3
Unter der Lupe
Der Landtag unter
‘meiner’ Lupe
8
Personalratswahl 2020
Wir kämpfen
weiter für Sie!
28
Recht§ausleger
Der Lehrerrat
12
Titel
Polizeilaufbahn
für Realschüler
Pädagogik & Hochschul Verlag
.
Graf-Adolf-Straße 84
.
40210 Düsseldorf · Foto: AdobeStock · Montage: Dömges
1781 | Ausgabe 6/2020 | NOVEMBER | 64. Jahrgang
Digitalisierung:
Im Spannungsfeld
von Datenschutz,
Pädagogik und Didaktik
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von Datenschutz,
Pädagogik und Didaktik
IMPRESSUM
lehrer nrw
– G 1781 –
erscheint sieben Mal jährlich
als Zeitschrift des
‘lehrer nrw’
ISSN 2568-7751
Der Bezugspreis ist für
Mitglieder des
‘lehrer nrw’
im Mitgliedsbeitrag enthal-
ten. Preis für Nichtmitglieder
im Jahresabonnement:
35,– inklusive Porto
Herausgeber und
Geschäftsstelle
lehrer nrw
Nordrhein-Westfalen,
Graf-Adolf-Straße 84,
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Redaktion
Brigitte Balbach,
Sven Christoffer,
Christopher Lange,
Jochen Smets,
Sarah Wanders, Düsseldorf
Verlag und
Anzeigenverwaltung
PÄDAGOGIK &
HOCHSCHUL VERLAG
dphv-verlags-
gesellschaft mbH,
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Zur Zeit gültig:
Anzeigenpreisliste Nr. 19
vom 1. Oktober 2018
Zuschriften und
Manuskripte nur an
lehrer nrw
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Graf-Adolf-Straße 84,
40210 Düsseldorf
Für unverlangt eingesandte
Manuskripte kann keine Ge-
währ übernommen werden.
Namentlich gekennzeichnete
Beiträge geben die Meinung
ihrer Verfasser wieder.
INHALT
lehrer nrw ·
6/2020
2
UNTER DER LUPE
Brigitte Balbach: Der Landtag
unter ‘meiner’ Lupe
Über den Wandel der politischen Kultur 3
BRENNPUNKT
Sven Christoffer: Nach der
Wahl ist vor der Arbeit
6
PERSONALRATSWAHL 2020
Wir kämpfen weiter für Sie!
Ergebnisse, gewählte Vertreter und Ziele
der Personalratsarbeit im Überblick 8
JUNGE LEHRER
Sarah Wanders: Verbesserungen
für Realschulen erreicht
10
TITEL
Polizeilaufbahn für Realschüler 12
Von der Realschule über das
Berufskolleg zur Polizei
14
DOSSIER
Jochen Krautz & Ralf Lankau:
Digitalisierung mit Verstand
und Verantwortung
Zum Primat von Datensicherheit,
Pädagogik und Didaktik 15
BATTEL HILFT
Angst essen Seele auf’ 19
SCHULE & POLITIK
»Distanz-Lernen kann Präsenz-
Unterricht nicht ersetzen«
Claudia Schlottmann, neue schulpolitische Sprecherin
der CDU-Landtagsfraktion, im Interview
20
Trauer um Walter Hollemann
21
Dieter Peters: Das Fach
Wirtschaft läuft, aber
22
Astrid Pradella:
Zieh deine Maske an, Mann!
24
Deutscher Lehrerpreis würdigt
innovative Unterrichtskonzepte
25
KOLUMNE
Ferdinand Kümmertsich:
Wieso denn hinter Lehrern stehen?
26
SENIOREN
Fluss und Meer 27
RECHT
§
AUSLEGER
Christopher Lange: Der Lehrerrat 28
ANGESPITZT
Jochen Smets: Gratis-Floskeln
zum Weltlehrertag
30
HIRNJOGGING
Aufgabe 1: Verschlungene Kreise
Aufgabe 2: Vorgänger und Nachfolger
Aufgabe 3: Brain Quickie
31
UNTER DER LUPE
von BRIGITTE BALBACH
Der Landtag unter
’meiner’ Lupe
Über den Wandel der politischen Kultur
Ball’ zu bleiben.
Gemeinsames Trin-
ken und Reden und kon-
troverses Diskutieren schweißen
zusammen – das wissen wir alle. Das zentra-
le Gefühl für uns Eingeladene lautete immer wieder: Wir
dürfen auf Augenhöhe mitreden! Wir werden gefragt!
Wir werden ernst genommen, man interessiert sich für
uns und unsere Belange! Super! Diese Art und Weise
der Wertschätzung gab es im Landtag über Jahre hin-
weg, egal unter welcher Regierung! Ein Glücksfall für
alle Beteiligten! Danke dafür!
Das sieht heute ganz anders aus. Die Abgeordneten
laden auf Eigeninitiative zu einigen Treffen ein, mög-
lichst allein oder mit quasi Gleichgesinnten oder the-
menorientiert quer durch die politische Ebene. Offene
Gespräche im Vorfeld von Anhörungen sind rarer gewor-
den. Gastabende im Landtag sind out. Von Feiern ist kei-
ne Rede mehr. Und das ist nicht erst während Corona
so.
Schielen auf die nächste Koalition
Auch im Landtag haben sich die Dinge verändert. Schon
zu Beginn ihrer Legislaturperiode werfen die Gewinner
der Wahlen einen zunächst ’zarten’ Blick auf die mögli-
che nächste Koalition. Und während die Menschen ’vor
dem Landtag’ darauf warten, dass Versprochenes umge-
setzt wird, wie zum Beispiel die Lehrerbesoldung, wird
schon sehr früh geschaut, mit wem denn die nächste
Koalition bestritten werden könnte – was zur Folge
Z
Z
u den Highlights meiner persönlichen Erfahrungen
im Landtag NRW zählen die häufigen Besuche im
Plenum mit dem damaligen Vorsitzenden unseres
Realschullehrerverbands, Ulrich Brambach, der als Vor-
sitzender des RLV häufig von CDU oder FDP zu schulpo-
litischen Anhörungen in den Landtag eingeladen wurde.
Und ich durfte als Schriftleiterin und später als Stellver-
treterin oft mit! Toll!
Die Themen aus dem Schulbereich waren vielfältig,
interessant und weckten meinen Wunsch, dort ’mitre-
den’ zu dürfen. Unsere Meinung als Fachleute, die jahre-
lang vor der Klasse gestanden haben, war gefragt. Es
war spannend – damals. Und erst dort habe ich die Lei-
denschaft unseres Vorsitzenden kennengelernt, der kein
Blatt vor den Mund nahm und häufig auch lautstark für
unsere Belange, also die der Lehrerinnen und Lehrer an
den Realschulen in Nordrhein-Westfalen, Einsatz zeigte.
Dort war ihm keine Auseinandersetzung zu scharf, kein
Kritikpunkt vonseiten der Lehrerinnen und Lehrer, die er
vertrat, zu viel, kein Streit vermeidbar! Sein Auftreten
vor den Abgeordneten wäre es wert gewesen, in die
Schulen live übertragen zu werden!
Auf Augenhöhe mitreden
Und ich habe zugehört, beobachtet, gelernt, wie es geht
und gehen kann. Später hat mir das erleichtert, meinen
eigenen Weg als Vorsitzende zu finden! Ich hatte bereits
einen Background – als Schriftleiterin und als Stellver-
treterin – auch im Landtag! Gelernt ist halt gelernt! Ei-
ne Weiterentwicklung kommt meist von allein – fast!
Auf Feiern, Festen, sonstigen offiziellen, themenorien-
tierten Veranstaltungen und auf Einladung verschiede-
ner Fraktionen fanden auch außerhalb des Plenarsaals
im Landtag und ’zu Hause’ bei den Parteien Treffen auch
bei Bier oder Wein und Häppchen auf lockeren Abenden
statt, auf denen man sich mit Landtagsabgeordneten
und anderen Politikern unterschiedlicher Parteien treffen
konnte und somit weitere Gelegenheiten nutzen durfte,
gemeinsam ins Gespräch zu kommen, gemeinsame Zie-
le ins Auge zu fassen und sozusagen kommunikativ ’am
Was stört mich mein
Geschwätz von gestern?
Wahlversprechen haben im modernen
Politikbetrieb eine deutlich
abnehmende Halbwertszeit.
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6/2020 ·
lehrer nrw
Foto: AdobeStock/Jörg Lantelme
lehrer nrw ·
6/2020
4
UNTER DER LUPE
hat, dass man als ’regierender’ Abgeordneter seine ei-
gene Opposition im Landtag nicht als solche erkennen
kann, sie steht einem irgendwie zu nah. Man verbrüdert
sich in Anhörungen mit dem politischen Gegner, mit der
Opposition, den Blick fest in eine vermeintliche Zukunft
gerichtet! Das den eigenen Wählern Versprochene wird
fast belanglos.
Auf diese Weise wird das Politikerwort quasi unseriös
– man kann das erfahrungsgemäß nicht mehr für wahr
und verlässlich erachten! Das liegt nicht an den Wäh-
lern! Das erledigen Regierungen meist selbst! Leider!
Was gilt da für die allgemeine Wählerschaft noch das
gesprochene Wort eines Regierenden? Denn sind die
Wahlen vorbei – beginnen die nächsten (nach der Wahl
ist vor der Wahl!). So schnell kann ein Wähler kaum
noch gucken!
Vergessene Versprechen
Statt das Versprochene umzusetzen (als Beispiel die
Änderung und Erneuerung der Lehrerbesoldung), wenn
auch abgewandelt, erinnern sich viele Politiker höchst
ungern an ihre gemachten Versprechen (auch wenn die-
se verschriftlicht wurden, im Koalitionsvertrag stehen
und Jahre danach in einem Brief zum Beispiel an
lehrer
nrw
bestätigt wurden). Nach dem Motto: Was schert
mich mein Geschwätz oder Schreiben (von Laschet!)
von gestern. Beispiele dafür finden Sie in fast jeder Le-
gislaturperiode im aktuellen Koalitionsvertrag einer Re-
gierung. Lesen Sie in Ruhe nach! Die Gründe dafür inte-
ressieren uns Wähler kaum, sie werden ja auch wenig
kommuniziert. Geht es um Geld, ist meist der Finanzmi-
nister schuld – der arme Kerl!
In der Folge dieser politischen Demenz schielt man
schon im ersten Jahr nach den Wahlen zur Opposition
rüber und brüstet sich damit, sich mit den netten Kolle-
gen prima zu verstehen. Schade! Für die Politik insge-
samt. Denn eine klare leidenschaftliche Auseinanderset-
zung in der Sache, mit lauten, später zu entschuldigen-
den Worten würde uns allen gesellschaftlich gesehen
total gut tun! (Das können Sie in alten Niederschriften
des Landtags nachlesen!)
Hoffen auf die Demenz der Wähler
Es könnte etwas bewegt werden, wo bisher ein laues
Lüftchen im Landtag weht – zumindest im Bildungsbe-
reich! Und damit werden Zeit und Gelegenheit zur Ver-
änderung verschenkt! Ohne Sinn, ohne Grund! Einfach
so – weil wir uns alle doch so gut verstehen und ei-
gentlich doch alle nur Gutes wollen – ist doch so,
oder?
Der Schaden ist jedoch verursacht, Versprechen ge-
brochen, die Wähler verunsichert und verärgert. Kom-
men Neuwahlen, suchen alle ’Täter’ neues Spiel, neues
Glück und hoffen auf die Demenz ihrer Wähler. Hat der
Landtag gar nichts mehr an seine Lobbyisten zu verkau-
fen, machen sich einige Abgeordnete schon während
der laufenden Legislaturperiode vorzeitig vom Acker
und steigen irgendwo anders wie Phönix aus der Asche!
Muss halt jeder sehen, wo er bleibt! Sorry! Ja, klar, ist
halt gerade eine gute Gelegenheit, die vielleicht nicht
wiederkommt. Da hat man als Wähler ja voll Verständ-
nis, oder? Wahrhaftigkeit muss man da – um im Bild zu
bleiben – mit der Lupe suchen.
Wir bleiben lautstark am Ball
Dumm nur, dass das Versprechen zur Veränderung der
Lehrerbesoldung schriftlich an uns gegangen ist. Die
Hoffnung auf ein devotes Schweigen ist hier also ver-
geblich! Wir werden weiterhin lautstark am Ball bleiben!
Und die Hoffnung auf den Beginn einer Besoldungsver-
änderung bleibt unverändert und stark, wie es sich für
eine große Hoffnung gehört. Sie lässt sich nicht verbit-
tern. Sie bleibt einfach bestehen, bis ihr Tag kommt.
Bei einer solchen enttäuschenden Vorgehensweise
wird das Politikerwort jedoch zum Geschwätz degra-
diert, ohne dass dies jemals die Absicht war, von keiner
Seite! Was gilt da für die Wählerschaft insgesamt noch
das gesprochene oder geschriebene Wort?! Denn sind
die Wahlen vorbei, beginnen die nächsten schon. Der
Landtagsabgeordnete sucht sehr früh schon nach künf-
tigen Mehrheiten nach seiner aktuellen Legislaturperi-
ode. Er arbeitet an einer Vision für die Zukunft. Das ist
grundsätzlich nicht falsch, kann aber erst Wirklichkeit
werden, wenn man als Abgeordneter auch bereit ist,
in der Gegenwart zu agieren und Versprechungen zu-
nächst einmal wahr zu machen, bevor man die Zukunft
in den Blick nimmt.
Erst die Veränderung,
dann die Vision
Und da sitzt meiner Meinung nach der Haken: Erst muss
die Veränderung erfolgen, dann sind neue Visionen an-
gesagt. Erst wenn die gelebte Wirklichkeit für Schüler
und Lehrer den Versprechungen folgt, können neue Vi-
sionen in Politikern wachsen. Es gilt auch für sie, einen
Schritt nach dem anderen zu tun – und nicht alle Schrit-
te gleichzeitig zu erwarten und umsetzen zu wollen. Das
geht an jeder Realität vorbei!
Brigitte Balbach ist Vorsitzende des
lehrer nrw
E-Mail: info@lehrernrw.de
lehrer nrw ·
6/2020
6
BRENNPUNKT
NNaacchh ddeerr WWaahhll
iisstt vvoorr ddeerr AArrbbeeiitt
Die Bilanz der Personalratswahl
2020 zeigt Licht und Schatten.
Das Erfreulichste vorweg: In al-
len zwölf Personalräten, für die
lehrer nrw
angetreten ist, sind
wir künftig vertreten. Denn
erstmals hat
lehrer nrw
in allen
sechs Gesamt- und Sekundar-
schul-Personalräten mindestens
einen Sitz. Im Realschulbereich
musste
lehrer nrw
Stimmenver-
luste hinnehmen, bleibt aber
stärkste Kraft.
Ursprünglich sollte die Personalratswahl
im Juni 2020 stattfinden. Als Wahlkampf-
leiter hatte ich deshalb in der zweiten
Ausgabe unserer Verbandszeitschrift Wahl-
ziele formuliert:
In der Schulform Realschule geht es darum, stärkster Verband zu bleiben und den
Vorsitz im Hauptpersonalrat und in den drei größten Bezirken Düsseldorf, Köln und
Arnsberg zu verteidigen.
