3
Unter der Lupe
Schulen und
Kitas first!
15
Dossier
Lernen im
Lockdown
28
Recht§ausleger
Muss ich das
wirklich machen?
6
Im Brennpunkt
LOGINEO NRW–
jetzt auch mit
Mitbestimmung!
Pädagogik & Hochschul Verlag
.
Graf-Adolf-Straße 84
.
40210 Düsseldorf · Foto: AdobeStock
1781 | Ausgabe 3/2021 | MAI | 64. Jahrgang
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INHALT
lehrer nrw ·
3/2021
2
UNTER DER LUPE
Sven Christoffer:
Schulen und Kitas first!
3
BRENNPUNKT
Sarah Wanders: LOGINEO NRW –
jetzt auch mit Mitbestimmung!
6
JUNGE LEHRER NRW
Marcel Werner: Gestern noch LAA,
heute KlassenlehrerIn
8
MAGAZIN
Lehrkräfte haften nicht bei Problemen
mit Schüler-Selbsttests
10
TITEL
Vor dem Programmieren
kommt das Analysieren
12
Flickenteppich Informatikbildung
14
DOSSIER
Lernen im Lockdown 15
SCHULE & POLITIK
Ulrich Gräler: Tarifverhandlungen 2021:
Geht schon los!
20
Mit mittlerem Schul-
abschluss zur Polizei
24
BATTEL HILFT
Die Kollateralschäden kommen an 26
SENIOREN
Wandern mit Rheinblick 27
Abenteuer Impftermin-Vergabe
27
IT-Fortbildung abgesagt
27
RECHT
§
AUSLEGER
Christopher Lange: Muss ich
das wirklich machen?
28
ANGESPITZT
Jochen Smets: Neues aus
dem Testzentrum Schule
30
HIRNJOGGING
Aufgabe 1: Wer hat an der Uhr gedreht?
Aufgabe 2: Satzbildung
31
IMPRESSUM
lehrer nrw
– G 1781 –
erscheint sieben Mal jährlich
als Zeitschrift des
‘lehrer nrw’
ISSN 2568-7751
Der Bezugspreis ist für
Mitglieder des
‘lehrer nrw’
im Mitgliedsbeitrag enthal-
ten. Preis für Nichtmitglieder
im Jahresabonnement:
35,– inklusive Porto
Herausgeber und
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lehrer nrw
Nordrhein-Westfalen,
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40210 Düsseldorf,
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Redaktion
Sven Christoffer,
Ulrich Gräler,
Christopher Lange,
Jochen Smets,
Sarah Wanders,
Marcel Werner
Düsseldorf
Verlag und
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PÄDAGOGIK &
HOCHSCHUL VERLAG
dphv-verlags-
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Zur Zeit gültig:
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vom 1. Oktober 2020
Zuschriften und
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40210 Düsseldorf
Für unverlangt eingesandte
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währ übernommen werden.
Namentlich gekennzeichnete
Beiträge geben die Meinung
ihrer Verfasser wieder.
Schulen und
Kitas first!
Es ist etwas faul im Staate Deutschland…
E
E
s ist evident, dass Kinder und Jugendliche
zu den größten Verlierern der Pandemie
gehören. Die psychischen und sozialen
Folgen monatelangen Distanzunterrichts sind
hinlänglich untersucht und kommuniziert wor-
den. Deshalb ist die gesellschaftspolitische Set-
zung, Schulen und Kindertagesstätten zuerst zu
öffnen und zuletzt zu schließen, unter diesem
Gesichtspunkt absolut nachvollziehbar. Nicht
nachvollziehbar ist für mich jedoch, dass nicht
mit derselben Vehemenz alles dafür getan wird,
Schulen und Kitas sicher zu machen. Es ist etwas
faul im Staate Deutschland, wenn Luftfilteranla-
gen im Landtag, nicht aber in unseren Schulen
und Kitas stehen. Es ist etwas faul im Staate
Deutschland, wenn Selbsttests in den Regalen
von Aldi und Lidl liegen, bevor sie an Schulen
zum Einsatz kommen. Es ist etwas faul im Staate
Deutschland, wenn Lehrkräften die Anleitung,
Beaufsichtigung, Ergebniskontrolle und Doku-
mentation der Schülerselbsttests zugemutet
wird und dabei Vorgaben des Daten-, Arbeits-
und Gesundheitsschutzes übergangen werden.
Impfangebote
für alle Lehrkräfte
Das Coronavirus und die sich zurzeit ausbrei-
tenden Mutationen gefährden die Gesundheit
aller am Schulleben Beteiligten massiv. Um den
Arbeitsplatz Schule zu einem sicheren Ort zu
machen, bedarf es daher aus meiner Sicht ne-
ben den bisher ergriffenen Maßnahmen und
den Schnelltests für Schülerinnen und Schüler
eines unverzüglichen Impfangebots für alle
Lehrkräfte sowie die sonstigen im Landesdienst
stehenden pädagogischen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter.
Der Hauptpersonalrat Real-
schulen, dessen Vorsitzender ich bin,
hat deshalb am 23. März in einem Initiativ-
antrag gefordert, dass das Ministerium für
Schule und Bildung NRW in Zusammenarbeit
mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit
und Soziales NRW allen Lehrkräften sowie den
sonstigen im Landesdienst stehenden pädago-
gischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern un-
verzüglich ein Impfangebot als Maßnahme zur
Gesundheitsprävention unterbreitet.
Drei gute Gründe
Dafür gibt es zahlreiche gute Gründe. Das
Gremium hat sich in seiner Antragsbegründung
auf drei wesentliche fokussiert:
1. An Arbeitsplätzen, an denen die Menschen
im Inneren eines Gebäudes einer Vielzahl
von Kontakten ausgesetzt sind und an de-
nen Abstände nicht eingehalten werden
können, ist das Infektionsrisiko besonders
hoch. Beide Tatbestände sind an weiterfüh-
renden Schulen erfüllt: Anders als in
Grundschulen, wo der Unterricht konse-
quent im Wechselmodell abgehalten wird,
können die Abschlussklassen laut Schul-
mail auch in voller Klassenstärke unterrich-
tet werden. An den weiterführenden Schu-
len gibt es in der Jahrgangsstufe 10 nicht
selten Klassengrößen von dreißig und
mehr Schülerinnen und Schülern. Deshalb
ist es schlicht nicht möglich, Mindestab-
stände einzuhalten.
An den weiterführenden Schulen wird
der Unterricht nach dem Fachlehrerprinzip
abgehalten. Somit haben Kolleginnen und
Kollegen an weiterführenden Schulen täg-
lich Kontakt zu einer Vielzahl wechselnder
Schülerinnen und Schüler. Hinzu kommen
die Kontakte innerhalb des Kollegiums.
3
3/2021 ·
lehrer nrw
UNTER DER LUPE
von SVEN CHRISTOFFER
lehrer nrw ·
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UNTER DER LUPE
2. Eine Reihe von Studien belegen, dass ältere
Schülerinnen und Schüler infektiöser sind als
jüngere. Auf dieses Faktum hat das Schulmi-
nisterium in seiner Schulmail vom 11.März
2021 selbst indirekt verwiesen: »Mit der
Bereitstellung der Tests beginnen wir also
schon in der kommenden Woche an den
weiterführenden Schulen. Dabei haben wir
uns zunächst daran orientiert, dass Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler und Ex-
pertinnen und Experten von einem im Ver-
gleich niedrigeren Infektionsgeschehen an
Schulen der Primarstufe ausgehen.« Es muss
also im Umkehrschluss davon ausgegangen
werden, dass das Infektionsgeschehen an
weiterführenden Schulen vergleichsweise
hoch ist.
3. Ein Großteil der weiterführenden Schulen
arbeitet im Gemeinsamen Lernen. Schülerin-
nen und Schüler mit Förderbedarf können
nicht sinnvoll unter Einhaltung der Ab-
standsregeln beschult und betreut werden.
Das Gemeinsame Lernen ist gemeinsame
Aufgabe der gesamten Schulgemeinde. Be-
teiligt sind daran alle Schülerinnen und
Schüler, alle Lehrerinnen und Lehrer (sowohl
‘Regellehrkräfte’ als auch Sonderpädagogin-
nen und Sonderpädagogen), Fachkräfte für
Schulsozialarbeit, Mitarbeitende in multipro-
fessionellen Teams sowie Schulbegleiterin-
nen und Schulbegleiter.
Impfschutz für Lehrkräfte
ist Bevölkerungsschutz
Mir ist natürlich bewusst, dass der Vorwurf an
mich herangetragen werden wird, ich würde als
Gewerkschaftsfunktionär in unethischer Weise
Klientelpolitik betreiben. Dem möchte ich je-
doch entgegensetzen: Impfschutz für Lehrkräfte
ist Bevölkerungsschutz. Nachweislich sind Lehr-
kräfte diejenige Personengruppe, die in Schule
am häufigsten infiziert wird und deshalb auch
selbst am häufigsten andere Menschen an-
steckt. Ausbrüche an Schulen führen deshalb
zwangsläufig zu Ausbrüchen in den Familien
der am Schulleben Beteiligten. Wer die Pande-
mie in den Griff kriegen will, muss diese Infekti-
onsketten unterbrechen. Dazu braucht es regel-
mäßige Selbsttests für Schülerinnen und Schüler
und Impfangebote für alle Lehrkräfte. Und das
besser heute als morgen!
Sven Christoffer ist Vorsitzender des
lehrer nrw
sowie Vorsitzender des HPR Realschulen
E-Mail: christoffer@lehrernrw.de
Impfen ist der Schlüssel zur Bewältigung
der Corona-Pandemie.
Doch bei der Impfkampagne sind Lehrkräfte an weiterführen-
den Schulen bisher außen vor – obwohl sie nachweislich ein
hohes Risiko haben, am Arbeitsplatz Schule infiziert zu wer-
den und in der Folge auch andere anzustecken.
Foto: AdobeStock/erika8213
lehrer nrw ·
3/2021
6
LOGINEO NRW –
jetzt auch mit Mitbestimmung!
Die Einführung des neuen Lernmanagementsystems (LMS)
und des Messengers im Rahmen der LOGINEO NRW Familie
zeigt, wie wichtig Mitbestimmung durch die Personalräte ist.
Ü
Ü
blicherweise ist der Prozess der
Digitalisierung ein schleichender.
Arbeitsprozesse werden schrittwei-
se verändert, evaluiert und ggf. angepasst.
Schulen wurden jedoch zu Beginn der Pan-
demie im letzten Frühjahr von der Digitali-
sierung überrollt. Von jetzt auf gleich sollte
alles funktionieren, was über Jahre ver-
schlafen wurde. Und gerade an diesem
Punkt ist die Mitbestimmung durch die
Personalräte umso wichtiger, denn mit der
Digitalisierung sind natürlich viele Fragen
und Probleme verbunden, zum Beispiel die
Entgrenzung von Arbeitszeit. Gerade zu
diesem Aspekt erreichten die Personalräte
und auch unseren Verband unzählige Pro-
blemanzeigen von Lehrkräften. Man hatte
den (berechtigten) Eindruck, dass plötzlich
eine permanente Erreichbarkeit von den
Beschäftigten erwartet wurde. Zudem gab
es zahlreiche Bedenken bezüglich der Leis-
tungs- und Verhaltenskontrolle durch
Schulleitungen.
Mitbestimmung ist wichtig!
Neben LOGINEO NRW stellt das Land den
Schulen sowohl das LOGINEO NRW Lern-
managementsystem (LMS) als auch den
LOGINEO NRW Messenger, an den ein
Videokonferenztool angedockt werden
kann, kostenlos zur Verfügung. Das LOGI-
NEO NRW LMS sowie der Messenger kön-
nen unabhängig davon genutzt werden,
ob die Schule mit LOGINEO NRW arbeitet.
Da viele Schulen sich zu Beginn der Pande-
mie schon auf den Weg gemacht und eige-
ne Systeme gefunden hatten, mussten die
Produkte der LOGINEO Familie den Schu-
len schnell zur Verfügung gestellt werden.
Aus diesem Grund wurden sie im Rahmen
des § 66 Abs. 8 LPVG (vgl. ’Mitbestimmung
in der Krise’, Ausgabe 4/2020) eingeführt
und die Mitbestimmung nachgeholt. Auch
wenn Staatssekretär Mathias Richter in der
Öffentlichkeit ab und zu kommuniziert, dass
die Mitbestimmung in den Hauptpersonalrä-
ten teilweise der Grund für die Verzögerung
bei wichtigen Projekten (wie z.B. Fortbildun-
gen) sei, so zeigt sich am Beispiel des LOGI-
NEO NRW LMS und des LOGINEO NRW
Messengers, wie wichtig die Mitbestim-
mung ist und wie viel durch diese Mitbe-
stimmung für die Beschäftigten erreicht
werden kann.
