3Unter der Lupe
Pacta sunt
servanda!
15 Dossier
Mit dem ganzen
Haufen lernen?
Lob des Klassenunterrichts
22 Schule & Politik
A13 –
der Meilenstein?
6Im Brennpunkt
Am Ball bleiben!
Anspruch und Wirklichkeit
der neuen Landesregierung
Arbeitsbelastung:
Lehrkräfte
am Limit
Pädagogik & Hochschul Verlag . Graf-Adolf-Straße 84 . 40210 Düsseldorf · Foto: AdobeStock
1781 | Ausgabe 5/2022 | SEPTEMBER | 66. Jahrgang
INHALT
lehrer nrw ·
5/2022
2
UNTER DER LUPE
Sven Christoffer:
Pacta sunt servanda! 3
BRENNPUNKT
Sarah Wanders: Am Ball bleiben!
Über Anspruch und Wirklichkeit
der neuen Landesregierung 6
JUNGE LEHRER NRW
Marcel Werner: Fatales Signal 8
MAGAZIN
Hilfe bei Gewalt gegen Lehrkräften 10
TITEL
Lehrkräfte unter Druck 12
Entlastungsmöglichkeiten im Schulalltag 14
Fortbildungen, die helfen 14
DOSSIER
Michael Felten:
Mit dem ganzen Haufen lernen?
Lob des Klassenunterrichts 15
SCHULE & POLITIK
Im Gespräch mit der Schulministerin 19
Führung
Zwischen Krisenmanagement
und Schulentwicklung 20
Ulrich Gräler: A13 – der Meilenstein? 22
FORTBILDUNGEN
Mülheimer Kongress 2022:
Generation Social Media 24
‘Tanz mit dem Widerstand’ 24
BATTEL HILFT
Schon mit den Eltern gesprochen? 26
SENIOREN
Auf nach Hannover 27
Die Schönheiten des Grugaparks
und das Museum Folkwang 27
Präventionskurs und Westfalenpark 27
RECHT§AUSLEGER
Christopher Lange: Hey, teacher,
leave us kids alone…! – Teil 2 28
ANGESPITZT
Jochen Smets: Die McDonaldisierung
der Bildung 30
HIRNJOGGING
Aufgabe 1: Schulen gesucht 31
Aufgabe 2: Unterschiede finden 31
Aufgabe 3: Wetterkapriolen 31
IMPRESSUM
lehrer nrw
– G 1781 –
erscheint sieben Mal jährlich
als Zeitschrift des
‘lehrer nrw’
ISSN 2568-7751
Der Bezugspreis ist für
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‘lehrer nrw’
im Mitgliedsbeitrag enthal-
ten. Preis für Nichtmitglieder
im Jahresabonnement:
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Herausgeber und
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Nordrhein-Westfalen,
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Redaktion
Sven Christoffer,
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Düsseldorf
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PÄDAGOGIK &
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Für unverlangt eingesandte
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währ übernommen werden.
Namentlich gekennzeichnete
Beiträge geben die Meinung
ihrer Verfasser wieder.
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lehrer nrw
UNTER DER LUPE
Pacta sunt
servanda!
Gewerkschaftsarbeit wirkt – wie sich am
Koalitionsvertrag zeigt. Doch gemessen wird die
neue Landesregierung an ihren Taten.
N
Nach zügigen Sondierungsgesprächen und Koalitionsver-
handlungen ist der ’Zukunftsvertrag für Nordrhein-
Westfalen’ noch vor den Sommerferien von der CDU und
den Grünen unterzeichnet worden. Erfreulich aus Sicht von
lehrer nrw
ist, dass sich im Bereich ’Schule und Bildung’
viele Punkte finden, die unseren Verbandsforderungen ent-
sprechen. Beharrliche Gewerkschaftsarbeit zahlt sich also
aus – vorerst allerdings nur auf dem Papier. Ein Überblick:
Schulvielfalt
Die Koalitionspartner bekennen sich zum Schulfrieden und
zu »
unserem vielfältigen Schulsystem«
.
Im Januar hatte ich zuletzt die Gelegenheit, im Landtag
Schulvielfalt als Stärke herauszustellen: »An dieser Stelle
würde ich gerne noch einmal eine Lanze brechen für das
nordrhein-westfälsche Schulsystem. Wir haben in Nord-
rhein-Westfalen eine Schulvielfalt, die ein breites Angebot
bereithält – aus meiner Sicht eine enorme Stärke. Wir haben
Schulformen, die sich Differenzierung und kognitive Homo-
genisierung auf ihre Fahnen geschrieben haben. Wir haben
Schulformen, die Kooperation und Kollaboration in den Mit-
telpunkt stellen. Wir haben die Neigungsdifferenzierung
und die Berufswahlorientierung an unseren Realschulen.
Und wir haben große Systeme, aber auch kleine, sehr behü-
tete. Und auch die werden von einigen Schülerinnen und
Schülern in besonderer Weise benötigt, weil sie sich dort
besonders aufgehoben und individuell betreut fühlen.«
Realschulen mit
Hauptschulbildungsgang
»Wir ermöglichen Hauptschulbildungsgänge ab Klasse 5 an
Realschulen und ändern § 132c SchulG NRW
Ein Schritt in die richtige Richtung, er darf allerdings
nicht der einzige bleiben. Im Frühjahr hatte
lehrer nrw
in
einem Schreiben an alle Parteien einen konstruktiven und
ergebnisoffenen Dialog angeboten, um das Konstrukt der
132c-Schulen in Gänze zu überdenken: »Aus unserer Sicht
ist der Hauptschulbildungsgang
an Realschulen in seiner derzeitigen
Ausgestaltung nicht tragfähig, die 132c-Schu-
len bedürfen einer grundlegenden Neuausrichtung.«
Fokussierung auf den Unterricht
»Wir werden die Lehrkräfte von Bürokratie und Verwal-
tungsaufgaben entlasten und die Notwendigkeit von
neuen Aufgaben kritisch überprüfen, damit sie sich
stärker auf qualifizierten Unterricht konzentrieren.«
Im April hatte ich Gelegenheit, im Düsseldorfer Landtag
anlässlich eines Werkstattgesprächs der CDU-Landtagsfrak-
tion in einem Impulsvortrag zu dem Thema auszuführen:
»Schule muss so organisiert sein, dass das pädagogische
Personal sich auf das pädagogische Kerngeschäft – Unter-
richten und Erziehen – fokussieren kann. Zu den Lehrer-
funktionen gehören das Unterrichten, das Erziehen, das
Diagnostizieren und Fördern, das Leistung messen und be-
urteilen, das Beraten, das Evaluieren, das Innovieren und
Kooperieren, das Organisieren und Verwalten. Die Zunahme
unterrichtsfremder Aufgaben in den letzten Jahren hat den
Bereich des Organisierens und Verwaltens aufgebläht.
Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass weniger Zeit für das
Kerngeschäft, nämlich die sorgfältige Planung, Vor- und
Nachbereitung von Unterricht, übrig bleibt. Gleiches gilt für
die mit Blick auf Schulorganisation und -entwicklung ele-
mentaren Teilbereiche Innovieren und Kooperieren. Schu-
len, in denen Organisation und Verwaltung Innovation und
Kooperation erdrücken, werden nicht vorankommen! In Zei-
ten gravierenden Lehrkräftemangels muss die ’Ressource
Lehrkraft’ deshalb fokussiert und zielgerichtet eingesetzt
werden. Alle Aufgaben, die keinen pädagogischen Hinter-
grund haben und keinen pädagogischen Horizont erfor-
dern, müssen outgesourct werden.«
Sozialwissenschaften
»Das Studienfach Sozialwissenschaften wird in seiner
bisherigen Form fortgeführt und besteht aus den Teil-
disziplinen Ökonomie, Soziologie und Politikwissenschaft
und berechtigt auch zum Unterrichten des Schulfachs
von SVEN CHRISTOFFER
lehrer nrw ·
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UNTER DER LUPE
Sven Christoffer ist Vorsitzender des
lehrer nrw
sowie Vorsitzender des HPR Realschulen
E-Mail: christoffer@lehrernrw.de
Wirtschaft/Politik in der Sekundarstufe I bzw. des Schul-
fachs Sozialwissenschaften in der Sekundarstufe II.«
Olaf Korte leitet das Referat Schulleitung in unserem Ver-
band und hat im Jahr 2021 sowohl im Landtag als auch in
unserer Zeitschrift ein leidenschaftliches Plädoyer für das
Fach gehalten: »
lehrer nrw
hat sich sehr für die Einführung
des Faches Wirtschaft eingesetzt und die Änderungen in den
Stundentafeln begrüßt. Dass dies die Streichung des Faches
Sozialwissenschaften zwangsläufig nach sich zieht, hält
leh-
rer nrw
jedoch für falsch. Natürlich ist es gut, dass wir nun
für das Fach Wirtschaft-Politik fachlich ausgebildete Lehrkräf-
te bekommen werden. Der Logik des Ministeriums folgend,
dass eine fachwissenschaftliche Ausbildung Grundlage jeder
Lehrtätigkeit ist, muss bei Beibehaltung des Faches Sozialwis-
senschaften selbstverständlich auch die fachwissenschaftli-
che Ausbildung in diesem Fach angeboten werden.«
A13-Stufenplan
»Wir werden die Eingangsbesoldung für alle Lehrämter auf
A13 anheben, die Besoldung auch bei Bestandslehrkräften
anpassen und in einer ersten Stufe im Nachtragshaushalt
2022 Mittel bereitstellen. Um dieses Ziel in der Legislatur-
periode zu erreichen, werden wir alle Lehrämter in einem
einheitlichen und verbindlichen Stufenplan durch die
Gewährung von aufwachsenden und ruhegehaltsfähigen
Zulagen zur Besoldung nach A13 führen.«
lehrer nrw
hat jahrelang für dieses Ziel gekämpft und vor
den Landtagswahlen mit einer öffentlichkeitswirksamen
Kampagne für eine leistungsgerechte Bezahlung nach
A13/E13 den Druck auf die Politik erhöht.
Erweiterung der Funktionsstellen
»Wir schaffen Funktionsstellen Inklusion in erweiterten
Schulleitungen.«
Bereits im vergangenen Jahr hatte Sarah Wanders (stellver-
tretende Vorsitzende des
lehrer nrw
) in ihrem Artikel ’Auch
starke Schultern können nicht alles tragen’ darauf hingewie-
sen, dass zeitgemäße Schulorganisation und fortschrittliche
Schulentwicklung Führung und Steuerung brauchen: »In den
letzten Jahren ist die Anzahl der Aufgaben, die Schule zu be-
wältigen hat, deutlich gestiegen. Integration, Inklusion und
die digitale Transformation seien beispielhaft genannt. Die
Verantwortung für diese Aufgaben muss auf mehr Schultern
verteilt werden, als das heute der Fall ist. Dabei geht es um
die Herausbildung größtmöglicher Expertise auf jedem einzel-
nen Aufgabenfeld. Deshalb braucht es als Schnittstelle zwi-
schen Schulleitungen und Kollegium Expertinnen und Exper-
ten, die als Koordinatorinnen und Koordinatoren fungieren –
beispielsweise für die Inklusion oder die Digitalisierung.«
Berufliche Bildung
»Für uns sind die akademische und die berufliche Bildung
gleichwertig. (…) Gemeinsam mit der Wirtschaft, den Sozi-
alpartnern und den Kammern wollen wir Nordrhein-Westfa-
len zum Berufsbildungsland Nummer eins machen. Dafür
stärken wir die Attraktivität sowie die Durchlässigkeit zwi-
schen beruflicher und akademischer Bildung. Nur wenn die
Menschen die Chancen nicht nur der akademischen, son-
dern gleichwertig die der beruflichen Bildung ergreifen, ge-
lingt die Fachkräftesicherung. (…) Schülerinnen und Schü-
ler sollen durch entsprechende Angebote die Möglichkeiten
der beruflichen Bildung systematisch und früher als bisher
kennenlernen und sich schon in der Schule von den Chan-
cen einer dualen Ausbildung überzeugen können.«
Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer
Bildung ist
lehrer nrw
ein Herzensanliegen. Daraus folgt:
Wer die duale Ausbildung stärken will, muss die Schulfor-
men stärken, die in besonderer Weise auf die Ausbildungs-
reife ihrer Schülerinnen und Schüler hinwirken. Real- und
Hauptschulen, Gesamt- und Sekundarschulen sind und blei-
ben in diesem Zusammenhang wichtige Kompassgeber!
Eine Zukunftsaufgabe
des Verbandes
Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten. Es wird
eine der Zukunftsaufgaben unseres Verbandes sein, die
Landesregierung wieder und wieder an ihre Koalitionsver-
sprechen zu erinnern und deren Umsetzung anzumahnen.
Denn solange die Verheißungen nur auf dem Papier existie-
ren, ist unseren Schulen nicht geholfen!
Foto: AdobeStock/Maridav
Am Start: Die schwarz-grüne Landesregierung
hat im Koalitionsvertrag viele Forderungen von
lehrer nrw aufgegriffen. Doch nun muss es an
die Umsetzung gehen.
lehrer nrw ·
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BRENNPUNKT
Am Ball bleiben!
Über Anspruch und Wirklichkeit der neuen Landesregierung
S
Sven Christoffer hat in seinem Artikel
auf Seite 3 gezeigt, dass sich beharrli-
che Verbandsarbeit auszahlt. Viele unse-
rer langjährigen Forderungen haben Ein-
gang in den Koalitionsvertrag der neuen
Landesregierung gefunden. Dennoch gilt
es, sich nicht auf dem Erreichten auszuru-
hen, sondern auch weiterhin kritisch-kon-
struktiv Missstände aufzuzeigen und sich
für deren Behebung zum Wohle der Be-
schäftigten einzusetzen. Auch wenn zum
Beispiel die Fachleitungsbesoldung in der
Sekundarstufe I im Koalitionsvertrag er-
wähnt wurde, bleibt die konkrete Umset-
zung ungewiss. Auch wenn ’Funktions-
stellen Inklusion in erweiterten Schullei-
tungen’ (Koalitionsvertrag) geschaffen
werden sollen, wie es
lehrer nrw
vielfach
gefordert hat, ist das Ressourcenproblem
im Gemeinsamen Lernen nicht gelöst. Die
Koordination der Inklusion an Schule darf
nicht zur Mangelverwaltung degradiert
werden.
Digitalisierung ohne
Ressourcen
Für das Gelingen der Digitalisierung in den
Schulen unseres Landes sind nach wie vor
zusätzliche Ressourcen erforderlich. Zwar
wird es ab diesem Schuljahr Digitalisie-
rungsbeauftragte an jeder Schule geben –
von der alten Landesregierung initiiert und
von der neuen umgesetzt –, aber ohne nen-
nenswerte Ressourcen. So erhalten die Kol-
leginnen und Kollegen, die – mehr oder we-
niger – freiwillig diese große und wichtige
Aufgabe an Schule übernehmen, gerade
einmal eine Entlastungsstunde. Wenn man
die Aufgaben der Digitalisierungsbeauftrag-
ten im zugehörigen Aufgabenerlass betrach-
tet, ist das bei Weitem nicht ausreichend.