Dies ist uns gelungen, auch wenn teils schmerzliche Einbußen hingenommen werden
mussten. Die bisherigen Vorsitzenden sind auch die neuen Vorsitzenden, und die
Zusammenarbeit mit dem VBE kann in allen vier Personalräten fortgeführt werden.
In Münster und Detmold soll ein Ergebnis erzielt werden, das es unmöglich macht,
einen Vorstand ohne Beteiligung von lehrer nrw zu bilden.
Dies ist uns in Münster gelungen, wo
lehrer nrw
weiterhin den 1. stellvertretenden
Vorsitzenden stellt. In Detmold hat der Verband das Wahlziel denkbar knapp verpasst.
Eine mögliche ’Koalition’ aus
lehrer nrw
und VBE konnte 48,83 Prozent aller Wähler-
Innen auf sich vereinigen. 24 Stimmen mehr hätten eine eigene Mehrheit bedeutet …
An den Schulformen des längeren gemeinsamen Lernens ist es das erklärte Ziel,
sich weiter zu etablieren und eine feste Größe zu werden. In jedem der sechs
Personalräte (fünf Bezirke sowie Hauptpersonalrat) soll mindestens ein Mandat
errungen und in den Personalräten, in denen der Verband schon vertreten ist
(Arnsberg, Düsseldorf, Köln, Hauptpersonalrat), möglichst ein weiteres Mandat
hinzugewonnen werden.
Dies ist uns gelungen.
lehrer nrw
wird in allen fünf Bezirkspersonalräten sowie im
Hauptpersonalrat künftig mit einem Sitz vertreten sein – in Köln haben wir sogar
zwei Sitze erreicht. Das unterstreicht, dass unser Verband sich inzwischen eine we-
sentlich breitere Basis im Sekundarbereich erarbeitet hat.
von SVEN CHRISTOFFER
Foto: AdobeStock/Enrico Marzico
Ärmel aufkrempeln und
anpacken:
Nach der Personal-
ratswahl gilt es, gewonnenes
Vertrauen zu rechtfertigen und
verlorene Stimmen zurückzuholen.
BRENNPUNKT
7
6/2020 ·
lehrer nrw
Sven Christoffer ist Vorsitzender des HPR Realschulen
sowie stellv. Vorsitzender des
lehrer nrw
E-Mail: christoffer@lehrernrw.de
PERSONALRATSWAHL IN KÜRZE
lehrer nrw
zieht in alle zwölf Personalräte ein, für die der Verband angetreten ist, und erringt dabei insgesamt 39 Mandate.
Wir gratulieren allen Kolleginnen und Kollegen zu ihrem Mandat und bedanken uns bei allen Lehrkräften,
die sich als Personalratskandidatinnen und -kandidaten zur Verfügung gestellt haben;
den Wahlkampf des
lehrer nrw
mit großem Engagement aktiv unterstützt haben;
unserem Verband bei der Wahl ihre Stimme gegeben und damit ihr Vertrauen geschenkt haben.
Gesamtergebnis Realschulen
HPR Arnsberg Detmold Düsseldorf Köln Münster
lehrer nrw
33,06 Prozent
5 Sitze
37,51 Prozent
6 Sitze
23,19 Prozent
3 Sitze
38,40 Prozent
7 Sitze
36,98 Prozent
6 Sitze
30,70 Prozent
5 Sitze
GEW
32,69 Prozent
5 Sitze
33,18 Prozent
6 Sitze
35,96 Prozent
6 Sitze
34,30 Prozent
6 Sitze
34,87 Prozent
6 Sitze
35,13 Prozent
6 Sitze
VBE
17,76 Prozent
3 Sitze
18,34 Prozent
3 Sitze
25,64 Prozent
4 Sitze
15,00 Prozent
2 Sitze
16,48 Prozent
3 Sitze
15,89 Prozent
2 Sitze
SchaLL
12,21 Prozent
2 Sitze
10,97 Prozent
2 Sitze
15,22 Prozent
2 Sitze
12,30 Prozent
2 Sitze
11,66 Prozent
2 Sitze
9,20 Prozent
1 Sitz
Korrekturfachlehrer
4,27 Prozent
kein Sitz
nicht angetreten nicht angetreten nicht angetreten nicht angetreten
9,08 Prozent
1 Sitz
Gesamtergebnis Gesamt-/Sekundarschulen
HPR Arnsberg Detmold Düsseldorf Köln Münster
lehrer nrw
5,89 Prozent
1 Sitz
5,59 Prozent
1 Sitz
4,60 Prozent
1 Sitz
6,43 Prozent
1 Sitz
9,18 Prozent
2 Sitze
6,20 Prozent
1 Sitz
GEW
54,63 Prozent
9 Sitze
54,82 Prozent
14 Sitze
53,30 Prozent
12 Sitze
57,49 Prozent
16 Sitze
52,81 Prozent
14 Sitze
56,10 Prozent
13 Sitze
VBE
18,74 Prozent
3 Sitze
18,76 Prozent
4 Sitze
22,10 Prozent
4 Sitze
13,22 Prozent
3 Sitze
18,85 Prozent
5 Sitze
18,80 Prozent
4 Sitze
SchaLL
11,33 Prozent
1 Sitz
10,64 Prozent
2 Sitze
14,10 Prozent
3 Sitze
12,48 Prozent
3 Sitze
9,94 Prozent
2 Sitze
11,20 Prozent
2 Sitze
Philologenverband
9,41 Prozent
1 Sitz
10,19 Prozent
2 Sitze
5,90 Prozent
1 Sitz
10,38 Prozent
2 Sitze
9,22 Prozent
2 Sitze
7,20 Prozent
1 Sitz
Schwache Wahlbeteiligung
Sehr bedenklich ist die erschreckend schwa-
che Wahlbeteiligung. So haben im Real-
schulbereich nur etwa 40 Prozent der Lehr-
kräfte von ihrem Stimmrecht Gebrauch ge-
macht, an den Gesamt- und Sekundarschu-
len waren es gar nur rund 34 Prozent. Dies
ist ein Alarmsignal – nicht nur für die Ver-
bände, sondern auch für die Politik. Viele
Lehrkräfte sind – gerade in Corona-Zeiten –
sehr verunsichert. Eine Schulpolitik über die
Köpfe von Personalräten und Lehrkräften
hinweg reißt Gräben auf, die nur schwer zu
überbrücken sind.
Vertrauen rechtfertigen
In den kommenden Wochen, Monaten
und Jahren wird es darum gehen, das in
den Verband gesetzte Vertrauen zu recht-
fertigen. Dazu benötigen unsere Man-
datsträger nicht nur eine gehörige Portion
Herzblut, sondern auch die notwendige
Professionalität. Deshalb wird der Ver-
band seine Personalratsmitglieder konti-
nuierlich schulen. Den Auftakt dazu bietet
eine Veranstaltung im Januar, in der die
Beratungskompetenz in allen schulisch
relevanten Feldern gestärkt wird. Das
fängt mit A wie Amtsarzt an und endet
bei Z wie Zurruhesetzung. Eine weitere
Fortbildung noch vor den Sommerferien
ist bereits in Planung, in der vor allem
rechtliche Aspekte der Personalratsarbeit
im Fokus stehen werden. Rechtssicherheit
verleiht Souveränität, und nur, wer die im
Landespersonalvertretungsgesetz fixier-
ten Rechte und Pflichten eines Personal-
rats kennt, kann gegenüber der Dienst-
stelle als starker Verhandlungspartner auf
Augenhöhe auftreten.
Insofern gilt ab sofort das Motto:
Nach der Wahl ist vor der Arbeit!
lehrer nrw ·
6/2020
8
PERSONALRATSWAHL 2020
Wir kämpfen weiter für Sie!
Ergebnisse, gewählte Vertreter und Ziele
der Personalratsarbeit im Überblick.
SVEN CHRISTOFFER, Spitzenkandidat Hauptpersonalrat Realschulen
»Kurzfristig geht es darum, daran mitzuwirken, dass unsere Lehrkräfte die Pandemie bewältigen, ohne Schaden zu
nehmen. Hier gilt es, den Blick des MSB immer wieder auf den Infektionsschutz und Corona-bedingte Mehrbelastun-
gen zu lenken. Langfristig werde ich für faire und gleiche Arbeitsbedingungen in der Sekundarstufe I kämpfen. Man
darf einfach nicht müde werden, das Schulministerium immer wieder dazu aufzufordern, das im Koalitionsvertrag
abgegebene Versprechen, die Benachteiligung von Realschulen zu beenden, in die Tat umzusetzen.«
ULRICH GRÄLER, Spitzenkandidat Bezirkspersonalrat Realschulen, Arnsberg
»In dieser besonderen Situation der Pandemie sind die Personalräte mehr denn je gefordert, das Funktionieren des
Systems Schule im Blick zu behalten, gleichzeitig aber die demokratischen Grundsätze gegenüber zu weitgehenden
Ansprüchen aus Politik und Verwaltung zu verteidigen: Eine demokratische Kultur MUSS bleiben! Der Gesundheits-
schutz der Lehrkräfte hat dabei absolute Priorität. Bei aller gesellschaftlichen Verpflichtung, den Unterricht so weit
als möglich aufrechtzuerhalten, gilt: Ohne Gesundheit ist alles NICHTS!«
DIRK MEYER, Spitzenkandidat Bezirkspersonalrat Gesamt-/Sekundarschulen, Arnsberg
»Besonderen Wert lege ich auf die persönliche Beratung ohne Zeitdruck in allen Tätigkeitsfeldern eines Bezirksper-
sonalrates und aus der Perspektive der Beschäftigten. Aus der langjährigen Personalratserfahrung heraus kann der
Beratungssachverhalt einer multiperspektivischen Betrachtung unterzogen werden.«
ASTRID PRADELLA, Spitzenkandidatin Bezirkspersonalrat
Realschulen, Detmold
»Als Mitglied des Personalrats in Detmold werde ich Fraktionsvorsitzende von
lehrer nrw
und Ansprechpartnerin für Bielefelder Realschulen sein. Weiterhin betreue ich Kolleginnen
und Kollegen bei anfallenden BEM Gesprächen.«
GISELA GOLDSTEIN, Spitzenkandidatin Bezirkspersonalrat
Gesamt-/Sekundarschulen, Detmold
»Als Mitglied des Bezirkspersonalrats möchte ich mich bestmöglich für die Belange der Kollegin-
nen und Kollegen einsetzen, damit respektvoller Umgang miteinander und guter Unterricht unter
gesunden Arbeitsbedingungen möglich sind.«
ELLEN BOLLIG, Spitzenkandidatin Hauptpersonalrat Gesamt-/Sekundarschulen
»Ich werde mich den Problemen der Gesamtschulen im Aufbau vorrangig widmen. Schule braucht Rechtssicher-
heit und zuverlässige Vorgaben. Bildungsziele können nur angestrebt werden, wenn die Lehrkräfte mit dem nö-
tigen Rüstzeug ausgestattet werden. Dazu gehören die rechtlich abgesicherte digitale Ausstattung, ausgereifte
pädagogische Konzepte sowie eine angemessene Bezahlung – A13 für alle!«
PERSONALRATSWAHL 2020
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6/2020 ·
lehrer nrw
NADJA NASSOWITZ, Spitzenkandidatin Bezirkspersonalrat
Gesamt-/Sekundarschulen, Münster
»Lehrkräfte an Gesamtschulen, Gemeinschaftsschulen, Sekundarschulen und PRIMUS-Schulen sind psychisch und sozial
belastet. Wir benötigen daher Entlastung an allen Schulformen v.a. durch qualifiziertes Personal, damit Unterricht und au-
ßerunterrichtliche Angebote an diesen Schulen an Qualität gewinnen können. Ferner möchte ich Kolleginnen und Kollegen
dahingehend unterstützen, dass sie unter gesunden Arbeitsbedingungen arbeiten können.«
ANDREAS KUCHARSKI, Spitzenkandidat Bezirkspersonalrat
Gesamt-/Sekundarschulen, Düsseldorf
»Ganz oben auf meiner Agenda steht der Schutz Ihrer Gesundheit. Momentan wird diese massiv strapaziert – unter ande-
rem durch Mehrarbeit und die Corona-Pandemie. Wichtig ist auch das Thema Digitalisierung. Wir sollen die Schülerinnen
und Schüler auf die digitale Welt vorbereiten, aber es geht nicht ohne entsprechende Fortbildungen durch qualifiziertes
Personal. Dafür werde ich mich stark machen.«
THORSTEN SCHMALT, Spitzenkandidat Bezirkspersonalrat Realschulen, Köln
»Ohne starke Mitbestimmung besteht die Gefahr, dass der Arbeitgeber Entscheidungen trifft und Maßnahmen umsetzt, die
nicht im Interesse der Kolleginnen und Kollegen sind. Ich werde sehr genau darauf achten, dass die Rechte der Lehrkräfte
auf der einen Seite und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn auf der anderen Seite in vollem Umfang beachtet und realisiert
werden. Als kompetenter Ansprechpartner möchte ich allen Lehrkräften an unseren Realschulen zur Verfügung stehen.«
TOM SCHIPPER, Spitzenkandidat Bezirkspersonalrat Gesamt-/Sekundarschulen, Köln
»Mein Ziel ist es, weiterhin gute, hilfreiche Personalratsarbeit für die Kolleginnen und Kollegen zu leisten. Das bedeutet
für mich: nah am Menschen zu sein, individuell zu beraten, sich Zeit zu nehmen für ein Problem, zuhören zu können und
realistische Antworten zu geben.«
DR. GERHARD PETERS, Spitzenkandidat Bezirkspersonalrat Realschulen, Münster
»Lehrkräfte im Sek-I-Bereich benötigen mehr Hilfe bei der Inklusion, Integration und bei der Digitalisierung. Die Besol-
dung der Fachleiterinnen und Fachleiter muss endlich auf das gleiche Niveau wie bei den gymnasialen Fachleiterinnen
und Fachleitern angehoben werden. Das Stundendeputat für Lehrkräfte an Realschulen muss wieder abgesenkt werden.