Die neue Rahmen-
mediennutzungsordnung
Gerade an dieser Stelle konnte viel in en-
gem und regelmäßigem Austausch mit der
zuständigen Abteilung 4 im Schulministeri-
um (MSB) für die Kolleginnen und Kollegen
erreicht werden. Hier einige Auszüge aus
der neuen Rahmenmediennutzungsord-
nung:
von SARAH WANDERS
BRENNPUNKT
Für Lehrkräfte stark gemacht:
Wie wichtig Mitbestimmung ist, zeigt
sich am Beispiel der LOGINEO NRW
Produktfamilie.
Foto: AdobeStock/Yevhen
BRENNPUNKT
7
3/2021 ·
lehrer nrw
2. Allgemeine Grundsätze einer
Kommunikation über die Kom-
ponenten der Produktfamilie
LOGINEO NRW
»Mitteilungen können auf elektronischem
Weg ohne Zeitverzögerung zugestellt wer-
den. Es ist aber
nicht zumutbar, dass die
Nutzerinnen und Nutzer ständig ihr
E-Mail-Fach kontrollieren, Miteilungen
innerhalb von Chaträumen des Mes-
sengers lesen oder auf Benachrichti-
gungen innerhalb des Lernmanage-
mentsystems reagieren.«
»Eine Pflicht von Lehrkräften zur
ständigen Kontrolle und Überprüfung
der Kommunikation in den selbst er-
stellten oder genutzten Kommunikati-
onsräumen besteht nicht.«
3. Nutzung der E-Mail-Komponente:
»Eine Nachricht per E-Mail gilt als zur
Kenntnis genommen, wenn sich die Lehr-
kraft oder das weitere Schulpersonal/
ZfsL-Personal nach Versand der E-Mail
wieder an der Schule/dem ZfsL aufhält und
somit verpflichtet ist –
analog zur Nach-
richt in Papierform
– Informationen aus
dem Postfach oder E-Mail-Posteingang zur
Kenntnis zu nehmen. Dies gilt namentlich
auch für
Teilzeitkräfte; eine Verpflich-
tung zur Sichtung von E-Mail-Eingän-
gen auf der dienstlich eingerichteten
E-Mail-Adresse an planmäßig unter-
richts-/veranstaltungsfreien Tagen be-
steht nicht.
Insbesondere ergibt sich aus
der Einrichtung einer E-Mail-Adresse
nicht
eine weitergehende Pflicht zur Ein-
sicht bei den dortigen Eingängen ge-
genüber den herkömmlichen Postfä-
chern.«
6. Nutzung des LOGINEO NRW
Messengers und des
Videokonferenztools
»Die Nutzung des Messengers beinhaltet
keine Verpflichtung zur ständigen Kon-
trolle von Chaträumen oder Reaktion
auf Mitteilungen.
An digitale Chat- und
Videokonferenzräume bestehen dieselben
Anforderungen wie an das Klassenzimmer
in der Schule. Dies bedeutet, dass eine
Leistungs- und Verhaltenskontrolle von
schulischem Personal bei der Arbeit mit
Messenger oder Videokonferenztool durch
die Schulleitung, Seminarleitung, Abtei-
lungsleitung oder andere Stellen und Per-
sonen
nicht zulässig ist.
Anderes gilt für
Hospitationen im Rah-
men der Wahrnehmung von Führungsauf-
gaben bei der Beschaffung von Informatio-
nen und Eindrücken zur Unterrichts- und
Schulkonzeptentwicklung, ’Einsichtnahme
von Unterricht im Rahmen der Lehreraus-
bildung’ oder bei dienstlichen Beurteilun-
gen. Die Art der Einsichtnahme in die pä-
dagogische Arbeit mit Messenger bzw. Vi-
deokonferenztool zu diesen Zwecken
muss
den schulinternen Vereinbarungen ent-
sprechen, wie sie auch für Unterrichts-
hospitationen im Klassenraum gelten.
Die Nutzerinnen und Nutzer sind über die-
se Vorgehensweisen und Vereinbarungen
vor Beginn von Hospitationen zu infor-
mieren.
Jede Einsichtnahme wird in der-
selben Weise dokumentiert, wie dies für
Hospitationen im regulären Unterrichtsbe-
trieb erforderlich und festgelegt ist.
Art, Zeit und Umfang der Beteiligung an
der dienstlichen/schulischen Kommunikation
außerhalb der Dienstzeiten/Unterrichtszeiten
an der Schule obliegt den jeweiligen Nutze-
rinnen und Nutzern.
Außerhalb dieser Zei-
ten kann dieses nicht erwartet werden.
Die anlassbezogene Nutzung des im
LOGINEO NRW Messenger enthaltenen
Videokonferenztools ist
freiwillig. Es obliegt
den einzelnen Nutzerinnen und Nutzern,
sich an einer Videokonferenz zu beteiligen.
Insbesondere das Einschalten der Kame-
rafunktion ist nicht verpflichtend.«
7. Nutzung des
Lernmanagementsystems
»Aus der technischen Möglichkeit, Unter-
richtsinhalte in digitalen Kursstrukturen
des Lernmanagementsystems abzubilden,
resultiert
keine Verpflichtung der Lehr-
kräfte, ihre analogen Lernangebote zu-
sätzlich vollständig digital abzubilden.
An digitale Kursräume bestehen dieselben
Anforderungen wie an das Klassenzimmer
in der Schule
Der Passus bezüglich der Leistungs- und
Verhaltenskontrolle sowie bezüglich der
Hospitationen ist analog zum LOGINEO
NRW Messenger formuliert.
Die Administratorenverpflichtung
Ein Auszug: »Die Auswertung personenbe-
zogener Protokolldaten muss immer im Vier-
Augen-Prinzip, unter Beachtung der perso-
nalrechtlichen Beteiligungspflichten und un-
ter Einbeziehung der organisationseigenen
Datenschutzbeauftragten erfolgen. Jede
Übermittlung oder Weitergabe von Daten an
Dritte ist nur zulässig, wenn sie ausdrücklich
gestattet ist. Im Zweifelsfall ist eine Geneh-
migung der bzw. des Verantwortlichen ein-
zuholen und/oder die behördlichen Daten-
schutzbeauftragten in eine Entscheidung
einzubeziehen.
Grundsätzlich ist die Administration
nicht durch die Schulleitung vorzuneh-
men, Ausnahmen erfordern das Einver-
nehmen mit dem Lehrerrat.
Alle Perso-
nen, die diese Tätigkeiten übernehmen, sind
über eine Administratorenverpflichtung auf
Ihre Rechte und Pflichten hinzuweisen.«
Auch hier wurde der Leistungs- und Ver-
haltenskontrolle vorgebeugt.
Die vorangegangenen Punkte zeigen, dass
viel im Sinne der Beschäftigten durch den
Einsatz der Personalräte erreicht wurde.
Dies hätte nicht gelingen können, wäre man
nicht in der Mitbestimmung gewesen. Die
Produkte der LOGINEO NRW Familie sind si-
cherlich nicht perfekt. Es mag Produkte ge-
ben, die anwenderfreundlicher sind oder auf
die man sich in den Monaten vor der Bereit-
stellung der Landesprodukte als Schulge-
meinde schon eingestellt hatte. Dennoch
bleibt festzuhalten, dass die oben zitierten
Bedingungen zunächst nur für diese mitbe-
stimmten Produkte gelten.
Die Mitbestimmung ist manchmal ein lan-
ger und zäher Prozess, aber es lohnt sich,
diesen Weg zu gehen!
Sarah Wanders ist stellv. Vorsitzende
des
lehrer nrw
E-Mail: wanders@lehrernrw.de
lehrer nrw ·
3/2021
8
JUNGE LEHRER NRW
von MARCEL WERNER
Gestern noch LAA,
heute KlassenlehrerIn
Eine Klassenleitung bringt organisatorische Aufgaben und in
gewissem Umfang auch Mehrarbeit mit sich – aber eben auch
sichtbaren Erfolg, der sich zum Beispiel im Zusammenwachsen
der Klassengemeinschaft zeigt.
W
W
ir LehrerInnen genießen es, die
SchülerInnen in ihrer Entwicklung
zu begleiten, sie hierbei zu fördern
und sie in all ihren Lebenslagen zu unter-
stützen. Im Zuge der Lehrerausbildung habt
Ihr die inhaltliche Vielfalt, die unsere Fächer
bieten, kennengelernt und hattet auch auf-
grund Eures jungen Alters einen erheblichen
Bonus bei den SchülerInnen. Viele Lehramts-
anwärterInnen werden sich daher während
der Ausbildung schon fest vorgenommen
haben, eine Klassenleitung zu übernehmen.
Die erste Klassenleitung birgt allerdings
neben den rechtlichen Aufgaben (siehe Kas-
ten) eines Klassenlehrers auch noch viele an-
dere Herausforderungen. Ihr werdet nach der
Zuteilung feststellen, das ist jetzt »meine
Klasse« (in meinem Fall ist es damals eine
fünfte Klasse gewesen). Euch wird rasch be-
wusst, dass sich eine besondere Bindung zwi-
schen Euch und den SchülerInnen aufbaut.
Diesen Vorteil solltet Ihr nutzen und ausbau-
en. Eine positive Lehrerpersönlichkeit und ein
strukturiertes Klassenmanagement werden
dabei von Nutzen sein. Die SchülerInnen soll-
ten in Euch jemanden sehen, der immer ein
offenes Ohr für sie hat. Eine sehr gute Ver-
trauensbasis hilft nicht nur in Konfliktsituatio-
nen, sondern im gesamten Schulalltag.
Auch in der jetzigen Coronapandemie hat
sich die Arbeit, die ich vorher in meine Klasse
gesteckt habe, ausgezahlt. Ich wusste genau,
welche Schülerin und welcher Schüler mehr
Unterstützung benötigt, da zuhause keine
gegeben ist. Aber auch mein konsequentes
Handeln in Bezug auf die Hausaufgaben hat
sich ausgezahlt – aufgrund dessen lag die
Abgabequote meiner Klasse bei nahezu 100
Prozent. Ein gutes Klassenmanagement be-
steht aus dem Dreiklang Lehrerpersönlich-
keit, Teamarbeit mit den Kollegen und der
Elternarbeit.
Lehrerpersönlichkeit
Ihr solltet Euren SchülerInnen immer positiv
gegenüber eingestellt sein, denn gerade im
Gesamt-, Real- und Hauptschulbereich ist es
wichtig, dass ihr eine Vertrauensbasis schafft.
Die Schülerinnen müssen dazu aber ihre
Grenzen kennen und sich über Konsequenzen
bei Regelverstößen im Klaren sein. Scheut
Euch also nicht, erfahrene Kollegen oder die
Schulleitung um Rat zu fragen.
Eine Klassenleitung bringt viel
Verantwortung mit sich,
aber auch viel
Erfüllung, weil man schnell spürt, wie sich eine
Klassengemeinschaft herausbildet.
Foto: AdobeStock/MandicJovan
AUFGABEN, RECHTE UND PFLICHTEN
Die rechtlichen Rahmenbedingungen rund um die Aufgabe eines Klassenlehrers
oder einer Klassenlehrerin regelt § 18 der ’Allgemeinen Dienstordnung für Leh-
rerinnen und Lehrer, Schulleiterinnen und Schulleiter an öffentlichen Schulen’
(ADO). Im Einzelnen heißt es hier:
JUNGE LEHRER NRW
Marcel Werner ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft
junge
lehrer nrw
E-Mail: werner@lehrernrw.de
Teamarbeit mit
den Kollegen
Insbesondere wiederkehrende Strukturen
geben den SchülerInnen Halt, daher ist es
wichtig, sich mit den Fachlehrern abzuspre-
chen und diese Vereinbarungen verbindlich
umzusetzen. Denn kein Klassenlehrer will
ständig Klagen aus dem Kollegium über
seine Klasse hören. Ihr werdet sehr schnell
feststellen, dass Ihr Euch bei Regelverstö-
ßen Eurer Schützlinge mitverantwortlich
fühlt. Ein Austausch mit den Kolleginnen
und Kollegen hilft daher, im Vorfeld präven-
tiv tätig zu werden, und Eure Klasse wird
schnell feststellen, dass Ihr miteinander
sprecht und immer im Bilde seid.
Elternarbeit
Ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg ist die
Elternarbeit. Diese erfordert eine gewisse
Kontinuität, die sich aber auszahlen wird.
Der Kontakt sollte immer zeitnah erfolgen,
und ein Telefonat hilft meist mehr als ein
Elternbrief oder ein Eintrag in den Hausauf-
gabenplaner. Ebenfalls sollte es nicht nur
ein Austausch über negatives Verhalten
sein, denn auch Eltern wollen mal hören,
dass wir positiv von ihren Kindern denken.