Die Hauptpersonalräte aller Schulformen
haben dies moniert und beim Ministerium
für Schule und Bildung NRW die Mitbestim-
mung bezüglich des Aufgabenerlasses ein-
gefordert, da es sich aus ihrer Sicht eindeu-
tig um eine ’Hebung der Arbeitsleistung’
72 LPVG NRW) handelt. Diese Mitbestim-
mung wurde leider verwehrt.
Eine weitere Entlastung der Kolleginnen
und Kollegen, die diese Aufgabe überneh-
men, ist ebenfalls unwahrscheinlich, da je-
de weitere Entlastungsstunde den Lehrkräf-
temangel weiter vergrößern würde. Digita-
lisierung kann aber ohne zusätzliche Res-
sourcen nicht funktionieren. Lehrkräfte
können nicht immer mehr Aufgaben neben
ihrem Kerngeschäft schultern. Die Belas-
tungsgrenze ist schon lange erreicht, häufig
sogar überschritten. So fordert
lehrer nrw
analog zu der angekündigten Funktions-
stelle Inklusion in erweiterten Schulleitun-
gen eine weitere Funktionsstelle Digitalisie-
rung, denn gerade an Realschulen und
Hauptschulen ist die Führungsebene viel zu
dünn besetzt, um die zahlreichen Aufgaben
in Schule – neben dem Kerngeschäft Unter-
richt – zu stemmen.
Corona: Und täglich
grüßt das Murmeltier
Hatten wir nicht alle gehofft, dass wir uns
in diesem Schuljahr wieder mehr mit unse-
rem Unterricht und weniger mit Corona-
Maßnahmen beschäftigen können? Dass
von SARAH WANDERS
BRENNPUNKT
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lehrer nrw
die Infektionszahlen im Sommer stark zu-
rückgehen werden wie im vergangenen
Jahr?
Und schon sind sie da: neue Handlungs-
konzepte Corona zum Schuljahresbeginn
und die Sorge vor weiter steigenden Fall-
zahlen im Herbst mit gravierenden Auswir-
kungen auf den Schulbetrieb. Zu begrüßen
ist, dass die neue Schulministerin Dorothee
Feller bereits in der Mitte der Sommerferien
Hauptpersonalräte und Verbände in ihre
Überlegungen einbezogen und rechtzeitig
vor Schulbeginn ihr ’Handlungskonzept
Corona’ kommuniziert hat. Wer allerdings
einmal an diesen Gesprächen im Vorfeld
teilgenommen hat, der weiß, wie schwierig
es ist, die Interessen des Ministeriums, der
Lehrkräfte, Eltern sowie Schülerinnen und
Schüler unter einen Hut zu bringen. Selbst
unter den Lehrkräften gibt es nicht die ei-
ne Haltung zu Masken, Tests und Distanz-
unterricht.
Auch in diesem Schuljahr gilt es wieder,
den Spagat zwischen den schulischen Not-
wendigkeiten und den Erfordernissen der
Pandemie zu meistern. Da viele Experten
mittlerweile von einer massiven Corona-
Welle im Herbst ausgehen, wird sich dies
dann auch auf den Krankenstand bei Lehr-
kräften und Schülern auswirken.
lehrer nrw
fordert deshalb, dass, sollte flächendecken-
der Präsenzbetrieb nicht mehr durchgän-
gig möglich sein, Schulen, die inzwischen
alle einen großen Erfahrungsschatz im
Corona-Management aufgebaut haben,
größtmögliche Flexibilität und Eigenver-
antwortung erhalten. Es muss zum Beispiel
möglich sein, bei Bedarf einzelne Jahr-
gangsstufen oder Klassen in den Distanz-
unterricht zu schicken, um Präsenzunter-
richt für die übrigen zu gewährleisten. Die-
se Forderungen hat unser Verband gegen-
über der Ministerin frühzeitig kommuni-
ziert.
Verlässliche Rahmen-
bedingungen setzen
Desweiteren muss es klare Regelungen für
die Beschulung von Schülerinnen und Schü-
lern in Quarantäne geben. Es darf nicht da-
rauf hinauslaufen, dass Lehrkräfte zunächst
ihren Unterricht in der Schule ableisten und
am Nachmittag/Abend die sich in Quarantä-
ne befindlichen Kinder zusätzlich im Distanz-
unterricht beschulen. Darüber hinaus muss
das Ministerium bei aller Flexibilität und
Eigenverantwortung für die Schulen zum
Beispiel bezüglich einer möglichen Masken-
pflicht im Herbst verlässliche Rahmenbedin-
gungen setzen. Alles andere würde bei ei-
nem so emotionsgeladenen Thema zu gro-
ßen Spannungen innerhalb der Schulge-
meinde führen. Und es kann auch nicht die
Aufgabe der Schulleitungen sein zu ent-
scheiden, ob Masken getragen werden
müssen oder nicht. Fest steht, dass vor den
Herbstferien geregelt und kommuniziert
sein muss, welche Regelungen nach den
Herbstferien gelten werden.
An dieser Stelle könnte ich noch zahlrei-
che weitere ’Baustellen’ im System Schule
aufführen, was allerdings wahrscheinlich
den Rest der Zeitschrift in Anspruch nehmen
würde. Deshalb möchte ich an dieser Stelle
mit dem Versprechen schließen: Wir bleiben
für Sie am Ball!
Sarah Wanders ist stellv. Vorsitzende
des
lehrer nrw
E-Mail: wanders@lehrernrw.de
Foto: AdobeStock/master1305
Von Inklusion über
Digitalisierung bis Corona
die Landesregierung hat reichlich Arbeit
vor sich. lehrer nrw wird das konstruktiv-
kritisch begleiten. Wir bleiben am Ball!
lehrer nrw ·
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JUNGE LEHRER NRW
Marcel Werner ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft
junge
lehrer nrw
E-Mail: werner@lehrernrw.de
von MARCEL WERNER
Fatales
Signal
Die Sonderregelungen, die während der Coro-
na-Pandemie als Erleichterung für Lehramts-
anwärterinnen und -anwärter galten, sind von
der Landesregierung nicht verlängert worden.
Mit Blick auf die bevorstehende Herbstwelle
ist dies ein unüberlegter Schnellschuss.
D
Der Lehrermangel in Nordrhein-Westfa-
len ist nicht von der Hand zu weisen,
und eine Ausbildung unter Coronabedin-
gungen ist keine einfache Aufgabe für un-
sere Lehramtsanwärterinnen und -anwär-
ter. Jede ausgebildete Lehrkraft kann sich
nur zu gut an den Stress während des
Referendariats erinnern. Die Zeit zwischen
den einzelnen Unterrichtsbesuchen ver-
geht wie im Fluge, und es wird jede Stun-
de benötigt, um den Schülerinnen und
Schülern den Unterrichtsstoff zu vermit-
teln. Hinzu kommt das Entwickeln der
eigenen Lehrerpersönlichkeit, der Umgang
mit unruhigen Klassen und das Einführen
von Ritualen u.v.m.
Weit entfernt
von Normalität
Der Paragraf § 32a OPV – Sonderregelun-
gen für Staatsprüfungen – hat unseren
Lehramtsanwärterinnen und -anwärtern
einen enormen Druck genommen, da über
ihnen zu den oben genannten Punkten im-
mer das Damoklesschwert ’Corona-Pande-
mie’ schwebt. Sicherlich hatte es der vor-
herige Ausbildungsjahrgang schwerer, da
dieser teilweise mit langen Lockdowns und
Hybridunterricht etc. zu kämpfen hatte,
doch auch die aktuellen Lehramtsanwärte-
rinnen und -anwärter spüren die Auswir-
kungen der Corona-Pandemie auf den Un-
terricht enorm. Sicherlich haben sie den
großen Vorteil, dass der Präsenzunterricht
wieder läuft und wir langsam in schulische
Normalität zurückkehren, aber wir befinden
uns noch nicht in dieser Normalität, auch
wenn die Landesregierung dies vielleicht
etwas anders sieht. Zum Beispiel sorgen
die aktuellen Corona-Erkrankungen im
Kollegium dafür, dass ganze Schulen
handlungsunfähig sind. Die Folge ist,
dass Klassen zuhause bleiben müssen
und den Lehramtsanwärterinnen und
-anwärtern folglich notwendige Präsenz-
stunden fehlen.
Lehrerausbildung
nicht gefährden
Die Ausbildung unserer jungen Lehrerinnen
und Lehrer in Nordrhein-Westfalen ist sehr
gut, und wir sollten auch nicht von diesen
Standards abweichen. So dürfen Prüfungen
ohne Schülerinnen und Schüler nur eine ab-
solute Ausnahme sein und sind aus meiner
Sicht aktuell nicht notwendig. Allerdings
hätte die Landesregierung den sogenann-
ten Freiversuch, welcher in § 32a verankert
ist, beibehalten sollen. Denn dieser gibt
den Lehramtsanwärterinnen und -anwär-
tern psychologischen Beistand, indem er
zusätzlichen Druck von ihnen nimmt, dem
sie in den Prüfungen ausgesetzt sind. Jede
ausgebildete Lehrkraft kann sich an ihre
Staatsprüfung zurückerinnern, und bei eini-
gen sind auch sicherlich einzelne Schüler
erkrankt gewesen – dies ist in der Schule
Alltag. Allerdings ist es kein Alltag, wenn
am Tag der Prüfung wegen eines positiven
Tests mehrere Schülerinnen und Schüler auf
einmal ausfallen.
Aktuell müssen gestandene Lehrkräfte,
aber insbesondere unsere Lehramtsanwär-
terinnen und -anwärter damit rechnen,
dass durch Corona-Erkrankungen im Kolle-
gium oder in der Schülerschaft vieles nicht
zielorientiert umsetzbar ist. Daher ist die
Entscheidung, § 32a nicht zu verlängern,
ein fatales und ernüchterndes Zeichen
gegenüber den jungen Menschen, die in
naher Zukunft einige der offenen Stellen
besetzen sollen und wollen.
Ampel auf Rot: Das Auslau-
fen der Corona-Sonderregelungen
für Lehramtsanwärterinnen und
-anwärter könnte vor dem Hinter-
grund der zu erwartenden Herbst-
welle zu einer großen Belastung
für die Lehrerausbildung werden.
Foto: AdobeStock/Anselm
lehrer nrw ·
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MAGAZIN
Hilfe bei Gewalt
gegen Lehrkräfte
In zunehmender Zahl sehen sich Lehrkräfte verbaler oder
körperlicher Gewalt ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund
bietet das Anfang 2022 gegründete Präventionsnetzwerk
#sicher
imDienst
des Landes Nordrhein-Westfalen Schulen
sowie Lehrerinnen und Lehrern Rat und Unterstützung.
N
Nicht nur fachlich werden Lehrkräfte
Tag für Tag vor neue Herausforde-
rungen gestellt. Neben der Vermitt-
lung von Lerninhalten im Zeitalter der Digi-
talisierung spielt die Schule eine wichtige
Rolle in der Entwicklung von sozialen Fähig-
keiten der Schülerinnen und Schüler. Selbst-
bewusst heranwachsen, für sich selber ein-
stehen oder die eigene Meinung vertreten
lernen. Diskussionen und ein gewisses Kon-
fliktpotenzial gehören daher durchaus im
Schulalltag dazu und stellen an sich kein
weiteres Problem dar – Beleidigungen, Be-
drohungen oder körperliche Attacken hinge-
gen schon. Der Bereich, in welchem Lehr-
kräfte Konfliktpotenzial ausgesetzt sind und
diese Begegnungen eskalieren können, ist
groß: So können nicht nur der Kontakt zu
Schülerinnen und Schülern, sondern auch
Elterngespräche, eine Klassenkonferenz oder
fremde Personen an der Schule kritische Si-
tuationen darstellen. Mögliche, daraus ent-
stehende Unsicherheiten, wie man mit sol-
chen Situationen am besten umgehen sollte,
können auf Dauer zu Anspannungen führen
und das psychische und körperliche Wohlbe-
finden beeinflussen.
Zwar lassen sich nicht alle Herausforde-
rungen im Vorhinein verhindern, aber eines
ist klar: Wenn kritische Situationen auftreten
und Unsicherheiten im Umgang mit Gewalt
entstehen, sollten Lehrkräfte bestmögliche
Unterstützung erhalten. Doch wie kann das
umgesetzt werden? Neben der Alltagsorga-
nisation in Schulen und in Zeiten von Lehr-
kräftemangel und den nach wie vor starken
Belastungen der Corona-Pandemie kann
dies sowohl für Schulleitungen als auch
Gemeinsam für einen sicheren Arbeitsplatz Schule (v.l.): Andre Niewöhner (Leiter Koordinierungsgruppe #sicherimDienst),
Michael Suermann (Landesvorsitzender VLBS NRW), Anne Deimel (stellvertretende Landesvorsitzende VBE NRW), Hilmar von Zedlitz-Neukirch (Lan-
desvorsitzender VLW NRW), Wibke Poth (stellvertretende Landesvorsitzende VBE NRW), Sabine Mistler (Landesvorsitzende PhV NRW), Uta Brockmann
(PhV NRW), Nicole Paulus (
lehrer nrw,
KV Detmold), Stefan Behlau (Landesvorsitzender VBE NRW), Anne Herr (Geschäftsstelle #sicherimDienst).
MAGAZIN
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5/2022 ·
lehrer nrw
Lehrkräfte ein schwieriges Unterfangen
darstellen.
Gemeinsam für mehr
Schutz und Sicherheit
an Schulen
Das Anfang 2022 gegründete Präventions-
netzwerk #sicher
imDienst
des Landes
Nordrhein-Westfalen möchte Schulen bei
diesem Vorhaben unterstützen. Über drei-
hundert Behörden, Organisationen, Ge-
werkschaften und Institutionen des öffent-
lichen Dienstes in Nordrhein-Westfalen
haben sich bislang bei #sicher
imDienst
zusammengeschlossen. Auch
lehrer nrw
und weitere Fachgewerkschaften aus dem
Bereich Schule sind bereits Mitglied und un-
terstützen das Netzwerk. #sicher
imDienst
richtet sich ministerienübergreifend an alle
Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und
kann somit auch Lehrkräften in ihrer tägli-
chen Arbeit Unterstützung bieten.
Für den Umgang mit Gewaltübergriffen
bietet #sicher
imDienst
zwei wichtige Hilfe-
stellungen: Zum einen werden umfangrei-
che, berufsgruppenspezifische und praxis-
orientierte Informationen zum Thema Ge-
walt sowie Tipps zur Vor- und Nachsorge
von Übergriffen zur Verfügung gestellt und
zum anderen im Rahmen des Netzwerkes
die Möglichkeit zum Austausch gegeben.
Die vielen positiven Ressourcen können so-
mit genutzt und gemeinsam an Präventions-
und Schutzmaßnahmen gearbeitet werden.
