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5/2020 ·
lehrer nrw
SCHULE & POLITIK
der Medienkompetenz im Unterricht.
Schülerinnen und Schülern soll es möglich
sein, digitale Medien reflektiert und fach-
orientiert anzuwenden. Die Hochschulen
in Nordrhein-Westfalen sind in dieser Hin-
sicht, so mein Eindruck, auf einem hervor-
ragenden Weg. Wer heute Lehrerin oder
Lehrer in Nordrhein-Westfalen werden
will, wird auch in Sachen Digitalisierung
sehr gut auf das spätere Berufsleben vor-
bereitet sein. Jedoch besteht auch hier
durchaus noch Entwicklungspotenzial
und wir freuen uns, diese Herausforde-
rung anzugehen.
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Und wie können Lehrkräfte, die
bereits im System sind und nicht
zu den ’digital natives’ zählen,
darauf vorbereitet werden?
Kaiser: Für mich ist die Nutzung von digi-
talen Medien keine Frage von ’digital nati-
ve’. Die Frage, die sich hier eigentlich
stellt, ist doch neben der technischen die
der Einsatzbereitschaft und Offenheit, sich
auf digitale Anwendungen einzulassen.
Wer kein Interesse an neuen Lehrmetho-
den und Medien hat, der wird auch nicht
durch Zwang dazu motiviert, neue Medien
im Unterricht mit Freude zu nutzen. Er-
freulicherweise hat die Corona-Krise ge-
zeigt, dass viele Lehrkräfte, die nicht zu
den ’digital natives’ zählen, sehr wohl mo-
tiviert sind, in die Welt des digitalen Leh-
rens und Lernens einzusteigen – und das
sehr erfolgreich.
Neben der Motivation spielt natürlich
die Bereitstellung von Qualifizierungsini-
tiativen eine wichtige Rolle, um die Lehr-
kräfte möglichst umfänglich auf die digi-
tale (Schul)welt vorzubereiten. Dafür ist es
notwendig, Bedürfnisse, Bedarfe und An-
gebote in klaren Strukturen zu benennen
und möglichst ’passgenau’ aufeinander
abzustimmen. Dazu bedarf es nicht nur
der staatlichen Lehrkräftefortbildung,
auch die Hochschulen leisten schon jetzt
wichtige Beiträge dazu. Den Einbezug der
Hochschulen in die Weiterbildung von
Lehrkräften wollen wir noch weiter aus-
bauen.
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Angesichts des Lehrermangels
sind viele Schulen in Nordrhein-
Westfalen auf Seiteneinsteiger
angewiesen. Viele bringen sehr gutes
Fachwissen mit, haben in der Regel
aber nicht den nötigen didaktisch-pä-
dagogischen Hintergrund. Hier bedarf
es intensiver Nachqualifizierungen auf
hohem wissenschaftlichem Niveau.
Wie wollen Sie das sicherstellen?
Kaiser: Es sind mittlerweile bereits vielfäl-
tige Maßnahmen in die Wege geleitet wor-
den, um den Lehrermangel zu bewältigen.
Dazu gehören tatsächlich auch unkonven-
tionelle ’Türöffner’. Wo Didaktik, Metho-
denwissen und pädagogisches Know-how
nachqualifiziert werden müssen, da stehen
die Hochschulen, die Lehrkräfte ausbilden,
mit Rat und Tat, Curricula, Praxisofferten
und vor allem mit Kooperationsangeboten
bereit.
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In vielen Fortbildungen agieren
Lehrkräfte als Multiplikatoren
für Lehrkräfte. Dabei werden sie
in der Schule eigentlich dringender
gebraucht. Wie kann das Fortbildungs-
angebot des Landes eine stärkere
universitäre Anbindung und eine
tiefere wissenschaftliche Basis
bekommen?
Kaiser: Auch hier gilt – wie in vielen an-
deren Bereichen der Lebens- und Arbeits-
welt: Man kann das eine ja tun, ohne das
andere zu lassen. Sie zielen hier primär
auf die Struktur der staatlich organisier-
ten Lehrkräftefortbildung ab. Erlauben Sie
mir an dieser Stelle den Hinweis auf die
’Fokussierte Evaluation der Lehrkräfte-
fortbildung NRW’. Dort ist die Sinnhaftig-
keit einer stärkeren universitären Anbin-
dung der Lehrkräftefortbildung angespro-
chen. Ich bin sicher, dass der gesamte
Prozess der Erneuerung des Systems der
Lehrkräftefortbildung auch zu Fortschrit-
ten im Sinne von mehr Kooperation, zum
Abbau von Schwellen und zu einem kon-
struktiveren Miteinander von schulischer
und hochschulischer Vermittlung führen
wird.
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Riskieren Sie doch mal einen
Blick in die Zukunft: Wie sieht
für Sie die Lehrkraft von morgen
aus?
Kaiser: Ich sehe gut ausgebildete, praxis-
orientierte und engagierte Lehrerinnen
und Lehrer, denen der Zusammenhang von
Beruf und Berufung bewusst ist. Die Aus-
bildung an den Hochschulen in Nordrhein-
Westfalen ermöglicht ihnen, ihre Arbeit
motiviert und flexibel, dabei vor allem
fachlich versiert und auch querschnittsof-
fen auszuüben. Sie schätzen die ihnen an-
vertrauten jungen Menschen, das Wissen,
das ihnen vermittelt wird und die damit
verbundenen Kompetenzen. Und sie sind
sich der Notwendigkeit eines lebenslangen
Lernens bewusst.
ZUR PERSON
Klaus Kaiser ist seit dem 30. Juni
2017 Parlamentarischer Staatssekretär
im Ministerium für Kultur und Wissen-
schaft des Landes Nordrhein-Westfa-
len. Der 63-Jährige hat Geschichte,
Anglistik und Pädagogik für das höhe-
re Lehramt an der Universität Münster
studiert und ist seit 1974 Mitglied der
CDU.
Im Jahr 2000 zog er für die CDU
erstmals in den nordrhein-westfäli-
schen Landtag ein. Von 2005 bis 2010
war er bildungspolitischer Sprecher
der CDU-Landtagsfraktion und von
2010 bis 2017 stellvertretender Frakti-
onsvorsitzender (Bereiche Schule, Wis-
senschaft und Kultur).
Foto: MKW/Christoph Meinschäfer