Letztlich lässt sich aber festhalten, dass
Ihr trotz der organisatorischen Aufgaben
(siehe Kasten) und der Mehrarbeit mit
dem sichtbaren Erfolg und der Entwicklung
Eurer Klassengemeinschaft belohnt werdet.
§ 18: Klassenlehrerin, Klassenlehrer
(1) Für jede Klasse bestimmt die Schulleiterin
oder der Schulleiter im Benehmen mit der
Lehrkraft eine Klassenlehrerin oder einen
Klassenlehrer. Diese oder dieser soll im be-
sonderen Maße auf die erzieherische und
fachliche Förderung der Schülerinnen und
Schüler der Klasse hinwirken. Sie achten
darauf, dass die Klasse, insbesondere durch
den Umfang der Hausaufgaben und die Ver-
teilung der Klassenarbeiten, im Laufe des
Schuljahres ausgewogen und nicht unange-
messen belastet wird.
(2) Die Klassenlehrerin oder der Klassenlehrer
informiert und berät die Klasse bei Bedarf
in allen schulischen Angelegenheiten, ins-
besondere in Fragen der Schullaufbahnen,
soweit diese Aufgabe nicht von Beratungs-
lehrerinnen oder Beratungslehrern (§ 9 Ab-
satz 4) wahrgenommen wird. In Gesprä-
chen und im Rahmen von Klassenkonferen-
zen informiert sich die Klassenlehrerin oder
der Klassenlehrer über das Verhalten und
die Leistungen der Schülerinnen und Schü-
ler im Unterricht der anderen Lehrerinnen
und Lehrer.
(3) Die Klassenlehrerin oder der Klassenlehrer
führt den Vorsitz in der Klassenkonferenz
71 Absatz 1 Satz 2 SchulG) und ist mit
beratender Stimme Mitglied der Klassen-
pflegschaft (§ 73 Absatz 1 Satz 1 SchulG).
Die Klassenlehrerin oder der Klassenlehrer
fördert und koordiniert die Kontakte zu den
Eltern (§ 123 SchulG) und benachrichtigt sie
bei besonderen Anlässen. Entsprechendes
gilt hinsichtlich der für die Berufserziehung
Mitverantwortlichen.
(4) Die Klassenlehrerin oder der Klassenlehrer
sorgt dafür, dass die die Klasse betreffen-
den Unterlagen ordnungsgemäß erstellt
und geführt werden (insbesondere das
Schülerstammblatt gemäß § 4 Absatz 4
VO-DV I – BASS 10-44 Nr. 2.1, das Klassen-
buch, die Zeugnisse, die Abwesenheitsliste
und die Entschuldigungen). Die Klassenleh-
rerin oder der Klassenlehrer sorgt für die
Durchführung vorgeschriebener ärztlicher
Untersuchungen und für die Fertigung von
Gutachten zu Übergangsverfahren und er-
ledigt die damit zusammenhängenden Auf-
gaben einschließlich der Vorbereitung der
Klassen- und Versetzungskonferenzen.
(5) Bei Schulwanderungen und Schulfahrten be-
gleitet in der Regel die Klassenlehrerin oder
der Klassenlehrer die Klasse; in begründeten
Fällen kann die Schulleitung eine andere Re-
gelung treffen (Richtlinien für Schulfahrten
– RdErl. v. 19.03.1997 – BASS 14-12 Nr. 2).
Besondere Veranstaltungen der Klasse (z.B.
Betriebsbesichtigungen, Feiern) sind mit der
Schulleitung abzustimmen.
Quelle: https://bass.schul-welt.de/
12374.htm#21-02nr4p18
lehrer nrw ·
3/2021
10
MAGAZIN
Lehrkräfte haften nicht bei Problemen
mit Schüler-Selbsttests
D
D
ie Frage der Handhabung der Coro-
na-Selbsttests für Schülerinnen und
Schüler in den Schulen hat für gro-
ße Verunsicherung gesorgt. Zahlreiche An-
fragen dazu haben in den letzten Wochen
den Hauptpersonalrat Realschulen erreicht
– insbesondere die Sorge vor einer mögli-
chen Haftung von Lehrkräften bei fehler-
hafter Anwendung der Selbsttests stand
dabei im Fokus. Der HPR-Vorsitzende Sven
Christoffer richtete darum unmittelbar
nach Erscheinen der Schulmail vom
11. März ein Schreiben an das NRW-Schul-
ministerium (MSB) mit der Bitte um Klä-
rung des Sachverhalts. Die zentrale Frage
war dabei, ob beispielsweise bei fehlerhaf-
ter Durchführung/falschem Testergebnis
oder bei gesundheitlichen Beeinträchtigun-
gen als Folge der Testung die grundsätzlich
mit Aufsichtspflichten und deren Verletzun-
gen einhergehenden Haftungstatbestände
ausgelöst werden könnten. Diese Frage
verneint das Schulministerium in der Ant-
wort, die am 23. März beim HPR einging.
Hier die Antwort des MSB im Wortlaut:
»Zu Ihrer Frage, ob bei fehlerhafter
Durchführung der Selbsttests, falschem
Testergebnis oder bei gesundheitlichen
Beeinträchtigungen als Folge der Tes-
tung Haftungstatbestände ausgelöst
werden, gebe ich Ihnen gerne weitere
Informationen.
Zur Durchführung der sogenannten
Selbsttests an Schulen wurden in der
SchulMail vom 11. März 2021 sowie in
der SchulMail vom 15. März 2021 und
deren Anlagen weiterführende Hinwei-
se gegeben.
Eltern können der Teilnahme ihres
Kindes an der Selbsttestung widerspre-
chen. Die freiwilligen Selbsttests führen
die Schülerinnen und Schüler unter
Aufsicht und Anleitung von Lehrkräften
oder sonstigem schulischen Personal
selbst durch. Die Verlässlichkeit des Er-
gebnisses eines Selbsttests ist wesent-
lich von sorgfältigen Probenentnahmen
abhängig. Insbesondere jüngere Kinder
sollen bei den Testungen in geeigneter
Weise durch anschauliche Erklärungen
unterstützt werden.
Die Dienstpflichten der Lehrkräfte im
Rahmen der Selbsttests beschränken
sich auf die in der Schulmail ausgeführ-
ten Aufgaben (Anleitung und Aufsicht
sowie Ergebniskontrolle und Dokumen-
tation der positiven und ungültigen Er-
gebnisse). Medizinische Hilfeleistungen
im Rahmen der Durchführung der
Selbsttests gehören nicht zu dienst- und
arbeitsrechtlichen Pflichten der beamte-
ten und tarifbeschäftigten Lehrkräfte.
Lehrkräfte dürfen also in die konkrete
Durchführung der Tests nicht korrigie-
rend eingreifen.
Mögliche eintretende Schäden in
Form von fälschlicherweise negativem
oder positivem Testergebnis oder Kör-
per- und Gesundheitsschäden beruhen
in der Regel nicht auf Pflichtverletzun-
gen der betroffenen Lehrkräfte, sodass
auch für eine Haftung der Lehrkräfte in
der Regel kein Raum ist.
Selbst wenn ein Schaden durch eine
Pflichtverletzung der Lehrkraft entstan-
den sein sollte, haftet im Außenverhält-
nis – gegenüber dem Dritten – nicht die
Lehrkraft, sondern der Dienstherr (Arti-
kel 34 Grundgesetz i.V.m. § 839 BGB).
Dies ist bei Lehrkräften an öffentlichen
Schulen das Land NRW. Für den Rück-
griff auf die Lehrkraft gilt das sogenann-
te Haftungsprivileg, d.h. nur wenn die
Pflichtverletzung vorsätzlich oder grob
fahrlässig begangen wurde, hat die
Lehrkraft dem Land den daraus entstan-
denen Schaden zu ersetzen (§ 48 Be-
amtStG, § 82 LBG NRW, § 3 Abs. 7 TVL).
Ob die Voraussetzungen für einen Rück-
griff auf die Lehrkraft vorliegen, ist je-
weils im Einzelfall zu prüfen.«
Die von Lehrkräften zu beaufsichtigenden Schüler-Selbsttests
in den Schulen haben in der Lehrerschaft zu vielen Fragen und
Unsicherheiten geführt. Auf Anfrage des Hauptpersonalrats
Realschulen stellte das nordrhein-westfälische Schulministerium
nun klar, dass eine Haftung für Lehrkräfte ausgeschlossen ist.
Tut’s weh? Falls bei den Corona-Selbst-
tests zu fehlerhaften Ergebnissen oder ge-
sundheitlichen Beeinträchtigungen bei Schü-
lerinnen und Schülern kommt, führt das in
keinem Fall zu einer Haftung der beaufsichti-
genden Lehrkraft.
Foto: AdobeStock/Dan Race
lehrer nrw ·
3/2021
12
TITEL
VVoorr ddeemm PPrrooggrraammmmiieerreenn
kkoommmmtt ddaass AAnnaallyyssiieerreenn
Zum Schuljahr 2021/2022 wird an allen Schulformen in
den Klassen 5 und 6 das Pflichtfach Informatik eingeführt.
Prof. Dr. Ludger Humbert (Bergische Universität Wuppertal)
sieht darin eine große Chance, wie er im Interview mit dem
Klett-Themendienst deutlich macht.
Nach den Sommerferien wird Informa-
tik in Nordrhein-Westfalen in den Klas-
sen 5 und 6 zum Pflichtfach. Sie haben
dieses Fach lange gefordert. Sind Sie
zufrieden?
HUMBERT:
HUMBERT: Es ist gut, dass es nun endlich
eingeführt wird. Besser wäre es, damit be-
reits in der ersten Klasse zu beginnen. Wir
haben mit Grundschülern zahlreiche Projek-
te gemacht, die zeigen, dass man ihnen
wunderbar Inhalte und Methoden der Infor-
matik vermitteln kann. Man kann ihnen zum
Beispiel grundlegende Datenstrukturen nä-
herbringen, sie verstehen das. Durch einen
frühen Beginn bricht man Rollenklischees
auf und verhindert, dass viele Mädchen
glauben, dass dieses Fach nichts für sie ist.
Dazu tragen auch negative Erfahrungen im
Fach Mathematik in jungen Jahren bei. Wir
haben dagegen festgestellt, dass Schülerin-
nen mit schlechten Mathe-Noten in Infor-
matik top sein können, weil es darum geht,
Strukturen zu erkennen. Zufrieden kann ich
auch nicht damit sein, dass Informatik in der
Oberstufe den Fächern des naturwissen-
schaftlichen Aufgabenfeldes nicht gleichge-
stellt ist.
Oft wird Informatik mit Programmieren
lernen in Verbindung gebracht. Ist das
ein falscher Eindruck?
HUMBERT:
HUMBERT: Es stimmt, dass früher und
auch heute im Unterricht oft das Program-
mieren im Mittelpunkt stand und steht, oh-
TITEL
13
3/2021 ·
lehrer nrw
ne jeden Kontext. Das ist zu kurz gedacht,
denn ohne eine vorherige grundlegende
Analyse von Datenstrukturen wissen Schüle-
rinnen und Schüler nicht, was sie eigentlich
tun. Man muss wissen, was Daten sind, wie
aus Daten Information wird, wie Daten
durch Algorithmen verarbeitet werden –
darüber muss man nachdenken, denn diese
Schritte entscheiden, wie das Programm
aussehen wird. Kinder und Jugendliche sol-
len selber kreativ werden und Lösungen
entwickeln und nicht ausschließlich mit fer-
tigen Apps arbeiten.
Sie haben Studierende für Informatik
ausgebildet. Gibt es an den Schulen
überhaupt genug Lehrerinnen
und Lehrer für dieses Fach?
HUMBERT:
HUMBERT: Für Gymnasien gibt es genug
ausgebildete Lehrkräfte, für andere Schular-
ten nicht unbedingt. Vor allem an Haupt-
und Realschulen fehlen Lehrkräfte, auch
wenn große Anstrengungen unternommen
werden. Nach wie vor sind die Frauen in der
Minderheit, ihr Anteil an den neuen Informa-
tik-Lehrkräften liegt bei zwanzig bis dreißig
Prozent, Tendenz steigend. Für den Mangel
gibt es mehrere Gründe: An den Universitä-
ten bleiben Studienplätze frei. Viele begin-
nen das Studium mit falschen Vorstellungen
und brechen vorzeitig ab. Die Fachdidaktik
bereitet vielen Probleme. Mit dem Bachelor-
Abschluss ist man bei gut zahlenden Unter-
nehmen begehrt, so dass einige Studierende
aufhören und nicht wie geplant den Master
machen und danach an die Schule gehen.
Wie könnte man das ändern?