Präventionsleitfaden gibt
Handlungsempfehlungen
In einem Präventionsleitfaden gibt es kon-
krete Handlungsempfehlungen, speziell zu-
geschnitten für Lehr- und pädagogische
Fachkräfte. Dieser Leitfaden wurde gemein-
sam von Beschäftigten aus allen Berufs-
gruppen des öffentlichen Dienstes, der Lan-
desverwaltung sowie Expertinnen und Ex-
perten aus der wissenschaftlichen Forschung
entwickelt. Neben der Wissensvermittlung
zu Bedingungen, Ursachen und Formen der
Gewalt werden allgemeine Hilfestellungen
und Handlungsempfehlungen zur Verfügung
gestellt. Auch strukturelle Aspekte, wie Füh-
rungsverantwortung und Arbeitsschutz und
damit auch Arbeitszufriedenheit werden
thematisiert. Für den Umgang mit Gewaltsi-
tuationen werden Möglichkeiten der Vorsor-
ge, des Handlings und der Nachsorge von
Gewalterfahrungen dargestellt, Tipps zur
Umsetzung gegeben und Rechtssicherheit
geschaffen. Diese beziehen sich sowohl auf
bauliche und technische Maßnahmen als
auch organisatorische und personenbezoge-
ne Maßnahmen. So können bauliche Anpas-
sungen dahingehend mehr Sicherheit bie-
ten, dass beispielsweise Besprechungsräu-
me so gestaltet werden, dass ein sicherer
Rückzug jederzeit möglich ist. Der etablierte
Notfallordner gibt bereits Standards für
mehr Schutz und Sicherheit in Schulen.
Darüber hinaus sind aber noch weitere Ebe-
nen relevant. So spielt das persönliche Ge-
fahrenbewusstsein für kritische Situationen
eine wichtige Rolle, um bereits frühzeitig
reagieren zu können und Konsequenzen zu
ziehen. Hier können Trainings ebenso hel-
fen wie die Nachbesprechung im Kollegi-
um. Weiterhin kommt es darauf an, Ge-
waltereignisse systematisch zu erfassen.
Mit einer Strafanzeige oder einem Strafan-
trag durch die Lehrkraft oder die Dienstvor-
gesetzten als wichtige Maßnahme der
Nachsorge wird die Ablehnung jeglicher
Form von Gewalt verdeutlicht und doku-
mentiert.
Wachsendes
Präventionsnetzwerk
Zusätzlich zum Präventionsleitfaden bietet
das behördenübergreifende Netzwerk
#sicher
imDienst
eine große Unterstüt-
zungsmöglichkeit. In dem Präventionsnetz-
werk können sich mittlerweile knapp
sechshundert Beschäftigte aus allen Berufs-
gruppen des öffentlichen Dienstes austau-
schen und geeignete Ansprechpartnerinnen
und Ansprechpartner für Fragen finden. Der
Zusammenschluss im Netzwerk ermöglicht
einen einrichtungsübergreifenden Austausch
von Erfahrungen und Tipps im Umgang mit
Gewalt und macht geeignete Praxisbeispiele
unter den Mitgliedern bekannt. So kann bei-
spielsweise das ’Gütersloher Modell’ als hilf-
reiches Orientierungssystem für Einsatz- und
Rettungskräfte in öffentlichen Gebäuden
dazu beitragen, dass externe Hilfe schneller
ankommt, wo sie gebraucht wird. Zukünftig
sollen neben dem Austausch auch regelmä-
ßige Veranstaltungsformate zu konkreten
Themen und Fragestellungen angeboten
werden. Begleitet wird #sicher
imDienst
durch eine groß angelegte Öffentlichkeitsar-
beit. Damit soll sowohl nach innen als auch
nach außen für das Thema Gewalt im öf-
fentlichen Dienst und ganz speziell für das
Thema Gewalt an Schulen sensibilisiert und
ein Zeichen gesetzt werden. Ferner soll
durch den Austausch sichergestellt werden,
dass die Anliegen und Probleme der Men-
schen vor Ort wahrgenommen und bearbei-
tet werden.
INFOS
#sicher
imDienst
ist eine Kampagne des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen der
NRW-Initiative ’Mehr Schutz und Sicherheit von Beschäftigten im öffentlichen
Dienst’. Kernelemente der Kampagne sind ein übergreifender Präventionsleitfaden
sowie ein landesweites Präventionsnetzwerk. Zum weiteren Ausbau des Präventi-
onsnetzwerkes ist es ein wichtiges Ziel, #sicher
imDienst
noch bekannter zu machen.
Durch die vergrößerte Reichweite können dadurch weitere Tipps und Tricks zum Um-
gang mit Gewalt dargestellt werden, sodass möglichst viele Lehrkräfte geeignete
Lösungsstrategien für mehr Schutz im Schulalltag erhalten können.
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lehrer nrw ·
5/2022
12
TITEL
Lehrkräfte
unter Druck
Eine repräsentative Umfrage der Robert Bosch Stiftung zeigt
eine alarmierend hohe Belastung von Lehrkräften im dritten
Corona-Schuljahr. Laut Deutschem Schulbarometer ist Wochen-
endarbeit für viele Lehrkräfte die Regel, über die Hälfte leidet
an Erschöpfung. Weitere Befunde sind ein deutlicher Anstieg
von Verhaltensauffälligkeiten und Lernrückständen bei Schüle-
rinnen und Schülern.
D
Die Corona-Pandemie und der Lehr-
kräftemangel haben an deutschen
Schulen tiefe Spuren hinterlassen:
Eine überwältigende Mehrheit der Lehr-
kräfte erlebt das Kollegium (92 Prozent)
und sich selbst (84 Prozent) derzeit stark
oder sehr stark belastet. Für über drei Vier-
tel der Lehrkräfte (79 Prozent) ist Wochen-
endarbeit die Regel und eine Erholung in
der Freizeit kaum noch möglich (60 Pro-
zent). Die Hälfte leidet unter körperlicher
(62 Prozent) oder mentaler Erschöpfung
(46 Prozent). Mehr als jede zehnte Lehr-
kraft (13 Prozent) plant, im kommenden
Schuljahr weniger zu arbeiten und das wö-
chentliche Deputat zu reduzieren. Das zei-
gen die Ergebnisse des Deutschen Schulba-
rometers, einer repräsentativen Umfrage
der Robert Bosch Stiftung GmbH, durchge-
führt von forsa.
»Chronische Überlastung
macht auf Dauer krank und
unzufrieden«
»Lehrkräfte stehen enorm unter Druck. Sie
müssen die Digitalisierung im Rekordtempo
nachholen, Corona-Richtlinien überwachen,
Lernrückstände aufarbeiten, einen Fach-
kräftemangel abfedern und eine steigende
Zahl von geflüchteten ukrainischen Kindern
und Jugendlichen in die Schulen integrie-
ren«, sagt Dr. Dagmar Wolf, Bereichsleiterin
Bildung der Robert Bosch Stiftung. Trotz der
noch immer sehr hohen Berufszufriedenheit
ÜBER DAS DEUTSCHE SCHULBAROMETER
Das Deutsche Schulbarometer ist eine Umfrage der Robert Bosch Stiftung unter Lehr-
kräften an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Deutschland. Die repräsenta-
tive Stichprobe umfasste insgesamt 1017 Lehrerinnen und Lehrer und wurde zwischen
dem 6. und 18. April 2022 als Online-Befragung von forsa durchgeführt. Die vollständi-
gen Ergebnisse der Umfrage finden Sie hier:
www.bosch-stiftung.de/de/lehrkraefte-stehen-unter-enormem-druck
Stress als Normalzustand:
Über achtzig Prozent der Lehrkräfte
fühlen sich im dritten Corona-Schul-
jahr stark belastet.
TITEL
13
5/2022 ·
lehrer nrw
WIE SCHÄTZEN LEHRKRÄFTE IHRE EIGENE ARBEITSBELASTUNG EIN?
Foto: AdobeStock/methaphum
(74 Prozent) sei das Belastungserleben der
Lehrkräfte in der Pandemie stark angestie-
gen. »Lehrerin oder Lehrer wird man aus
Überzeugung. Aber chronische Überlastung
macht auf Dauer krank und unzufrieden.
Schulen benötigen deshalb dringend zu-
sätzliches Personal. Dazu gehören Sozialpä-
dagoginnen und -pädagogen sowie Schul-
sozialarbeiterinnen und -arbeiter, aber
auch Verwaltungskräfte, die die Schullei-
tungen entlasten.«
Verhaltensauffälligkeiten
bei Kindern und Jugend-
lichen weiter angestiegen
Fast alle Lehrkräfte (95 Prozent) geben an,
seit Beginn der Corona-Pandemie im Früh-
jahr 2020 einen deutlichen Anstieg von
Verhaltensauffälligkeiten bei ihren Schüle-
rinnen und Schülern zu beobachten. Im
Vergleich zur Befragung des Deutschen
Schulbarometers im September 2021 ist
dieser Anteil in fast allen Bereichen noch
einmal gestiegen. So berichten jetzt 80
Prozent der Befragten von einer starken
Zunahme von Konzentrations- und Motiva-
tionsproblemen (2021: 67 Prozent). Fast
doppelt so viele Lehrkräfte (42 Prozent)
wie vor einem halben Jahr beobachten ag-
gressives Verhalten bei ihren Schülerinnen
und Schülern. Befragt nach Hilfsangeboten
für die Kinder und Jugendlichen, verweisen
fast drei Viertel der Lehrkräfte auf Angebo-
te der Schulsozialarbeit. Sprechstunden
von Schulpsychologinnen oder -psycholo-
gen finden an der Hälfte der Gymna-
lehrer nrw ·
5/2022
14
TITEL
Entlastungsmöglichkeiten
im Schulalltag
I
In einer aktuellen Broschüre gibt die Be-
zirksregierung Münster Schulleitungen und
Lehrkräften Handlungsempfehlungen zu Ent-
lastungsmöglichkeiten im Schulalltag. Der
Schulbetrieb war und ist geprägt von den
Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, die
alle Beteiligten vor gänzlich neue Anstren-
gungen und Herausforderungen gestellt ha-
ben. Aber auch unabhängig von der derzeiti-
gen Pandemielage gibt es viele weitere Be-
lastungsfaktoren für Schulen, Schulleitungen
und Lehrkräfte. Durch die Digitalisierung ha-
ben sich berufliche und gesellschaftliche
Strukturen mit hoher Dynamik verändert.
Die Tatsache, dass Lehrermangel besteht
und Stellen nicht besetzt werden können,
führt zu hohen Belastungen in den Schulen
und hat unter Umständen zur Folge, dass
Unterricht gekürzt werden muss. Auch im
Alltag sind viele Lehrerinnen und Lehrer und
sonstiges pädagogisches Personal mit unter-
schiedlichen Anforderungen und Belas-
tungsfaktoren konfrontiert.
Aus diesem Grund haben Schulleitungen,
Vertreterinnen und Vertreter der Personalrä-
te, die Schwerbehindertenvertretung und
Gleichstellungsbeauftragte sowie Vertrete-
rinnen und Vertreter der Bezirksregierung
Münster in einem Arbeitskreis gemeinsam
verschiedene Herausforderungen im Schul-
alltag in den Blick genommen. Dabei ging
es beispielsweise um organisatorische Fra-
gen, Arbeits- und Gesundheitsschutz und
die Zusammenarbeit innerhalb der Schule.
Ziel ist es, Schulleitungen, Lehrerinnen
und Lehrern und sonstigem pädagogischem
Personal Anregungen zu bestimmten Entlas-
tungsmöglichkeiten zu geben. Die gemein-
sam entwickelten Beiträge sollen gezielte
Handlungshilfen bzw. eine Unterstützung
für Schulleitungen und Lehrkräfte sein, kön-
nen aber selbstverständlich nicht alle schuli-
schen Themen und Probleme abdecken oder
lösen. In den Beiträgen sind zu ausgewähl-
ten Themen die wesentlichen Informatio-
nen, Ansprechpartner sowie Tipps und Best-
Practice-Beispiele zusammengestellt.
Die Broschüre kann auf der Website der
Bezirksregierung Münster kostenlos herun-
tergeladen werden: https://bit.ly/3CoHgEe
Fortbildungen, die helfen
lehrer nrw
bietet regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen an, die
Tipps und Hilfestellungen geben, um belastende Situationen im
Schulalltag zu erkennen und gegenzusteuern. Beispielsweise zeigt
die Stimm- und Präsenztrainerin Gabi Schmidt in einem Tagessemi-
nar am 3. November 2022, wie sich Entspannungsinseln in den
Schulalltag einbauen lassen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer er-
halten vielfältige Tipps und Inspirationen, wie Lehrkräfte im laufen-
den Unterrichtsalltag mit ihren Kräften besser haushalten können.
Themen sind u.a. eine Ideensammlung für Mini-Pausen und Acht-
samkeitsübungen während der Schulstunden und dazwischen sowie
Entspannungsübungen für Körper, Geist und Stimme für Zuhause.
Info/Anmeldung:
www.lehrernrw.de/lehrernrw-de-fortbildungen/
lehrernrw-de-fortbildungsuebersicht/
sien und Berufsschulen statt, jedoch ledig-
lich an einem Drittel der Haupt-, Real- und
Gesamtschulen und an einem Viertel der
Grundschulen.
Deutliche Lernrückstände
Ein zeitlicher Vergleich zwischen Septem-
ber 2021 und April 2022 zeigt außerdem,
dass die Lehrkräfte den Anteil der Schüle-
rinnen und Schüler mit deutlichen Lern-
rückständen inzwischen deutlich höher
schätzen (September 2021: 33 Prozent,
April 2022: 41 Prozent). Das betrifft vor al-
lem Schulen, in denen mehr als die Hälfte
der Schülerschaft eine andere Familien-
sprache als Deutsch spricht. Drei Viertel
der Lehrkräfte geben an, dass Schülerin-
nen und Schüler nicht die Unterstützung
erhalten, die nötig wäre, um vorhandene
Lernlücken zu schließen. Ebenso viele sind
der Meinung, dass die Förderung des psy-
chischen Wohlbefindens wichtiger sein
sollte als das Erfüllen der Lehrpläne.
Zum Zeitpunkt der Befragung im April
2022 stellt die Bewältigung von Corona-
Maßnahmen die größte Herausforderung
für die Lehrkräfte dar (38 Prozent). Es fol-
gen der Lehrkräftemangel (26 Prozent)
und das Verhalten der Schülerinnen und
Schüler (21 Prozent).
Mit dem ganzen Haufen lernen?