Außerdem müssen alle Lehrkräfte entsprechend der Laufbahngruppe 2.2 besoldet werden.«
HORST JOOSTEN, Spitzenkandidat Bezirkspersonalrat Realschulen, Düsseldorf
»Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen, die zunehmend an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stoßen,
unterstützen und ihnen zu ihrem Recht auf gesunderhaltende Arbeitsbedingungen verhelfen.«
Ihre gewählten Personalräte
HPR Realschulen: Sven Christoffer, Sarah Wanders, Ingo Lürbke, Olaf Korte, Astrid Pradella HPR Gesamt-/Sekundarschulen: Ellen Bollig BPR Realschulen, Arnsberg: Ulrich
Gräler, Claudia Genius, Klaus Heppe, Jürgen Kuntzig, Hardi Gruner, Barbara Buch BPR Gesamt-/Sekundarschulen, Arnsberg: Dirk Meyer BPR Realschulen, Detmold: Astrid
Pradella, Elena Schulz, Simone Linnemöller BPR Gesamt-/Sekundarschulen, Detmold: Gisela Goldstein BPR Realschulen, Düsseldorf: Horst Joosten, Petra Wiora-Köster,
Peter Botschen, Veronika Lüpertz, Ulrike Steuwe, Anke Augustin, Dietlinde Fricke BPR Gesamt-/Sekundarschulen, Düsseldorf: Andreas Kucharski BPR Realschulen, Köln:
Thorsten Schmalt, Michael Freise, Ulrike Thomas, Tanja Heinrichs, Frank Schulte, Martin Dittrich BPR Gesamt-/Sekundarschulen, Köln: Tom Schipper, Christoph Fahle BPR
Realschulen, Münster: Dr. Gerhard Peters, Marianne Posur, Ingo Lürbke, Volker Gerdesmann, Martin Demming BPR Gesamt-/Sekundarschulen, Münster: Nadja Nassowitz
lehrer nrw ·
6/2020
10
JUNGE LEHRER
von SARAH WANDERS
Verbesserungen für
Realschulen erreicht
Einstellungen von Lehrkräften mit dem Lehramt Gymnasien
und Gesamtschulen in der Sekundarstufe I könnten den
Lehrermangel in Realschulen lindern.
L
L
ehrkräfte mit der Lehramtsbefähigung
für das Lehramt an Gymnasien und Ge-
samtschulen können sich seit 2018 auf
Sekundarstufe I-Stellen bewerben, die eine
Laufbahnwechselgarantie enthalten. Nach
dem Einsatz an einer Schule aus dem Sekun-
darbereich I wird der Laufbahnwechsel nach
vier Jahren zugesichert. Bisher konnten diese
Stellenausschreibungen an Realschulen nur
für die Fächer Mathematik, Physik, Informa-
tik, Technik, Kunst, Musik, Englisch und Fran-
zösisch in Kombination mit einem weiteren
beliebigen Unterrichtsfach erfolgen.
Kaum Einstellungen
generiert
Da der Bedarf an vielen dieser Fächer auch
an Gymnasien und Gesamtschulen sehr hoch
ist, konnten an Realschulen durch diese
Maßnahme leider kaum Einstellungen gene-
riert werden, zumal ein weiterer Nachteil für
die Schulform Realschule darin bestand –
und bis heute besteht –, dass Kolleginnen
und Kollegen, die sich auf eine solche Stelle
bewerben, auf jeden Fall nach vier Jahren
die Schule wechseln müssen, wenn sie eine
A 13Z-/E 13-Stelle haben möchten. An Ge-
samtschulen zum Beispiel kann ein Lauf-
bahnwechsel schulintern erfolgen. Letzte-
res Problem kann nur durch eine Besol-
dungsreform behoben werden. Diese for-
dert unser Verband schon seit Jahren!
Initiative des
HPR Realschulen
Um zumindest das erstgenannte Problem
zu beheben, hat sich deshalb der Haupt-
personalrat für Lehrerinnen und Lehrer an
Realschulen – hier ganz besonders der
Vorsitzende Sven Christoffer – in einer ge-
meinschaftlichen Besprechung mit Schul-
ministerin Gebauer dafür eingesetzt, dass
der Erlass zur Einstellung von Lehrkräften
mit der Lehramtsbefähigung für das Lehr-
amt an Gymnasien und Gesamtschulen an
Schulen der Sekundarstufe I geändert
MINISTERIELLE KLARSTELLUNG
Als Reaktion auf den Artikel ’Maskenpflicht im Hauruck-Verfahren’ in der letzten Ausga-
be von
lehrer nrw
erreichte uns folgende Reaktion aus dem Büro von Schulministerin
Yvonne Gebauer:
»Frau Ministerin Gebauer hat Ihren Beitrag ‘Maskenpflicht im Hauruck-Verfahren‘ in
der aktuellen Ausgabe von
lehrer nrw
gelesen. Sie hat mich daraufhin gebeten, Ihnen
zum Punkt Ablehnung von Gesichtsvisieren‘ eine kurze Klarstellung zu übermitteln:
Nicht das Ministerium für Schule und Bildung hat das Tragen von Gesichtsvisieren verbo-
ten; die Nicht-Erlaubnis ging vom Robert-Koch-Institut sowie vom Ministerium für Arbeit
und Gesundheit aus
Schritt in die richtige Richtung:
Eine Änderung des Erlasses zur Einstellung von Lehrkräften
mit der Lehramtsbefähigung für das Lehramt an Gymnasien
und Gesamtschulen an Schulen der Sekundarstufe I bietet
den Realschulen bessere Perspektiven.
Foto: AdobeStock/stockpics
JUNGE LEHRER
Sarah Wanders ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft
junge
lehrer nrw
E-Mail: wanders@lehrernrw.de
wird: Stellenausschreibungen sollen jetzt
auch für das Fach Deutsch (ausgenommen
in Kombination mit den Fächern Grie-
chisch, Italienisch, Russisch, Spanisch und
Philosophie) erfolgen können. Da Deutsch
kein Mangelfach an Gymnasien ist und
sogar ein erheblicher Überhang an Sekun-
darstufe II-Lehrkräften mit der Fakultas
Deutsch besteht, ist davon auszugehen,
dass durch diese Änderung mehr Einstel-
lungen an der Schulform Realschule erfol-
gen werden.
Grundsätzlich gilt eine Laufbahnwech-
selgarantie nach vier Jahren. Abweichend
davon soll für Dauerbeschäftigungsver-
hältnisse mit dem Fach Deutsch eine Ver-
setzung zum Schuljahr 2026/2027 zugesi-
chert werden. Ein dauerhafter Verbleib an
Realschulen auf freiwilliger Basis ist für
alle Kolleginnen und Kollegen mit der Lehr-
amtsbefähigung für das Lehramt an Gym-
nasien und Gesamtschulen möglich.
Problem der ungerechten
Besoldung bleibt
Viele Schulen würden sich einen Verbleib
dieser Kolleginnen und Kollegen an ihrer
Schule auch wünschen, haben sich diese
doch über Jahre eingearbeitet und sind
ein Teil der Schulgemeinde geworden.
Des Weiteren macht es Sinn, wenn man
die kontinuierliche pädagogische Arbeit
an Schule einmal in den Fokus nimmt.
Dies bedeutet allerdings, dass diese Lehr-
kräfte weiterhin ’nur’ A 12/E 11 beziehen
und freiwillig auf eine bessere Besoldung
und Vergütung verzichten müssen. Auch
wenn ich mich wiederhole: Erhielten alle
Lehrkräfte das gleiche Eingangsgehalt für
ihre Arbeit, gäbe es dieses Problem gar
nicht.
Da der Lehrkräftemangel ein schulform-
übergreifendes Problem ist, sollten Maß-
nahmen zu dessen Behebung auch für alle
Schulformen gleichermaßen zugänglich
sein. Hier wurde nun ein erster Schritt in
die richtige Richtung gemacht. Wir hoffen
auf weitere.
lehrer nrw ·
6/2020
12
TITEL
Polizeilaufbahn
für Realschüler
Realschüler bekommen nun die Möglichkeit, in einem zweijähri-
gen Berufsfachschulgang die Qualifikation für das Bachelor-
Studium bei der Polizei NRW zu erwerben. Damit erfüllt die nord-
rhein-westfälische Landesregierung eine langjährige Forderung
von
lehrer nrw
. Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deut-
schen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Nordrhein-Westfalen,
erklärt im Interview, welche Perspektiven sich hier auftun.
?
?
lehrer nrw:
Mit einem mittleren
Bildungsabschluss eine Polizei-
ausbildung zu beginnen, das war
in den letzten zwanzig Jahren in Nord-
rhein-Westfalen nicht auf direktem
Wege möglich. Nun eröffnet sich über
die Zwischenstation Berufskolleg mit
dem Bildungsgang ’Fachoberschule für
Polizei’ eine neue Perspektive. Wie be-
werten Sie das?
Rettinghaus:
Bereits vor der Einführung ei-
nes Studienganges ’Polizeidienst und öffent-
liche Verwaltung’ in Rheinland-Pfalz im Jahr
2008 setzten wir uns als DPolG NRW dafür
ein, den Polizeiberuf auch Bewerberinnen
und Bewerbern mit mittleren Bildungsab-
schlüssen zu ermöglichen. Wir betrachten
das als ein probates Mittel, um der demo-
grafischen Entwicklung entgegenzuwirken,
den Kreis der Bewerber insgesamt zu ver-
größern, so eine bessere Auswahl – ohne
Senkung der Standards – unter den qualifi-
zierten Bewerbern zu erzielen und so im
Wettbewerb um die besten Bewerberinnen
und Bewerber erfolgreich zu bestehen.
Dazu regten wir bereits mehrfach ein
Pilotprojekt an, um diesen Studiengang in
Nordrhein-Westfalen zu erproben. Nun end-
lich setzte das die Regierung aus CDU und
FDP mit unserer Bildungsministerin, Yvonne
Gebauer, getreu des Koalitionsvertrages um.
Wer sich so zwei Jahre lang gezielt auf
das Bachelor-Studium bei der Polizei NRW
vorbereitet und Praktika absolviert, wird
hochmotiviert und gut vorbereitet das Studi-
um beginnen und absolvieren. Durch das
zweijährige Studium – mit Erwerb der Fach-
hochschulreife – hat sich dann auch das Le-
bensalter dem der Bewerber mit direktem
Abitur angeglichen.
Außerdem bietet das Modell eines neuen
Studienganges mit mittlerem Bildungsab-
schluss auch die Möglichkeit, den Bewerber-
kreis der Migrantinnen und Migranten, wel-
che in Deutschland einen hohen und stei-
genden Bevölkerungsanteil ausmachen, zu
Die Polizei bietet jungen Menschen viele spannende Tätigkeitsfelder.
Sie werden künftig auch wieder Realschul-Absolventen offen stehen.
Foto: 2020, IM NRW
TITEL
13
6/2020 ·
lehrer nrw
erweitern. Die Polizei ist ein Spiegel der Ge-
sellschaft und möchte das Potenzial dieser
Bürgerinnen und Bürger im Interesse der
öffentlichen Sicherheit nutzen. Sprachkennt-
nisse, und insbesondere das interkulturelle
Wissen der hier lebenden Menschen mit Mi-
grationshintergrund, sind für die Polizei von
hohem Stellenwert. Um den Bedürfnissen
unserer vielfältigen Gesellschaft besser ge-
recht werden zu können, ist es von großem
Interesse, Migrantinnen und Migranten für
den Polizeiberuf zu interessieren und zu ge-
winnen.
?
?
Welche Wege stehen Absolventen
des künftigen Bildungsgangs
’Fachoberschule für Polizei’ offen?
Rettinghaus:
Nach Erwerb der Fachhoch-
schulreife beginnen die Absolventinnen und
Absolventen mit dem Bachelor-Studium an
einem der Standorte der Hochschule für Po-
lizei und Verwaltung in Nordrhein-Westfa-
len. Das Studium endet mit dem Abschluss
’Bachelor of Arts’. Sie haben dann bereits
mehr Einblick in den Polizeiberuf erhalten
und sind mit Studienbeginn anderen Berufs-
einsteigern gleichgestellt. Nach dem Studi-
um stehen allen identische Verwendungs-
möglichkeiten – nach Eignung und Befähi-
gung – zu. Um sich zu entscheiden, durchle-
ben die Studierenden in Theorie und Prakti-
ka nahezu alle polizeilichen Bereiche. Auch
eine absolute Spezialisierung hinsichtlich
Technik und IT bei unserem Landesamt für
zentrale polizeitechnische Dienste ist eben-
so möglich wie die Zugehörigkeit zu einem
Spezialeinsatzkommando oder für wenige
gar die Ausbildung zum Hubschrauberpilo-
ten. Wir verfügen über Reiterstaffeln,
Diensthunde, achtzehn Einsatzhundertschaf-
ten Bereitschaftspolizei, eine landesweite
Wasserschutzpolizei, Drohnen etc. – da ist
für jeden eine adäquate Verwendung mit
hoher Motivation möglich.
Ein Aufstieg in den höheren Polizeidienst
mit einem Studium an der Deutschen Hoch-
schule der Polizei in Münster-Hiltrup ist
auch eine Option. Allen steht alles offen –
jeder entscheidet für sich, das Spektrum bei
uns ist groß.
?
?
Die Bewerberzahlen für den Poli-
zeidienst sind zuletzt gestiegen:
2014 haben rund 1.500 Polizei-
schülerinnen und -schüler ihre Ausbil-
dung begonnen, 2019 waren es schon
knapp 2.500. Warum braucht die Polizei
Nachwuchs mit mittlerem Bildungsab-
schluss?
Rettinghaus:
Im Kampf um die besten
Köpfe müssen wir uns alle potenziellen Be-
werber sichern und unseren Beruf möglichst
attraktiv für alle Bildungsabschlüsse gestal-
ten sowie die Zugänge so schaffen, dass im
Ergebnis alle auf einem Level mit einheitli-
chen Standards abschließen. Entscheidend
ist für mich: Wer sich so zwei Jahre lang ge-
zielt auf das Bachelor Studium bei der Poli-
zei NRW vorbereitet und Praktika absolviert,
wird hochmotiviert und gut vorbereitet das
Studium beginnen und absolvieren. Früher
hat sich die Polizei fast ausschließlich aus
Bewerbern mit Realschulabschluss gene-
riert. Die Schülerzahlen an den verschiede-
nen Schulformen haben sich heute verän-
dert, wir reagieren somit auf die geänderten
Abschlüsse und sichern uns die Besten aus
allen Schulformen und Bildungsabschlüssen.
Dieses Jahr stellen wir insgesamt 2.660
Studentinnen und Studenten ein, diese wer-
den nach Verabschiedung des Haushalts
2021 nochmals um 100 weitere Studierende
verstärkt, die bis dato in einem Gasthörer-
status am Studium teilhaben und, sobald
der Haushalt Gesetz ist, sofort eingestellt
werden. Das ist seit Jahrzehnten die höchste
Einstellungszahl in einem Jahrgang. In der
Praxis und in den Praktika stellt uns das vor
große Herausforderungen, welche wir meis-
tern werden.
?
?
Was würden Sie beispielsweise
einem Realschüler oder einer
Realschülerin raten, die sich eine
berufliche Zukunft bei der Polizei vor-
stellen können?
Rettinghaus:
Jedem Bewerber, so auch den
Realschülern, kann ich nur empfehlen, sich
bestmöglich über die Herausforderungen
und Anforderungen an den Beruf der Poli-
zeibeamtin/des Polizeibeamten zu informie-
ren. Das Studium ist ein langer Weg mit
>
lehrer nrw ·
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14
TITEL
Von der Realschule über das Berufskolleg zur Polizei
D
ie schwarz-gelbe Landesregierung will Realschülern den Weg
zur Polizei wieder öffnen. Sie bereitet einen Bildungsgang
’Fachoberschule für Polizei’ an Berufskollegs in Nordrhein-West-
falen vor. Details zu den Inhalten und möglichen Standorten wer-
den noch erarbeitet. Durch den zweijährigen Bildungsgang sollen
die Teilnehmer nicht nur das Fachabitur, sondern auch Fertigkei-
ten und Kenntnisse für den Polizeivollzugsdienst erwerben. Real-
schüler können sich damit die Basis für ein anschließendes Studi-
um an der Hochschule für Polizei und Verwaltung erarbeiten.
»Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Berufskollegs über
die notwendige Erfahrung verfügen, um die jungen Menschen
gut auf ihre wichtigen Aufgaben im Polizeidienst vorzubereiten«,
sagte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) gegenüber der
WAZ. Sie verwies darauf, dass die FDP schon im letzten Land-
tagswahlkampf mit der Forderung angetreten sei, qualifizierten
Bewerbern mit mittlerem Schulabschluss wieder einen Zugang
zum Polizeidienst zu eröffnen. Der mittlere Dienst bei der NRW-
Polizei war vor knapp zwanzig Jahren abgeschafft worden. Seit-
her konnten nur noch Bewerber mit Fachhochschulstudium oder
abgeschlossener Berufsausbildung das dreijährige duale Bache-
lor-Studium zum Kommissar im gehobenen bzw. höheren Dienst
aufnehmen.
Marc Lürbke, innenpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfrakti-
on, betont: »Polizeibeamte sind vor allem Bürger in Uniform. Daher
ist es uns ein zentrales Anliegen, möglichst vielen motivierten jun-
gen Menschen den Weg in den Polizeidienst zu eröffnen. Denn wa-
rum sollte ein motivierter Realschüler nicht ein guter Polizist wer-
den? Der Rechtsstaat lebt doch von Menschen, die sich aktiv für
ihn stark machen wollen – wir wollen dieses Engagement ermögli-
chen, statt es zu verhindern.«
vielen Prüfungen und Hürden. Aber auch
sich den physischen und psychischen Belas-
tungen des Berufes sicher zu sein. Wir müs-
sen oftmals alles abdecken; wir sind Sozial-
arbeiter, müssen aber auch hart durchgrei-
fen, Verständnis haben, vermitteln, auch
Zwang mit allen Mitteln – bis hin zu kör-
perlicher Gewalt mit Schusswaffen – an-
wenden. Dabei zählen weder unsere Ein-
stellung/Meinung noch persönliche politi-
sche Ansichten. Die Polizei ist immer neu-
tral und handelt stets nach Recht und Ge-
setz – orientierend an unserem Grund-
gesetz und der freiheitlich demokratischen
Grundordnung. Nebenbei meistern wir
unser Privatleben mit allen Höhen, Tiefen,
Freuden und Belastungen.
?
?
Welche Fähigkeiten, Stärken
und Interessen sollte ein junger
Mensch mitbringen, der zur Poli-
zei möchte?
Rettinghaus:
Er sollte sich all den Anfor-
derungen, welche auf ihn zukommen wer-
den, bewusst sein und sich mit dem Berufs-
bild realistisch beschäftigt haben. Wichtig
sind eine starke Psyche und körperliche Fit-
ness. Die Anforderungen bei der polizeiärzt-
lichen Untersuchung sind hoch. Körpergrö-
ße, Sehstärke etc. sind wichtige Faktoren.
Aber auch Körperschmuck und Tätowierun-
gen sind ein nicht zu vernachlässigendes
Thema. Sich vorher informieren und wissen,
was auf einen zukommt, ist hier die Formel.
Empfehlen kann ich dazu unser Bewerber-
portal
(www.genau-mein-fall.de/index.
html)
, welches sicherlich auch noch bald für
unsere neuen Kolleginnen und Kollegen, die
Realschüler, aktualisiert sein wird. Bis dahin
findet man aber schon reichlich Infos über
die Anforderungen und derzeitigen Voraus-
setzungen.
Ich hoffe auf viele Bewerber mit Real-
schulabschluss und würde mich natürlich
ebenso über viele neue Mitglieder freuen,
die zur DPolG NRW kommen. Wir waren und
sind die, die gegen viele Widerstände das
jetzt Erreichte in die Politik getragen haben
und wünschen nun allen Realschülerinnen
und Realschülern viel Erfolg bei Ihrer Bewer-
bung und für das Studium mit der DPolG
NRW im Deutschen Beamtenbund DBB
NRW an ihrer Seite. Wir werden frühzeitig
für die Realschüler eine Mitgliedschaft mit
unseren vielfältigen, umfangreichen Leistun-
gen anbieten.
Interview: Jochen Smets
Foto: DPolG NRW/Fiegel
»Ich hoffe auf viele Bewerber mit Realschulabschluss«.
Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft NRW
Digitalisierung mit
Verstand und Verantwortung
Zum Primat von Datensicherheit, Pädagogik und Didaktik
Schule heute:
Digitalisierung ist
Mittel, aber nicht
Zweck des Unter-
richts.
15
6/2020 · lehrer nrw
von JOCHEN KRAUTZ & RALF LANKAU
Rückkehr zur Vernunft
Die Corona-Krise befeuert die Debatte um die Digi-
talisierung von Schule und Unterricht bis zur Hyste-
rie. Wer zum Innehalten und Nachdenken anregt,
gerät schnell als Digitalfeind und Modernisierungs-
verweigerer in Verdacht. Und überhaupt habe die
Corona-Krise doch gezeigt, dass jetzt ganz schnell
die ’digitale Transformation der Schule’ hermüsse.
Zunächst: Auch eine Krisensituation rechtfertigt
nicht das Aussetzen von pädagogischer Vernunft
und Verantwortung. Dann: Worum geht es bei dem
Thema ’Digitalisierung’ im Rahmen von Bildung und
Erziehung berechtigterweise – und worum nicht?
Worum es nicht geht: Keine ’digitale
Transformation’ der Schule
Das Ausstatten von Schulen mit Internet, Netzwerken,
digitalen Geräten und Programmen ist für den Unter-
richt von ähnlicher Relevanz wie die Neuanschaf-
fung eines Fotokopierers, die Einrichtung eines Che-
mieraums oder die Renovierung der Schultoiletten.
All das unterstützt einfacheres und fachlich besseres
Arbeiten in einer angenehmen Umgebung. Zwin-
gend für guten Unterricht ist es aber nicht. Aber:
Foto: AdobeStock/Gorodenkoff
Aus Geräten, Programmen und Netzwerken entsteht nicht
’digitale Bildung’. Die gibt es grundsätzlich nicht: »Bildung
kommt weder mit dem Möbelwagen, noch wird sie im
Klassenzimmer an die Wand geschraubt. Die gesamte
Digitalisierungsdebatte übersieht den wichtigsten Punkt:
Geräte garantieren kein Verständnis und kein Wissen, so
wenig wie die Anschaffung von Instrumenten den Musik-
unterricht ersetzt.«
1
Bilden können sich nur Personen an Gegenständen
der Kultur in der Vermittlung durch andere Menschen.
Das nennt man gemeinhin Unterricht. ’Digitale Bildung’
ist daher ein Marketingbegriff: Er knüpft unbegründet
und meist unverstanden das Neue (’digital’) an positiv
konnotiertes Altes (’Bildung’) an, um das Herausdrängen
von Geist, Leib und Personen aus dem Bildungsprozess
zu kaschieren. ’Digitales Lernen’ ist daher eine Schrumpf-
form des bildenden Anspruchs der Schule: Es reduziert
sich notwendigerweise auf Informationssuche und -ent-
nahme aus digitalen Geräten und Netzen sowie auf de-
ren Aufnahme und Wiedereingabe in Präsentationen
zwecks Nachweis von ’Kompetenz’. Bildendes Lernen will
dagegen eine verstehende und sinnstiftende Beziehung
zu den Fachgegenständen aufbauen, die damit Urteils-
fähigkeit ermöglicht. Auch das ist nur im interpersona-
len Dialog möglich.
Faktisch führt die Praxis digital gestützten Unterrichts
zu verstärkter Isolierung der Schülerinnen und Schüler
an ihren digitalen Endgeräten. Solche Selbstständigkeit
als ’Selbststeuerung’ missverstehende Konzepte werden
schon länger gerade als Lösung für die zunehmende
Heterogenität propagiert. Nun zeigt sich, wozu sie die-
nen: zur algorithmisch geregelten Anleitung und Kon-
trolle von Lernprozessen.
In den Phantasien mancher Digitalisierungsbefürwor-
ter ersetzen die Lernprogramme die Lehrperson. Instruk-
tion, Lernleistungskontrolle und Feedback werden an
Software übergeben (’Learning Analytics’). Damit wer-
den Schülerinnen und Schüler ebenso wie Lehrerinnen
und Lehrer einer sie steuernden technischen Überwa-
chung unterworfen, die freiheitswidrig ist. Doch während
bei Klassenfahrten und Schulfesten aufgrund der
DSGVO kaum mehr ein Foto für den Jahresrückblick
der Schule gemacht werden darf, gehen beim digitalen
Datenschutz alle berechtigten Einwände vergessen.
So entwickelt sich die Digitalisierung der Schulen zu-
nehmend zu einem versteckten Methodenzwang. Ohne
offene und kritische Debatte wird die geforderte ’digitale
Transformation’ der Schule zu einer unpädagogischen
und undemokratischen Anmaßung.
16
6/2020 · lehrer nrw
Prof. Dr. Jochen
Krautz lehrt
Kunstpädago-
gik an der Ber-
gischen Univer-
sität Wuppertal und ist
Präsident der ’Gesell-
schaft für Bildung und
Wissen
Prof. Dr. Ralf
Lankau lehrt Me-
diengestaltung
an der Hochschu-
le Offenburg, ist
Vorstandsmitglied der ’Gesell-
schaft für Bildung und Wissen’
und Mitgründer des ’Bündnis
für Humane Bildung’
Worum es geht: Datenschutz und
IT-Sicherheit, Pädagogik und Didaktik
1. Datenschutz und IT-Sicherheit
Als erstes muss man beim Datenschutz die Diskussion
gerade rücken. Die im Mai 2016 europaweit beschlosse-
ne und im Mai 2018 in Kraft getretene Europäische Da-
tenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) schützt keine
Daten – das wäre eine technische Aufgabe – sondern
Grundrechte! Dazu gehören das informationelle Selbst-
bestimmungsrecht, das Recht auf Einsicht und eine
Löschoption für personenbezogene Daten und letztlich
das Recht auf Privatsphäre.
Die DSGVO schützt alle Bürgerinnen und Bürger vor der
Datensammelwut der IT-Monopole. Bevor irgendjemand
personenbezogene Daten speichern darf, muss er die
entsprechenden Personen um Erlaubnis fragen. Bei Min-
derjährigen unter sechzehn Jahren müssen die Eltern zu-
stimmen, wenn personenbezogene Daten gesammelt
und ausgewertet werden sollen. Damit holt Europa mit
der DSGVO nach, was in den USA mit COPPA
2
seit 1998
gilt: der besondere Schutz von Daten Minderjähriger.
Darüber hinaus sollten Schulträger, Schulleitungen
und Lehrkräfte dafür eintreten, dass keine Schülerdaten
von US-Unternehmen gesammelt und ausgewertet wer-
den können. Diese Diskussion wird bundesweit geführt.
Dazu gibt es eine breite Allianz aus Datenschutzbeauf-
tragten der Länder
3
, Eltern- und Lehrerverbänden
4
, dem
Chaos Computer Club
5
bis hin zum Hasso-Plattner-Insti-
tut.
6
Das hat die hpi-Schulcloud mitentwickelt, und des-
sen Leiter Christoph Meinel schreibt, Deutschland gebe
seine Souveränität am Router ab:
»Niemand, der amerikanische und chinesische Dienste
nutzt, kann sicher sein, dass die bei einem Dienst abgeleg-
ten Daten im Sinne der eigenen Gesetze und Interessen
verwaltet werden. Selbst wenn Corona-bedingt Meetings
mit Kollegen im eigenen Haus durchgeführt werden, wan-
dern die Daten um den Globus. Wenn ausländische Diens-
te ein Interesse an den besprochenen Inhalten haben und
sich diese ansehen, bekommen das die Teilnehmer nicht
mit. Und sie können dies nicht verhindern.«
7
DIE AUTOREN
Fußnoten befinden sich auf Seite 18
Das gilt in gleichem Maße für Unterricht. Daher ist
es Aufgabe der Schulträger, Schulleitungen und
Lehrkräfte, im ersten Schritt zu klären, was denn ge-
nau gelernt werden soll an, über und mit digitalen
Medien und Geräten. Im zweiten Schritt lässt sich
dafür eine DSGVO-konforme Infrastruktur aus Hard-
und Software in Kooperation mit deutschen Dienst-
leistern aufbauen, mit der man alles vermitteln
kann, was Bildungspläne vorsehen.
2. Pädagogik und Didaktik
Klar ist: Die Digitalisierung hat epochale gesellschaft-
liche, kulturelle und ökonomische Bedeutung und Fol-
gen. Was hat das Phänomen der Digitalisierung also
für die Aufgaben der Schule – Unterricht und Erzie-
hung – zu bedeuten?
2.1 Digitalisierung als Gegenstand von Unterricht:
Digitalisierung verstehen, beurteilen und gestalten
Dazu ist an eine Grundunterscheidung zu erinnern:
8
Etwas kann Thema von Unterricht sein. Solche Themen
werden in der Schule in jeweiliger Fachperspektive
behandelt. Das, was fachlich Thema von Unterricht
wird, nennt man einen Gegenstand von Unterricht.
Demnach kann und muss auch das Phänomen der
Digitalisierung selbst Gegenstand von Unterricht wer-
den: Seine Bedeutung für das Verstehen unserer Welt
ist unleugbar. Digitalisierung ist hier also Bildungsge-
genstand. Dabei ist das Ziel, Digitalisierung verstehen,
beurteilen und gestalten zu können: Wie funktioniert
Digitalisierung? Wie das Internet? Was sind Algorith-
men? Inwiefern bilden diese auf eigene Weise Welt ab
oder konstruieren sie neu? Welches Weltverhältnis er-
wächst für uns daraus? Was bedeutet es, wenn die
Welt programmierbar und steuerbar wird?
Das geschieht unter den jeweiligen Fachperspek-
tiven: Es gilt zu verstehen, welche Rolle Digitaltech-
nik bei der Erfassung der Welt spielt (Erdkunde), wie
digitale Bilder konstruiert sind und Kommunikation
prägen (Kunst), welche Auswirkungen digitale Pro-
duktion und Verfügbarkeit von Musik auf das Hör-
verhalten hat (Musik), was der Taschenrechner ei-
gentlich macht, wenn er mir die Funktion ausspuckt
(Mathematik), was digitale Steuerungsphantasien
für den Menschen bedeuten (Religion, Philosophie),
ob Übersetzungsmaschinen die Fremdsprachen-
kenntnis ersetzen können (Englisch, Französisch,
Latein), ob ’human enhancement’ noch zur Lebens-
form Mensch gehört (Biologie) usw.