HUMBERT:
HUMBERT: Die Studierenden müssen sich
klarmachen, dass sie nicht alle Details ihres
Faches kennen müssen, bevor sie sich mit
Fragen der Vermittlung der Gegenstände
der Informatik an der Schule beschäftigen.
Außerdem bin ich überzeugt, dass eine bes-
sere Bezahlung für Informatik-Lehrkräfte
hilfreich wäre. Dann gäbe es möglicherwei-
se auch noch mehr Quereinsteiger aus der
Industrie, die oft sehr motiviert sind. Ich hal-
te A15 für angemessen, wenn Informatik-
Lehrkräfte weitere Aufgaben übernehmen
und zum Beispiel Schulleitungen bei allen
Fragen bezüglich der Digitalisierung bera-
ten. Jede Schule braucht eine/n Fachinfor-
matiker/in, das sieht in der Realität leider
anders aus. Wichtig ist aber auch noch et-
was anderes: Alle Lehrkräfte brauchen
grundlegende Informatik-Kenntnisse, damit
sie besser einschätzen können, inwieweit
digitale Angebote für ihren Unterricht in
ihren Lerngruppen hilfreich sein können.
Über die Frage, welche Hard- und Soft-
ware eingesetzt wird, entscheiden die
Kommunen als Schulträger. Ist das sinn-
voll?
HUMBERT:
HUMBERT: Ich sehe das als staatliche Auf-
gabe an. Mitbedacht muss auch immer wer-
den, welche künftigen Kosten durch anfangs
kostenlose Angebote entstehen könnten.
Umso wichtiger sind freie Bildungsmateria-
lien, die so genannten Open Educational
Resources (OER).
Sie setzen sich dafür ein, dass Bildungs-
medien in CC-Lizenz erscheinen.
Warum?
HUMBERT:
HUMBERT: Für die Verlage ist wichtig,
dass ihre Lehrwerkskonzepte in gedruckter
oder digitaler Form gekauft werden, und da-
ran wird sich nichts ändern. Für Lehrkräfte
ist entscheidend, dass sie auf gute Materia-
lien zurückgreifen und sie für ihre Zwecke
bearbeiten können, ohne CC-Lizenz geht
das meiner Meinung nach nicht. Schulbü-
cher erscheinen oft durch zusätzliche inhalt-
liche Anforderungen alle zwei Jahre neu,
das ist bei einer CC-Lizenz nicht mehr nötig.
Das Interview führte Joachim Göres
für den Klett Themendienst
ZUR PERSON
Professor Ludger Humbert (66) hat
Informatik und Lehramt studiert, viele
Jahre als Lehrer für Informatik und Ma-
thematik an Gesamtschulen gearbeitet
sowie als Fachleiter Informatik-Refe-
rendare ausgebildet. Heute vertritt er
das Fachgebiet Didaktik der Informatik
an der Bergischen Universität Wupper-
tal. Humbert ist Autor der Didaktik der
Informatik und hat den Ernst Klett Ver-
lag beim neuen Lehrwerk ’starkeSeiten
Informatik’ beraten, das zur Einführung
des Pflichtfaches Informatik für die
Klassen 5 und 6 in Nordrhein-Westfa-
len im Juni erscheint.
Foto: Humbert
Informatik hat viele Facetten.
Doch der Stellenwert des Schulfachs
Informatik ist in den einzelnen
Bundesländern sehr unterschiedlich.
Foto: AdobeStock/Gorodenkoff
lehrer nrw ·
3/2021
14
TITEL
Flickenteppich Informatikbildung
Mit dem Informatik-Monitor veröffentlicht die Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) einen
detaillierten Überblick über den Stand der Informatikbildung in den allgemeinbildenden
Schulen in Deutschland. Hier zeigen sich große Unterschiede zwischen den Bundesländern.
WEITERE INFOS
https://informatik-monitor.de/
Quelle: Informatik Monitor/Gesellschaft für Informatik
Informatikunterricht in Deutschland –
Sekundarstufe I
M
M
it dem Informatik-Monitor hat die Gesellschaft für Informatik
nun einen vergleichenden Überblick über die Ausgestaltung
des Informatikunterrichts in Deutschland veröffentlicht, der den
Stand der Informatikbildung von August 2020 wiedergibt. Die Publi-
kation fußt auf einer umfangreichen Synopse des Instituts für
Informatik der Universität Rostock.
Richard Schwarz, Mitautor des Informatik-Monitors: »Der Infor-
matik-Monitor offenbart einen Flickenteppich der Informatik-Bil-
dung in Deutschland. Nur fünf Bundesländer haben ein verpflich-
tendes Angebot, das alle Schülerinnen und Schüler erreicht. Genau
das wäre aber wichtig, um Schülerinnen und Schülern unabhän-
gig von der Schulform und Region einen gleichwertigen Zu-
gang zu digitaler Bildung zu ermöglichen. Insbesondere
Mädchen und junge Frauen würden von einem frühen,
verpflichtenden Informatikunterricht profitieren, weil er
ihren Zugang zur Informatik nachweislich verbessert
und damit auch dazu beiträgt, dem immer noch
eklatanten Geschlechterungleichgewicht in der In-
formatik insgesamt entgegen zu wirken.«
Die wichtigsten Ergebnisse des Informatik-
Monitors zur Informatikbildung in der
Sekundarstufe I:
Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern
sind Spitzenreiter in Sachen Informatikun-
terricht in der Sekundarstufe I. Sachsen hat
als erstes Bundesland 1992 ein Pflichtfach
Informatik eingeführt und dies seit 2017 für
alle Schularten in den Klassenstufen 7 bis 10
ausgeweitet. Mecklenburg-Vorpommern ist seit 2019
das einzige Bundesland, in dem verbindlicher Informatik-
unterricht für alle Schülerinnen und Schüler durchgängig
in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 stattfindet.
Auch Baden-Württemberg und Bayern stehen ver-
gleichsweise gut da. Dort gibt es zumindest in ein-
zelnen Klassenstufen verbindlichen Informatikun-
terricht in der Sekundarstufe I.
Bremen und Hessen sind die Schluss-
lichter in Sachen Informatikun-
terricht, dort existiert keinerlei
Angebot für informatische Bil-
dung im Sekundarbereich I.
Schulische Informatikbildung
als Flickenteppich.
Die Karte zeigt
die ungleiche Priorisierung unter den Bundes-
ländern. Hinweis: Nordrhein-Westfalen führt
zum Schuljahr 2021/2022 das Pflichtfach Informatik
in den Klassen 5 und 6 an allen Schulformen ein.
Lernen im Lockdown
In einer aktuellen Analyse untersucht das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe,
welche Voraussetzungen Schülerinnen und Schülern beim Distanzlernen helfen.
Allein zuhause: Schülerinnen
und Schüler kamen während der
Schulschließungen unterschiedlich
gut mit dem Lernen auf Distanz zu-
recht. Es droht die Gefahr, dass sich
Leistungsunterschiede zwischen stär-
keren und schwächeren Schülerinnen
und Schülern vergrößern.
15
3/2021 · lehrer nrw
Kathrin Lockl, Manja Attig, Lena Nusser, Ilka Wolter
Leibniz-Institut für Bildungsverläufe
D
ie Schulschließungen in der Corona-Krise
stellen Eltern und Kinder ebenso wie Schulen
und Lehrkräfte vor große Herausforderungen.
Im Vergleich zu einem regulären Schulbetrieb spielt
das selbstständige Lernen alleine zuhause für Schü-
lerinnen und Schüler eine viel größere Rolle. Die
Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) bieten
nicht nur eine Momentaufnahme, wie es den Famili-
en im Frühjahr 2020 beim Homeschooling ging, son-
dern lassen rückblickend auch Schutzfaktoren für
Schülerinnen und Schülern identifizieren: Welche
Voraussetzungen und Kompetenzen helfen Schüle-
rinnen und Schülern, das Lernen zuhause und die
damit einhergehenden Herausforderungen gut zu
meistern? Welche Rolle spielen hierbei ihre Lesekom-
petenz, ihr Interesse an den Lerninhalten und ihre
Bereitschaft, sich beim Lernen anzustrengen?
Foto:
Foto: AdobeStock/motortion
Wie gehen Schülerinnen und Schüler
mit der neuen Lernsituation während
der Schulschließungen um?
Die Verlagerung des Lernens nach Hause und die Bewäl-
tigung dieser Situation sind wieder zu hochaktuellen
Themen für Schulen, Eltern, Bildungspolitik und -adminis-
tration und letztlich auch für die Schülerinnen und Schü-
ler geworden. Der vorliegende Bericht widmet sich daher
der Frage, wie gut Schülerinnen und Schüler der Sekun-
darstufe (8. Klasse) nach Einschätzung der Eltern im Früh-
jahr 2020 mit dem Lernen zuhause zurechtkamen, ob sie
schwierig zum Lernen zu motivieren waren und welche
eigenen Fähigkeiten die Jugendlichen mitbringen, um
eine solche Situation gut bewältigen zu können.
Bereits während der bundesweiten Schulschließungen
im Frühjahr 2020 standen Schülerinnen und Schüler vor
der Herausforderung, die von den Lehrkräften gestellten
Aufgaben überwiegend eigenständig zu erledigen und
das Lernen zuhause selbst zu strukturieren. Die Schüle-
rinnen und Schüler waren dabei gefordert, sich neuen
Lernstoff in den verschiedenen Unterrichtsfächern anzu-
eignen, der ihnen auf unterschiedlichste Weise übermit-
telt wurde. So sollten sie zum Beispiel Aufgaben über
Onlineplattformen bearbeiten oder Arbeitsblätter aus-
füllen, die sie per E-Mail erhielten. Auch wenn die Eltern
anwesend waren und hierbei unterstützen konnten,
blieb die Beschäftigung mit den Lernmaterialien – ins-
besondere bei Schülerinnen und Schülern in den höhe-
ren Klassenstufen – weitgehend Aufgabe der Kinder
und Jugendlichen selbst und hing damit stark von
deren eigenem Engagement ab.
Im vorliegenden Bericht wird daher nicht nur der Fra-
ge nachgegangen, wie gut 14-jährige Jugendliche aus
der Sicht ihrer Eltern mit dieser neuen Lernsituation zu-
hause zurechtkamen. Insbesondere betrachten wir, wel-
che Kompetenzen den Schülerinnen und Schülern in sol-
chen Situationen helfen. Wir untersuchen, inwieweit die
Lesekompetenz, das Interesse an Lerninhalten sowie die
Anstrengungsbereitschaft der Schülerinnen und Schüler
erklären, wie sie nach Einschätzung ihrer Eltern das Ler-
nen zuhause bewältigt haben und ob sie schwierig zum
Lernen zu motivieren waren. Dazu nutzen wir Daten aus
der Zusatzbefragung der Eltern im Frühjahr 2020 sowie
Daten aus einer Erhebung im Herbst 2018, in der die
Schülerinnen und Schüler Kompetenztests, unter ande-
rem im Bereich Lesen, bearbeitet und ihre Anstrengungs-
bereitschaft und ihr Interesse eingeschätzt haben.
Wie gut kommen die Schülerinnen und
Schüler mit der neuen Lernsituation zurecht?
Die Mehrheit der Eltern ist der Meinung, dass die Schüle-
rinnen und Schüler die Anforderungen des Lernens zu-
hause gut bewältigten: Der Aussage »Mein Kind kam mit
den Anforderungen des Lernens zuhause gut zurecht«
stimmten 25 Prozent der Eltern völlig und 34 Prozent eher
zu. Während 27 Prozent der Befragten der Aussage teil-
weise zustimmten, gaben 14 Prozent der Eltern an, dass
diese auf ihre Kinder eher nicht oder gar nicht zutrifft.
Darüber hinaus zeigen sich keine Unterschiede in dieser
Einschätzung zwischen Jungen und Mädchen sowie
zwischen Schülerinnen und Schülern an Gymnasien
und anderen Schulformen. Auch Eltern mit akademi-
schem und nicht-akademischem Bildungshintergrund
unterscheiden sich nicht in ihrer Wahrnehmung, wie gut
ihre Kinder das Lernen zuhause bewältigt haben.
Doch welche Voraussetzungen und Rahmenbedingun-
gen beeinflussen, wie gut die Schülerinnen und Schüler
mit der neuen Lernsituation zurechtkommen? In unseren
Analysen zur Einschätzung der Eltern erweisen sich die
Lesekompetenz sowie die Bereitschaft der Schülerinnen
und Schüler, sich beim Lernen anzustrengen, als wichtig
(Hinweis: In den Analysen zu den Effekten der Lesekom-
petenz, der Anstrengungsbereitschaft und des Interesses
wurde gleichzeitig das Geschlecht, die besuchte Schul-
form der Schülerinnen und Schüler sowie der Bildungs-
hintergrund der Eltern berücksichtigt, also für eventuelle
Unterschiede in diesen Merkmalen kontrolliert).