Lob des Klassenunterrichts
15
5/2022 · lehrer nrw
von MICHAEL FELTEN
Als der französische Schriftsteller Albert Camus
für sein Gesamtwerk den Literaturnobelpreis
zugesprochen bekam, schrieb er seinem ersten
Lehrer in der algerischen Volksschule in einem Brief1:
»Ohne Sie, ohne Ihre liebevolle Hand, die Sie dem
armen kleinen Kind, das ich war, gereicht haben, ohne
Ihre Unterweisung und Ihr Beispiel wäre nichts von alle-
dem geschehen. Ich mache um diese Art Ehrung nicht
viel Aufhebens. Aber diese ist zumindest eine Gelegen-
heit, Ihnen zu sagen, was Sie für mich waren und noch
immer sind, und um Ihnen zu versichern, dass Ihre Mü-
hen, die Arbeit und die Großherzigkeit, die Sie einge-
setzt haben, immer lebendig sind bei Ihrem kleinen
Zögling, der trotz seines Alters nicht aufgehört hat, Ihr
dankbarer Schüler zu sein. Ich umarme Sie von gan-
zem Herzen.«
Camus‘ Lehrer war ein Mann, den die Schüler zugleich
fürchteten und verehrten. Seine Stunden seien ständig in-
teressant gewesen – seine Methode habe einfach darin
bestanden, »im Betragen nichts durchgehen zu lassen,
seinen Unterricht hingegen lebendig und amüsant zu
machen«. Ein überraschender Griff ins Herbarium, geo-
grafische Vorführungen, Rechenwettbewerbe; dann wie-
der das offizielle Lesebuch, mit faszinierenden Erzählun-
gen aus einem Land, in dem Wasser hart werden konnte
und weiße Flocken vom Himmel fielen. So konnte der
Lehrer sogar über die Fliegen triumphieren, die die Schü-
ler bei Gewitterschwüle heftig ablenkten – weil sie sie so
gern in ihren Tintenfässern versenkten.
Dieser – auf den ersten Blick ‘einfache‘ – Klassenun-
terricht nährte in dem kleinen Albert einerseits den
Hunger nach Entdeckung der Welt – und schuf ihm an-
dererseits eine Atmosphäre bislang nicht erlebten Res-
pekts. Der Lehrer beschränkte sich auch keineswegs auf
den vorgeschriebenen Stoffkanon, er debattierte mit
den Schülern nicht zuletzt seine Vorstellungen über
Foto: AdobeStock/Gorodenkoff
Weit mehr als
Lernbegleiter:
Lehrkräfte sind Erklärer,
Instruktoren, Motivato-
ren, Wissensvermitt-
ler, Gestalter und Un-
terstützer.
Fußnoten finden Sie am Ende des Textes
öffentliche Moral. Und hatten Schüler sich einmal zu viele
Verfehlungen zu Schulden kommen lassen, so nahmen sie
seine Strafen ohne Bitterkeit hin. Als schließlich ein Wechsel
zum Lycee (dem französischen Gymnasium) möglich
schien, konnte der Lehrer Mutter und Großmutter mit gro-
ßem Einsatz umstimmen – die Familie hatte eigentlich da-
rauf gesetzt, dass der Junge nun mitverdienen würde.
Camus‘ Schulzeit liegt jetzt fast 100 Jahre zurück, aber
sein erster Lehrer kann uns heutige Pädagogen2 immer
noch faszinieren – manche mag sie gar ein wenig erschre-
cken. Diese Zugewandtheit und Fürsorge, aber auch die
personale Bestimmtheit und methodische Unbekümmert-
heit – und dann seine Strenge! Man erinnert sich unwillkür-
lich an die Filmdoku ’Rhythm is it!’. Dort konnte man erle-
ben, wie Berliner Hauptschüler – ein zunächst schlaffer,
aber umso schwatzhafterer Haufen – eine Choreografie zu
Strawinskys Ballett ’Sacre du printemps’ einstudierten, für ei-
ne gemeinsame Aufführung mit den Berliner Philharmoni-
kern. Dass die Jugendlichen sich in den Probenszenen nicht
nur äußerlich aufrichteten, hatten sie aber weniger der Mu-
sik zu verdanken als der Arbeit mit einem Tanzpädagogen,
der gleichermaßen ermutigend wie streng auftrat. Und das
beeindruckte gerade auch ‘lockere‘ Lehrer: Viele besuchten
den Film nämlich gemeinsam mit ihren Klassen – angeb-
lich zwecks Begegnung mit klassischer Musik, als Anre-
gung zu kreativem Tun. Vielleicht aber auch als Legitimati-
on wiedererweckter eigener Führungswünsche.
Monsieur Bernard und Royston Maldoom, attraktive
Leitwölfe, die freundlich, aber bestimmt mit dem ganzen
Haufen arbeiten – wären sie nicht interessante Vorbilder
für manche in ihrer Rolle verunsicherte Lehrkraft unserer
Tage?
Plenumsunterricht im Licht
der Unterrichtsforschung
Eigentlich arbeiten Lehrer gerne mit der ganzen Lerngrup-
pe – wäre das nicht zunehmend als stupide Frontalpauke-
rei geächtet worden. Aber monotone Belehrungen oder gar
die feindselige Konfrontation von Lehrern und Schülern: Das
sind doch nur verarmte bzw. eskalierte Formen von Klassen-
unterricht. Nun ist Schluss mit solchem Spuk: Unterrichtsfor-
scher Hattie3 konnte zeigen, dass die lehrerzentrierte Metho-
de ’direkte Instruktion’ mit überdurchschnittlicher Lernwirk-
samkeit einhergeht: d = 0,60.
Nach Bildungsforschern wie Andreas Helmke oder Olaf
Köller, die Hatties Befunde für den deutschsprachigen
Raum resümiert haben, kommt es ja vor allem darauf an,
dass
Unterricht störungsarm verläuft
(effiziente Klassenführung)
die Schüler hochgradig kognitiv aktiviert werden
Lehr-Lern-Prozesse angemessen strukturiert sind
das Unterrichtsklima lernförderlich ist
vielfältiges Feedback genutzt wird.
Bei direct instruction handelt es sich nun keineswegs um
’Frontalbeladung‘ (taz 2011), sondern um eine abwechs-
lungsreiche Unterrichtsform im Plenum, die hochgradig ak-
tivierend und adaptiv ist – man kann sie sich etwa so vor-
stellen (vgl. Themenheft ’Pädagogik’ 1/2014):
Lehrperson erklärt den neuen Lerninhalt
bzw. erschließt ihn gemeinsam mit der Klasse;
Schüler erproben individuell erste Aufgabenstellungen;
Austausch und Debatte dieser Erfahrungen
im lehrermoderierten Klassengespräch;
Schüler festigen und vertiefen ihr Wissen bzw. Können an
vielfältigen Übungen, Anwendungen und Transferpro-
blemen (einzeln, als Tandems oder in Gruppen).
Spezielle Aspekte solcher Plenumsarbeit erzielen besonders
hohe Effektstärken, etwa ’fachliche Klassendiskussionen
d = 0,82. Solch überdurchschnittliche Lernwirksamkeit ver-
wundert indes nicht, wenn man sich vor Augen führt, was in
einem qualitätvoll lehrermoderierten Klassengespräch ge-
schieht: Alle können die höchst unterschiedlichen Erfahrun-
gen und Fragen aller hören und sie reflektieren – eine mul-
tiple kognitiv-affektive Vernetzung. Dabei spielen auch
Feedback-Aspekte (insgesamt d = 0,70) eine große Rolle:
Laufend wird kommentiert, anerkannt, kritisiert, ergänzt –
seitens des Lehrers wie auch durch die Mitschüler.
Klassenunterricht – vom alten Hut
zum lernpsychologischen Hit
Bereits 1985 hatte der Bielefelder Psychologe und Pädagoge
Karl Aschersleben unter dem Titel ’Moderner Frontalunter-
richt’ versucht, »jenseits aller Vorlieben und Tabuierungen
Vorteile und Nachteile dieser umstrittenen Unterrichtsme-
thode« abzuwägen und anhand von Beispielen aus der
Schulpraxis vorzustellen. 2007 warf dann der Hamburger Er-
ziehungswissenschaftler Herbert Gudjons in ’Frontalunter-
richt neu entdeckt – Integration in offene Unterrichtsformen
die Frage »Warum ist Frontalunterricht so schön?« auf – und
beantwortete sie wie folgt: Diese Unterrichtsform sei von ho-
her Effizienz und Planbarkeit, sie erlaube lebendige Interak-
tion und den Aufbau von Gesprächskultur und sozialer Ko-
häsion, biete vielfältige Rückkopplungsmöglichkeiten und
breites Methodenarsenal, und sie ermögliche die Nutzung
des Potenzials der gesamten Klasse. Gudjons war die innere
Widersprüchlichkeit des Offenen Unterrichts schon früh ge-
schwant: »Die Schüler sollen doch nur das wollen, was sie
schon längst gesollt haben.«
Reformpädagogisch gesinnten Kräften erschienen solch
pragmatische Wendungen indes noch lange als Sünden-
fall. Erst durch die hohe Effektstärke des Prinzips direct in-
16 5/2022 · lehrer nrw
sondern zeigt höchstens, wie langsam oder forschungs-
fern der Amtsschimmel arbeitet. Die Bildungsindustrie
dagegen hat bereits verstanden: Brüning & Saum leg-
ten 2019 eine Handreichung vor, die ganz pragmatisch
dazu anleitet, effektive Lehr-Lern-Sequenzen zu entwer-
fen:
Vermittlung
Hinführung (Konzentration, Sinnstiftung/
Erwartungen, Vorwissensaktivierung)
Neues vorstellen (Instruktion, erste Verarbeitung,
Rückmeldung, Überprüfung)
erste Anwendung
angeleitetes Üben
(Anwendung mit Hilfen und mit Zwischenecho)
selbstständiges Üben
(Arbeiten ohne Hilfe, aber mit Echo
bzw. Selbstkontrolle)
Im Vorwort zu diesem Band unterstreicht Andreas
Helmke, dass man Unterricht heute – neben inhaltli-
chen und normativen Aspekten – nicht mehr nach
Oberflächenmerkmalen beurteile, sondern nach seiner
Tiefenwirksamkeit. Direkte Instruktion (DI) sei in diesem
Zusammenhang zwar keine Allzweckwaffe – es hande-
le sich aber auch keineswegs um ein hässliches Ent-
lein. DI beinhalte vielmehr eine ausgesprochen günsti-
ge Kopplung von Lehrersteuerung und Schülerorientie-
rung, das Verhältnis von Instruktion und Konstruktion
sei besonders geschickt ausbalanciert. Beim Neuer-
werb fachlichen Wissens könne man gar von der an-
gemessenen Methode sprechen, weil in dieser Phase
hochgradige Lehrersteuerung besonders bedeutsam
sei. Jüngere und leistungsschwächere Schüler profitier-
ten von solchem Vorgehen in spezifischem Maße.
Lehrer als personale Wissens-
und Gestaltungsinstanz
Nicht nur empirische Bildungsforscher, auch moderne
Kognitionspsychologen wie Elsbeth Stern sehen den
Lehrer ja keineswegs im Abseits, sondern fordern sein
Lenkungshandeln geradezu heraus. Praktisch nutzba-
res Wissen wie automatisierte Handlungen entwickle
sich vor allem durch Wiederholung, Erfolg, Steuerung
und Fehlerkorrektur. Ohne eine personale Wissens- und
Gestaltungsinstanz sei das nur schwer denkbar.
Plenumsbezogene Unterrichtssequenzen sind übri-
gens auch ein wichtiger Teil dessen, was neuerdings
als deeper learning diskutiert wird. Das ‘neue‘ Motto
meint ja die alte (und stets neu einzulösende) Forde-
rung, Schule müsse »bildungswirksame, tiefgehende,
sinnstiftende und individuell bedeutsame Lerner-
17
5/2022 · lehrer nrw
Michael Felten, geboren 1951, hat
35 Jahre Mathematik und Kunst
an einem Gymnasium in Köln un-
terrichtet. Er publiziert zu Bildungs-
fragen und arbeitet weiterhin in
der Lehrerausbildung sowie als
freier Schulberater. Jüngste Veröf-
fentlichung: ’Unterricht ist Bezie-
hungssache’. Felten ist Mitbegrün-
der der Initiative Bildung NRW –
da geht doch mehr!
https://bildung -nrw-da-geht-doch-mehr.info/
DER AUTOR
struction in den Befunden John Hatties brach der Bann
ein Stück weit. Hattie hatte die verbreitete Aversion ge-
genüber dem Instruktionsunterricht gewundert, zeig-
ten doch alle Daten, dass diese Methode insbesondere
schwächeren oder bildungsferner sozialisierten Schü-
lern nützte – und so auch zu mehr Bildungsgerechtig-
keit beiträgt. Für ihn waren es sieben Hauptaspekte,
die erfolgreichen Unterricht im Plenum ausmachen:
Klarheit über die Lernziele
transparente Leistungserwartung
Aufbau von Lernengagement
Input, Beispiele, Überprüfung
angeleitetes Üben
zusammenfassender Abschluss
vertiefendes Üben
2014 widmete die Zeitschrift ’Pädagogik’ gar ein gan-
zes Themenheft dem Prinzip direkte Instruktion. Martin
Wellenreuther untersuchte darin genauer, warum das
direkte Vorgehen so wirkungsmächtig ist:
Die Darbietungskompetenz des Lehrers
kann vollumfänglich wirksam werden.
Das Vorgehen passt sich präzise, flexibel und
abwechslungsreich an Lernstand und
Motivation der Schüler an.
Das Verfahren bietet Raum für Feedback
und formatives Testen (Lernstandschecks).
Der Kern des Sachverhalts wird mehrfach elaboriert.
In den Arbeitsphasen lassen sich homogene Teil-
gruppen bilden, den Schülern wird eine kalkulierte
Selbstständigkeit eingeräumt.
Dass in Studium und Referendariat allzu oft noch das
Hohelied des selbstgesteuerten Lernens, des eigenver-
antwortlichen Arbeitens erklingt, dass offizielle ’Refe-
renzrahmen Schulqualität’ (etwa Nordrhein-Westfalen)
die Bedeutung von Plenumsunterricht nur sehr zöger-
lich anerkennen, spricht keineswegs gegen diesen,
18 5/2022 · lehrer nrw
fahrungen« organisieren (so Wikipedia dazu). Dies aber ist
auch dem ’Heidelberger Modell’ zufolge (etwa Sliwka 2018)
undenkbar ohne eine initiale Phase ’Instruktion und Anlei-
tung’: Durch instruktive Prozesse und die Expertise der Lehr-
kraft eignen sich Lernende zunächst zentrale fachliche Be-
griffe und fundamentale Wissensgrundlagen an. Anschlie-
ßend könnten Schüler dann mit dem erworbenen Grund-
wissen problemlösend und kreativ arbeiten (Phase der ’Ko-
Konstruktion bzw. Ko-Kreation’), schließlich lasse sich das
Verstandene als »authentische Leistung« präsentieren – in
Form einer Aufführung, einer Publikation, einer Ausstellung
für ein echtes Publikum. Möglicherweise zu kurz kommt bei
diesem Modell das dialogische Durcharbeiten der Inhalte
im Rahmen von (lehrermoderierten) Plenumsgesprächen.
