Von „Snack News“ bis „Fake News“
Der 53. Mülheimer Kongress war einmal mehr ein voller Erfolg. Knapp 100 Teilnehmende erlebten eine gelungene Mischung aus Unterhaltung, Fachinformation und vielen Möglichkeiten zum Netzwerken.
„Generation Social Media“ lautete das Motto des Kongresses, der sich diesmal schwerpunktmäßig mit den Chancen und Risiken der sozialen Medien befasste. Zunächst stand aber die neue Schulministerin im Mittelpunkt: Dorothee Feller war zum ersten Mal bei lehrer nrw zu Gast und wurde herzlich empfangen. Nach der A13-Entscheidung der Landesregierung hatte die Ministerin keine weiteren „Wohltaten“ im Gepäck, kündigte aber an, dass die schwarz-grüne Koalition die multiprofessionellen Teams an den Schulen stärken und weitere Stellen für Schulverwaltungsassistenten schaffen wolle. Sie würdigte die Leistung der Lehrkräfte und forderte mehr Wertschätzung für Lehrerinnen und Lehrer – dies sei aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Nach dreijähriger Corona-Zwangspause war die Big Band der Erich-Klausener-Realschule Herten endlich wieder in Mülheim dabei. Die Schülerband, die sicht- und hörbar Spaß am Spielen hatte, begeisterte das Publikum mit wuchtigem Sound und präsentierte Pop-Klassiker und aktuelle Chart-Hits von „Don’t stop me now“ bis „Treasure“ in mitreißenden Big Band-Arrangements.
Snack News auf Social Media
Das Hauptthema des Kongresses – „Generation Social Media“ – beleuchteten Dr. Svenja Schäfer (Universität Wien) und Nora Denner (Universität Mainz) aus wissenschaftlicher Perspektive. Das Social Media als Nachrichtenquelle häufig nicht zu Wissen, sondern zu einer Wissensillusion führt, arbeitete Schäfer prägnant heraus. Das Problem: In populären Social Media Plattformen wie Instagram oder TikTok konkurrieren Nachrichten meist mit anderen, unterhaltsameren Angeboten. Salopp formuliert, buhlen beispielsweise News zum Klimawandel gegen Katzenvideos um die Aufmerksamkeit der Nutzer. Nachrichten würden daher meist nur als Teaser angerissen. Die Folge seien eine gewisse Oberflächlichkeit und eine geringe Informationsdichte. So führten viele Nachrichtenposts zu einem falschen Gefühl der Informiertheit. Schäfer sprach von „Snack News“, die eine Wissensillusion erzeugten. Nachrichten auf Social Media könnten durchaus politisches Interesse bei jungen Menschen wecken oder fördern. Aber: „Social Media News sind Snacks und kein Hauptgang“, betonte die Wissenschaftlerin. Eminent wichtig sei daher die Förderung der Medienkompetenz.
Soziale Medien als Treiber von Desinformation
Auswüchse des Kampfes um die öffentliche Meinung und um die Gunst des Publikums sind Fake News und Verschwörungstheorien, wie Nora Denner in ihrem Vortrag deutlich machte. Die Diskreditierung kritischer Medien und die Verbreitung von Falschinformationen gehen dabei häufig Hand in Hand. Der Präsidentschaftswahlkampf 2016 in den USA, der Donald Trump an die Macht brachte, sei dafür ein Beispiel. Desinformation hat aber auch etwa im Zusammenhang mit der Brexit-Entscheidung oder der Corona-Pandemie eine wesentliche Rolle gespielt.
Soziale Medien seien ein Treiber von Desinformation, weil sie in kürzester Zeit sehr viele Menschen erreichen und weil im Prinzip jeder zum Produzenten oder Verbreiter von Fake News werden könne, erklärte Denner. Die Gatekeeper-Funktion des Journalismus falle in sozialen Medien weitestgehend weg. Dies bedeute einerseits eine Demokratisierung des Nachrichtenflusses, aber anderseits eben auch die Gefahr von Manipulation und Desinformation. Und weil die den Social Media Plattformen zugrunde liegenden Algorithmen das Nutzungsverhalten aufgreifen und widerspiegeln, bekommen Fake News vielfach eine selbstverstärkende Wirkung und damit eine scheinbare Relevanz. Auch Denner sprach das Thema Medienkompetenz an, um Fake News etwas entgegenzusetzen. Es sei wichtig, Social Media News zu hinterfragen und die Quelle kritisch zu prüfen.
Von Ulbricht zu Trump
Auf humoristische Weise näherte sich der Kabarettist Thomas Schreckenberger dem Thema an. Er präsentierte Auszüge aus seinem Programm „Nur die Lüge zählt“ und nahm die Glaubwürdigkeit der Politik aufs Korn: von Ulbrichts „Niemand-hat-die-Absicht-eine-Mauer-zu-errichten“-Satz bis zu Donald Trump, mit dem Amerika „den größten Lügner aller Zeiten“ zum Präsidenten gewählt habe. Das Problem mit Fake News und Verschwörungstheorien in sozialen Medien brachte Schreckenberger so auf den Punkt: „Deppen gab es schon immer – aber heute vernetzen sie sich im Internet.“
Ausblick auf den MüKo 2023
Zum Abschluss des von Thorsten Schmalt wieder ebenso kurzweilig wie empathisch moderierten 53. Mülheimer Kongresses gab der lehrer nrw-Vorsitzende Sven Christoffer einen Ausblick auf die 54. Auflage der Traditionsveranstaltung im kommenden Jahr. 2023 wird der Kongress wieder als zweitägige Veranstaltungen durchgeführt, und zwar am 22./23. November. Zum Thema „Bildung – gestern – heute – morgen“ haben drei hochkarätige Referenten bereits jetzt zugesagt: der Integrationsforscher Aladin El-Mafaalani, der Bildungswissenschaftler Prof. Jochen Krautz und der Pädagogik-Professor Olaf-Axel Burow.
Jochen Smets
Fotos vom 53. Mülheimer Kongress