Auch wenn die meisten Schülerinnen und Schüler in
der Sekundarstufe bereits flüssig lesen können, gibt es
große Unterschiede, wie gut einzelne Personen Inhalte
von Texten erschließen und verstehen können. Auch in
den NEPS-Daten zeigt sich, dass die Unterschiede zwi-
schen den Schülerinnen und Schülern vor allem dann
sichtbar werden, wenn die Texte etwas anspruchsvoller
oder die Fragen dazu schwieriger sind.
Hohe Lesekompetenz und ausgeprägte
Anstrengungsbereitschaft als Vorteil
Wie wirken sich diese unterschiedlichen Lesekompeten-
zen nun auf das Lernen zuhause aus? In unseren Analy-
sen zeigt sich, dass nach Einschätzung der Eltern vor al-
lem Schülerinnen und Schüler mit hohen Lesekompeten-
zen die Anforderungen des Lernens zuhause gut bewäl-
tigten. 31 Prozent der Eltern von Schülerinnen und Schü-
lern mit hoher Lesekompetenz stimmten völlig zu, dass
ihr Kind mit den Anforderungen des Lernens zuhause
gut zurechtkam. Bei den Eltern von Schülerinnen und
Schülern mit geringer Lesekompetenz sind es dagegen
lediglich 18 Prozent.
Neben der Lesekompetenz haben wir die Anstren-
gungsbereitschaft der Schülerinnen und Schüler und ihr
Interesse an den Lerninhalten in den Blick genommen
und in unserer Analyse berücksichtigt. Die Anstren-
gungsbereitschaft meint die Bereitschaft der Schülerin-
nen und Schüler, sich selbst bei großen Herausforderun-
gen und schweren Aufgaben anzustrengen. Zur Mes-
sung der Anstrengungsbereitschaft wurden die Schüle-
rinnen und Schüler unter anderem gefragt, wie sehr sie
16
3/2021 · lehrer nrw
sich anstrengen, wenn die Aufgaben schwierig
sind, oder ob sie ihre Aufgaben mit großer Sorgfalt
erledigen.
Das Interesse an den Lerninhalten umfasst im
NEPS, aus welchen Gründen Schülerinnen und
Schüler für die Schule lernen, beispielsweise weil ih-
nen die Arbeit mit den Inhalten Spaß macht oder
die Inhalte ihren persönlichen Neigungen entspre-
chen. Darüber hinaus wurden die Schülerinnen und
Schüler auch gefragt, ob sie für die Schule lernen,
weil sie die Inhalte für bedeutsam halten oder ein
großes Interesse an den Inhalten haben. Die An-
strengungsbereitschaft und das Interesse an den
Lerninhalten wurden in der Startkohorte 2 des NEPS
in der 7. Klasse erfasst.
Für die Anstrengungsbereitschaft zeigt sich ein
ähnliches Muster wie für die Lesekompetenz: Schü-
lerinnen und Schüler mit einer höheren Anstren-
gungsbereitschaft (gemessen im vorangegange-
nen Schuljahr) bewältigten aus Sicht der Eltern die
Anforderungen beim Lernen zuhause während der
Schulschließungen überwiegend gut (47 Prozent
‘trifft völlig zu’ und 30 Prozent ‘trifft eher zu’). Im
Unterschied dazu spielt das Interesse an den Lern-
inhalten keine bedeutsame Rolle dafür, wie die
Jugendlichen nach Angaben ihrer Eltern mit der
Situation des Lernens zuhause zurechtkamen.
Da das Lernen zuhause während der Schulschlie-
ßungen jedoch teilweise weniger strukturiert ab-
läuft als im Präsenzunterricht in der Schule, widmen
wir uns im nächsten Abschnitt der Frage, inwieweit
es für die Eltern schwierig war, ihre Kinder zum Ler-
nen zu motivieren.
Waren die Schülerinnen und Schüler
schwer zum Lernen zu motivieren?
Immerhin 34 Prozent der Eltern gaben in unserer
Befragung an, dass es wenige bis keine Schwierig-
keiten gab, die Schülerinnen und Schüler zum Ler-
nen zuhause zu motivieren, d.h. sie stimmten der
Aussage »Es war schwierig, mein Kind zum Lernen
zuhause zu motivieren« eher nicht oder gar nicht zu.
Ein Drittel (32 Prozent) der Eltern berichtete, dass es
für sie teilweise schwierig war, ihre Kinder zum Ler-
nen zu motivieren. Zudem waren 35 Prozent der El-
tern der Meinung, dass ihre Kinder eher oder ganz
schwierig zum Lernen zu motivieren waren. Aller-
dings zeigen die Ergebnisse, dass Eltern die Situati-
on unterschiedlich für Mädchen und Jungen wahr-
nahmen. Eltern gaben für Jungen häufiger an, dass
sie schwieriger zum Lernen zuhause zu motivieren
waren als für Mädchen. Es war hierfür nicht rele-
vant, welche Schulform die Schülerinnen und Schü-
ler besuchen oder ob die Eltern einen akademi-
schen oder nicht-akademischen Bildungshinter-
grund aufweisen.
Auch für die Frage, ob Schülerinnen und Schüler
in dieser Situation gut zu motivieren waren, haben
wir die Voraussetzungen in Bezug auf die Lesekom-
petenz, die Anstrengungsbereitschaft und das Inte-
resse an den Lerninhalten betrachtet. Erneut erwei-
sen sich die Lesekompetenz und die Anstrengungs-
bereitschaft der Schülerinnen und Schüler als sehr
wichtig für die Einschätzung der Eltern, wie schwie-
rig oder einfach es war, sie ein gutes Jahr später
während der Schulschließungen zum Lernen zu
motivieren. Schülerinnen und Schüler mit geringer
Lesekompetenz sowie geringer Anstrengungsbereit-
schaft konnten schwerer von den Eltern zuhause
zum Lernen motiviert werden. Beispielsweise stimm-
ten 33 Prozent der Eltern von Schülerinnen und
Schülern mit niedriger Lesekompetenz der Aus-
17
3/2021 · lehrer nrw
INFO
Hinweise zu Stichprobe und Methodik
Die folgenden Ergebnisse beruhen auf einer Zusatzbe-
fragung der Startkohorte 2 des Nationalen Bildungs-
panels (NEPS) zur Corona-Krise im Mai und Juni 2020
(NEPS-C) sowie auf einer Erhebung, die bereits im
Herbst 2018 bei der gleichen Stichprobe durchgeführt
wurde.
Die Startkohorte 2 ist im Jahr 2010 mit Kindern im
Kindergarten in ganz Deutschland gestartet. Die Kin-
der waren bei der ersten Erhebung im Rahmen des
NEPS im Durchschnitt knapp fünf Jahre alt. Mit Beginn
der Grundschulzeit wurden weitere Mitschülerinnen
und -schüler in die Startkohorte aufgenommen. So-
wohl die Kinder als auch ihre Eltern werden seitdem
kontinuierlich begleitet. Unter anderem fand eine Mes-
sung von verschiedenen Kompetenzen und eine Befra-
gung der Schülerinnen und Schüler in der 7. Klasse im
Herbst 2018 statt.
An der Corona-Zusatzbefragung nahmen 1.452 El-
tern teil, deren Kinder inzwischen zumeist die 8. Klasse
einer weiterführenden Schule besuchten. Die Daten
gehen gewichtet und poststratifiziert in die Analysen
ein, so dass die Aussagen verallgemeinerbar sind.
Die Ergebnisse basieren sowohl auf Elternangaben
als auch auf Angaben der Schülerinnen (47 Prozent)
und Schüler (53 Prozent) selbst. Die Familien weisen zu
66 Prozent einen nicht-akademischen Bildungshinter-
grund und zu 34 Prozent einen akademischen Hinter-
grund auf, was bedeutet, dass mindestens ein Eltern-
teil ein Studium absolviert hat. 57 Prozent der Schüle-
rinnen und Schüler besuchten zu Beginn des Schuljah-
res 2019/2020 ein Gymnasium und 43 Prozent der
Schülerinnen und Schüler eine andere Schulform.
18
3/2021 · lehrer nrw
sage »Es war schwierig, mein Kind zum Lernen zuhause
zu motivieren« völlig zu. Im Vergleich war dies nur bei
neun Prozent der Eltern der Fall, wenn die Schülerinnen
und Schüler eine hohe Lesekompetenz aufwiesen.
Das Interesse der Schülerinnen und Schüler an den
Lerninhalten spielt wiederum eine geringere Rolle als
deren Anstrengungsbereitschaft und war somit nicht
bedeutsam für die Motivation zum Lernen während der
Schulschließungen.
Zusammenfassung
Während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 wa-
ren Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe mehr
als zuvor gefordert, das Lernen zuhause selbst zu struktu-
rieren und ihre Aufgaben weitgehend selbstständig zu
erledigen. In unserer Befragung gab etwas mehr als die
Hälfte der Eltern an, dass ihre Kinder eher gut oder gut
mit dem Lernen zuhause zurechtkamen. Gleichzeitig
waren die Einschätzungen der Eltern recht gemischt da-
rüber, wie schwierig ihre Kinder in dieser Zeit zu motivie-
ren waren. Die Einschätzungen von etwa einem Drittel
der Eltern deuten auf Motivationsprobleme bei den
Schülerinnen und Schülern hin, während dies für ein
weiteres Drittel der Kinder nach Angaben der Eltern kein
Problem darstellte.
Damit weisen unsere Ergebnisse in eine ähnliche Rich-
tung wie die anderer Studien: So zeigen Befunde des
Schul-Barometers, dass 41 Prozent der Schülerinnen und
Schüler meinten, dass es ihnen (eher) leicht fiel, in dieser
Zeit einen geregelten Tagesablauf zu haben, während
37 Prozent der Schülerinnen und Schüler dies nicht
dachten. Die aktuellen Ergebnisse der JIM-Studie 2020
zeigen, dass 59 Prozent der Jugendlichen sich während
der Corona- Einschränkungen schlecht zum Lernen moti-
vieren konnten.
Doch die Ergebnisse des Nationalen Bildungspanels
erlauben nicht nur eine Momentaufnahme, wie es den
Familien in der Zeit der Corona-bedingten Schulschlie-
ßungen im Frühjahr 2020 ging und wie sie die Situation
bewältigen, sondern es können auch vorangehende
Merkmale der Schülerinnen und Schüler und ihrer Fami-
lien einbezogen werden. Die NEPS-Daten ermöglichen
somit auch Aussagen dazu, was Schülerinnen und Schü-
ler gut auf die Herausforderungen einer derartigen
Situation wie im Frühjahr 2020 vorbereitet und welche
Voraussetzungen gegebenenfalls auch als Schutzfakto-
ren dienen, um mit dem selbstständigen Lernen zuhau-
se zurechtzukommen. Gerade in der aktuellen Situation,
in der es erneut – bedingt durch die Pandemie – zum
Lockdown und zu Schulschließungen gekommen ist, ge-
ben unsere Befunde wichtige Hinweise, auf welche Schü-
lerinnen und Schüler ein besonderes Augenmerk gerich-
tet werden sollte. In diesem Bericht haben wir daher mit
der Berücksichtigung von Lesekompetenz und Anstren-
gungsbereitschaft sowohl kognitive als auch motivatio-
nale Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler in
den Blick genommen.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Schülerinnen
und Schüler das Lernen zuhause unterschiedlich gut
bewältigten. Dabei zeigt sich: Kinder mit höherer Lese-
kompetenz kamen in der neuen Lernsituation nach An-
gaben ihrer Eltern besser zurecht. Gleichzeitig waren sie
auch leichter zum Lernen zu motivieren. Dies mag da-
rauf zurückzuführen sein, dass das Lesen von inhaltli-
chen Texten in Schulbüchern, aber auch das Lesen von
Anleitungen und Arbeitsanweisungen in der Situation
des Lernens zuhause besonders wichtig ist. Anders als
im regulären Präsenzunterricht können Lehrkräfte den
Lernstoff und die Aufgaben in vielen Fällen nicht münd-
lich erklären. In der Regel werden Erklärungen und
Arbeitsanweisungen nur schriftlich weitergegeben. Die
Fähigkeit, schriftliche Texte zu verstehen, erweist sich da-
her beim Lernen zuhause als eine zentrale Kompetenz
für alle Schulfächer – nicht nur für den Deutschunterricht.
Es ist zu vermuten, dass Schülerinnen und Schüler mit
geringeren Lesekompetenzen zuweilen Verständnis-
schwierigkeiten haben und manche Aufgabenstellun-
gen und Anleitungen weniger gut nachvollziehen kön-
nen. Solche eher entmutigenden Erfahrungen könnten
auch dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler
weniger motiviert sind, ihre Aufgaben zu erledigen.