All diese Grundfragen benötigen keine digitalen
Endgeräte, wie gerade die Informatikdidaktik für
die Grundschule oder didaktische Ansätze zum Ver-
stehen von Algorithmen und künstlicher Intelligenz
zeigen.
Ob es darüber hinaus ein eigenes Fach Informa-
tik braucht, ist zu diskutieren. In jedem Fall kann
dieses nicht allein funktional (’Digitalkompetenz’)
begründet werden, sondern muss seinen Beitrag zu
allgemeiner Bildung nachweisen – was Informatik-
didaktiker auch weitaus gründlicher tun, als die
veröffentlichte Debatte wahrnimmt.
2.2 Digitalisierung als Medium: Digitale Geräte
und Anwendungen im Fachunterricht
Im Unterricht werden zudem immer schon verschie-
dene Medien eingesetzt. Medien sind auf zwei Wei-
sen Mittler zwischen dem Unterrichtsgegenstand und
den Schülerinnen und Schülern: Medien repräsentie-
ren den Gegenstand des Unterrichts, der in der Schule
selbst nicht anwesend sein kann (Landkarten die To-
pografie, Bilder historische Ereignisse, Bücher die Ge-
danken von Autoren) oder für direkte Wahrnehmung
prinzipiell unzugänglich ist (Atommodell, Gense-
quenzen, anatomisches Modell etc.). Medien dienen
zudem der Vermittlung, um etwas für alle anschau-
lich oder hörbar zu machen (Overheadprojektor, Tafel,
CD-Player). Diese Darstellungs- und Mitteilungsfunk-
tionen können inzwischen fast vollständig von digita-
len Medien übernommen werden (Open Street Maps,
Beamer, E-Books, Smartboards, 3D-Animation usw.).
Ob das sinnvoll und notwendig ist, ist jeweils eine
pädagogische und didaktische Entscheidung.
Es muss also jeweils fachdidaktisch begründet ent-
schieden werden, wann und wozu welche digitalen
Medien für bildenden Unterricht sinnvoll sind – und
wann eben auch nicht! Zu fragen ist etwa: Erweitern
digitale Medien die Lehr- und Lernmöglichkeiten?
Eröffnen sie neue Zugänge und Perspektiven auf die
Sache? Erleichtern sie die Verfügbarkeit von fachli-
chen Zugängen? Welches Verhältnis zur Sache ver-
mitteln sie? Entgegen einem sich ausbreitenden
Trend geht es also gerade nicht darum, von den di-
gitalen Geräten und Programmen aus zu fragen,
was man damit wohl ’Spannendes’ machen könnte,
um den Unterricht in Richtung der Geräte zu biegen,
damit der und man selbst als ’zeitgemäß’ erscheint.
Und: Diese (fach-)didaktischen Fragen und Ent-
scheidungen stehen auch außerhalb bildungspoliti-
scher oder schulaufsichtlicher Verfügungsgewalt.
Sie fallen unter die Methodenfreiheit der Lehrerin-
nen und Lehrer. Digitale Medien im Unterricht ein-
zusetzen kann weder per sanfter noch harter Steue-
rung verordnet werden.
17
6/2020 · lehrer nrw
18
6/2020 · lehrer nrw
2.3 Digitalisierung als Erziehungsaufgabe:
Medienpädagogik
Schließlich hat die Schule fachübergreifende Erziehungs-
aufgaben. Hierzu zählt inzwischen zweifellos auch der Um-
gang mit digitalen Medien im alltäglichen Leben der Schü-
lerinnen und Schüler innerhalb und außerhalb der Schule.
Hier wird nun ebenso lautstark gefordert, Schule solle die
negativen Folgen der Digitalisierung auffangen: Sie solle
über Social Media und Suchmaschinen, über den Umgang
mit Messengern und Smartphones, über Cybermobbing
und Computerspiele ’aufklären’ und junge Menschen ’me-
dienkompetent’ machen. Das sind medienpädagogische
Aufgaben: Sie reichen von der Thematisierung im Fachun-
terricht über die Regelungen zur Smartphone-Nutzung im
Schulgebäude bis zur Schlägerei auf dem Schulhof auf-
grund einer Chat-Eintrags – und bis weit darüber hinaus,
weil sich reale und digitale Lebenswelt der Schülerinnen
und Schüler kaum mehr unterscheidbar durchmischen.
Aber: Der mündige und verantwortliche Medienum-
gang ist zunächst einmal Erziehungsaufgabe der Eltern.
9
Dann sind staatliche Regelungen für Medienanbieter
und für den Zugang von Kindern und Jugendlichen zu
digitalen Angeboten nötig.
10
Und erst dann kann Schule
einen medienpädagogischen Beitrag im Rahmen ihrer
begrenzten Möglichkeiten leisten.
Hierzu ist Aufklärung als kognitive Einsicht und innere
Distanzierung zwar ein erster Schritt. Doch braucht es eine
entwicklungsorientierte pädagogische Gesamtkonzeption
für den Einsatz von und Umgang mit analogen und digita-
len Medien. Deren Motto könnte lauten: »Zuerst real, dann
analog, zuletzt digital.« Eine solche indirekte Medienpäda-
gogik bildet also zunächst »die humanen Fähigkeiten, die
der mündige Umgang mit Techniken voraussetzt«
11
Insofern kann Schule sehr wohl bestimmte erziehungs-
wirksame medienpädagogische Rahmungen setzen, z.B.:
keine Smartphones in der Schule;
Mediennutzung nur unterrichtsbezogen und nur
mit schuleigenen Geräten;
Aufklärung von Eltern über Medienwirkungen;
Beratung von Eltern im Sinne der Kontrolle von
Medienzeit und Medienabstinenz;
alternative reale Weltzugänge und soziale Sinnange-
bote: vom Schulgarten über soziales Engagement im
Altenheim bis zu Werken, Musizieren und Schulchor;
pädagogisches Prinzip: reale Welt vor digitaler, soziale
Gemeinschaft vor digitaler Vereinzelung.
Zurück zu Vernunft und Verantwortung
Gerade weil das Problem der Digitalisierung also kom-
plex und bedeutend ist, plädieren wir dringend für eine
Rückkehr zu Vernunft und Verantwortung in dieser De-
batte: Schule muss Digitalisierung unabhängig von Kon-
zerninteressen und pädagogisch und didaktisch be-
gründet gestalten. Dazu sind seitens der Politik einerseits
Mittel und unabhängige IT-Expertise zur Verfügung zu
stellen. Andererseits muss den Schulen die Ruhe und der
Raum eingeräumt werden, die Fragen gründlich zu dis-
kutieren. Hierbei können die vorstehenden systemati-
schen Überlegungen, die in den beiden Flugschriften
der Gesellschaft für Bildung und Wissen (s. Kasten) ge-
nauer ausgeführt sind, helfen.
1 Lautebach, Urs (2018): Informatik für alle. In: Die Zeit online,
https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2018-02/digitalisierung-
informatikunterricht-schulen-bildung.
2 Children’s Online Privacy Protection Act of 1998 (COPPA):
https://www.ftc.gov/enforcement/rules/rulemaking-regulatory-reform-
proceedings/childrens-online-privacy-protection-rule
3 https://www.heise.de/news/Datenschuetzer-uneinig-ueber-Microsoft-Office-
365-4919086.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
4 http://www.aufwach-s-en.de/2020/09/keine-schuelerdaten-fuer-us-
unternehmen/
5 https://www.cccs.de/2020-08-17-bildungsplattform/
6 https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/digitec/deutschland-gibt-seine-
souveraenitaet-am-router-ab-16985236.html
7 Meinel, Christoph (2020): Deutschland gibt seine Souveränität am Router ab,
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. Oktober 2020, Nr. 231, S. 21
8 vgl. Heinen, Ulrich (2018): Digitalisierung als Gegenstand und Mittel in Schule
und Lehrerbildung. Vortrag am 1. Symposium zur Digitalisierung und
Mediendidaktik in der Lehrerbildung, Bergische Universität Wuppertal,
https://www.digitalisierung.education/digitalisierung-als-gegenstand-und-
mittel-in-schule-und-lehrerbildung; Burchardt, Matthias (2017): Digitalisierung
in der beruflichen Bildung. In: bbw – Beruflicher Bildungsweg, H.5, S. 4-7.
9 vgl. als Handreichung hierzu Bleckmann, Paula/Leipner, Ingo (2018): Heute
mal bildschirmfrei. Das Alternativprogramm für ein entspanntes Familien-
leben. München.
10 siehe dazu die Diskussion über den Referentenentwurf für das neue Ju-
gendschutzgesetz und die ablehnenden Einsprüche der IT-Verbände wie
BitKom https://www.bitkom.org/Bitkom/Publikationen/Stellungnahme-zwei-
tes-Gesetz-zur-Aenderung-des-Jugendschutzgesetzes und exemplarisch ge-
genläufig die Position der Kinderarztverbände: https://www.dakj.de/wp-
content/uploads/2020/03/2020_BVKJ_DAKJ_ DGKJ_DGSPJ_SN_%C3%84nde-
rungJuSchG_2802.pdf
11 Hübner, Edwin (2019): Medien und Schule. Neun Thesen zu einer entwicklungs-
orientierten Medienpädagogik. In: Wiehl, Angelika (Hrsg.): Studienbuch
Waldorfschulpädagogik. Bad Heilbrunn, S. 247- 262. Vgl. für ein entsprechend
ausgearbeitetes medienpädagogisches Konzept der Waldorfschulen:
https://www.waldorfschule.de/fileadmin/downloads/Blickpunkte_Reader/
Medienpaedagogik_2._Auflage_M%C3%A4rz_2020.
2 BROSCHÜREN ZUM THEMA
Die Corona-Krise und die damit verbundenen Schließungen
von Schulen und Hochschulen haben zu einer forcierten Dis-
kussion um die Digitalisierung von Bildung geführt. Vor die-
sem Hintergrund haben
Prof. Dr. Ralf Lankau und Prof. Dr.
Jochen Krautz zwei kurze Broschüren verfasst, die das The-
ma knapp und verständlich umreißen. Dabei bemühen sich
die Autoren um eine kritische Analyse ebenso wie um kon-
struktive Klärungen. Die beiden Flugschriften stehen unter
folgender Online-Adresse zum kostenlosen Download zur
Verfügung: https://bildung-wissen.eu/gbw-flugschriften
Die Broschüren können auch in gedruckter Form angefor-
dert werden. Interessenten können Bestellungen mit An-
schrift und gewünschter Anzahl an info@bildung-wissen.eu
richten. Bei einer Anzahl über zwanzig Exemplaren bittet
die herausgebende ’Gesellschaft für Bildung und Wissen
um eine Spende für die Druckkosten.
BATTEL HILFT
19
6/2020 ·
lehrer nrw
ZUR PERSON
Dr. med. Stefan
Battel
ist seit 2007
niedergelassener
Facharzt für Kinder-
und Jugendpsychia-
trie und -psychothe-
rapie mit eigener
Praxis in Hürth bei
Köln und seit 2012
systemischer Famili-
entherapeut (DGSF).
Im Rahmen des
lehrer nrw
-Fortbil-
dungsprogramms
greift er in einer Vor-
tragsreihe regelmä-
ßig verschiedene
Themen aus dem
Bereich der Jugend-
psychologie auf.
Foto: Andreas Endermann
Angst essen
Seele auf
Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Stefan Bat-
tel gibt in seiner Kolumne regelmäßig Antworten
auf Fragen aus dem Lehreralltag. Diesmal geht es
um die Wahrnehmung der Corona-Pandemie, in der
die zunehmend schriller werdende Diskussion zwi-
schen Panik und Verharmlosung springt.
I
I
ch habe mir lange den Kopf zerbrochen
darüber, wie ich diese Kolumne nennen
könnte. Geht es Ihnen ähnlich? Ich
schwanke zwischen ängstlichem Blick auf
irgendwelche Zahlen, die von irgendje-
mandem berechnet wurden, die einen
scheinbar hochwissenschaftlichen zu-
kunftsorientierten Prognosewert für Ge-
sundheit/Krankheit haben. Ich entnehme
Informationen über unsere klassischen
Medien, aber auch viele andere Medien
mit – meiner Einschätzung nach – fundier-
tem wissenschaftlichem Hintergrund.
Angst und Panik
entgegentreten
Angst und Panik zu verbreiten ist in der
jetzigen Situation (seit mehr als sieben
Monaten) aus meiner Sicht kontraindiziert.
Schaut man sich einmal das relativ ’junge’
medizinische Fachgebiet der Psychoneu-
roimmunologie (erforscht Wechselwirkun-
gen der Psyche, des Nervensystems und
des Immunsystems) an, so gibt es mittler-
weile viele fundierte Berichte darüber, dass
anhaltender Stress, ausgelöst durch anhal-
tende Angst und panikmachende Situatio-
nen, zu einer physiologischen deutlichen
Abnahme der Immunantwort bzw. Immun-
stabilität beiträgt.
Den üblichen Stress, den wir eventuell
zwei Wochen vor Prüfungen haben etc.
macht etwas mit uns (auch schon mess-
bar), jedoch die Dimension, über Monate
in anhaltendem angstinduziertem Stress-
erleben zu sein, wirkt sich sehr deutlich
auf Veränderungen der Effizienz unseres
Immunsystems aus. Ein nicht immer gut
wirkendes Mittel bei Angstpatienten ist es,
sich mit der Realität zu beschäftigen. Zwar
weiß ich um das Verhältnis zwischen Flug-
zeugabsturzopfern und Straßenverkehrsop-
fern, und trotzdem befreit mich dies nicht
unbedingt von meiner Flugangst.
Nicht auffressen lassen
Jedoch ist es enorm wichtig, der Realität
beizeiten ins Auge zu blicken. Die Angst ist
mittlerweile in unserem Leben sehr prä-
sent. Wir hören oder lesen Überschriften
wie ’extremer Anstieg’, ’katastrophale Fol-
gen’, ’explodierende Zahlen’ etc. – wie
wirkt sich dies eigentlich auf die kindliche
Seele aus? Dazu anhand eines Fallbeispiels
nächstes Mal mehr. Lassen wir es mit einer
ausgewogenen Meinungsfindung und
wohlwollendem Diskurs nicht zu, dass wir
aufgefressen werden – von der Angst vor
unseren Mitmenschen, es geht um Deeska-
lation!
lehrer nrw ·
6/2020
20
SCHULE & POLITIK
»Distanz-Lernen kann Präsenz-
Unterricht nicht ersetzen«
Claudia Schlottmann,
neue schulpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, im Interview.
?
?
lehrer nrw:
Sie sind seit dem
6. Oktober schulpolitische Spre-
cherin der CDU-Landtagsfraktion.
Was waren Ihre bisherigen beruflichen
und politischen Schwerpunkte? Welche
Berührungspunkte haben Sie in Ihrer
bisherigen politischen Arbeit zum Thema
Schule gehabt?
