lehrer nrw · 
7/2019
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UNTER DER LUPE / MAGAZIN
Nehmen wir einmal an, wir würden uns für die grund-
sätzliche Strategie des Raushaltens entscheiden. Was hieße 
das? Unser Gegenüber sagt etwas – wir stimmen sofort zu, 
erst nach einem Nachdenken zu, verzögert zu, wir schwei-
gen, wir entfernen uns lokal? Wir lächeln und schütteln 
freudig die Hand nach ein paar freundlichen Floskeln? 
Erbärmlich, oder? Das führt aber auf jeden Fall nicht zu 
unliebsamen Auseinandersetzungen – versprochen. Was 
macht das mit einer Gesellschaft? 
 
  Die geistig entleerte Gesellschaft 
 
Wir verarmen! Wir entleeren uns geistig! Wir bemühen uns, 
unbedarft zu werden und lassen die erlebte Vielfalt in unse-
rer Gesellschaft verdorren! Dafür liegen wir dumm und be-
glückt in den Armen eines vermeintlichen, aber unechten 
Verständnisses füreinander, das wie weggeblasen ist, so-
bald unser Gegenüber aus unseren Augen und Ohren und 
damit unseren einzigen noch übrig gebliebenen Sinnen ent-
schwunden ist. Zurück bleibt – nichts! Naja, im besten Fall 
wie nach zu viel Alkohol – ein schaler Geschmack, der ein 
paar Stunden nachwirken kann. Für die Zukunft ein leichtes 
Winken mit der Hand so über die Straße hinweg. Eine Mei-
nungsvielfalt wird damit jedoch definitiv verhindert. Eine 
Auseinandersetzung in der Sache und ein tiefes Interesse 
an der Meinung des anderen Menschen sind nicht mehr 
möglich. 
 
  Die Vernichtung der Vielfalt … 
 
Ich lese zurzeit ein kleines interessantes, sehr lesenswertes 
Reclam-Heftchen mit dem Titel ‘Die Vereindeutigung der 
Welt’ von Thomas Bauer, Untertitel: ‘Über den Verlust an 
Mehrdeutigkeit und Vielfalt’. Darin zeigt er auf, wie die Viel-
falt in der Natur deutlich zurückgeht. Seine Sichtweise ist 
die, dass mit den Einschränkungen der Vielfalt in der Natur 
auch die des Menschen verbunden ist. Bauer spricht von ei-
ner Tendenz zu einem Weniger an Vielfalt, einem Rückgang 
an Mannigfaltigkeit. Als Ursachen dafür nennt er die Ver-
städterung, die größere Mobilität, die Globalisierung über-
haupt, die Belastung durch den Verkehr, die industrialisierte 
Landwirtschaft, den Klimawandel, die Monopole der großen 
Lebensmittelkonzerne – die kapitalistische Wirtschaftswei-
se. Den Menschen sieht er heute mit einer Disposition zur 
Vernichtung der Vielfalt. Die Bereitschaft zur Vielfalt sei 
dem Menschen abhandengekommen. Wir sind unwillig, so 
Bauer, die Vielfalt zu ertragen, zum Beispiel die Vielfalt eth-
nischer Diversitäten, die Vielfalt von Lebensentwürfen und 
die vielfältiger Wahrheiten. 
 
  … und das Erstarken 
des Fundamentalismus 
 
Die Welt sieht er heute uneindeutig – das kann der Mensch 
kaum ertragen, die zahlreichen Möglichkeiten einer jeweili-
gen Interpretation erscheint vielen Menschen unklar, diffus, 
sich widersprechend. Bauers Aussage lautet: Die Welt ist 
voll von Ambiguität. Der Mensch kann alles so oder anders 
sehen oder deuten. Uns fehlt in seinen Augen eine Ambigui-
tätstoleranz, die jedoch dringend notwendig ist, um Schlim-
meres zu verhindern, nämlich die Vereindeutigung der Welt, 
wie sie der Fundamentalismus betreibt oder gar die Gleich-
gültigkeit gegenüber der Welt! 
Ich glaube, dass auch in Schule unsere Ambiguitätstole-
ranz geschult werden kann, unsere eigene und die unserer 
Schülerinnen und Schüler. Das wird in keinem einzigen Fall 
von Nachteil sein. Der Fundamentalismus in der Welt 
wächst überall – in diesem Sinne eine Vereindeutigung der 
Welt zu verhindern, kann für uns Lehrer eine Lebensaufga-
be sein oder werden! 
Packen wir es an – überall dort, wo wir leben.
Brigitte Balbach ist Vorsitzende des 
lehrer nrw
 
E-Mail: info@lehrernrw.de
Schulen gegen Diskriminierung  
 
Immer wieder sind Herkunft, Religion, Ge-
schlecht, sexuelle Identität oder Behinde-
rung Anlass für Diskriminierung an Schulen. 
Dagegen wendet sich der Wettbewerb 
fair@school.
M
it dem Wettbewerb fair@school wol-
len der Cornelsen-Verlag und die Anti-
diskriminierungsstelle des Bundes Schulen 
würdigen, die sich erfolgreich gegen Aus-
grenzung und Diskriminierung im Klassen-
zimmer oder auf dem Schulhof stark ma-
chen. Ausgezeichnet werden Schulprojekte, 
die sich für ein gelungenes Miteinander ein-
setzen. Als Gewinne winken Geldpreise in 
Höhe von 1.000 Euro bis 3.000 Euro. Die 
Gewinnerteams werden zusätzlich zu einer 
festlichen Preisverleihung nach Berlin einge-
laden. 
Unter 
www.fair-at-school.de können 
bis zum 31. Januar 2020 Projekte für mehr 
Fairness an Schulen eingereicht werden. 
Teilnehmen kann, wer sich an einer allge-
mein- oder berufsbildenden Schule in 
Deutschland für Vielfalt stark macht. Alle 
Zusendungen werden vom Zentrum für Bil-
dungsintegration (ZBI) der Stiftung Universi-
tät Hildesheim begutachtet und von einer 
zehnköpfigen Fachjury bewertet.
Foto: AdobeStock/phloxii