Auch die Anstrengungsbereitschaft der Schülerinnen
und Schüler beeinflusste die Situation des Lernens zu-
hause. Gerade in Situationen, in denen eine äußere
Struktur fehlt und vermutlich weniger Zeitvorgaben ge-
macht werden, kommt es besonders auf die Bereitschaft
der einzelnen Schülerinnen und Schüler an, sich selbst
zu steuern und den eigenen Lernfortschritt im Blick zu
behalten. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass die An-
strengungsbereitschaft, die die Schülerinnen und Schü-
ler bereits von sich aus mitbringen, bei der Bewältigung
der neuen Lernsituation geholfen hat. Interessant ist hier-
bei, dass die Anstrengungsbereitschaft, also beispiels-
weise die Bereitschaft, auch bei schwierigen Aufgaben
nicht aufzugeben, eine größere Rolle spielt als das Inte-
resse an den Lerninhalten.
Inwiefern sich die veränderten Lernsituationen auf-
grund der temporären Schulschließungen auf die weite-
re akademische Entwicklung der Schülerinnen und
Schüler auswirken, kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht
abschließend beantwortet werden. Dass es eher den
Schülerinnen und Schülern mit niedrigeren Kompeten-
zen schwerer fiel, die Situation des Lernens zuhause gut
zu bewältigen, lässt vermuten, dass sich Leistungsunter-
schiede vergrößern könnten. Belastbare Ergebnisse zu
diesen Fragen werden anhand der Daten des Nationa-
len Bildungspanels in den nächsten Jahren vorliegen.
lehrer nrw ·
3/2021
20
SCHULE & POLITIK
GGeehhtt
Trotz der ungewöhnlich langen Laufzeit des aktuellen Tarifver-
trags bis zum 30. September 2021 werfen die kommenden Tarif-
verhandlungen ihre Schatten schon weit voraus. Denn die Augu-
ren lassen Schlechtes für die Tarifrunde im Herbst 2021 erwarten.
G
G
egen Ende des letzten Jahres hat
die Tarifgemeinschaft der Länder
(TdL) im Vorfeld der diesjährigen
Tarifverhandlungen bereits die Verhandlun-
gen über die Weiterentwicklung der Ein-
gruppierung der Lehrkräfte (TV EntgO-L)
verweigert. Begründet wird dieser Schritt
damit, dass die Gewerkschaften bei den
Gesprächen zu einem anderen Tarifaspekt
(§ 12 TV-L, Stichwort: Arbeitsvorgang), der
keinerlei inhaltliche Verbindung zu den Ent-
geltverhandlungen aufweist, kein Entge-
genkommen gezeigt haben. Damit hat die
von ULRICH GRÄLER
STICHWORT
Arbeitsvorgang
(§12 TV-L)
Ein Arbeitsplatz besteht aus unterschied-
lichen Aufgaben und Einzeltätigkeiten,
die zusammen einen Arbeitsvorgang bil-
den. Für die tarifgemäße Bewertung aller
Aufgaben eines Arbeitsplatzes wurde be-
reits 1975 festgelegt, dass alle Arbeits-
schritte, die einem Aufgabenzweck die-
nen, durch den so genannten Arbeitsvor-
gang zusammengefasst sind.
Der Arbeitgeber bestimmt durch seine
Arbeitsorganisation, wer welche Aufga-
ben und mit welcher Verantwortung be-
arbeitet. Anhand der Tätigkeitsmerkmale
wird dieser Arbeitsvorgang dann gemäß
dem so genannten Regelzeitmaß anhand
der Entgeltordnung bewertet. Wird durch
einen oder mehrere gleich bewertete Ar-
beitsvorgänge die Hälfte aller Aufgaben
ausgefüllt, ist damit automatisch die Ein-
gruppierung durch eine Entgeltgruppe
bestimmt.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in
seinen Urteilen aus den Jahren 2018 und
2020 zu dieser Thematik die Position des
dbb wiederholt und vollumfänglich be-
stätigt. Streit dürfte es daher eigentlich
nicht geben!
sscchhoonn
llooss!!
TdL bereits jetzt eine Blockadehaltung auf-
gebaut, die die Tarifrunde 2021 erheblich
belasten wird.
Lehrerentgeltordnung
Dabei sollte die Weiterentwicklung der Ent-
geltordnung für die Lehrkräfte schon vor der
Tarifrunde 2019 inhaltlich vorbereitet und
im Tarifabschluss 2019 verabschiedet wer-
den. Da dies nicht gelang, wurde in einer
Protokollerklärung zum Tarifabschluss 2019
vereinbart, nach Abschluss der Entgeltrunde
2019 entsprechende Verhandlungen aufzu-
nehmen. Diese werden nach einem kurzen
Verhandlungsauftakt nun wiederum durch
die Ablehnung weiterer Gesprächstermine
von Seiten der TdL torpediert.
Es stellt sich leider immer wieder heraus,
dass von der TdL in Tarifverhandlungen zu-
gesagte Vereinbarungen nicht eingehalten
werden, selbst wenn sie in Protokollerklä-
rungen oder sogar im Tarifabschluss schrift-
lich fixiert werden. Die Qualität derartiger
Zusagen des Arbeitgebers ist doch wohl nur
von sehr begrenztem Wert. Vertrauensvolle
und verlässliche Zusammenarbeit in Tariffra-
gen sieht anders aus.
Digitalisierung
Der Prozess der Digitalisierung, die im
Rahmen der Corona-Pandemie als ein
Tarifverhandlungen 2021
SCHULE & POLITIK
offenkundiges Problemfeld deutscher In-
frastruktur allseits beklagt wurde, sollte
aus Sicht von
lehrer nrw
ebenfalls zu ei-
nem wesentlichen Bestandteil der dies-
jährigen Tarifverhandlungen werden. Auf
der Ebene des Bundes wird das Thema
schon umfassend diskutiert, ohne dass
es bereits zu einer Einigung gekommen
wäre. Ein Digitalisierungs-TV könnte in
manchen Fragen dieses Bereiches für
mehr Klarheit und
auch Rechtssi-
cherheit sorgen.
Er könnte Min-
deststandards für
die Beschäftigten
festlegen, zum
Beispiel bei der
Frage der techni-
schen Ausstattung
oder bei der Frage des Schutzes vor stän-
diger Erreichbarkeit. Es ist doch kaum je-
mandem zu vermitteln, dass Lehrkräfte in
der weitaus überwiegenden Mehrheit be-
ruflich notwendige Tätigkeiten mit einem
privaten digitalen Endgerät ausüben
(müssen), das sie auf eigene Kosten (!)
erworben haben. Aus Gründen der
Es knirscht:
Wenige Monate vor
Beginn wird die an-
stehende Tarifrunde
bereits durch inak-
zeptable Vorbedin-
gungen der Arbeitge-
ber massiv belastet.
Foto: AdobeStock/nmann77
lehrer nrw ·
3/2021
22
SCHULE & POLITIK
KOMMENTAR
Nordrhein-Westfalen, zurück auf Los?
Effektivität und Aufrechterhaltung der Ar-
beit, gerade in der Zeit der Pandemie, ließ
und lässt sich dieses nach wie vor kaum
vermeiden.
Arbeitsmittel
Eine Kostenerstattung des Arbeitgebers
findet nicht statt, und die steuerliche Ab-
setzbarkeit des Gerätes stellt mitnichten
einen gleichwertigen Kostenausgleich dar.
Derzeit finanzieren die Lehrkräfte mit ei-
nem nicht unerheblichen Teil eines Mo-
natsgehalts ihre eigene digitale Ausstat-
tung. In welchem anderen Berufsbereich
der Gesellschaft gilt etwas Vergleichba-
res?
Das Ergebnis einer repräsentativen Um-
frage im Auftrag des Digitalverbandes Bit-
kom ergab, dass die Bundesbürger im Jahr
2020 deutlich mehr Geld für ihre eigene
digitale Ausstattung aufgebracht haben;
28 Prozent haben etwas mehr, 37 Prozent
sogar deutlich mehr ausgegeben. Unbe-
streitbar dürfte doch wohl sein, dass Lehr-
kräfte einen Großteil ihrer beruflichen Tä-
tigkeit im privat finanzierten Home-Office
erledigen.
Das Wohlwollen der Lehrkräfte ist da
– wo bleibt das Wohlwollen des Arbeitge-
bers? Wie wäre es mit einem qualitativ
adäquaten Dienstgerät oder mit einem
jährlichen Zuschuss des Arbeitgebers zu
der technischen Ausstattung seiner Lan-
desbeschäftigten?
Strukturelle
Verbesserungen
Bei den Strukturfragen des Tarifvertrags
kommt immer wieder die Problematik der
Anerkennung beruflicher Vorerfahrung
sowie der schädlichen Unterbrechungszeit
bei befristeten Verträgen zur Sprache. In
Nordrhein-Westfalen wird derzeit die be-
rufliche Vorerfahrung für Lehrkräfte im Se-
kundarstufen I-Bereich lediglich auf tarifli-
chem Minimalniveau anerkannt, und eine
vertragliche Unterbrechungszeit, die mehr
als sechs Monate beträgt, führt schon zu
einer Rückstufung. Und dies alles trotz all-
gemeinen Lehrermangels!
Und beim Entgelt?
In den allgemeinen Entgeltfragen steht ne-
ben einer angemessenen Entgelterhöhung
strukturell vorrangig die Vollendung des
Angleichungsprozesses von E11 nach E12
sowie ein weiterer Ausbau der Entgeltstufe
6 im Vordergrund. Beide Tarifziele dienen
dazu, die Entgeltordnung hin zu einer in
sich sachlogisch aufgebauten Tabellenord-
nung zu entwickeln, was ganz wesentlich
zur Attraktivität des öffentlichen Dienstes
beitragen würde.
Ulrich Gräler ist stellv. Vorsitzender des
lehrer nrw
E-Mail: graeler@lehrernrw.de
In den vergangenen Jahren
hat das Land Nordrhein-
Westfalen in den Tarifver-
handlungen stets eine äu-
ßerst zurückhaltende Rolle
gespielt. Und das als größ-
tes Bundesland in Deutsch-
land. Lediglich nach der
Umstellung des BAT auf
den neuen Tarifvertrag TV-L
im Jahr 2006 trat Nord-
rhein-Westfalen nolens vo-
lens als eigenständiger Ta-
rifgestalter im eigenen Land
hervor. Die Verwerfungen,
die das neue Tarifrecht mit
sich gebracht hatte, waren
auch dermaßen offenkun-
dig und schädlich, dass das
Land gar nicht umhin konn-
te, mit zahlreichen Erlassen
für die Beschäftigten in
Nordrhein-Westfalen deut-
lich nachzusteuern.
Seit Jahren nun tritt das
Land als aktiver Gestalter
des Tarifgeschehens kaum
mehr in Erscheinung. Eini-
ge der damaligen Erlasse
sind ausgelaufen, manche
reduziert auf das absolut
Notwendige. Damit hat
sich die Situation der an-
gestellten Lehrkräfte und
des sonstigen pädagogi-
schen Personals nicht ver-
bessert. Mehrere kleinere
und größere Baustellen
bleiben unbearbeitet und
trüben das Bild des Ar-
beitsplatzes Nordrhein-
Westfalen.
Das sozialpädagogische
Personal wartet seit Jahren
auf eine Arbeitsplatzbe-
schreibung und eine adä-
quate Anerkennung beruf-
licher Vordienstzeiten aus
vorherigen Arbeitsverhält-
nissen. Und die angestell-
ten Lehrkräfte warten seit
Jahren auf eine Weiterent-
wicklung der Lehrerent-
geltordnung mit der Voll-
endung des Angleichungs-
prozesses und dem Ausbau
der Stufe 6.
In der gleichen Zeit hat
der Lehrermangel nicht
abgenommen. Wer den
bekämpfen wollte, der
müsste als Arbeitgeber an
seiner Attraktivität und an
seiner Verlässlichkeit arbei-
ten. Auch in Corona-Zeiten
haben sich die meisten
Lehrkräfte über das norma-
le Maß ihrer Arbeitszeit
eingesetzt, vom Aufbau ei-
ner digitalen Infrastruktur,
zumeist mehr schlecht als
recht, über die Entwicklung
geeigneten didaktischen
Materials für digitalen Un-
terricht bis hin zu umfang-
reicher zeitintensiver Kon-
taktpflege bei Schülern
und Eltern.
