BRENNPUNKT
7
7/2024 ·
lehrer nrw
■
■Zuhören: Aktiv zuhören können,
das Gehörte verstehen, einordnen
und bewerten können.
■
■Rechnen und Problemlösen: Grundle-
gende mathematische Fähigkeiten, die
für den Alltag und das Berufsleben erfor-
derlich sind.
■
■Medienkompetenz: Die Fähigkeit, digi-
tale Medien zu nutzen und kritisch zu
hinterfragen, um selbstbestimmt in einer
zunehmend digitalisierten Welt zu agie-
ren, gerade auch vor dem Hintergrund
von Fake News und massiver Beeinflus-
sung zum Beispiel durch TikTok.
■
■Sozial-emotionale Kompetenz: Uner-
lässlich für ein gutes Miteinander und
eine aktive Teilnahme am gesellschaftli-
chen Leben.
Die Sicherstellung der Basiskompetenzen ist
von zentraler Bedeutung, da sie den Grund-
stein für alle weiteren Lernprozesse legt.
Nur wer diese grundlegenden Fähigkeiten
beherrscht, kann in komplexeren Bereichen
wie Wissenschaft, Technik oder Kunst erfolg-
reich sein.
Künstliche Intelligenz im
Unterricht: Chancen und
Herausforderungen
Die Einführung von Künstlicher Intelligenz
im Bildungswesen hat in den letzten Jahren
rasant zugenommen. KI-Technologien bie-
ten vielfältige Einsatzmöglichkeiten, die das
Lehren und Lernen verändern könnten. Sie
reichen von personalisierten Lernangeboten
bis hin zur Automatisierung administrativer
Aufgaben.
Personalisierung des Lernens
Eine der größten Chancen, die KI im Unter-
richt bietet, ist die Möglichkeit der persona-
lisierten Lernunterstützung. KI-Systeme kön-
nen den Lernfortschritt von Schülerinnen
und Schülern analysieren und individuelle
Lernpläne erstellen, die auf die jeweiligen
Bedürfnisse und Stärken zugeschnitten sind.
Dies kann insbesondere in heterogenen
Klassen von Vorteil sein, in denen Schülerin-
nen und Schüler auf unterschiedlichen Ni-
veaus starten. Hierbei ersetzt die KI nicht
die Lehrkraft. Durch die Nutzung der KI zum
Beispiel zur Erstellung von Lernmaterialien
auf unterschiedlichen Niveaus bleibt der
Lehrkraft mehr Zeit für die individuelle För-
derung und Unterstützung einzelner Schüle-
rinnen und Schüler. Des Weiteren kann die
KI Lehrkräfte bei der Übersetzung von Ar-
beitsmaterialien und Aufträgen unterstüt-
zen. In der heutigen Zeit kein unwesentli-
cher Vorteil – für Lehrkräfte und Schüler.
Förderung von Medienkompetenz
Die Integration von KI in den Unterricht
kann auch einen direkten Beitrag zur Förde-
rung der Medienkompetenz der Schülerin-
nen und Schüler leisten. Indem sie lernen,
mit KI-gestützten Tools umzugehen, erwer-
ben sie nicht nur technologische Kenntnisse,
sondern auch ein besseres Verständnis für
die Funktionsweisen und die ethischen Fra-
gestellungen, die mit Künstlicher Intelligenz
verbunden sind. Die Antworten der KI auf
Schülerfragen und -aufträge sind immer nur
so gut wie die Fragestellung. Hier lernen
Schülerinnen und Schüler, ihr Anliegen prä-
zise zu formulieren. Dennoch ist es unerläss-
lich, dass die Schülerinnen und Schüler bei
der kritischen Reflexion der Antworten einer
KI von den Lehrkräften zunächst eng unter-
stützt und auch in den weiteren Jahren be-
gleitet werden.
Ein Widerspruch oder
eine sinnvolle Ergänzung?
Auf den ersten Blick mag es widersprüchlich
erscheinen, die Stärkung der Basiskompe-
tenzen und den Einsatz von Künstlicher In-
telligenz im Unterricht miteinander zu ver-
einbaren. Denn Künstliche Intelligenz ist
eine hochkomplexe Technologie, die – so
könnte man meinen – vor allem im Bereich
der Fachkompetenzen und des Technologie-
verständnisses von Bedeutung ist. Die Frage
ist jedoch, inwieweit KI die Förderung von
Basiskompetenzen unterstützen kann. Tat-
sächlich gibt es Möglichkeiten, wie KI den
Erwerb von Basiskompetenzen begünstigen
kann. So gibt es etwa Lern-Apps, die speziell
auf die Verbesserung von Lese- und Schreib-
fähigkeiten ausgerichtet sind. KI-Algorith-
men können dabei nicht nur Fehler erken-
nen, sondern auch gezielt Übungen empfeh-
len, die dem individuellen Lernstand ent-
sprechen. Dasselbe gilt für Mathematik:
KI-gestützte Lernplattformen können Schü-
lerinnen und Schüler mit gezielten Übungen
unterstützen, die ihrem jeweiligen Wissens-
stand und ihren Lernbedürfnissen entspre-
chen.
Diese Anpassungsfähigkeit von KI-ge-
stützten Inhalten schafft somit mehr Frei-
räume für Lehrkräfte, sich auf die individuel-
le Förderung der Schülerinnen und Schüler
zu konzentrieren und diese gezielt zu unter-
stützen. Das ist gerade in dem Alter der
Schülerinnen und Schüler, in dem Basiskom-
petenzen erworben werden, von zentraler
Bedeutung. Wir alle wissen nur allzu gut,
wie wichtig die Schüler-Lehrer-Beziehung
für das Gelingen von Unterricht und das
Erreichen von Lernerfolgen ist. Dazu fehlt
nämlich leider im ‘normalen’ Unterrichtsall-
tag häufig die Zeit. Kein Wunder bei häufig
dreißig Schülerinnen und Schülern oder
mehr in einer Lerngruppe, Inklusion und In-
tegration. Auch mit Blick auf die sozial-emo-
tionale Kompetenz von Kindern und Jugend-
lichen sind und bleiben Lehrerinnen und
Lehrer unersetzbar.
Fazit: Keine Entweder-
oder-Lösung
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im
Unterricht ist keineswegs ein Widerspruch
zur Stärkung der Basiskompetenzen, son-
dern kann eine wertvolle Ergänzung sein.
Wenn Lehrkräfte in der Lage sind, KI als
unterstützendes Werkzeug zu nutzen, statt
sich von der Technologie überwältigen und
zum Lernbegleiter degradieren zu lassen,
kann sie zur Verbesserung der Unterrichts-
qualität und zur Stärkung der Basiskompe-
tenzen beitragen. Wichtig ist jedoch, dass
der Einsatz von KI nicht auf Kosten der pä-
dagogischen Prinzipien und der sozialen In-
teraktion im Unterricht geht. KI sollte die
Lehrkräfte nicht ersetzen, sondern sie unter-
stützen.
Sarah Wanders ist stellv. Vorsitzende des
lehrer nrw
sowie Vorsitzende des HPR Realschulen
E-Mail: wanders@lehrernrw.de