Schlottmann: Seit 1982 bin ich auf kommu-
nalpolitischer Ebene aktiv und darf seit 1994
ein Ratsmandat in meiner Heimatstadt Hilden
bekleiden. Die Schulpolitik hat mich in meiner
Arbeit seitdem stets begleitet und auch nach
über zwanzig Jahren nicht losgelassen, im
Gegenteil. Als ich im Jahr 2017 in den Land-
tag von Nordrhein-Westfalen gewählt wor-
den bin, hatte ich das Glück, mich seither im
Ausschuss für Schule und Bildung noch ver-
tiefter mit dem Thema zu beschäftigen.
An meiner Arbeit reizt mich vor allem die
Möglichkeit, eine Brücke zwischen Kommu-
nal- und Landespolitik zu bauen. Auf kom-
munaler Ebene bin ich stetig mit den Schulen
vor Ort in Kontakt und kann somit direkt se-
hen, ob die Maßnahmen, die auf Landesebe-
ne ergriffen werden, Wirkung zeigen. Diese
Verknüpfung ist mir ein persönliches Anlie-
gen. Nun freue ich mich auf die Herausforde-
rungen, die meine neue Rolle als schulpoliti-
sche Sprecherin mit sich bringt.
?
?
Welche Konsequenzen müssen
aus der Corona-Krise gezogen
werden? Reicht es, Schulen, Lehr-
kräfte und Schüler mit digitaler Hard-
ware und schnellen Breitbandanschlüs-
sen auszustatten?
Schlottmann: Die Corona-Krise stellt beson-
ders unsere Schülerinnen und Schüler sowie
Lehreinnen und Lehrer vor enorme Heraus-
forderungen. Diese Zeit hat gezeigt, dass
Lehren und Lernen sich dynamisch weiter-
entwickeln und die Politik die Weichen stel-
len muss, um Lehrpläne, Lehrerausbildung
und auch Ausstattung
weiter anzupassen. Die
digitale Ausstattung
bietet dabei eine Möglich-
keit, das Konzept Unterricht
neu zu denken und kurz-
fristig an besonderen Ge-
gebenheiten anzupassen.
Trotzdem haben wir ge-
sehen, dass das Distanz-
Lernen den Präsenz-Unter-
richt nicht ersetzen kann.
Uns als NRW-Koalition ist
es derzeit daher ungemein
wichtig, stetig abzuwä-
gen, welche Möglichkei-
ten des Unterrichts unter Berücksichtigung
der Infektionslage vorstellbar sind.
Neben diesen neuen Herausforderungen
führt uns die Pandemie noch deutlicher vor
Augen, in welchen Bereichen weiterhin
Nachholbedarf besteht, beispielsweise bei
der räumlichen Ausstattung oder der Beset-
zung von Lehrerstellen. An diesen Punkten
müssen wir nach wie vor weiterarbeiten –
parallel zur Corona-Krise.
?
?
Es gibt viele Baustellen im NRW-
Schulsystem: Lehrermangel, die
ungeklärte Besoldungsfrage, hohe
Arbeitsbelastung für Lehrkräfte, über-
bordende Bürokratie im Schulbereich,
ungleiche Rahmenbedingungen unter
den Schulformen (zum Beispiel Schüler-
Lehrer-Relation), Integration und Inklusi-
on, Sanierungsstau in vielen Schulge-
bäuden – um nur einige zu nennen. Wo
werden Sie Schwerpunkte setzen?
Schlottmann: Viele Baustellen in der nord-
rhein-westfälischen Schulpolitik sind über viele
Jahrzehnte entstanden und
können daher leider auch
nicht in kürzester Zeit besei-
tigt werden. Wir arbeiten aber
seit dem ersten Tag unserer
Regierungszeit 2017 mit
Hochdruck an allen dringen-
den Themen und können in
vielen Bereichen bereits deut-
liche Verbesserungen ver-
zeichnen. Dabei ist eines mei-
ner primären Themen, die Ga-
rantie der Unterrichtsversor-
gung durch konsequente und
zielführende Lehrkräftegewin-
nung sicherzustellen. Ohne
Lehrerinnen und Lehrer kann auch kein Lehr-
betrieb stattfinden. Wir haben dafür insgesamt
vier Maßnahmenpakete auf den Weg ge-
bracht, die für eine spürbare Entlastung der
Lehrkräftesituation sorgen. Bis Mitte Juli 2020
konnten dadurch insgesamt 3.266 Stellen be-
setzt werden, die ansonsten unbesetzt geblie-
ben wären. Das ist ein großer Erfolg.
Auch in der Digitalisierung kommen wir
gut voran. Wo noch vor drei Jahren digitale
Wüste war, haben wir jetzt mit dem Digital-
Pakt Schule ein klar strukturiertes Programm,
das eine flächendeckende und zeitgemäße
digitale Infrastruktur und Ausstattung der
Schulen gewährleistet. Eine komplette Digi-
talisierung aller Schulen in Nordrhein-west-
falen kann natürlich nicht von heute auf
morgen erfolgen, aber wir haben die Mittel
und den Willen, hier das Tempo ordentlich
anzuziehen.
Interview: Jochen Smets
Claudia Schlottmann
ist seit 1982 kommunalpoli-
tisch aktiv und seit 2017 Mit-
glied des NRW-Landtags.
Foto: CDU NRW
SCHULE & POLITIK
21
6/2020 ·
lehrer nrw
Trauer um
Walter Hollemann
W
alter Hollemann (geboren am
12. April 1931 in Hildesheim/Ba-
venstedt) ist im Alter von 89 Jahren ge-
storben. Er war lange
Jahre überzeugtes Mit-
glied des ehemaligen
Realschullehrerver-
bands, hat viele junge
Kolleginnen und Kolle-
gen geworben und ist
dem
lehrer nrw
auch im
Ruhestand treu geblie-
ben.
Walter Hollemann ist
nach seiner Junglehrer-
zeit von Borgentreich
zum 25. August 1969
als Schulleiter nach Bü-
ren gekommen. In der Schulchronik
heißt es: »Eine Lücke im schulischen
Leben der Stadt Büren und des Amtes
Büren-Land ist geschlossen. Die neue
Realschule in Büren ist eröffnet worden.«
Pionier einer
neuen Schulform
Die neue Schulform ging in Büren mit
41 Jungen und 17 Mädchen an den
Start. Der neue Schulleiter sollte in den
folgenden Jahren des Aufbaus aber nicht
nur Klassenleitungen übernehmen, ne-
ben seinen Fakulten in Mathematik und
Physik weitere Fächer fachfremd unter-
richten, sondern war auch als ’Bauherr’
gefragt. Denn bis 1972 wurde das neue
Schulgebäude gebaut. Der Unterricht
der ersten Klassen fand in den Räum-
lichkeiten des Internats des Mauritius-
gymnasiums statt. Erst nach den Som-
merferien 1972 konnte der Schulbetrieb
in der neu erbauten Schule aufgenom-
men werden. Die Erstausstattung der
Fachräume musste nach und nach ange-
schafft werden – es gab viel zu tun.
Zwei Jahre später ge-
hörten zu der Realschu-
le auch eine Schwimm-
und Sporthalle, die na-
türlich auch von der be-
nachbarten Hauptschu-
le und den Bürener
Sportvereinen genutzt
werden.
Schule mit
hohem
Niveau
Walter Hollemann hat
in Zusammenarbeit mit
seinem Stellvertreter Herrn Linnemann
die Schule aufgebaut und jahrelang ein
Sondermodell der Differenzierung ab
Klasse 8 genehmigt bekommen – eine
Differenzierung in Klassen: Mathema-
tik/Technik, Sozialpädagogik, Sprachen.
Das führte zu einer sehr starken Leis-
tungsdifferenzierung, die Schülerbega-
bungen individuell förderte und durch
begleitende Vorbereitung berufliche Per-
spektiven eröffnete. Eine Schule mit ho-
hem Niveau.
1994 ging Walter Hollemann in den
Ruhestand, hielt aber engen Kontakt zu
seiner Realschule und zum Verband. Ein
engagierter Realschulrektor und enga-
giertes Verbandsmitglied der ersten
Stunde des Realschullehrerverbandes ist
am 3. September 2020 von uns gegan-
gen.
Gertrud Tölle
Seniorenbeauftragte
für den Bezirk Detmold
Walter Hollemann
Schule mit
hohem
Niveau
lehrer nrw ·
6/2020
22
SCHULE & POLITIK
DDaass FFaacchh WWiirrttsscchhaafftt llääuufftt,,
aabbeerr
Mit der Einführung des Fachs Wirtschaft hat die Landesregierung
nicht nur eine Forderung von
lehrer nrw
erfüllt, sondern auch
deutlich gemacht, dass ökonomische Bildung ein unverzichtbarer
Bestandteil der Allgemeinbildung ist. Es bleibt allerdings noch
einiges zu tun, insbesondere in der Lehreraus- und -fortbildung.
M
M
it dem laufenden Schuljahr – und
zwar aufsteigend ab Klasse 5 – wur-
de Wirtschaft als neues Pflichtfach
in der Sekundarstufe I an allen weiterführen-
den allgemeinbildenden Schulen eingeführt.
Unterschiedliche Konstella-
tionen, je nach Schulform
An der Realschule gehört das neue Schulfach
Wirtschaft (5 Wochenstunden) gleichberech-
tigt neben Geschichte (7), Erdkunde (7) und
Politik (5) zum Lernbereich Gesellschaftsleh-
re, der 24 Wochenstunden umfasst. Damit
hat Schulministerin Yvonne Gebauer ihr Ver-
sprechen vom 50. Mühlheimer Kongress am
15. November 2018 eingelöst. Wirtschaft
wird zu einem profilbildenden Fach der Real-
schule. Auch der Fächerverbund Wirtschaft-
Politik mit dann zehn Wochenstunden ist
möglich. Die Schulkonferenz beschließt darü-
ber nach der Entscheidung der betroffenen
Fachkonferenzen und der Lehrerkonferenz.
In der Hauptschule gehören die Fächer
Wirtschaft (6 Wochenstunden), Technik,
Hauswirtschaft zum neuen Lernbereich Wirt-
schaft und Arbeitswelt. In der Gesamtschule
und in der Sekundarschule wird das Fach
Wirtschaft-Politik (9 Wochenstunden) einge-
führt, es wird mit Geschichte (6) und Erd-
kunde (6) dem Lernbereich Gesellschaftsleh-
re zugeordnet. Der Stundenumfang dieser
Fächergruppe wurde erhöht. Der Unterricht
in diesem Lernbereich kann entweder fä-
cherintegriert oder fachspezifisch erfolgen.
Änderungen nach
der Verbändebeteiligung
Der Kernlehrplan Wirtschaft-Politik G9 von
2019 war die ’Blaupause’ für alle Schulfor-
men, ebenso wie der Kernlehrplan für die
Das Fach Wirtschaft
soll Schülern Einblick in lokale und globale
wirtschaftliche Zusammenhänge geben.
23
6/2020 ·
lehrer nrw
SCHULE & POLITIK
Realschule von 2020 die Vorlage für die
Gesamt- und Sekundarschule abgibt. Nach
der Verbändeanhörung
lehrer nrw
war
dabei – wurden Veränderungen vorgenom-
men, unter anderem bei den Ausführungen
zum Fächerverbund Wirtschaft-Politik in
der Realschule, zum betrieblichen Ausbil-
dungssystem, im Inhaltsfeld ’Wirtschaftli-
ches Handeln in der marktwirtschaftlichen
Ordnung’, im Inhaltsfeld ’Beruf und Arbeits-
welt’, und bei den Überprüfungsformen
fanden ’Modelle’ endlich Berücksichtigung.
Die Kernlehrpläne für das Wahlpflicht-
fach Wirtschaft an Real-, Gesamt- und Se-
kundarschulen und zusätzlich für die Real-
schulen das Wahlpflichtfach Sozialwissen-
schaften stehen noch aus. Implementati-
onsveranstaltungen zu den neuen Kernlehr-
plänen sind vorgesehen und sollen durch
die Bezirksregierungen im laufenden
Schuljahr angeboten werden.
Sehr optimistisch ist die Forderung, dass
die Arbeit an den neuen schulinternen
Lehrplänen zum Schuljahr 2021/2022 ab-
geschlossen sein soll, vorrangig geht es
um die schulbezogene Konkretisierung der
Kernlehrpläne und die Ausgestaltung der
Freiräume.
Der von QUA-LiS NRW vorgegebene
Musterentwurf verplant insgesamt 150
Wochenstunden. Betont wird die zeitge-
mäße Anpassung und Weiterentwicklung
der neuen Kernlehrpläne in fachwissen-
schaftlicher und fachdidaktischer Hinsicht,
in Bezug auf die Stärkung der Fachlichkeit
und die Vermittlung der Kenntnisse zu un-
serer Wirtschaftsordnung.
Vorgesehen sind bereits für die Jahr-
gangsstufe 5/6 im Soester Beispiel für ei-
nen schulinternen Lehrplan Realschule
(Fassung vom 1. Juli 2020, Seite 3 bis 5)
die Inhaltsfelder
wirtschaftliches Handeln in der markt-
wirtschaftlichen Ordnung sowie
nachhaltige Entwicklung in Wirtschaft,
Politik und Gesellschaft.
Missverhältnis zwischen
Anspruch und Wirklichkeit
Die fachlichen Qualifikationen der für die
Umsetzung der Lehrpläne verantwortli-
chen Lehrkräfte stehen aber erfahrungsge-
mäß in einem deutlichen Missverhältnis zu
diesem Anspruch. Für die Realschullehr-
kräfte gibt es keine grundständige Lehrer-
ausbildung im Fach Wirtschaft; für die
Hauptschullehrkräfte wurde sie vor langer
Zeit eingestellt. Die Wirtschaft-Politik-Lehr-
kräfte haben (soweit sie nicht fachfremd
eingesetzt sind) je nach Hochschule unter-
schiedliche, in der Regel aber nur geringe
Anteile Wirtschaft studiert. Es bedarf also
zeitnaher Maßnahmen einer fachwissen-
schaftlich, fachdidaktisch und fachmetho-
disch fundierten Aus - und Fortbildung der
Lehrkräfte.
lehrer nrw
fordert daher im Be-
reich der grundständigen Lehrerausbildung
an den Universitäten
einen Lehramtsstudiengang Wirtschaft mit
der Lehrbefähigung Wirtschaft für das
Lehramt an Haupt-, Real-, Sekundar- und
Gesamtschulen,
einen Erweiterungsstudiengang Wirtschaft
zur Vermittlung einer ’dritten’ Lehrbefähi-
gung,
für das Lehramt an Gymnasien und Ge-
samtschulen einen Studiengang Wirt-
schaft-Politik, dem mindestens die Hälfte
der Kreditpunkte der Wirtschaftswissen-
schaft und der Wirtschaftsdidaktik zuzu-
ordnen ist.
lehrer nrw
unterstützt den Antrag der Regie-
rungsparteien CDU und FDP in Nordrhein-
Westfalen vom 8. September 2020, zusätzli-
che zweisemestrige Ergänzungsstudiengän-
ge in gesuchten Lehrämtern an ausgewähl-
ten Hochschulen in Nordrhein-Westfalen an-
zubieten, und rechnen dazu auch den
Studiengang Wirtschaft.
