Motivation. Ihre tägliche Lernzeit
liegt zudem deutlich unter dem
Durchschnitt. Auch hier werden
Anstrengungen der Kompensation
dieser Defizite sehr bedeutsam wer-
den, so das Fazit.
Und schließlich: In den Befunden
des Schul-Barometers zeigt sich eine
hohe Wertschätzung und Anerken-
nung gegenüber der Institution
Schule und der Arbeit der Lehrerin-
nen und Lehrer, gerade auch von
den Elternhäusern.
Schul-Barometer:
Corona-Krise verstärkt
Bildungs-Ungerechtigkeit
INFO
www.Schul-Barometer.net