Auch beim Unterrichtskonzept Dialogisches Lernen (zu-
nächst: Ruf & Gallin; heute unter anderem: lerndialoge.ch)
sind Plenumsgestaltung und Lehrersteuerung Elemente, die
den Erfolg wesentlich mittragen. Zum einen ist es nämlich
die Lehrperson, die den Aufschlag macht für das Wechsel-
gespräch über ein fachliches Thema – sie skizziert den Ler-
nenden ihr Wissen von der Sache, legt ihnen die eigene
Kernidee vom Gegenstand dar, erläutert, was ihr interessant
erscheint – eine Art personalisierter Instruktion. Zum ande-
ren sammelt sie immer wieder die Echos der Schüler bei ih-
rer individuellen Auseinandersetzung mit dem Thema –
und fokussiert diese bereichernd im Plenum bzw. der dorti-
gen Debatte. Eine aktuelle Akzentuierung betont unter dem
Stichwort »Accountable Talk« (Resnick et al., 2018) zudem die
Bedeutung gemeinsamer Lernerfahrungen in lehrergelenk-
ten Klassendialogen: schüleraktivierend, sozialisierend, und
insbesondere für leistungsschwächere Schüler enorm leis-
tungssteigernd.
Effektiver Instruktionsunterricht ist dabei kein Selbstläufer.
Das Verfahren ist für die Lehrkraft durchaus anspruchsvoller
als das Austeilen und Nachsehen von Arbeitsblättern und
Wochenplänen. Und potenzielle Fallstricke lauern zuhauf:
zu viel Stoff auf einmal behandeln; nur wenige Schüler
drannehmen; zu selten chorisch arbeiten; nur flüchtiges
Üben; zu geringe Beziehungspräsenz; nur sporadisches Er-
mutigen; zu automatisiertes Erklären. Aber der hohe Grad
an Lernwirksamkeit ist einfach bestechend.
Jochen Grell, Autor des Longsellers ’Unterrichtsrezepte’, for-
mulierte 2014 folgende »gedruckte Erlaubnis«: »Du darfst di-
rekt unterrichten, auch die ganze Klasse auf einmal. Du
brauchst dich nicht dafür zu schämen, dass du Schüler be-
lehren willst. Die Schule ist ja erfunden worden, damit man
nicht jedes Kind einzeln unterrichten muss. Das Frontalun-
terricht-Tabu ist hiermit offiziell aufgehoben.« Zu Recht fügte
er hinzu: »Aber dass Direktes Unterrichten die einzig richtige
Unterrichtsmethode ist und alle anderen nichts taugen, das
habe ich nicht gesagt.«
Aus für Eigenverantwortlichkeit
und Gruppenarbeit?
Selbstständigkeit bleibt sicher unstrittiges Ziel aller Bildung –
es hat sich nur als naiv erwiesen, sie auch als Königsweg
dahin anzusehen. Eigenverantwortlichkeit beim Lernen
zahlt sich nach aller Erfahrung erst in höheren Semestern,
bei Leistungsstärkeren, nach gründlicher Anleitung und in
angemessener Dosierung aus. Selbstständiges Arbeiten
birgt etwa das Risiko, dass Schüler schwerere Aufgaben links
liegen lassen, die sie mit engerer Anleitung vielleicht gelöst
hätten. Und beim Stationenlernen mögen die Jugendlichen
zwar ständig beschäftigt sein, stellen aber ohne Klassendis-
kussion nur selten gedankliche Zusammenhänge zwischen
den Stoffportionen auf den Arbeitsblättern her. Deshalb
brauchen Schulanfänger, lernunlustige Pubertierende und
bildungsfern Sozialisierte zur optimalen Ausschöpfung ihrer
Potenziale (früher: ‘Begabung‘) eine Person, die motiviert
und erklärt, fordert und unterstützt – und eine peer-group,
in der sie ihre Eindrücke und Ideen vernetzen können.
Wenn Schüler – vor allem Schwächere – sich häufig ’Fron-
talunterricht’ wünschen, dann meinen sie keineswegs ‘Pau-
kermonolog‘. Sondern die übersichtliche Strukturierung des
Unterrichts, ohne Umwege und unergiebige Methodenwech-
sel, mit vielen Anleitungselementen, Fragephasen und Er-
gebniskontrollen. Junge Menschen mögen eben keine blas-
sen Lernbegleiter, sie fasziniert der mitreißende Leitwolf, die
souveräne Kapitänin – sie brauchen, ja suchen Spiegelung
und Herausforderung. »Der Mensch ist eben für andere Men-
schen die Motivationsdroge Nummer eins« (Joachim Bauer).
Und in diesem Rahmen können dann auch kooperative
Arbeitsformen Früchte tragen (Wellenreuther 2011).
1 Brief wie ausführliche Schilderung von Schulszenen in
Camus’ autobiografischem Roman ’Der erste Mensch’.
2 Begriffe wie Lehrer und Schüler werden funktional verwendet,
gemeint sind stets Angehörige aller Identitäten.
3 Seit seiner Aufsehen erregenden Studie ’Visible Learning’ (2009/dt.
2013) hat Hattie weiter geforscht – eine aktuelle Übersicht über Effekte
von Umständen und Maßnahmen auf Lernleistungen findet sich bei
Zierer 2020.
Dieser Text ist eine stark gekürzte Fassung
der Flugschrift 3/2022 gleichen
Titels für die Gesellschaft Bildung &
Wissen (GBW). Die Flugschrift in der
Langfassung kann in gedruckter Form bei
der GBW bestellt oder als PDF unter fol-
gendem Link heruntergeladen werden:
https://bildung-wissen.eu/wp-content/uploads/
2022/05/ Flugschrift3_digital.pdf
INFO
SCHULE & POLITIK
Im Gespräch mit der
Schulministerin
Am 25. Juli – nicht einmal vier Wochen nach Dienstan-
tritt der neuen Schulministerin – hatten der
lehrer nrw
-
Vorsitzende Sven Christoffer und seine Stellvertreterin
Sarah Wanders Gelegenheit zu einem ersten Austausch
mit Dorothee Feller. Auch der neue Staatssekretär
Dr. Urban Mauer war bei dem Acht-Augen-Gespräch dabei.
I
In dem einstündigen Gespräch kamen alle
Themen auf den Tisch, die an den Schulen
und in der Lehrerschaft derzeit akut sind. An
erster Stelle rückte der Lehrkräftemangel in
den Fokus. Die Ministerin bekräftigte, dass
sie das im Koalitionsvertrag niedergelegte
Versprechen, 10.000 zusätzliche Lehrkräfte
ins System Schule zu bringen, schnellstmög-
lich umsetzen will. Sven Christoffer und Sa-
rah Wanders lobten in diesem Kontext die
Ankündigung der Landesregierung, die Ein-
gangsbesoldung für alle Lehrämter nach
A13 anzuheben und dies auch ohne weitere
Qualifizierungsmaßnahme auf Bestandslehr-
kräfte zu übertragen. Beide mahnten aller-
dings auch eine zügige Umsetzung an.
Außerdem wiesen die beiden
lehrer nrw
Vertreter auf die nach wie vor erheblichen
Probleme bei der Inklusion hin. Auch die
Fachleitungs-Problematik wurde angespro-
chen: Aus Sicht von
lehrer nrw
kann es
nicht sein, dass die Arbeit der Fachleitungen
im Sek-II-Bereich mit Funktionsstellen samt
A15-Besoldung belohnt wird, während die
Kolleginnen und Kollegen in der Sekundar-
stufe I sich mit A12 und einer schmalen Zu-
lage begnügen müssen. Das Resultat ist ein
gravierender Mangel an Fachleitungen im
Sekundarbereich I, so dass hier eine wichti-
ge Säule der Lehrerausbildung wegzubre-
chen droht. Dies könne sich Nordrhein-
Westfalen gerade vor dem Hintergrund des
Lehrkräftemangels nicht erlauben.
Intensiver Austausch unter acht Augen (v.l.):
Sven Christoffer und Sarah Wanders mit Schulministerin
Dorothee Feller und Staatssekretär Dr. Urban Mauer.
lehrer nrw ·
5/2022
20
SCHULE & POLITIK
Führung
Zwischen Krisenmanagement
und Schulentwicklung
Die Schulen stehen vor vielfältigen neuen Entwicklungsaufgaben
– und vor einer neuen Corona-Welle. Gerade für die Schulleitun-
gen bringt das enorme Herausforderungen mit sich, für die es
wenig zeitliche und personelle Ressourcen gibt.
D
Die erste Mail des Ministeriums mit
Informationen zum Umgang mit
dem Coronavirus im Schulbereich
erreichte die Schulen am 27. Februar 2020.
Am 13. März 2020 folgte die vierte Schul-
mail, in der die flächendeckenden Schul-
schließungen ab dem 16. März 2020 ange-
ordnet wurden. Der Krisenfall war einge-
treten. Schulleitungen und Lehrkräfte ha-
ben in kürzester Zeit auf die Entscheidun-
gen des Ministeriums reagiert. In den fol-
genden 16 Unterrichtswochen folgten wei-
tere 23 Mails zum Umgang mit dem Coro-
navirus an Schulen.
Eine Flut von Schulmails
Am 3. August erhielten die Schulen ein
Konzept zur Wiederaufnahme eines ange-
passten Schulbetriebs in Corona-Zeiten zu
Beginn des Schuljahres 2020/2021. An-
schließend folgten zwölf weitere Mails mit
Informationen zum Schulbetrieb oder
auch angepasstem Schulbetrieb in Coro-
na-Zeiten, bevor die Mail vom 7. Januar
2021 erneut Schulschließungen ab dem
11. Januar 2021 ankündigte. Es folgten
wiederum mehr als zwanzig Mails bis
zum Schuljahresende zum Thema ’Um-
gang mit Corona in der Schule’.
Alle Schulmails folgten dem Grundsatz
des Krisenmanagements: Entscheidungen
wurden getroffen und ihre Umsetzung er-
folgt top down. Auf der Grundlage immer
umfangreicher werdender Corona-Betreu-
ungs- und Corona-Schutzverordnungen
waren Schulleitungen damit beschäftigt,
die Verordnungen und Erlasse möglichst
rechtssicher umzusetzen. Dies hatte sicher-
lich auch seine Vorzüge. So mussten die
Schulleitungen nicht mit Eltern und der
Schülerschaft über die Sinnhaftigkeit von
Maßnahmen diskutieren, es war per Ver-
ordnung angeordnet!
Für dieses Schuljahr zeichnen sich über
das Krisenmanagement hinausgehende
Entwicklungsaufgaben ab. Exemplarisch
genannt seien hier:
die Implementierung der in einigen
Fächern überarbeiteten Kernlehrpläne
in schuleigene Lehrpläne
die immer noch währende Aufgabe der
Umsetzung der Inklusion bei bestehen-
dem Mangel an Fachpersonal
Sprachförderung als Integrations-
aufgabe nicht nur der ukrainischen
Flüchtlinge
die von der letzten Landesregierung
auf den Weg gebrachte Digitalisierung
Foto: AdobeStock/Studio Romantic
Wie gelingt es,
dass die Rädchen
ineinandergreifen?
Das ist nicht zuletzt
eine Frage des Führungsstils.
SCHULE & POLITIK
ein für viele Schulen neu zu entwickeln-
des Schutzkonzept gegen Gewalt und
sexuellen Missbrauch
und vielleicht darüberhinausgehende
weitere schuleigene Vorhaben
bottom-up statt top-down
Wer sich mit Schulentwicklung beschäftigt,
weiß, dass bei all diesen Vorhaben die
Schulleitungen gut beraten sind, wenn sie
Projekte nicht top-down sondern bottom-up
angehen. Das bedeutet, dass es Lehrkräfte,
Eltern, Schülerinnen und Schüler geben
muss, die sich möglichst regelmäßig in Ar-
beitsgruppen treffen und Konzepte entwi-
ckeln. Für die Schulleitung bedeutet dies,
diese Arbeitsgruppen eventuell mit Unter-
stützung einer Steuergruppe zu organisieren,
zu koordinieren und letztlich zu beraten.
Bottom-up bedeutet auch, dass viele un-
terschiedliche Perspektiven und Meinungen
aufeinandertreffen und vermittelt werden
müssen. Dies wiederum benötigt Zeit und
vor allem aber auch Freiräume für kreative
Ideen. Abgesehen von der Vielzahl der Ent-
wicklungsvorhaben bedarf es des Umden-
kens in der konzeptionellen Arbeit. Alle Be-
teiligten müssen aus der Rolle der Weisungs-
empfänger des Krisenmanagements wieder
in die Rolle der eigenverantwortlichen Ent-
wicklerinnen und Entwickler finden. Ich stel-
le in Frage, ob sich diese Veränderung auto-
matisch ergeben wird oder ob es besonderer
Maßnahmen bedarf. Es bedarf aber sicher-
lich auch hier wiederum Zeit!
Schulleitungen müssen zunächst sich selbst
und anschließend auch Lehrkräfte für die an-
stehenden Aufgaben motivieren. Im Falle der
Digitalisierung reicht hier eine digitale Fortbil-
dungsoffensive meines Erachtens nicht aus!
Unterstützung für Schul-
entwicklungsarbeit tut Not
Gerade die Schulformen, die nur über weni-
ge Funktionsstellen verfügen und dabei eine
hohe Unterrichtsverpflichtung von 28 Stun-
den haben, benötigen dringend Arbeitszeiten
für eine gelingende Schulentwicklungsarbeit.
Vielleicht wären auch Schulentwicklungsbe-
raterinnen und -berater eine Möglichkeit,
Schulleitungen und Steuergruppen zu unter-
stützen. Diese sollten vom Ministerium bzw.
den Bezirksregierungen eventuell auch zu
speziellen Entwicklungsvorhaben angeboten
und vor allem auch finanziert werden.
Olaf Korte
Leiter des Referats Schulleitungen im
lehrer nrw
WORKSHOP
lehrer nrw
plant einen Workshop zum
Thema ’Vom Krisenmanagement zur
Schulentwicklungsarbeit’. Bei Interesse
werden Schulleitungen gebeten, sich
vorab beim Referat Schulleitung bei
o.korte@lehrernrw.de zu melden.
lehrer nrw ·
5/2022
22
SCHULE & POLITIK
A13
– der Meilenstein?
Das neue Eingangsamt soll für alle Lehrkräfte eingeführt wer-
den. Das zumindest hat die neue Landesregierung angekündigt.
Nun erwarten die Lehrkräfte Taten.
D
Die neue Landesregierung mit Schul-
ministerin Dorothee Feller hat ge-
genüber Verbänden und Öffentlich-
keit wiederholt versichert, die seit Jahren in
Nordrhein-Westfalen schwelende Besol-
dungsproblematik in Angriff zu nehmen und
einer für alle Seiten zufriedenstellenden Lö-
sung zuzuführen. Dies wäre nach Jahrzehn-
ten rückschrittiger Entwicklungen und voll-
mundiger Versprechungen vorheriger Lan-
desregierungen eine tatsächliche Trendum-
kehr in einer entscheidenden Frage des Ar-
beitsplatzes Schule.
