lehrer nrw ·
7/2021
14
TITEL
auf ihrem Lernpfad zur Seite stehen. So
zeigte sich beispielsweise, dass begabte
Lernende auf ihrem Weg zur Leistungsexzel-
lenz enorm von der Planung und Begleitung
durch Mentorinnen bzw. Mentoren profitie-
ren (Debatin et al., 2019; Hopp et al., 2020;
Stöger et al., 2021).
Die Unterstützung kann sowohl an fachli-
chen als auch an nicht-fachlichen Kompe-
tenzen ansetzen. Hinsichtlich fachlicher
Kompetenzen bieten sich Expertinnen und
Experten der jeweiligen Domäne an, welche
die Kinder mit ihrem Fachwissen unterstüt-
zen. In einer 1:1 Betreuung kann der Lern-
prozess auf das individuelle Aktiotop des
Kindes zugeschnitten werden (Stöger et al.,
2017). Mentorinnen und Mentoren können
ihren Mentees außerdem mögliche Karrie-
reentwicklungen aufzeigen und als Rollen-
bilder dienen (Eby et al., 2007; Ziegler et al.,
2009). Im Zusammenhang mit der Förde-
rung von Mädchen in MINT-Fächern zeigten
sich Erfolge hinsichtlich einer Veränderung
selbstbezogener Kognitionen (subjektiver
Handlungsraum) durch positive Rollenbilder
und das aktive Vorgehen gegen gesell-
schaftlich geprägte Stereotype (Ziegler et
al., 2010). Mentorinnen bzw. Mentoren kön-
nen auf dem Lernpfad beim Setzen und Ver-
folgen von Zielen zur Seite stehen. Dysfunk-
tionale Ziele können dadurch auch schneller
erkannt und neu gesetzt werden.
Für lange Zeit galt die Annahme, Begabte
seien motivierter als andere Lernende. Diese
These ließ sich so jedoch nicht bestätigen
(Ziegler & Stöger, 2009). Auch die Motivati-
on Begabter reicht allein nicht aus, um Lern-
pfade für einen langen Zeitraum zu verfol-
gen. Bei motivationalen Durststrecken müs-
sen daher aktiv externe Ressourcen zuge-
führt werden (Ziegler & Stöger, 2009). Auch
hier können Lernbegleiterinnen und -beglei-
ter eine entscheidende Unterstützung bieten
und zum langfristigen Erfolg Lernender bei-
tragen.
Da eine Beziehung zwischen Mentorin
bzw. Mentor und Mentee auf gegenseitigem
Vertrauen basiert (Ziegler et al., 2009), kann
eine für einen längeren Zeitraum stabile, po-
sitive zwischenmenschliche Erfahrung au-
ßerdem auch die Sozialkompetenzen Ler-
nender stärken.
2) Förderliches Feedback
im Lernprozess
Der Aufbau des Handlungsrepertoires funk-
tioniert in gewisser Weise wie ein Zyklus:
Zunächst werden entsprechende Ziele auf
einer nächsten Entwicklungsstufe gesetzt
und in folgenden Schritten alle weiteren
Komponenten entsprechend den Zielen an-
gepasst. Ist das gesetzte Ziel erreicht, gilt
es, das Handlungsrepertoire auf einer weite-
ren Stufe auszubauen und alle Komponen-
ten anzupassen usw. (Ziegler & Stöger,
2009). Dieser Weg der Entwicklung erfordert
gezielte, individuelle und informative Rück-
meldungen zum Lernprozess. Fehltritte müs-
sen schnell erkannt werden, um die Ausrich-
tung der Handlung korrigieren und damit
die Rückkehr zu effektiven Lernpfaden errei-
chen zu können. Die Rückmeldung kann,
wie oben bereits angemerkt, durch eine
Mentorin bzw. einen Mentor oder auch eine
Lehrkraft erfolgen. Auch hier ist es wichtig,
das gesamte System zu betrachten und die
Rückmeldung mit Maßnahmen zu verbin-
den, die das System sinnvoll ergänzen und
zu einer Optimierung der Funktionsweise
des Gesamtsystems führen.
3) Beratungsstellen
Da die Planung effektiver Lernpfade die Ba-
sis einer erfolgreichen systemischen Bega-
bungsförderung bildet, sollte an dieser Stel-
le auch die Zusammenarbeit mit professio-
nellen Anlaufstellen in Erwägung gezogen
werden. Basierend auf einem systemischen
Ansatz arbeitet beispielsweise die Landes-
weite Beratungs- und Forschungsstelle für
Hochbegabung (LBFH) an der Universität Er-
langen-Nürnberg. Im Anschluss an eine um-
fassende Diagnostik entwickelt sie im Rah-
men ihrer Beratung gemeinsam mit begab-
ten Lernenden und deren Eltern ausführlich
geplante, effektive Lernpfade (für eine um-
fassende Beschreibung, siehe zum Beispiel
Harder, 2012). Auch international finden
sich Angebote für eine umfangreiche Unter-
stützung. Auf vernetzter, europäischer Ebene
ist die Entwicklung effektiver Lernpfade bei-
spielsweise eine der Aufgaben des European
Talent Support Networks (ETSN).
1 Nach Ziegler (2005) beschreibt ein Aktiotop die Lebens-
welt des Individuums, in welcher es handelt und an wel-
che dessen Handlungen angepasst sind. Anhand des Ak-
tiotops lassen sich demnach Aussagen über die Hand-
lungsoptionen einer Person treffen.
DIE AUTOREN
Sarah Awad
(B.Ed.) ist wissen-
schaftliche Mitar-
beiterin und Dokto-
randin am Lehr-
stuhl für Pädagogi-
sche Psychologie und Exzellenzforschung
der Universität Erlangen-Nürnberg (FAU).
Sie war unter anderem in dem erfolg-
reich abgeschlossenen Drittmittelprojekt
’A Gifted Identification Kit for the United
Arab Emirates’ tätig und ist derzeit Mit-
gestalterin des Projekts ’World Gifted-
ness Center’ der FAU. Ihre Forschungsin-
teressen sind Begabungsidentifikation
und -förderung, Kreativitätsförderung,
Embodied Cognition sowie verbale und
nonverbale Kommunikation.
Prof. Dr. Albert
Ziegler ist Inhaber
des Lehrstuhls für
Pädagogische Psy-
chologie und Exzel-
lenzforschung an
der Friedrich-Alexander-Universität Er-
langen-Nürnberg. Er ist unter anderem
Generalsekretär der Internationalen Be-
gabungsforschervereinigung (Internatio-
nal Research Association for Talent
Development and Excellence; IRATDE),
Herausgeber verschiedener Schriftenrei-
hen (zum Beispiel Talentförderung –
Expertiseentwicklung – Leistungsexzel-
lenz; Lehr-Lern-Forschung) sowie wissen-
schaftliches Beiratsmitglied verschiede-
ner nationaler Forschungs- und Bera-
tungszentren (zum Beispiel Deutsche
Gesellschaft für das hochbegabte Kind;
Deutscher Philologenverband; Verband
deutscher Realschullehrer).