Schon klar: Das gesamte
medizinische Personal
steht bei dieser existenzbe-
drohenden Pandemie im
Vordergrund! Aber auch
Lehrkräfte haben während-
dessen »in der zweiten
Reihe« nicht unwesentlich
zum Sozialwesen ihren
Beitrag geleistet. Und das
zumeist ohne ausreichen-
den Hygiene- bzw. Impf-
schutz, das heißt unter In-
kaufnahme eines deutlich
erhöhten persönlichen Ge-
sundheitsrisikos!
Dann ist es auch nur
recht und billig, diesen
zweifelsohne ebenfalls sys-
temrelevanten Einsatz un-
ter erhöhten Gefährdungs-
bedingungen zu würdigen.
Dieser sollte sich dann
aber auch im Umgang bei
tarifrechtlichen Fragen und
im Ergebnis von Tarifver-
handlungen widerspie-
geln!
NRW, los geht’s!
Ulrich Gräler
lehrer nrw ·
3/2021
24
SCHULE & POLITIK
Mit mittlerem Schul-
abschluss zur Polizei
Schülerinnen und Schüler mit mittlerem Bildungsabschluss
bekommen nun die Möglichkeit, in einem zweijährigen Berufs-
fachschulgang die Qualifikation für das Bachelor-Studium bei
der Polizei NRW zu erwerben. Damit erfüllt die NRW-Landes-
regierung eine langjährige Forderung von
lehrer nrw.
W
W
er einen mittleren Bildungsab-
schluss hat, kann sich ab Juni
2021 für die ‘Fachoberschule Poli-
zei’ bewerben. Dies teilten Schulministerin
Yvonne Gebauer und Innenminister Herbert
Reul am 22. April mit. Das Ministerium für
Schule und Bildung und das Ministerium
des Innern erproben einen neuen Bildungs-
gang. An elf Berufskollegs können Schüle-
rinnen und Schüler die Fachhochschulreife
erlangen und ein Praxis-Jahr bei der Polizei
absolvieren.
Start an elf Berufskollegs
Bei der Vorstellung des neuen Schulmodells
gaben Yvonne Gebauer und Herbert Reul
die elf Berufskollegs bekannt, an denen
der neue Bildungsgang zunächst angebo-
ten wird. Rund dreihundert Plätze stehen
zum Schuljahr 2022/23 bereit. Neben der
Fachhochschulreife erwerben die Schüle-
rinnen und Schüler in dem zweijährigen
Bildungsgang polizeispezifische Kenntnis-
se, wie etwa in Recht und Staatslehre.
Gleichzeitig sichern sie sich eine vorbehalt-
liche Einstellungszusage für die Polizei
Nordrhein-Westfalen und damit für das
anschließende Bachelorstudium an der
Hochschule für Polizei und öffentliche Ver-
waltung, sofern sie den Abschluss erfolg-
reich absolvieren und die beamtenrechtli-
chen Voraussetzungen weiterhin erfüllen.
Einjähriges Praktikum
In der Jahrgangsstufe 11 ist ein einjähriges
Praktikum in einer Kreispolizeibehörde vor-
gesehen. Neben dem Wach- und Wechsel-
dienst im Streifenwagen und Einblicken in
die kriminalpolizeiliche Ermittlungsarbeit,
hält das Praktikum ein breit gefächertes
Angebot weiterer Pflicht- und Wahlpflicht-
module bereit. Die Verwaltungsbereiche
der Polizei stehen ebenso auf dem Stun-
denplan wie Trainingseinheiten vor Ort in
der Fortbildungsstelle der jeweiligen Prak-
tikumsbehörde und in den Bildungszentren
des Landesamtes für Ausbildung, Fortbil-
dung und Personalangelegenheiten der
Polizei NRW.
Die Jahrgangsstufe 12 besteht dann
ausschließlich aus Unterricht und schließt
mit der Fachhochschulreifeprüfung ab. In
die Unterrichtsarbeit werden auch Polizei-
beamtinnen und Polizeibeamte eingebun-
den.
WEITERE INFOS:
https://www.genau-mein-fall.de/nextlevel/
Landeszentrale Personalwerbung des LAFP NRW (per WhatsApp 0173 / 961 96 00,
per Mail
fos.LAFP@polizei.nrw.de oder Telefon: 0251 / 77 95-5353)
Örtliche Personalwerbende in den Kreispolizeibehörden:
https://pvb.polizeibewerbung.nrw.de/user/kommunikation/
Personalwerber.aspx
www.schulministerium.nrw/themen/schulsystem/schul-und-
modellversuche/fachoberschule-fuer-verwaltung-und-rechtspflege
Die Polizei bietet jungen Menschen
viele spannende Tätigkeitsfelder.
Sie werden künftig auch wieder Absolventen mit
mittlerem Bildungsabschluss offen stehen.
Foto: IM NRW
Foto: IM NRW
lehrer nrw ·
3/2021
26
BATTEL HILFT
ZUR PERSON
Dr. med. Stefan
Battel
ist seit 2007
niedergelassener
Facharzt für Kinder-
und Jugendpsychia-
trie und -psychothe-
rapie mit eigener
Praxis in Hürth bei
Köln und seit 2012
systemischer Famili-
entherapeut (DGSF).
Im Rahmen des
lehrer nrw
-Fortbil-
dungsprogramms
greift er in einer Vor-
tragsreihe regelmä-
ßig verschiedene
Themen aus dem
Bereich der Jugend-
psychologie auf.
Foto: Andreas Endermann
Die Kollateralschäden
kommen an
Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Stefan Battel gibt in seiner Kolumne regelmäßig
Antworten auf Fragen aus dem Lehreralltag. Diesmal geht es um die psychosozialen Gefahren,
die Corona vor allem für Kinder und Jugendliche mit sich bringt.
N
N
eulich in der Praxis: Ersttermin ei-
ner achtjährigen Drittklässlerin. Zur
Vorabinfo, mein Behandlungsraum
misst etwa dreißig Quadratmeter, und
ich sitze zu den Klienten in 4,30 Meter
Rachenraum zu Rachenraum Abstand.
Im Weiteren summt mittelleise – je
nach Intensität – ein zertifizierter Hochleis-
tungsluftfilter, zwischendurch werden die
Fenster aufgerissen – egal bei welchem
Wetter. Soll heißen: Hygienemaßnahmen
sind ausreichend in der gesamten Praxis
getroffen worden. Wenn alle Beteiligten
sitzen, biete ich an – wenn das für alle o.k.
ist – die Masken ablegen zu können, denn
ein Ersttermin bei vorangekündigten Be-
lastungen eines Kindes/Jugendlichen und
deren Familien mit ’Maske auf’ kann ich
nicht. So, nun zurück zur achtjährigen
Dorothea (im Folgenden ’D.’ genannt).
Die Eltern von D. nahmen erleichtert die
Maske ab und gaben den verunsicherten
Augen von D. (meine Interpretation) den
Hinweis, auch die Maske abnehmen zu
können. D. wollte diese aber unbedingt
aufbehalten. Trotz mehrmaligem Einladen
durch Sicherheit gebende Eltern, blieb D.
das gesamte Gespräch ’verhüllt’. Diese
Beobachtungen häufen sich deutlich.
Und das ist nur ein Symptom. Kinder
entwickeln Ängste, ausgegrenzt zu wer-
den, und vielen graut es vor den Testungen
in der Schule genau aus diesem Grund
(Tipp: Stellungnahme der Deutschen
Gesellschaft Pädiatrische Infektiologie).
Ohnehin schon vulnerable Kinder zeigen
psychosomatische Beschwerden, zwang-
hafte Symptomatiken (Waschen, Kontrol-
le). Auch in vielen Gesprächen mit Ihren
Kollegen/Kolleginnen (auch bei mir) emp-
finde ich eine höhere emotionale Anspan-
nung, ja ein gewisses Gefühl des Ausgelie-
fertseins. O.k., es gibt viele Kinder/Jugend-
liche und Familien, die starke Resilienzen
haben und auch das managen können, je-
doch wie lange noch? Eine Dringlichkeits-
zuweisung in Kliniken durch mich bei
suizidalen Jugendlichen könnte man als
»wer hat’s nötiger« (Triage) beschreiben.
Den systemisch/sozialen Kollateralschaden
wie Ausfall von Hilfeplangesprächen, Ergo-
pädie, Logopädie etc. noch gar nicht skiz-
ziert, droht vielen Kindern und Jugendli-
chen eine eingeschränkte Entwicklungs-
chance. Es gibt ein afrikanisches Sprich-
wort, das sinngemäß besagt, dass zur Er-
ziehung eines Kindes ein ganzes Dorf nötig
ist – doch das Dorf bröckelt gewaltig. Wir
müssen in einen wohlwollenden Dialog
treten, welche Lösungen und unter Umstän-
den Risiken wir bereit sind einzugehen zum
Schutz für uns alle, aber im Besonderen für
unsere Kinder und Jugendlichen – rasch!
Die Kollateralschäden
kommen an
Ausschließlich für Mitglieder von
lehrer nrw
bietet Dr. Stefan Battel
einmal pro Woche eine Telefonsprechstunde an. Lehrkräfte, die Infor-
mation, Rat und Hilfe im Umgang mit schwierigen Schülern oder Eltern
brauchen oder selbst in einer psychisch belastenden beruflichen Situa-
tion stecken, können dieses Angebot nutzen.
Die Hotline ist jeden Dienstag von 15 Uhr bis 16 Uhr freigeschaltet
und unter der Telefonnummer 0 22 33 / 961 01 20 erreichbar.
Abenteuer Impftermin-Vergabe
D
D
a hat es sich im Netz ganz ordentlich geknubbelt am Samstag,
den 10. April 2021. An diesem Tag konnten sich die über 60-
Jährigen zu einem Impftermin im Schwelmer Drive-In-Impfzentrum,
das Ministerpräsident Armin Laschet wenige Tage zuvor besucht
hatte, anmelden. Zwar war die Anmeldeplattform ab 8:00 Uhr mor-
gens freigeschaltet, aber da war der Server bereits überlastet. Erst
nach gefühlten 150 Einwahlversuchen im Laufe des Vormittags habe
ich mich erfolgreich zum ersten und zum zweiten Impftermin anmel-
den können. Ende gut, alles gut – hoffentlich!
Manfred Berretz
IT-Fortbildung
abgesagt
Geduldsprobe: Die Buchung eines Impftermins
erfordert mitunter einen langen Atem.
Wandern mit Rheinblick
W
ir Seniorinnen und Senioren suchen ja für diese lange Corona-
Zeitspanne Möglichkeiten einer Abwechslung. Deswegen ha-
be ich einen bisher sehr wanderfreudigen Kollegen gebeten, Vor-
schläge zu unterbreiten: Jürgen Schmitt hat seit Jahren schon ver-
schiedene Höhen des Rheins erwandert, den ganzen Rheinsteig und
später wieder einzelne Teilstrecken entlang dem Rechtsrheinischen.
Hier sein Tipp, eine Wanderung oberhalb des Rheins:
»Ein schöner Weg ist auf der Erpeler Ley. Man kann bis an die Er-
peler Ley mit dem Wagen fahren und dann von der Brückenrampe
an den Hinweisen durch ein schönes Gebiet folgen. Dort läuft man
auf dem Felsen und hat wunderbare Ausblicke auf den Rhein. Und
man wird belohnt mit einem Blick auf den Rhein, die Stadt Rema-
gen und die am Ende des Krieges wegen ihrer Sprengung berühmt
gewordene Brücke von Remagen (es gibt sogar einen Spielfilm
darüber). Man kann oben dann auch weiter am Felsenrand spazie-
ren gehen. Für Pausen gibt es viele Bänke und, jedenfalls in
Corona-freien Zeiten, auch einige gastronomische Angebote für eine
schöne Rast.«
Jürgen Schmitt
Auf dem Rheinsteig bieten sich
Wanderern herrliche Ausblicke auf den Rhein.
Die vom 5. bis 7. Mai geplante IT-Fortbildung in Königswinter-Thomasberg wurde wegen der
dritten Corona-Welle leider storniert. Wir haben aber die Hoffnung, in diesem Jahr noch,
wann auch immer es sein wird, gemeinsame Veranstaltungen für die
lehrer nrw
-Seniorinnen
und -Senioren durchführen zu können.
Konrad Dahlmann
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3/2021 ·
lehrer nrw
SENIOREN
lehrer nrw ·
3/2021
28
Muss ich
das wirklich
machen?
Lehrkräfte haben ein Recht und eine
Pflicht zur Remonstration. Landauf,
landab mehren sich allerdings ’Gerüchte’
über Grenzen der Remonstrationsmöglichkeiten.
Wo liegen die Grenzen einer Remonstration im
Zusammenhang mit der Aufsicht über die Corona-
Schnelltests an Schulen?