Herabgruppierung
in 70er Jahren
Ein kurzer Blick zurück genügt um zu erken-
nen, was den Lehrkräften in dieser Zeit zu-
gemutet wurde. Die Herabgruppierung in
der Besoldung nahm ihren Lauf, als in den
1970er Jahren (!) die damalige Landesregie-
rung die schulformbezogene Lehramtsaus-
bildung (zum Beispiel für Grundschule,
Hauptschule, Realschule, etc.) durch eine
schulstufenbezogene Lehramtsausbildung
(Primarstufe, Sekundarstufe I, Sekundarstu-
fe II) ersetzte, unabhängig von der jeweili-
gen Schulform.
Begründet wurde dieser Schritt unter an-
derem mit der schulformübergreifenden Ver-
wendbarkeit der Lehrkräfte, einer stärker al-
tersspezifischen pädagogischen Ausbildung
etc. Damit einher ging aber auch die Herab-
gruppierung auf die einheitliche Eingangs-
besoldung A12 in der Sekundarstufe I (mit
geringen bis sehr geringen Beförderungs-
möglichkeiten). Eine nicht unerhebliche Kos-
tenersparnis für das Land Nordrhein-West-
falen, auf dem Rücken der betreffenden
Lehrkräfte.
Deputatserhöhung
in 90er Jahren
In den späten 1990er Jahren kam bei glei-
cher Besoldung ein deutlich höherer Arbeits-
umfang hinzu, indem die Landesregierung
das Unterrichtsdeputat für Lehrkräfte zum
Beispiel an Realschulen von bis dahin 26
Wochenstunden zunächst auf 27 erhöhte,
kurze Zeit später als Vorgriffsstunde noch-
mals auf 28 Wochenstunden, um diese dann
nach fünfeinhalb Jahren als reguläres Depu-
tat festzuschreiben.
Wen wundert es da eigentlich, dass zu-
sammen mit der stetig zunehmenden Ar-
beitsverdichtung und den schwieriger wer-
denden Arbeitsbedingungen das Interesse
am Lehrerberuf erheblich abgenommen
hat? Man kann die Schraube der Arbeitsbe-
lastung schließlich nicht unendlich anzie-
hen. Jeder gute Handwerker weiß: nach
‘ganz fest’ kommt nur noch ‘ganz locker’!
Ausbildungsverlängerung
in den 2000er Jahren
Gleichzeitig erfolgte seit der Jahrtausend-
wende im Zuge des seit 1999 initiierten
Bologna-Prozesses eine grundlegende Ver-
änderung der zwischenzeitlich wiederholt
geänderten Struktur der Lehramtsausbil-
dung (HRGe etc.), um die Studienabschlüsse
in Europa anzugleichen. Die in Deutschland
etablierten Abschlüsse als Staatsexamen
wurden im universitären Bereich zugunsten
der Bachelor- und Master-Abschlüsse aufge-
geben. Damit wurde europaweit die Aner-
kennung vergleichbarer Abschlüsse erleich-
tert und die internationale Mobilität der
Absolventen begünstigt.
Für die Lehramtsausbildung bedeutete
dies, dass die Regelstudienzeit für die ver-
schiedenen Lehramtsstudiengänge bis zum
jeweiligen Abschluss einheitlich gleich lang
dauerte. Inhaltlich kam dies in den Studien-
gängen, für die bis dahin eine kürzere Re-
gelstudienzeit vorgesehen war (Primarstufe,
Sekundarstufe I), einer qualitativen Aufwer-
tung gleich. Dennoch weigerten sich die in
dieser Zeit verantwortlichen Landesregie-
rungen in Nordrhein-Westfalen, die Besol-
dungsfrage dahingehend zu lösen, dass eine
höherwertige Ausbildung auch eine höher-
wertige Bezahlung nach sich ziehen müsse.
Endlich Trendumkehr?
Jetzt scheint nach Jahrzehnten zahlreicher
Vertröstungen und wiederholter Verspre-
chungen eine Landesregierung anzutreten,
die zu Beginn der Legislatur den ernsten,
d.h. gesetzgeberischen Willen zeigt, diese
»blutende Wunde« doch einmal zu stillen.
Dabei kommt es ganz wesentlich darauf an,
dem Prinzip ’Gerechtigkeit’ in dieser Frage
von Beginn an Rechnung zu tragen. Denn
ansonsten würden sich die Fehler mit allen
Konsequenzen wiederholen, die sich frü-
here Landesregierungen zum Beispiel
beim Thema der ’Altersgrenze für die
Verbeamtung’ oder der ’Einführung des
neuen Tarifrechts (TV-L)’ geleistet ha-
ben. Das Misstrauen in der Lehrerschaft
ist groß. Zu massiv waren die Enttäu-
schungen vergangener Jahrzehnte.
Wer sich davon überzeugen möch-
te, welche fatalen Entwicklungen
politische Fehlentscheidungen nach
sich ziehen, dem sei einmal der
Blick über die Landesgrenzen hin-
weg empfohlen. Die Vorausset-
zung für eine Verbeamtung war
nicht nur in Nordrhein-Westfalen
ein großes Thema, sondern gar
als grundsätzliche Frage bei-
spielsweise auch in den Bun-
desländern Sachsen oder Ber-
von ULRICH GRÄLER
23
5/2022 ·
lehrer nrw
SCHULE & POLITIK
lin, die über Jahrzehnte eine Verbeamtung
prinzipiell abgelehnt haben.
Eine Politik ‘gegen’ die Beschäftigten
führt über kurz oder lang zu ’Verlusten’, das
bleibt nicht aus. Abwanderungen, Demotiva-
tion, innere Kündigungen können die Folgen
sein. Deshalb ist die neue Landesregierung
gut beraten, die nächsten Schritte der Besol-
dungsänderung wohlbedacht einzuleiten,
ohne dabei die Bestandslehrkräfte vor den
Kopf zu stoßen.
KOMMENTAR
Vorwärts, bitte!
Die neue Eingangsbesoldung für alle wäre
sicher ein politischer Meilenstein, den andere,
finanzschwächere Bundesländer schon längst
vollzogen haben. Oder sogar darüber hinaus!
Daneben gilt es aber, die innere Ausgestaltung
des Arbeitsplatzes Schule in den Blick zu neh-
men, um Verbesserungen auch im Hinblick auf
Effektivitätssteigerungen und ein höheres Maß
an Zufriedenheit zu erzielen. Hier wäre eine
Vielzahl an kleinen Schritten möglich, die das
Schulleben freier und damit auch bedarfsge-
rechter machen könnte.
Pädagogische Freiheiten, die je nach Bedarf
genutzt werden können, um Lernprozesse er-
folgreicher zu gestalten. Organisatorische Auto-
nomie, die eine Flexibilität in der Frage des Un-
terrichtsangebots und der Lerngruppengröße er-
möglicht. Und höhere Entlastungen für Schullei-
tungen, die unter der Zunahme an Aufgaben
ächzen, die statt dessen aber viel mehr Zeit
bräuchten, um sich um die schulpädagogischen
Belange zu kümmern. Etc.
Oder kleinere Vergütungselemente, die als
sehr wichtige Schritte der Kompensation uner-
lässlich und auch möglich wären, um das Wohl-
wollen der Beschäftigten in ’Sondersituationen’
zu bewahren. Die ausbleibende Bezahlung kom-
missarischer Schulleitungen ist immer wieder so
ein ’unnötiges’ Ärgernis, da diese wiederholt
überhaupt nicht, oder nur auf dringende Nach-
frage, und dann wiederholt auch nur widerwillig
eine entsprechende Zulage erhalten. Dabei
kommen bei dieser Tätigkeit oftmals noch Zu-
satzbelastungen hinzu, wenn weitere Stellen in
der Schulleitung unbesetzt bleiben.
Oder, oder, oder! Personalräte hätten eine
längere Liste an Vorschlägen für Verbesserun-
gen, die das Schulleben ’im Kleinen’ freundli-
cher und wohlwollender gestalten. Darin spie-
gelt sich dann auch das Interesse und die Wert-
schätzung des Arbeitgebers für seine Beschäf-
tigten an der Basis.
Deshalb gilt im Land Nordrhein-Westfalen:
Schrittzähler aktivieren und auf geht’s!
Ulrich Gräler
Foto: AdobeStock/GRAFISPHOS
Ulrich Gräler ist stellv. Vorsitzender des
lehrer nrw
E-Mail: graeler@lehrernrw.de
Wirklich ein Meilenstein?
Das von der Landesregierung gegebene
Versprechen ’A13 für alle’ harrt der Einlösung.
lehrer nrw ·
5/2022
24
FORTBILDUNGEN
’Tanz mit dem Widerstand’
’Schwierige’ Schülerinnen und
Schüler haben fast alle Lehr-
kräfte schon erlebt. Wie man
mit Widerstand auf Schüler-
seite konstruktiv umgehen
und ein besseres Miteinander
erreichen kann, ist Thema
einer Fortbildung von
lehrer
nrw
.
L
Lehrkräfte und andere pädagogisch
Tätige erleben in ihrem Alltag verschie-
dene Formen des Widerstands: Verweige-
rung, Diskussionen, Abwehr bis hin zur
Aggression. Solch ein Verhalten wird in der
jüngeren pädagogischen Literatur als Be-
wenig anders zu gestalten, um das als
Widerstand gedeutete Verhalten in eine
etwas andere Richtung zu lenken und da-
mit im optimalen Fall zu erreichen, dass
die Arbeitsbeziehung bestehen bleiben
kann. Wie das gelingen kann, erarbeitet
Diplom-Sozialpädagogin Tanja Schmitz-
Remberg mit den Teilnehmenden des
Seminars. Die Fortbildung nimmt sowohl
den Umgang mit Eltern als auch mit Ju-
gendlichen in den Blick.
Ziel ist es, dass die Teilnehmenden nicht
nur erweiterte theoretische Erkenntnisse
über Widerstand erlangen, sondern ihrem
Handlungsrepertoire auch weitere Inter-
ventionen hinzufügen. Auch die eigene
Arbeitszufriedenheit und Gesundheit und
die Schaffung einer erhöhten fachlichen
Distanz zu herausforderndem Widerstand
werden thematisiert.
‘TANZ MIT DEM WIDERSTAND’
Seminar-Nr.: 2022-0926 Ort: Intercity Hotel Düsseldorf, Graf-Adolf-Straße 81-87,
40210 Düsseldorf Termin: Montag, 26. September 2022 Uhrzeit: 9:00 Uhr bis
16:30 Uhr Kosten: 120 EUR für
lehrer nrw
-Mitglieder, 170 EUR für sonstige Teilneh-
mer Anmeldung: online unter www.lehrernrw.de/lehrer nrw-de-fortbildungen/
lehrernrw-de-fortbildungsuebersicht/
Für die Bewirtung mit Speisen und Getränken sorgt
lehrer nrw
. Die Übernahme von
Fortbildungskosten können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an ihren Schulen be-
antragen. Reisekosten können Sie auf dem Dienstweg bei Ihrer Bezirksregierung be-
antragen, um die verauslagten Reisekosten aus einem gesonderten Budget erstattet
zu bekommen.
Foto: AdobeStock/soupstock
Keine Lust?
Desinteresse kann
eine von vielen For-
men des Wider-
stands sein, die
Lehrkräfte im
Schulalltag von
Schülerseite erle-
ben. Die lehrer
nrw-Fortbildung
zeigt, wie man
dem begegnen
kann.
Mülheimer Kongress 2022:
Generation Social Media
D
Der 53. Mülheimer Kongress am 10. No-
vember 2022 widmet sich diesmal den
Chancen und Risiken der sozialen Medien.
’Generation Social Media’ lautet das Motto
des Kongresses, der diesmal wieder als Ein-
Tages-Veranstaltung stattfindet. Tagungsort
ist wie gewohnt die Katholische Akademie
’Die Wolfsburg’, Falkenweg 6, 45578 Mül-
heim/Ruhr.
Das Programm bietet einmal mehr eine
ausgewogene Mischung aus Unterhaltung
und Fachinformation. So referiert Dr. Svenja
Schäfer (Universität Wien) über ’Wissensillu-
sion durch Social Media als Nachrichten-
quelle’. Der Kabarettist Thomas Schrecken-
berger präsentiert Auszüge aus seinem Pro-
gramm ‘Nur die Lüge zählt’. Über ’Fake
News, Verschwörungstheorie und Co.
INFOS & ANMELDUNG
www.lehrernrw.de/lehrernrw-de-fortbildungen/
lehrernrw-de-muelheimer-kongress/
ziehungsausdruck und nicht als Persönlich-
keitseigenschaft gedeutet. Hier verbirgt
sich Potenzial, die Arbeitsbeziehung ein
Falschmeldungen in sozialen Medien’ berich-
tet Nora Denner (Universität Mainz). Für mu-
sikalische Unterhaltung sorgt wieder die Big
Band der Erich-Klausener-Realschule Herten.
Auch die neue Schulministerin Dorothee Fel-
ler hat ihr Kommen angekündigt.
Die Teilnahmegebühr zum Mülheimer Kon-
gress beträgt 79 Euro für
lehrer nrw
-Mitglie-
der (sonstige Teilnehmer: 119 Euro).
25
5/2022 ·
lehrer nrw
FORTBILDUNGEN
Seminar
Nr. Titel Kurzinhalt Referenten Wo Wann Uhrzeit
Gebühr
lehrer nrw-
Mitglied
Gebühr
sonst.
Teilnehmer
Anmelde-
schluss
2022-0922 Recht im Schulalltag –
speziell für Berufsanfängerinnen
und -anfänger
Junge Kolleginnen und Kollegen sind mit Rechtsfragen oft überfordert.
Die Fortbildung beantwortet die wichtigsten Fragen aus dem Schulalltag.
Christopher
Lange
GDL Sitzungsraum 1. OG
Graf-Adolf-Straße 84
40210 Düsseldorf
Donnerstag
22.09.2022
14:00 bis
17:00 Uhr
25 EUR 50 EUR auf
Anfrage
2022-0925 Classroom Management Classroom Management meint das Schaffen einer produktiven Lern-
atmosphäre. Konsequent angewandt, reduziert es kleine Störungen,
bevor sie zum Problem werden.
Dorthe
Leschnikowski-
Bordan
Ringhotel Drees
Hohe Straße 107
44139 Dortmund
Montag
26.09.2022
09:00 bis
16:00 Uhr
130 EUR 180 EUR auf
Anfrage
2022-0926 Tanz mit dem Widerstand Sie erweitern Ihre theoretischen Kenntnisse über Widerstand, fügen Ihrem
Handlungsrepertoire weitere Interventionen hinzu, erlangen eine erhöhte
fachliche Distanz zu herausforderndem Widerstand und erleben in der
Lehrgruppe Unterstützung.