Nachholbedarf bei
der Lehrerfortbildung
lehrer nrw
fordert im Bereich der Lehrerfort-
bildung – auch unter Berücksichtigung der
Evaluationsergebnisse in Nordrhein-Westfa-
len von 2019:
Zertifikatskurse Wirtschaft für alle Lehr-
ämter; diese sollten landesweit (ggf. be-
zirks- und schulformübergreifend) stattfin-
den und digitale Formate des Blended
Learning sowie relevante Akteure aus der
Fachwissenschaft einbeziehen. In den Zer-
tifikatskursen muss es vor allem darum
gehen, wirtschaftswissenschaftliches und
wirtschaftsdidaktisches Grundlagenwissen
für einen kompetenten Ökonomieunter-
richt zu vermitteln. Ein sozial-wissen-
schaftlich orientiertes Fortbildungskonzept
lehnen wir ebenso ab wie die ausschließ-
lich von Moderatoren geleiteten Fortbil-
dungen ohne klaren fachlichen Fokus.
Themen- und aktualitätsbezogene Veran-
staltungen, die auch externe Anbieter
(Hochschulen, Wirtschaft, Verlage) einbe-
ziehen. Weiterhin sollten Fortbildungsan-
gebote externer Akteure an die Schulen
vermittelt werden.
Dieter Peters
Foto: AdobeStock/enanuchit
SCHULE & POLITIK
lehrer nrw ·
6/2020
24
Zieh deine Maske an,
Mann!
Als die nach den Sommerferien eingeführte Maskenpflicht zum
1. September auslief, war die Verunsicherung groß. An sehr
vielen Schulen wurden die Masken freiwillig weiter getragen.
An einer Realschule in Bielefeld brachten die Schüler Masken-
muffel auf ebenso einfache wie effektive Weise auf Spur.
Zwiespalt zwischen Schutz
und Erleichterung
Nun muss an dieser Stelle die Frage erlaubt
sein, ob Kinder und Jugendliche im Allgemei-
nen viel rücksichtsvoller sind als angenom-
men. Natürlich stoßen sie selbst auch auf
Widerstände innerhalb einer Klassengemein-
schaft, wenn es darum geht, was offiziell er-
laubt und angenehm ist, nicht umsetzen zu
können. Auch wenn viele Virologen und For-
scher versuchen, Corona logisch zu durch-
leuchten, was bis heute noch nicht gelungen
ist, so prallen hier in den Klassenräumen
logische Gegensätze aufeinander. Es ist
logisch, sich zu schützen … und es ist
logisch, etwas Erleichterung anzunehmen,
die erlaubt ist.
Die Schülerinnen und Schüler wussten
sehr schnell, dass sie von der Maskenpflicht
im Unterricht wieder befreit werden, aber sie
sind mit der Corona-Zeit so sensibilisiert
worden, dass es plötzlich selbstverständlich
war/ist, den Schutz beizubehalten und Wider-
ständlern in den eigenen Reihen Paroli zu
bieten.
Die Klassengemeinschaft
funktioniert
Hier zeigt sich, ob das Ziel, Verantwor-
tung für die Gesellschaft zu überneh-
men, bereits erreicht wurde bzw.
erreicht werden kann, wie in einer
zehnten Klasse einer Realschule
in Bielefeld. Noch bevor die Lehr-
kräfte Stellung zu der Erlassän-
derung nehmen konnten, hatten
die Schülerinnen und Schüler
dieser Klasse bereits intern ge-
klärt, wie es weiter gehen soll.
Damit auch der letzte Skeptiker mit-
zieht, wurde ein Aufruf mit großer,
roter, auffälliger Schrift verfasst, in dem
ganz klar die Position der Gemeinschaft
deklariert wurde mit der Botschaft: Wer ohne
Maske hier im Klassenraum sitzt, wird zum
Außenseiter. An dieser Stelle zeigt sich auch,
welchen Druck eine Klassengemeinschaft in
der Lage ist auszuüben … der Herdentrieb
funktioniert immer noch.
Astrid Pradella
W
W
ährend Menschenmassen auf die
Straßen gehen um gegen eine
Maskenpflicht zu demonstrieren
und ihre Freiheit eingeschränkt sehen, wäh-
rend Politiker, Eltern und Lehrkräfte sich ta-
gelang über Corona-Schutzmaßnahmen aus-
tauschen und ein heftiger Streit entbrannt ist
über die Maskenpflicht im Unterricht, verhal-
ten sich die Schülerinnen und Schüler an vie-
len Schulen in Nordrhein-Westfalen ganz
pragmatisch und umsichtig. Wohlwissend,
dass es Mitschülerinnen und Mitschüler gibt,
die oder deren Familienangehörige zur Risi-
kogruppe gehören, und Lehrkräfte, die ge-
schützt werden müssen, übernehmen viele
Klassen selbst die Verantwortung für den ge-
genseitigen Schutz, indem sie selbstständig
entscheiden, als Zeichen solidarischer Rück-
sichtnahme die Maskenpflicht im Unterricht
für alle aufrecht zu erhalten.
Klare Botschaft:
Eine zehnte Klasse einer Realschule in Bielefeld machte Maskenverweigerern mit dieser
dezenten Botschaft klar, wie die große Mehrheit der Klassengemeinschaft denkt.
Die Klassengemeinschaft
funktioniert
SCHULE & POLITIK
Deutscher Lehrerpreis würdigt innovative
Unterrichtskonzepte
B
B
undespräsident Frank-Walter Steinmeier
hat die Schirmherrschaft für die zwölfte
Runde des Wettbewerbs ’Deutscher Lehrer-
preis – Unterricht innovativ’ übernommen.
Der Lehrerpreis zeichnet neben von Schüle-
rinnen und Schülern nominierten Lehrkräf-
ten und vorbildlichen Schulleitungen in der
Kategorie ’Unterricht innovativ’ Lehrkräfte
aus dem Sekundarbereich deutscher Schu-
len aus, die fächerübergreifend unterrichten
und im Team zusammenarbeiten. Bewerben
können sich dafür Lehrerinnen und Lehrer
an weiterführenden Schulen, die innovative
Unterrichtsideen publik machen und zur
Breitenwirkung von gutem Unterricht bei-
tragen wollen.
In allen drei Kategorien werden die He-
rausforderungen der besonderen Schul- und
Unterrichtsbedingungen in der Corona-Zeit
berücksichtigt. Bewerbungen und Einrei-
chungen für alle Wettbewerbs-Kategorien,
’Unterricht innovativ’, ’Ausgezeichnete Lehr-
kräfte’ und ’Vorbildliche Schulleitung’, sind
unter
www.lehrerpreis.de möglich. Ein-
sendeschluss für alle Vorschläge ist der
16. November 2020. Nach einer umfassen-
den Begutachtungsphase entscheidet die
hochkarätig besetzte Jury, wer die Aus-
zeichnungen erhält.
INFO
Die Preisgelder mit einem Gesamtwert
von 12000 Euro sind zweckgebunden
und sollen für Projekte im Unterricht ver-
wendet werden. Die Preisverleihung fin-
det am 22. März 2021 in Berlin statt.
Wieso denn hinter
Lehrern stehen?
»Nur weil Sie mit Menschen arbeiten, können Sie
nicht verlangen, dass man mit Ihnen menschlich umgeht!«
ies ist eine Aussage, die mir neulich auf den Fluren
zu Ohren kam. Betreten schaute eine Kollegin zu
Boden, als der Personaldezernent von dannen
schlich, um das Gebäude zu verlassen. Ja, liebe Kol-
legen, wo sind wir denn? Das war doch mal anders,
oder? So ist man doch früher nicht mit uns umgegangen? Doch,
das ist man! Ein Wunder, warum keiner diesen Job machen
möchte, oder? »Die Würde des Menschen ist unantastbar«, was
für ein Witz! Es kommt immer mehr Arbeit auf uns zu, vor allem
bürokratische Arbeit, die doch laut Ministerin Gebauer abgebaut
werden sollte. Aber was interessiert das Geschwätz von gestern.
Corona-Zeiten ändern alles.
Wer soll sich nun die ganzen Konzepte ausdenken und sich da-
für die berühmten ’A***tritte’ abholen? Na klar, die Lehrerinnen
und Lehrer. Ich kenne keinen Beruf, wo ’Betriebsfremde’ – in die-
sem Fall die Eltern und Schüler – einen so wertschätzen, die ei-
genen Vorgesetzen aber in keinem Fall. Jeder, auch Schulleiterin-
nen und Schulleiter, bekommt etwas zu hören, wie: »Also, wenn
Sie das nicht schaffen, dann weiß ich nicht, ob Sie in diesem Be-
ruf richtig sind.« Wie verachtend ist das denn? Ach so, stimmt,
Menschlichkeit ist nicht mehr gefragt. Aber so etwas führt zu ei-
ner inneren Kränkung, die nicht so einfach von der Hand zu wei-
sen ist. Wir leisten eine gute, engagierte Arbeit für Kinder und Ju-
gendliche. Wir geben schon mehr als 100 Prozent, aber das ist
wohl nicht genug. Man fragt sich nur, warum so viele Lehrer/
innen im ’Burnout’ landen. Kränkung ist der Anfang allen Übels.
Liebe Frau Gebauer, lieber Herr Richter,
weisen Sie doch mal die Dezernenten an, hinter Ihrem Personal
zu stehen. Entbürokratisieren Sie das Schulsystem und verab-
schieden Sie sich doch mal davon, dass jede Lehrkraft ein exorbi-
tant großes Wissen zum Schulgesetz haben muss und alles justi-
ziabel ist. Wir arbeiten mit Menschen und nicht mit Paragraphen,
die meisten Entscheidungen fällt man »aus dem Bauch heraus«,
weil es die Situation so hergibt. Lassen Sie über die Bezirksregie-
rungen einmal die Wertschätzung eines jeden Einzelnen spüren
und weisen Sie an, dass die Dezernenten und Schulleiter uns in
unserer Entscheidung stärken, anstatt uns mürbe zu machen.
Überlassen Sie die Verteilung von Wertschätzung und Lob nicht
nur Kindern und Eltern. Es ist nicht nur wichtig, neue Leute für
diese Arbeit zu begeistern, es ist viel wichtiger, die Leute, die im
Schulwesen arbeiten, auch dort halten zu wollen. Lassen Sie uns
einfach wieder Lehrkräfte sein, die für ihre Arbeit gelobt und
nicht gekränkt werden.
Euer alter Kollege
Ferdinand Kümmertsich
Wieso denn hinter
Lehrern stehen?
Der Kollege Ferdinand Kümmertsich ist gestählt durch unzählige Schlachten in
Konferenzen, Bezirksregierungsbüros und Elternsprechtagen. Mit reichlich Berufs-
und Lebenserfahrung ausgestattet, blickt er mit einem Augenzwinkern auf den ganz
normalen Wahnsinn des Systems Schule.
Ferdinand Kümmertsich
lehrer nrw ·
6/2020
26
KOLUMNE
SENIOREN
Von Passau nach Köln
E
E
ine Flusskreuzfahrt zu Corona-Zeiten? Ein
schlüssiges Hygienekonzept machte es mög-
lich. So ging es auf eine ’Genussreise’ mit der MS
Anesha von Passau nach Köln. Nach einem Abste-
cher nach Linz fuhren wir donauaufwärts bis Re-
gensburg und Kehlheim, wo wir nach einem Be-
such des Benediktinerklosters Weltenburg in den
Main-Donau-Kanal abbogen. Wir stiegen durch
fünf Schleusen nach oben, um die Europäische
Wasserscheide in 406 Meter Höhe zu überwinden,
und brauchten 45 weitere nach unten, um bei Mainz das Niveau des Rheins zu erreichen. Auf unserer 1100 Kilometer langen Fahrt besuchten
wir Städte wie Nürnberg, Bamberg und andere kleine, malerische Örtchen am Main. Am Rhein legten wir noch in Rüdesheim an, bevor unsere
Fahrt nach zehn Tagen am Liegeplatz direkt unterhalb des Kölner Doms zu Ende ging.
Gabriele Hüning
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6/2020 ·
lehrer nrw
Fluss und Meer
Foto: Privat
Foto: Privat
Das Zentrum der Insel Norderney
aus dem Cockpit einer viersitzigen
Cessna 17.
Da Corona-bedingt leider alle geplanten Senioren-
Veranstaltungen ausfallen müssen, möchten wir
Ihnen diesmal einige Urlaubs-Impressionen von
lehrer nrw
-Senioren näherbringen. Die Reisen
fanden im Spätsommer statt, als die Corona-Lage
noch relativ entspannt war. Wir möchten mit die-
sen Kurzberichten gerade in der jetzigen Zeit nie-
manden zum Reisen animieren. Aber vielleicht
können wir damit schöne Erinnerungen an eigene
Reisen oder Fernweh für künftige Fahrten wecken.
Fischland-Darß-Zingst
Z
Z
wischen Rostock und Stralsund liegt die Halbinsel Fischland-Darß-
Zingst, ein Urlaubsparadies zwischen Ostsee und Bodden. In diesem
Jahr war wegen Corona von März bis Ende Mai die Halbinsel für alle
Urlauber gesperrt. Die Prerower haben die Einsamkeit genossen. Ab
Juni kamen dann die Touristen und mit ihnen Massen von Fahrrädern.
Nach fünf Kilometern durch den Nationalpark kommt man zum
Weststrand. Auffällig sind die in Windrichtung wachsenden Kiefern
und Buchen, die ’Windflüchter’. Sonnenbaden, Schwimmen, Bern-
steine suchen, Sport treiben und wandern am blendend weißen
Strand sind äußerst erholsam und entschleunigend. Im September
beginnen der Kranichflug und die Rotwildbrunft, interessant für jede
Menge Profi- und Hobbyfotografen.
Lilo Becker
Norderney aus der Vogelperspektive
Der Donaudurchbruch
bei Weltenburg
mit dem
Kloster Weltenburg im Hintergrund.
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ie Urlaubswoche auf der ostfriesischen
Insel Norderney haben wir bei Sonnen-
schein mit Strandwandern, Radfahren und
’Strandkorb genießen’ verbracht. Zum Ab-
schluss haben wir einen Inselrundflug unter-
nommen und sahen die Insel aus der Vogel-
perspektive.
Die ostfriesischen Inseln bestehen aus an-
gespültem Dünensand. Die ’Weiße Düne’ ist
eine junge Düne, die ’braune Düne’ eine äl-
tere. Die Inselform verändert sich auch heu-
te noch ständig. Spätestens im 14. Jahrhun-
dert wurde die Insel von Fischern besiedelt.
Um 1550 lebten im Dorf etwa 80 Menschen.
Um 1800 wurde auf Norderney das erste
deutsche Seebad errichtet. Heute gibt es
fast 6000 Insulaner und mehr als 22000 Ur-
lauberbetten.