M
M
uss ich das wirklich machen? –
Eine derartige Frage könnte man
wohl im Zweifel einem Kind zu-
ordnen, das unwillig oder ungläubig eine
Anordnung der Eltern oder einer Lehrkraft
hinterfragt. Diese Frage könnten aber auch
eine Lehrerin oder ein Lehrer in Anbetracht
ihrer Aufgabe stellen, Schülerinnen und
Schüler bei der Durchführung der Covid-
Schnelltests zu beaufsichtigen.
Viele Lehrkräfte, die diese Frage umtreibt,
haben sie bereits im Rahmen einer Remons-
tration gestellt. Dennoch ist bezüglich ein-
zelner Aspekte noch nicht allgemein klar,
wie weit Remonstrationsrecht und -pflicht
tatsächlich gehen. Nicht wenige Lehrkräfte
haben die Erfahrung machen müssen, dass
sie mit ihrem Versuch zu remonstrieren aus
Gründen nicht durchdringen konnten, die
mit der kritischen Sicht der Aufsicht gar
nichts zu tun zu haben scheinen.
Eine Anordnung und
ihre Rechtmäßigkeit
Eine Remonstration ist kein Rechtsbehelf,
sie ist als Beschwerdepflicht zu verstehen.
Die Schlüsselnorm ist § 36 Beamtenstatus-
gesetz (BeamtenstG). Für die Rechtmäßig-
keit seiner dienstlichen Handlungen trägt
ein Beamter grundsätzlich die volle Verant-
wortung. Er wird von der Verantwortung
freigestellt, wenn er Bedenken gegen die
Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen
im Rahmen seiner Remonstrationspflicht
nachkommt. Diese existiert bereits dann,
wenn der Beamte die Anordnung als mögli-
cherweise rechtswidrig identifiziert. Die
Remonstrationspflicht hat zwei Funktionen:
Sie dient der haftungs- und disziplinarrecht-
lichen Entlastung des Beamten bei Anord-
nungen rechtswidriger Natur, aber auch der
behördlichen Selbstkontrolle.
Zum Zwecke der Remonstration hat sich
eine Lehrkraft bei Bedenken gegen die Recht-
mäßigkeit einer dienstlichen Anordnung an
den Dienstweg zu halten und damit an die
Schulleitung als unmittelbar vorgesetzte Stelle
zu wenden. Hält diese die Anordnung auf-
recht, muss sich die Lehrkraft, sofern sie ihre
Bedenken beibehält, an die nächsthöhere Stel-
le, das heißt die Schulaufsicht, richten. Wird
die Anordnung bestätigt, ist sie zwar auszu-
führen, aber der Beamte von seiner eigenen
Verantwortung befreit. Dem aufgetragenen
Verhalten ist nur dann überhaupt nicht nach-
zukommen, wenn es die Menschenwürde ver-
letzen würde oder strafbar bzw. ordnungswid-
rig wäre. Die Strafbarkeit oder Ordnungswid-
rigkeit muss für die Lehrkraft erkennbar sein.
Verweigerung als
Dienstpflichtverletzung
Drängt sich an dieser Stelle der Gedanke auf,
ob Lehrerinnen und Lehrer von daher sogar
die Aufsicht einfach verweigern könnten?
Nein, denn auch wenn die Aufsicht über die
Testverfahren äußerst kritisch zu sehen ist, ei-
ne Verletzung der Fürsorgepflicht gegenüber
Schülerinnen und Schülern geht grundsätzlich
noch nicht mit der Verletzung von Strafvor-
schriften oder mit Ordnungswidrigkeiten ein-
her. Eine Verweigerung würde eine Dienst-
pflichtverletzung bedeuten und könnte diszi-
plinarische Maßnahmen nach sich ziehen.
Nicht an einer Remonstration hindern las-
sen sollten sich Lehrerinnen und Lehrer, weil
sie angestellt sind und dies von daher angeb-
lich nicht dürfen. Remonstrationsrecht und
-pflicht nach § 36 BeamtenstG zählen zu den
allgemeinen Rechten und Pflichten der Lehr-
kräfte an öffentlichen Schulen in NRW (§ 3
Absatz 2 Satz 1 der Allgemeinen Dienstord-
nung für Lehrerinnen und Lehrer, Schulleite-
rinnen und Schulleiter an öffentlichen Schu-
len [ADO]). Gemäß § 3 Absatz 4 ADO gelten
die allgemeinen Rechte und Pflichten ent-
sprechend für Angestellte.
Fürsorgepflicht gegenüber
Schülerinnen und Schülern
Wenden sich Lehrkräfte auf dem Remonstrati-
onswege gegen die Aufsicht bei der Durch-
führung der Schüler-Schnelltests, sollten sie
aber beispielsweise nicht die Verletzung der
Fürsorgepflicht insbesondere der Schulleitung
RECHT
§
AUSLEGER
von CHRISTOPHER LANGE
Foto: AdobeStock/EstanisBS
Dass Lehrkräfte die Selbsttests von Schülerinnen und Schülern
in der Schule beaufsichtigen müssen, ist aus verschiedenen Gründen höchst
umstritten – und für viele Anlass zur Remonstration.
gegenüber den Lehrkräften bemängeln, weil
die Gefahr bestehe, dass Schutzvorschriften
nicht eingehalten werden können oder gar
gewisse chaotische Zustände entstehen
könnten. Wegen solcher Bedenken zuguns-
ten des eigenen Arbeitsschutzes ist gegebe-
nenfalls eher an eine Überlastungsanzeige
zu denken. Gegenstand einer Remonstration
sollten dagegen Bedenken wegen der Ge-
währleistungsmöglichkeit der Fürsorgepflicht
der Lehrkräfte gegenüber den ihnen anver-
trauten Schülerinnen und Schülern sein.
Lehrkräfte sollten sich allerdings nach Auf-
fassung unseres Verbandes nicht von einer
Remonstration abhalten lassen, weil sich das
Verhalten, gegen das man sich wendet,
schon aus allgemeinen Regelungen wie bei-
spielsweise Schulmails und nicht erst aus
unmittelbaren dienstlichen Anordnungen der
Schulleitung ergebe, wie es oftmals kolpor-
tiert wird. Im Zusammenhang mit den Schul-
mails vom 11. März 2021 und 15. März
2021 über die Durchführung der Selbsttests
spricht sich das Schulministerium zwar nur
dann für die Möglichkeit der Remonstration
aus, wenn die allgemeinen Vorgaben der
Schulmails durch die Schulleitung gegenüber
einer Lehrkraft konkretisiert werden. Wir se-
hen diese Voraussetzung bei praxisnaher Be-
trachtung aber im Regelfall als gegeben an.
Lehrerinnen und Lehrer können davon aus-
gehen, dass sie die in den Schulmails be-
schrieben Aufgaben letzten Endes mindes-
tens in wortloser Übereinstimmung und mit
unausgesprochenem Willen der Schulleitung
erfüllen, wenn diese trotz Organisationsho-
heit an der eigenen Schule die Aufsicht
durch die Lehrkräfte zumindest duldet.
Etwaige Zweifel, inwieweit eine Remons-
tration gegenüber einem unmittelbaren Vor-
gesetzten auch bezüglich allgemeiner oder
übergreifender Regelungen möglich sein
soll, ist daher von theoretischem Interesse
und nicht relevant.
Was eine Remonstration
bewirken kann
Was bewirkt dann eine Remonstration ge-
gen die Aufsicht bei den Schnelltests, wenn
zwar diverse kolportierte Hinderungsgründe
nicht einschlägig sind, aber es letztlich darauf
hinausläuft, ob man die Aufsicht im Zweifel
nicht doch durchführen muss? Die Antwort
zielt auf die behördliche Selbstkontrolle ab:
Wenn Lehrkräfte aufgrund der tatsächlichen
Gegebenheiten die Fürsorgepflichten ge-
genüber den Schülerinnen und Schülern
nicht gewährleisten können, kann eine Re-
monstration dazu anregen, dass zweifelhaf-
te Vorgehensweisen abgeändert werden.
Sie unterstützen die Bemühungen aller Ver-
bandsfunktionsträger auf politischen Ebe-
nen, dass die Aufsicht über Tests baldmög-
lichst der Vergangenheit angehören werden.
RECHT
§
AUSLEGER
Christopher Lange leitet die Rechtsabteilung
des
lehrer nrw
E-Mail: Rechtsabteilung@lehrernrw.de
»Yannick hat Corooooona«, kräht der
fröhliche Sechstklässler, der der interes-
sierten Klassenöffentlichkeit soeben
exklusiv das Testergebnis seines Sitz-
nachbarn verkündet. Zwei fette Streifen
prangen da im Ergebnisfenster. Das
heißt: Positiv!
Yannick ist ob des Testresultats und
des von seinem Klassenkameraden
etwas freizügig ausgelegten Diskreti-
onsgebots nicht ganz so fröhlich. Doch
zum Glück gibt es da ja die Lehrerin, die
die Situation getreu der Vorgabe von
Staatssekretär Mathias Richter ‘pädago-
gisch sensibel’ (Zitat Schulmail vom
15. März) managt. Fragt sich nur, was
es da noch zu managen gibt, wenn Yan-
nick einigermaßen verstört am klassen-
internen Corona-Pranger steht und der
Flurfunk ruckzuck heißläuft.
Man erlebt so einiges als Lehrkraft im
Corona-Testzentrum Schule. Es ist ein
erhebendes Gefühl, wenn fünfzehn
Schüler zeitgleich die Masken abneh-
men, von denen einer (einer geht im-
mer!) nach erfolgreicher Nasenrund-
fahrt mit dem Wattestäbchen herum-
wedelt, um dann festzustellen, dass das
Testextraktionsröhrchen in der Work-
station noch nicht mit den vorgeschrie-
benen zehn Tropfen der Probenextrakti-
onspufferlösung befüllt wurde. Da hilft
die selbstverständlich ungeimpfte, weil
per Stiko-Dekret nicht zur Risikogruppe
zählende Sekundarstufe I-Lehrkraft
doch gern.
Lehrkräfte sollen die Selbsttests von
Schülerinnen und Schülern beaufsichti-
gen, anleiten, unterstützen, kontrollie-
ren, dokumentieren sowie bei positivem
Ergebnis noch kurz die nötigen weite-
ren Schritte einleiten und, wie gesagt,
‘pädagogisch sensibel’ die verständliche
Besorgnis bei den Betroffenen moderie-
ren. Falls irgendwas unklar sein sollte,
gäbe es da noch ein paar nette Erklärvi-
deos. Auch ein Blick in die achtseitige
Gebrauchsanweisung zum Selbsttest-
Kit kann wesentlich dazu beitragen,
eventuell vorhandene Rest-Klarheiten
zu beseitigen.
Wenn alle Testmaterialien ordnungs-
gemäß entsorgt und alle Ergebnisse
pflichtgemäß dokumentiert sind, bleibt
sogar gelegentlich noch Zeit für Unter-
richt, Prüfungsvorbereitungen und ähn-
liche Nebensächlichkeiten. In Corona-
Zeiten muss man halt Abstriche machen
– nicht nur in der Nase.
Jochen Smets
Neues aus dem Testzentrum Schule
lehrer nrw ·
3/2021
30
ANGESPITZT
Lösung Aufgabe 1: 1. Reihe: zweiter Block | 2. Reihe: erster Block
3. Reihe: dritter Block | 4. Reihe: vierter Block | 5. Reihe: erster Block
Lösung Aufgabe 2:
Susanne und Anton wollen im Mai heiraten
Ich gehe jeden Sonntag im Park joggen
Mein Mann ist der beste Koch der Welt
Welche Sorte ist Dein Lieblingseis
Im Sommer machen wir eine Kreuzfahrt im Mittelmeer
Wer hat
an der
Uhr
gedreht?
Die Blöcke, bestehend aus vier Uhren
sind identisch. Sie unterscheiden sich
lediglich dadurch, dass sie als Gan-
zes gedreht sind. In jeder Reihe fin-
den Sie jedoch auch einen Block,
in dem zusätzlich eine Uhr einzeln
gedreht wurde. Dieser Block ist somit
nicht identisch zu den anderen.
Finden Sie in jeder Reihe den Block,
der sich von den anderen der Reihe
unterscheidet.
Satzbildung
Bilden Sie fünf sinnvolle Sätze, indem Sie die passenden Wörter in die richtige Reihenfolge bringen.
Susanne joggen Kreuzfahrt beste Dein Ich Anton Koch Sommer Mann der gehe ist
Sonntag Welt Sorte im Park Im heiraten machen wir eine im Mittelmeer wollen Welche
Lieblingseis und im Mai jeden Mein ist der
HIRNJOGGING
31
3/2021 ·
lehrer nrw
AUFGABE 1:
AUFGABE 2:
Über Feedback zu meinen
Gehirnjogging Übungen
würde ich mich sehr freuen:
mail@heike-loosen.de
Heike Loosen
Mitglied
werden!
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