Tanja
Schmitz-
Remberg
Intercity Hotel Düsseldorf
Graf-Adolf-Straße 81-87
40210 Düsseldorf
Montag
26.09.2022
09:00 bis
16:30 Uhr
120 EUR 170 EUR auf
Anfrage
2022-1020 Rente: Wer? Wann? Wie(viel)? Sie erhalten erste Informationen zur Rente für Angestellte und haben
die Möglichkeit, im Anschluss persönliche Beratungsgespräche mit der
Deutschen Rentenversicherung zu vereinbaren.
Ria
Weinbrenner
GDL Sitzungsraum 1. OG
Graf-Adolf-Straße 84
40210 Düsseldorf
Donnerstag
20.10.2022
15:00 bis
17:00 Uhr
20 EUR 40 EUR 15.09.2022
2022-1026 Zeitmanagement und
Arbeitsorganisation
Zeit ist ein hohes Gut – man hat nie genug davon. Deshalb ist es umso
wichtiger, den eigenen Alltag so zu gestalten, dass die wichtigsten Dinge
erledigt werden und der Stress nicht zu groß wird.
Kerstin
Grigoleit
Hotel NH Oberhausen
Düppelstraße 2
46045 Oberhausen
Di. - Mi.
25.10. bis
26.10.2022
14:00 bis
12:15 Uhr
100 EUR 150 EUR 12.09.2022
2022-1027 Wenn’s brodelt, hilft es, den
Deckel anzuheben! – Von grup-
pendynamischen Herausforde-
rungen nach der Pandemie
Sie lernen ’hinter die Kulissen’ von Gruppendynamiken zu schauen,
sich die Theorie zur Hilfe zu nehmen und sich Praktisches aus der
lösungsorientierten Arbeit anzueignen.
Tanja
Schmitz-
Remberg
Intercity Hotel Düsseldorf
Graf-Adolf-Straße 81-87
40210 Düsseldorf
Donnerstag
27.10.2022
09:00 bis
16:30 Uhr
120 EUR 170 EUR 22.09.2022
2022-1102 Wege in den Ruhestand Beamtenversorgung und Altersteilzeit Horst
Joosten
Ringhotel Drees
Hohe Straße 107
44139 Dortmund
Donnerstag
03.11.2022
15:00 bis
18:00 Uhr
50 EUR 80 EUR 27.09.2022
2022-1103 Das geht doch gar nicht?! –
Und ob! Entspannungsinseln
im Schulalltag, die wirklich
funktionieren
Hilfe in stressigen Zeiten: vielfältige Tipps und Inspirationen, wie
Lehrkräfte im laufenden Unterrichtsalltag mit ihren Kräften besser
haushalten können; Ideensammlung für Mini-Pausen und Achtsamkeits-
übungen während der Schulstunden und dazwischen; Entspannungs-
übungen für Körper, Geist und Stimme für Zuhause
Gabi
Schmidt
Intercity Hotel Düsseldorf
Graf-Adolf-Straße 81-87
40210 Düsseldorf
Donnerstag,
03.11.2022
09:00 bis
16:30 Uhr
130 EUR 180 EUR 22.09.2022
2022-1117 Recht im Schulalltag Diese Fortbildung informiert über wichtige rechtliche Grundlagen,
die Lehrkräfte für ihren Berufsalltag benötigen.
Christopher
Lange
GDL Sitzungsraum 1. OG
Graf-Adolf-Straße 84
40210 Düsseldorf
Donnerstag
17.11.2022
14:00 bis
17:00 Uhr
25 EUR 50 EUR 27.10.2022
Schon mit den Eltern
gesprochen?
Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Stefan Battel gibt in seiner Kolumne
regelmäßig Antworten auf Fragen aus dem Lehreralltag.
Diesmal geht es um das Miteinander zwischen Lehrkräften und Eltern.
I
Ich habe doch tatsächlich im Urlaub Zeit
gefunden, ein paar Fachartikel zu lesen –
aus einem würde ich gerne berichten. In
dem Artikel in der Zeitschrift ’Familiendyna-
mik’ ging es um den Leistungsdruck seitens
der Eltern auch im Zusammenspiel mit den
Lehrkräften. So war dort zu lesen, dass 1979
noch über 30 Prozent der Eltern angaben,
sie seien zufrieden, wenn ihr schulpflichti-
ges Kind die Schule mit dem Hauptschulab-
schluss abschließe. 2017 sagten dies ledig-
lich noch vier Prozent. Parallel dazu gaben
56 Prozent der Eltern an, in Erziehungsfra-
gen häufig oder manchmal unsicher zu sein.
Auch speziell für den Bereich Schule gaben
in einer Untersuchung von 2017 rund 28
Prozent der Eltern an, sich häufig oder fast
immer mit den Aufgaben als Elternteil eines
schulpflichtigen Kindes überfordert zu füh-
len, 49 Prozent geht es manchmal so.
Diese Untersuchungen bestätigen persön-
liche Eindrücke aus der Praxis, nämlich
wachsende Unsicherheit der Eltern in vielen
Fragen, die die kindliche Entwicklung und
Erziehung betreffen, nicht zuletzt im schuli-
schen Bereich. Gerade auch in der Corona-
zeit versuchten Lehrkräfte nicht selten, Un-
terstützung für die Schule von Seiten der
Eltern zu generieren. Bringen sich jedoch
Eltern mit eigenen Vorschlägen ein, trifft dies
auf Seiten von Lehrkräften eher auf Skepsis
oder Ablehnung, wie eine Studie 2012 ge-
zeigt hat. Mehr Zahlen erspare ich Ihnen.
Wie kann man aber nun diesem Trend
entgegenwirken? Wie gelingt eine gute
Kooperation in Zeiten von erhöhten Bil-
dungsansprüchen, vielleicht auch überfrach-
teten Lehrplänen bei schlecht ausgestatte-
ten Schulen und Personalmangel (Ihnen
sicherlich nichts Neues)? Wie gehen Sie mit
besorgten, verängstigten, aber auch an-
spruchsvollen Eltern um? Wo gibt es Unter-
stützung in der Formierung einer guten
kooperativen Gesprächskultur? Hier trifft
ein afrikanisches Sprichwort den Nagel auf
den Kopf: »Um ein Kind zu erziehen, braucht
es ein ganzes Dorf«. Das Dorf heißt für mich
in der Praxis runder Tisch mit allen Beteilig-
ten und der Versuch eines gemeinsamen
Entwicklungsabgleiches über das jeweilige
Kind mit dem Ansatz, sowohl den Druck auf
Seiten der Lehrerinnen und Lehrer nachvoll-
ziehen zu können aber auch den Druck, den
Eltern in heutigen Gesellschaften haben,
verstehen zu lernen und dies mit gemeinsa-
mem Blick auf die Entwicklung des Kindes
und vor allen Dingen auf dessen Bedürfnis
abzustimmen und in Kontakt zu treten.
Zu empfehlen sind hier wirklich fokussiert
terminierte Gespräche und weniger die be-
rühmte »Tür und Angel«-Kommunikation.
Wie halten Sie es an Ihrer Schule? Welche
positiven Erfahrungen haben sie gemacht
und mit welchen Bedarfen werden sie wo
gesehen und wo nicht? Gibt es eine Ge-
sprächskultur darüber im Kollegium? Alles
Fragen, auf die ich sicherlich in den nächs-
ten Kolumnen noch zu sprechen kommen
werde anhand von Fallbeispielen.
ZUR PERSON
Dr. med. Stefan
Battel ist seit 2007
niedergelassener
Facharzt für Kinder-
und Jugendpsychia-
trie und -psychothe-
rapie mit eigener
Praxis in Bonn und
seit 2012 systemi-
scher Familienthera-
peut (DGSF). Im Rah-
men des
lehrer nrw
-
Fortbildungspro-
gramms greift er in
einer Vortragsreihe
regelmäßig verschie-
dene Themen aus
dem Bereich der
Jugendpsychologie
auf.
Foto: Andreas Endermann
lehrer nrw ·
5/2022
26
BATTEL HILFT
27
5/2022 ·
lehrer nrw
SENIOREN
Auf nach Hannover!
Zwar musste die geplante Herbstfahrt in die Pfalz
leider abgesagt werden, doch es gibt eine Alternative:
Vom 18. bis 21. Oktober besuchen die
lehrer nrw
-Se-
niorinnen und -Senioren die niedersächsische Metro-
pole Hannover. Anmeldungen sind ab sofort möglich.
H
Hannover, das bedeutet: zen-
trumsnah Geschichtsträchtiges
kennenlernen, Großstadt und Kultur
erleben, in fantastisch angelegter
barocker Gartenpracht Natur-
Schönheiten genießen, am Wasser
flanieren – und noch vieles mehr.
All das kann auf einer Kurzreise in
geselliger Atmosphäre unter Gleich-
gesinnten entdeckt und erlebt wer-
den. Hannover, die Stadt der kurzen
Wege und Highlights en masse,
kann aus ganz Nordrhein-Westfalen
bequem und günstig per Bahn er-
reicht werden.
Die wichtigsten
Reise-Infos in Kürze:
Preis: EZ 335 Euro; 1/2 DZ 285
Euro; Anzahlung pro Person
60 Euro, Anzahl Mindestteil-
nehmende: 15
Im Reisepreis enthalten: 3 x Ü/F
im EZ oder DZ, ein Abendbrot nach
einer Führung sowie ein Glas Bier
und ein Schnaps, ein Abendessen
im Hotel, Altstadtführung, Rathaus-
führung und Kuppelbesichtigung,
Stadtrundfahrt per gemietetem Bus,
Eintritt Herrenhäuser-Gärten und
Museum, U-Bahn-Gruppenticket zu
den Herrenhäuser-Gärten und zu-
rück, S-/U-Bahn-Gruppenticket zum
Rathaus und zurück, U-Bahn-Grup-
penticket Richtung Maschsee und
zurück.
Im Reisepreis nicht enthalten:
An- und Abreise, Abendessen im
Mövenpick-Restaurant, weitere
im Programm nicht aufgeführte
U-Bahnfahrten und Museumsbesu-
che/Besichtigungen, Mittagessen
und Getränke sowie andere persön-
liche Ausgaben.
Anmeldung: Bis zum 12. Septem-
ber 2023 bei Joamar Reisen,
Haarener Straße 18, 33178 Borchen,
Mail: info@reisen-joamar.de,
Fax: 05251 5389771
Die Schönheiten des Grugaparks
und das Museum Folkwang
A
Am 22. September besuchen die
lehrer nrw
-Seniorinnen
und -Senioren das Museum Folkwang und den Gruga-
park in Essen. Treffpunkt ist um 11:00 Uhr im Museum Folk-
wang, dessen Sammlung dort jeder in Eigenregie unter dem
Aspekt ’Neue Welten’ erkunden kann. Um 12:00 Uhr gibt es
einen kleinen gemeinsamen Imbiss im Museumsrestaurant
Edda. Ab 13:30 Uhr können die Teilnehmenden die Schön-
heiten des Grugaparks in einer eineinhalbstündigen Führung
unter dem Motto ’Natur erleben und verstehen’ genießen.
Die Exkursion endet mit einem Kaffee im ’Wassergarten am
Kurpark’.
Der Preis für Eintritt und Führung in der Gruga beträgt
9 Euro. Der Eintritt in die Sammlung des Museums Folkwang
ist kostenlos. Für die Verköstigung ist jeder selbst zuständig.
Anmeldung:
Per E-Mail bis 30. August an: Trompetter@lehrernrw.de
Präventionskurs und
Westfalenpark
A
Am 18. August trafen sich die Seniorinnen und Senioren
von
lehrer nrw
in Dortmund zu einem Präventionskurs
im Polizeipräsidium und zu einem Besuch im Westfalenpark.
Im Polizeipräsidium ging Hauptkommissar Markus Schette
auf die zahlreichen Fragen der Senioren ein und gab wert-
volle Tipps für das Verhalten im öffentlichen und privaten
Raum. Ebenso zeigte er Sicherungsmöglichkeiten für Türen
und Fenster.
Anschließend wurde der Westfalenpark mithilfe der Klein-
eisenbahn besichtigt, um die schöne Parkanlage anschlie-
ßend auf eigene Faust zu erkunden. Großer Dank gilt Man-
fred Berretz für die Planung und Durchführung der Exkursion.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion vor dem
Dortmunder Polizeipräsidium.
Eins von vielen Highlights auf der Hannover-Tour:
das neue Rathaus am Maschpark.
Foto: Adobestock/KlausDieter
lehrer nrw ·
5/2022
28
Hey, teacher,
leave us kids alone …!
TEIL 2
Fehltritte von Schülerinnen und Schülern sind so alt wie die
Schule selbst. Das Spektrum reicht von vergleichsweise
harmlosen Streichen bis hin zu Gewaltexzessen. Welche
Sanktionsmöglichkeiten Lehrkräfte haben und was bei der
Anwendung zu beachten ist, erläutert
lehrer nrw
-Justitiar
Christopher Lange in einer kleinen Artikelreihe.
P
Praxisrelevant sind im schulischen All-
tag mit Schülerinnen und Schülern,
die in der Regel zumindest nicht dau-
erhaft abwesend sind, insbesondere erzie-
herische Einwirkungen und Ordnungsmaß-
nahmen. Weiß man um die Existenz dieser
möglichen Maßnahmen, weiß man aber im-
mer noch nicht um deren adäquate Anwen-
dung. Ein Blick in die vergleichsweise um-
fangreichen Ausführungen des § 53 SchulG
klärt über die Grundzüge auf, man muss die
Systematik der einzelnen Absätze von § 53
SchulG jedoch verstehen, um keine Fehler
bei der Durchführung einer Maßnahme zu
begehen und so zu riskieren, dass die Maß-
nahme am beabsichtigten pädagogischen
Zweck vorbeischießt oder wegen verfah-
rensrechtlicher Mängel ihre Wirkung nicht
entfalten darf.
Der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit
So gilt es zu beachten, dass der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit zunächst auch unter
den beiden Typen von Maßnahmen gilt:
Es ist daher stets zuerst zu prüfen, ob man
mit dem milderen Mittel der erzieherischen
Einwirkung das Fehlverhalten der Schülerin
beziehungsweise des Schülers wirksam und
angemessen sanktionieren kann.
Erzieherische Einwirkungen sind in § 53
Absatz 2 SchulG aufgelistet. Dabei handelt
es sich jedoch nicht um einen abschließen-
den Katalog von ’Vorschlägen’ für Lehrkräf-
te, wie sich aus dem Wort »insbesondere«
ergibt. Dem pädagogischen Erziehungs-
zweck entsprechend, soll die pädagogische
Freiheit der Lehrinnen und Lehrer darüber
befinden, im konkreten Fall angemessen zu
reagieren. Lehrkräfte können sich daher
auch andere als die ausdrücklich aufgeführ-
ten Maßnahmen »einfallen lassen«. Kreati-
vität und einheitliches Handeln sind hier
gefragt.