Roland Gschwandtner
lehrer nrw ·
6/2020
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Der Lehrerrat
Als beratendes und vermittelndes Gremium kommt dem Lehrerrat im innerschulischen Miteinan-
der entscheidende Bedeutung zu. Er kann eine gewichtige Stütze der Schulleitung und der Lehre-
rinnen und Lehrer sein. Christopher Lange erläutert Aufgaben, Rechte und Pflichten des Lehrerrats.
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er einen Außenstehenden nach den
internen Strukturen einer Schule
befragt, wird vermutlich etwas im
folgenden Sinne zu hören bekommen: »Da
gibt es die Lehrerinnen und Lehrer, die den
Schülerinnen und Schülern sagen, was sie zu
tun haben. Und da gibt es die Schulleitung,
die den Lehrerinnen und Lehrern sagt, was
sie zu tun haben.«
Da ist schon etwas dran, aber dennoch
weit gefehlt. Strukturen in Schulen beschrän-
ken sich keinesfalls auf ’Von-oben-nach-un-
ten’-Weisungsketten. Sie sind geradezu ein
breites Spielfeld demokratischer Kultur. Leh-
rerinnen, Lehrer, Schülerinnen, Schüler, Schul-
leitungen und Eltern merken dies insbeson-
dere zu Beginn des Schuljahres. Dann stehen
die Wahlen in Schulmitwirkungsgremien an.
Das sind nicht wenige: Schul-, Lehrer-, Fach-
und Klassenkonferenz, Schul- und Klassen-
pflegschaft, Schülervertretung und nicht zu-
letzt der Lehrerrat. In dem gerade begonne-
nen Schuljahr wird an einem Großteil der
Schulen des Landes parallel zu den Personal-
ratswahlen der Lehrerrat neu gewählt. Viele
Lehrkräfte werden sich gedacht haben: »Der
bestand doch einfach immer, nun sollen wir
ihn neu wählen – wie denn?« Die eine oder
andere Lehrkraft wird aus dem Kollegium ge-
fragt worden sein, »sag mal, willst du nicht
in den Lehrerrat?« Die Lehrkraft wiederum
könnte sich daraufhin gefragt haben, »wie
komme ich denn da rein, und was sind dort
meine Aufgaben?«
Kein Wunder, wenn das Zustandekommen
des Lehrerrates manchem erklärungsbedürf-
tig scheint, schließlich gelten für die Wahl
speziellere Regeln als die üblichen für Mit-
wirkungsgremien nach §§ 62 ff. Schulgesetz
NRW (SchulG).
Gewählt für vier Schuljahre
Nach § 69 Abs.1 SchulG wählt die Lehrerkon-
ferenz in geheimer und unmittelbarer Wahl
für eine Dauer von vier Schuljahren einen
Lehrerrat aus drei bis fünf – an kleinen Schu-
len zwei – Lehrerinnen oder Lehrern oder
Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern nach
§ 58 SchulG. Weder wahlberechtigt noch
wählbar ist die Schulleitung, selbst wenn sie
nur kommissarisch tätig ist. Nicht aktiv lei-
tende Stellvertreterinnen und Stellvertreter
sollten überdenken, inwieweit ein Engage-
ment im Lehrerrat ohne Interessenskonflikte
möglich ist. Lehramtsanwärterinnen und
-anwärter sollten sich vor dem Hintergrund
der grundsätzlich auf vier Jahre angelegten
Amtszeit überlegen, ob sie sich in den Leh-
rerrat ihrer aktuellen Schule wählen lassen.
Empfehlenswert ist die zusätzliche Wahl
mehrerer Ersatzmitglieder, die einer festzu-
legenden Reihenfolge nach eintreten, sollte
ein Mitglied im Laufe der mehrjährigen
Amtszeit ausscheiden oder zeitweise verhin-
dert sein (§ 64 Abs.2 Satz 2 und 3 SchulG).
Sinnvoll ist, für alle Modalitäten eine Wahl-
ordnung durch die Schulkonferenz festzule-
gen (BASS 17-01 Nr.1).
Freiwillige Tätigkeit
Die Tätigkeit im Lehrerrat ist freiwillig und
das Amt während der Amtsperiode nieder-
RECHT
§
AUSLEGER
von CHRISTOPHER LANGE
Der Lehrerrat
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6/2020 ·
lehrer nrw
legbar, so mittlerweile nach § 69 Abs. 7
SchulG. Dies zu wissen, ist beruhigend, denn
die Tätigkeit stellt eine dienstliche Pflicht dar
62 Abs. 6 Satz 2 SchulG). Vor Schaffung
des § 69 Absatz 7 SchulG galt eine Niederle-
gung bei aller Nachvollziehbarkeit ihrer Grün-
de zunächst konsequenterweise als Dienst-
pflichtverletzung. Scheiden alle Mitglieder
durch Rücktritt, Versetzung oder Zurruheset-
zung aus und mangelt es an Ersatzmitglie-
dern, wird eine Neuwahl für die verbleibende
Amtsperiode notwendig. Kann kein Lehrerrat
mangels Freiwilligen gebildet werden, fallen
die Aufgaben an den Personalrat zurück.
Das aufwändige Zustandekommen und die
lange Amtszeit zeigen auch an, welche Be-
deutung diesem Gremium von Gesetzes we-
gen zugedacht ist. Lebt der Lehrerrat an ei-
ner Schule dieses Rollenverständnis hinrei-
chend aus, kann er tatsächlich für einzelne
Lehrerinnen und Lehrer Steine im Weg des
Schulalltags beiseite räumen, daneben aber
auch der Schulleitung eine Stütze sein, was
wiederum den Lehrerinnen und Lehrern zu
Gute kommt.
Breites Tätigkeitsspektrum
Der Lehrerrat berät die Schulleitung in den
Angelegenheiten der Lehrerinnen und Leh-
rer und der im Landesdienst stehenden pä-
dagogischen und sozialpädagogischen Mit-
arbeiter im Sinne von § 58 SchulG. Ange-
sichts des täglichen und engen Kontakts
von Schulleitung und Lehrkräften kann das
Führungsverhalten der Schulleitung am
besten aus dem Kreis der Lehrerinnen und
Lehrer selbst eingeschätzt und durch den
Lehrerrat rückgemeldet werden.
Außerdem vermittelt der Lehrerrat in
dienstlichen Angelegenheiten der Lehrerin-
nen und Lehrer (§ 69 Abs. 2 SchulG). Das
Maß an denkbaren Konflikten einzelner
Lehrerinnen und Lehrer oder Gruppen von
Lehrkräften mit der Schulleitung ist, wie die
Praxis zeigt, kaum erschöpflich. Als Vermitt-
ler wird der Lehrerrat nur auf Wunsch der
oder des Betroffenen tätig. Die Schulleitung
muss dem Lehrerrat alle zur Klärung der
Angelegenheit notwendigen Informationen
zur Verfügung stellen. Gemäß § 62 Abs. 5
SchulG ist der Lehrerrat zur Verschwiegen-
heit verpflichtet, auf Wunsch auch zur kom-
pletten Geheimhaltung. Die Schulleitung ist
verpflichtet, den Lehrerrat auch kurzfristig
in der Angelegenheit vorsprechen zu las-
sen. Bei der Lösung der Angelegenheit soll-
te auch der Gleichbehandlungsgrundsatz
gewahrt bleiben, das heißt, es darf keine
Vereinnahmung durch Einzelne oder Grup-
pen zulasten anderer stattfinden.
Personalvertretungs-
rechtliche Aufgaben
Wer nun damit sein Betätigungsfeld auf
rein schulischer Ebene und gerade nicht in
Themen sieht, bei denen der Dienstherr ei-
ne Rolle spielt, übersieht jedoch, dass seit
2008 – angefangen mit dem Gesetz zur
Stärkung der Eigenverantwortlichkeit an
Schulen – immer mehr Entscheidungsbe-
fugnisse hinsichtlich Personalführung und
-management auf die Schulebene verlagert
wurden. Dafür wird an Schulen zwar kein
eigenständiger Personalrat gebildet, aber
ausgerichtet an den jeweiligen Dienstvor-
gesetzteneigenschaften der Schulleitung
wird auch die personalvertretungsrechtli-
che Beteiligung auf die Lehrerräte nach
§ 69 Abs. 3 SchulG übertragen. Gemäß
§ 69 Abs. 4 SchulG gelten dafür die §§ 62
bis 77 Landespersonalvertretungsgesetz
NRW (LPVG) entsprechend. Um die solide
Kenntnis von den Einflussmöglichkeiten
der Mitbestimmung, Anhörung oder Initia-
tive nach dem LPVG kommt ein Lehrerrat
daher nicht herum. Beteiligt ist der Lehrer-
rat beispielsweise an so wichtigen Ent-
scheidungen wie der Einstellung in befris-
tete Arbeitsverhältnisse, gegebenenfalls
kann er bei allen Einstellungen mitbestim-
men. Erfreulich und praxisrelevant ist da-
rüber hinaus das Mitbestimmungsrecht
bei der Anordnung regelmäßiger Mehrar-
beit.
Wer sich fragt, wie er als Lehrerrat all
die Arbeit neben der Unterrichtsverpflich-
tung wahrnehmen soll, muss mit dafür sor-
gen, dass eine entsprechende Entlastung
über verfügbare Anrechnungsstunden er-
folgt (§ 69 Abs. 6 Satz 1 und 2 in Verbin-
dung mit § 93 Abs. 2 SchulG bzw. § 2 Abs.
5 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG).
Die Frage, ob sich die Tätigkeit im Leh-
rerrat in der dienstlichen Beurteilung aus-
wirkt, ist zu verneinen, denn für die Bewer-
tung von Eignung, Befähigung und fachli-
cher Leistung sind nur die Leistungen als
Lehrkraft relevant. Die Nennung der Leh-
rerratstätigkeit im Rahmen einer Tätig-
keitsbeschreibung ist dagegen unschädlich
(vergleiche Beschluss des OVG NRW vom
16. Juli 2012, 6 B 668/12).
Lehrerräteschulungen
bei
lehrer nrw
Und wer angesichts der umfangreichen
Tätigkeiten des Lehrerrates wissen will,
wie er das Recht auf eine geeignete Fort-
bildung zur Aneignung der dafür nötigen
Grundlagen (§ 69 Abs. 3 Satz 3 SchulG)
verwirklicht, sei zum Beispiel auf die von
lehrer nrw
angebotenen Grund- und Auf-
baufortbildungen für Lehrerräte verwiesen.
RECHT
§
AUSLEGER
Christopher Lange leitet die Rechtsabteilung
des
lehrer nrw
E-Mail: Rechtsabteilung@lehrernrw.de
Wer als Lehrerin
oder Lehrer Rat
und Hilfe braucht,
ist beim Lehrerrat an der
richtigen Adresse. In der in-
nerschulischen Mitwir-
kungskultur hat dieses
Gremium hohes Gewicht.
Foto: AdobeStock/Robert Kneschke
lehrer nrw ·
6/2020
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ANGESPITZT
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en 5. Oktober hatte sich Bundesbil-
dungsministerin Anja Karliczek rot
im Kalender angestrichen. Da Schul-
politik in Deutschland bekanntlich Länder-
sache ist, hat die Bundesbildungsministerin
in schulpolitischen Dingen wenig bis gar
nichts zu melden. Da war der 5. Oktober ei-
ne erfreuliche Ausnahme. Denn am 5. Ok-
tober ist Weltlehrertag. Hätten Sie’s ge-
wusst? Wahrscheinlich nicht. Haben Sie da-
von etwas mitbekommen? Erst recht nicht.
Es ist kein Aufschrei durchs Land gegangen
und ein Ruck schon gar nicht. Die Situation
von Lehrkräften in Deutschland war vor
dem 5. Oktober mies und ist es nach dem
5. Oktober immer noch.
Für Anja Karliczek aber war der 5. Ok-
tober ein Feiertag. Denn immerhin soll
der UNESCO-Weltlehrertag auf die ver-
antwortungsvolle Aufgabe der Lehrerin-
nen und Lehrer aufmerksam machen und
dadurch ihr Ansehen weltweit steigern.
Und so warf die Bundesbildungsministe-
rin die Sonntagsredenphrasendreschma-
schine an und zauberte ein prächtiges
Floskel-Kunstwerk hervor. Der Weltlehrer-
tag, tat sie gravitätisch kund, »sollte für
die gesamte Gesellschaft ein Anlass sein,
den Lehrerinnen und Lehrern einmal Dan-
ke für ihre Arbeit zu sagen. Die Lehrerin-
nen und Lehrer erfahren oft nicht genü-
gend Wertschätzung, obwohl sie für die
Zukunft unserer Kinder und die Gesell-
schaft einen unschätzbaren Dienst leis-
ten. Lehrerinnen und Lehrer brauchen in
unserem Land mehr Rückendeckung.«
Da nicken alle andächtig und gehen
zum Tagesgeschäft über. Oder haben Sie
am 5. Oktober oder danach Rückende-
ckung gespürt? Nun ja. Da Frau Karliczek
ja jetzt bis zum nächsten 5. Oktober Zeit
hat, seien ihr noch ein paar andere Welt-
tage ans Herz gelegt, zu denen man auch
mal was sagen könnte: Am 21. Januar
zum Beispiel ist Weltkuscheltag. Am 28.
Februar folgt der Weltkrokettentag. Am
16. März böte sich der Weltschlaftag an.
Ausgeruht geht es dann am 3. April in
den Welt-Party-Tag. Gut, den Welt-Nackt-
Gärtnern-Tag am 5. Mai schenken wir uns
– da kann es draußen noch ziemlich
frisch sein. Ein Pflichttermin ist dann aber
wieder der Weltbummeltag am 19. Juni.
Jochen Smets
Gratis-Floskeln zum Weltlehrertag
Brain Quickie
Eine Übung, die Sie jederzeit als kleinen Brain Quickie zwischendurch durchführen können: Denken Sie sich ein Wort aus.
Visualisieren Sie die Schreibweise und buchstabieren Sie es im Geiste rückwärts.
LÖSUNG AUFGABE 1: 12 · LÖSUNG AUFGABE 2: 1. SENF | 2. MANTEL | 3. SCHNITZEL | 4. KLAVIER | 5. OFEN | 6. HASE | 7. WASSER | 8. LEHRER
Verschlungene
Kreise
Zählen Sie, wie viele Kreise sich
hier ineinander verschlungen haben.
Vorgänger und Nachfolger
Ersetzen Sie die Buchstaben durch ihre jeweiligen Vorgänger oder Nachfolger im Alphabet, so dass sich sinnvolle Wörter ergeben.
Wie lauten die gesuchten Wörter?
Beispiel: GVU: F/
H U/W T/V
|
| Lösungswort: HUT
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lehrer nrw
1. TFMG 2. LBOSDK 3. RBGOJSYFM 4. LKZUHDQ
5. NEFO 6. GBRF 7. VBRTFQ 8. MDIQFS
AUFGABE 1:
AUFGABE 2:
Über Feedback zu meinen Gehirnjogging Übungen
würde ich mehr sehr freuen: mail@heike-loosen.de
Heike Loosen
AUFGABE 3:
HIRNJOGGING
Danke …
für Ihre Stimme bei der
Personalratswahl 2020