Von Ermahnung bis
Unterrichtsausschluss
Von den ausdrücklich erwähnten Maßnah-
men sind das Gespräch mit der Schülerin
oder dem Schüler und die Ermahnung der
unmittelbarste Weg, ein Fehlverhalten zu
identifizieren und eine Verhaltensbesserung
zu erreichen. Ähnlich wie im Arbeitsleben ist
eine Ermahnung von einer Abmahnung oder
ähnlichem zu unterscheiden, das heißt einer
Maßnahme, die eine Stufe in einem konkre-
ten Eskalationssystem darstellt. Bei einem
Gruppengespräch mit Eltern wird zusätzlich
deren Erziehungsleistung angesprochen.
Ist davon auszugehen, dass ein Gespräch
mit Gleichaltrigen mehr Erfolg verspricht,
kann die Schulleitung an die Schulschieds-
RECHT§AUSLEGER
von CHRISTOPHER LANGE
Foto: AdobeStock/Ihor
Ein klärendes
Gespräch ist das
erste Mittel,
um Schüler auf den
Pfad der Tugend zurück-
zuführen. Falls es da-
nach nicht zu einer Bes-
serung des Fehlverhal-
tens kommt, sieht das
Schulgesetz auch schär-
fere Maßnahmen vor.
29
5/2022 ·
lehrer nrw
stelle bei den Schulämtern verweisen. Dort
finden Gespräche mit drei Schülerinnen
oder Schülern und einer Schulsozialarbeite-
rin oder einem Schulsozialarbeiter statt, und
es erfolgt eine Sanktion am Abschluss. Eine
Missbilligung ist eine ausdrückliche Rüge,
die auch schriftlich den Eltern mitgeteilt
werden kann.
Ein Unterrichtsausschluss bietet sich an,
wenn Schülerinnen und Schüler den Unter-
richt stören – allerdings beschränkt sich der
Ausschluss auf den laufenden Unterricht,
und es müssen zuvor mildere Mittel vergeb-
lich ausgesprochen worden sein. Nicht au-
ßer Acht lassen sollte man dabei die Organi-
sation der Aufsicht der ausgeschlossenen
Person. Nacharbeit unter Aufsicht dient der
Nachholung des Stoffs – es geht nicht um
’Strafarbeiten’ zur Disziplinierung.
Eltern einbinden
Auch Gegenstände können nicht zur reinen
Disziplinierung weggenommen werden,
sondern nur, wenn es gilt, störendes Verhal-
ten zu unterbinden. Dementsprechend dür-
fen Smartphones etc. auch nur die laufende
Stunde oder allenfalls den Schultag wegge-
schlossen werden.
Wiedergutmachung kann durch die Besei-
tigung von Schäden oder durch eine Ent-
schuldigung erfolgen. Aufgaben zur Ver-
deutlichung des Fehlverhaltens können so-
ziale Leistungen sein. Stets muss aber aus-
schließlich an das eigene Fehlverhalten an-
geknüpft werden. Bei wiederholtem
Fehlverhalten sind die Eltern zu informieren,
um deren Erziehungsarbeit als Unterstüt-
zung zu erlangen. Bei häufigem Fehlverhal-
ten oder gar gemeinschaftlichem Fehlver-
halten muss besondere Ursachenforschung
betrieben werden.
Ordnungsmaßnahmen nach § 53 Absatz 3
bis 9 SchulG kommen nach dem erwähnten
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur in
Betracht, wenn erzieherische Einwirkungen
nicht ausreichen. Es kommen nur die aufge-
listeten in Betracht. Die Auflistung folgt
ebenfalls dem Grundsatz der Verhältnismä-
ßigkeit, das heißt, dass beispielsweise ein
Unterrichtsausschluss nur rechtmäßig ist,
wenn die Überweisung in eine parallele
Klasse keinen Erfolg verspricht.
Der schriftliche Verweis (§ 53 Absatz 3 Nr.
1 SchulG) ist eine intensivere Maßnahme als
die erzieherische Einwirkung in Form der
schriftlichen Missbilligung. Der Verweis soll
verdeutlichen, dass das Fehlverhalten nicht
hingenommen wird und dass gegebenen-
falls drastischere Ordnungsmaßnahmen fol-
gen werden. Zum Beispiel bei Beleidigungen
oder häufiger Unpünktlichkeit kann ein Ver-
weis das Mittel der Wahl sein.
Überweisung in
eine andere Klasse
Die Überweisung in eine andere Klasse
53 Absatz 3 Nr. 2 SchulG) soll den unge-
störten Unterricht der Schülerinnen und
Schüler ermöglichen, die sich ordnungsge-
mäß verhalten. Die Überweisung kann Sinn
machen, wenn die Schülerinnen und Schüler
vor Bedrohungen oder Unterrichtsstörungen
anderer geschützt werden müssen. Die an-
dere Klasse darf die überwiesene Person
nicht ablehnen. Dass die Störerin oder der
Störer auch in der neuen Klasse sich unter
Umständen nicht korrekt einfügen könnte,
ist zunächst in Kauf zu nehmen, da die
Maßnahme dazu dient, ihr oder ihm die
Gelegenheit zum Neuanfang zu geben.
Die Maßnahme ist im Sinne ihrer Wirksam-
keit zügig nach Verhängung umzusetzen.
Bei schwerwiegenderen Verstößen wie
zum Beispiel nicht nur häufigem, sondern
ständigem Zuspätkommen oder geringfügi-
gen Racheakten aus Unzufriedenheit mit
einer Benotung kann ein vorübergehender
Ausschluss vom Unterricht (§ 53 Absatz 3
Nr. 3 SchulG) für höchstens zwei Wochen
erfolgen. Die Schülerin oder der Schüler soll-
te sich dabei nicht über gewonnene Freizeit
freuen, denn der versäumte Stoff ist nachzu-
arbeiten. Es soll deutlich werden, dass das
Angebot der Beschulung auch das Bemühen
erfordert, es wahrzunehmen. Der Ausschluss
von einzelnen Fächern ist möglich ebenso
wie für sonstige Veranstaltungen oder Klas-
senfahrten. Auch diese Maßnahme ist zum
Zwecke ihrer Wirksamkeit zügig nach Ver-
hängung umzusetzen. Der Zeitraum des
Ausschlusses ist angemessen zu wählen, so
sollten bedeutsame Klassenarbeiten nicht
versäumt werden.
Entlassung von der Schule
Die Androhung der Entlassung von der Schu-
le (§ 53 Absatz 3 Nr. 4 SchulG) ist ebenfalls
eine eigenständige Ordnungsmaßnahme. Der
Verkauf von Drogen an der Schule, tätliche
Angriffe auf Lehrkräfte oder Ehrverletzungen
von Lehrkräften können diese rechtfertigen.
Die Androhung hat einer Entlassung (§ 53
Absatz 3 Nr. 5 SchulG) vorauszugehen. An-
drohung und Entlassung dürfen sich nicht
auf unterschiedliche Fehltritte beziehen. Bei
Gewaltanwendung und hoher krimineller
Energie kann in derartigen Fällen auch eine
Entlassung unmittelbar erfolgen.
Die § § 53 Absatz 4, 47 SchulG regeln die
Folgen einer Entlassung: Schulpflichtige blei-
ben schulpflichtig. Sie müssen an einer ande-
ren Schule ihre Laufbahn fortsetzen. Findet
sich keine aufnahmebereite Schule, weist die
Schulaufsichtsbehörde die Schülerin oder den
Schüler einer anderen Schule zu (§ 53 Absatz
4 Satz 2 SchulG). Demgegenüber können
nicht mehr schulpflichtige Schülerinnen und
Schüler sogar ohne Androhung von der Schu-
le entlassen werden, wenn sie innerhalb von
dreißig Tagen insgesamt zwanzig Unterrichts-
stunden unentschuldigt gefehlt haben (§ 53
Absatz 4 Satz 3 SchulG). Fehlt diejenige oder
derjenige sogar ununterbrochen unentschul-
digt zwanzig Tage, erfolgte aber eine schriftli-
che Erinnerung, endet das Schulverhältnis
nach § 47 Absatz 1 Nr. 8 automatisch.
Die Androhung der Verweisung von allen
öffentlichen Schulen des Landes (§ 53 Absatz
3 Nr. 6 SchulG) oder gar die Verweisung
von allen öffentlichen Schulen des Landes
53 Absatz 3 Nr. 7 SchulG) sind allenfalls
vorstellbar, wenn eine Schülerin oder ein
Schüler tatsächlich die Sicherheit an allen
öffentlichen Schulen gefährden würde
53 Absatz 5 SchulG). Es bedarf der minis-
teriellen Bestätigung der Entscheidung, und
es muss für andere Bildungsmaßnahmen wie
zum Beispiel in Heimen gesorgt werden.
RECHT§AUSLEGER
Christopher Lange leitet die Rechtsabteilung
des
lehrer nrw
E-Mail: Rechtsabteilung@lehrernrw.de
lehrer nrw ·
5/2022
30
ANGESPITZT
W
Wozu noch Lehrer? Diese Frage stellt
der Autor eines mit dieser Über-
schrift versehenen Textes in ‘Fazit’, dem
Wirtschaftsblog der FAZ. Erfreulicherwei-
se liefert er die Antwort auf diese uner-
hörte Frage gleich mit.
Los geht’s mit einem Exkurs zu
McDonald’s, weil der Fast-Food-Gigant
es schaffe, »in der gesamten Welt begehr-
te Nahrungsmittel in gleichbleibender Gü-
te zu erschwinglichen Preisen bereitzu-
stellen«. Der Erfolg von McDonald’s sei
umso bemerkenswerter, als dort niemand
eine Kochausbildung vorweisen müsse.
Die Erklärung: Die McD-Restaurants ver-
wenden auf der ganzen Welt weitgehend
identische Vorprodukte, die nach festen,
minutiös niedergelegten und peinlich ge-
nau einzuhaltenden Regeln sowie stets
gleich bleibenden Abläufen zubereitet
werden, lässt der Autor uns wissen.
Was das mit Lehrern zu tun hat? Ei-
gentlich nichts. Doch dem Blogger ge-
lingt ein atemberaubender argumentati-
ver Salto mortale: Standardisierung wer-
de in vielen Geschäftsprozessen erfolg-
reich praktiziert – warum also nicht in
der Schule? Das jedenfalls exerzieren die
‘Bridge International Academies’, die in
Kenia, Liberia, Nigeria und anderen Län-
dern mit hochstandardisierten Schulpro-
grammen erschwingliche Bildung ange-
boten haben und in viele arme Länder zu
expandieren trachten, wie es im Blog
heißt. Das Verfahren, geht so, beschreibt
der Autor: »Bridge hat alle Schulstunden
standardisiert, vom Kindergarten bis zur
achten Klasse. Die Pläne werden auf der
Grundlage aktueller Bildungsforschung
zentral erstellt. Sie regeln detailliert den
Ablauf einer Stunde und werden den
Lehrern per Tabletcomputer übermittelt.
Der Computer schreibt vor, was heute un-
terrichtet wird, wie es vermittelt wird
und wie viele Minuten jedes Segment be-
kommt. Er dirigiert die Gesten der Lehrer,
er sagt ihnen, wann sie Schüler ohne Vor-
warnung drannehmen sollen und wie
häufig bestimmte Übungen wiederholt
werden sollen.«
Natürlich sind schon Studien zur Hand,
die den außerordentlichen Erfolg dieser
Lehrmethode preisen. Höchst praktisch
für den Dienstherrn: Die meisten Lehrer
haben noch nicht einmal die Qualifikati-
on für ein Hochschulstudium. Ergo: »Ihr
Gehalt entsprach einem Fünftel bis ei-
nem Drittel des klassischen Lehrerge-
halts. Dafür arbeiteten sie länger
Sehr praktisch: Der Lehrer ist nicht mal
mehr Lernbegleiter, sondern Lernauto-
mat. Es lebe die McDonaldisierung der
Bildung! Jochen Smets
Die McDonaldisierung der Bildung
HIRNJOGGING
31
5/2022 ·
lehrer nrw
Schulen gesucht
Es gibt weit über 3000 Begriffe, die ’schul’ enthalten. Die meisten
haben tatsächlich etwas mit Schulen zu tun, wie Schulglocke und
Welpenschule. Ich könnte Sie jetzt auffordern, so viele dieser Begrif-
fe wie möglich zu finden. Aber das wäre ja keine Herausforderung.
Als Aufwärmübung aber durchaus geeignet.
Ich habe stattdessen einige Umschreibungen von Begriffen, die
schul’ enthalten, ohne etwas mit Schulen zu tun zu haben.
1. Viele heutige Familiennamen sind aus Abwandlungen dieses Be-
griffs entstanden. Es handelt sich um einen Beruf mit langer Tradi-
tion. Er stammt aus dem Mittelalter und wurde erst Anfang des
20. Jahrhunderts durch ’modernere’ Berufsbezeichnungen ersetzt.
2. Wer hat recht? Wer gewinnt? Im Spiel oder Konkurrenzkampf
sollte man sich seiner Sache sehr sicher sein. Denn wenn man ver-
liert, dann entsteht der gesuchte Begriff. Je nachdem mit wem
man spielt, kann es sich bei dem Begriff um mehr oder weniger
viel Geld handeln oder nur um einen Kasten Bier. Thomas Gott-
schalk kann ein Lied davon singen.
3. Diese Pflanze wird von Menschen oft geliebt und von Motten ge-
hasst. Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Wie übrigens
auch die Schreibweise dieses Begriffs. Der Duden besteht auf
schul’ doch häufiger liest man ’coul’. Wen dieser Umstand
stresst, der sollte eine Nase des Duftes nehmen. Denn dies soll
Stress reduzieren und stimmungsaufhellend wirken.
4. Die Vielfältigkeit dieses Kleidungsstücks bezieht sich nicht nur auf
seine Träger (vom alten Römer über katholische Priester bis hin
zur eleganten Dame ist alles dabei), sondern auch auf die Namen,
mit der es je nach Trageform und Träger:in bezeichnet wird. Statt
der hochtrabenden Namen, wie ’Amikt’ kann man aber auch ganz
einfach ’XXX’ dazu sagen.
5. Viele Menschen behaupten von sich, es zu sein. Die Wahrheit ist
oft nicht herauszufinden und so werden vielleicht einige zu Recht
und andere zu Unrecht bestraft. Wenn Sie jetzt der Meinung sind,
dass diese Rätsel zu schwierig für Sie sind, dann plädiere ich ein-
deutig auf ’XXX’.
Unterschiede finden
Beschriften Sie zwölf kleine Zettel jeweils mit einem Adjektiv.
Drehen Sie diese Zettel um und wählen jeweils zwei aus.
Suchen Sie nun Dinge, auf die beide Adjektive zutreffend sind.
Beispiel: Rot und Rund – Tomate, Kirsche, mein Kopf nach einem 100 Meter-Sprint
Wetterkapriolen
Finden Sie zusammengesetzte Wörter, bei denen ein Wortbestandteil ein Wetterbegriff ist.
Beispiel: Nebelbank, Regenschirm,
Lösung: Aufgabe 1: 1. Schultheiß | 2. Wettschuld | 3. Patschuli | 4. Schultertuch | 5. Unschuldig
AUFGABE 1:
AUFGABE 2:
AUFGABE 3:
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