Andreas und Oliver (Oliver, bekannt für seinen Spruch: „Habt Ihr alles verstanden?“), die beiden gut gelaunten „Püttmänner“ oder „Kumpel“ mit weißen Steigerschutzhelmen, begrüßten uns mit „Glück auf!“, dem bergmännischen Gruß und führten uns nach unserer Ankunft auf dem alten Zechengelände von „Recklinghausen 2“ zunächst in die „Waschkaue“ (wo sich eigentlich die Bergleute umkleiden). Hier in dem Trainingsbergwerk ist dies aber nur ein einfacher enger Raum, in dem wir unsere Jacken oder Mäntel gegen einen weißen Schutzmantel eintauschten und außerdem das Wichtigste für den Besuch des „Bergwerks“, einen nach Kopfgröße einstellbaren gelben oder roten Sicherheitshelm aufsetzen mussten.
Nach dem für uns wichtigen Beweis- und Gemeinschaftsfoto vor der Kipplore draußen auf dem Gelände ging es dann in „den Stollen“, der hier nicht unten in 700-1200 m Tiefe ist, sondern der Einfachheit halber für uns sehr bequem hinter einem Eisentor am Grund der „Bergehalde“ oder auch „Abraumhalde“ der ehemaligen Zeche zu erreichen ist, also zu ebener Erde liegt. Diese Halde ist aus dem Abraum = dem Nebengestein beim Streckenvortrieb entstanden, als die Zeche in den Jahren ab 1870 als Zeche Clerget (einem ursprünglich Belgischen Betrieb) angelegt worden ist (bergmännisch: „geteuft“ wurde, also in die Tiefe getrieben wurde und nicht wie Oliver uns zu verstehen geben wollte verteufeln, dem Teufel entgegen!). Später wurde im Volksmund statt des unaussprechlichen französisch auszusprechenden Namens Clerget nur noch der Name „Recklinghausen 2“ benutzt.
Im Laufe der Zeit hat sich das Gestein in der Halde verdichtet und man legte im zweiten Weltkrieg hier in der Halde Schutzräume für die Bergleute und Bewohner aus der Nachbarschaft als Lazarettbunker und als Luftschutzbunker an. Oliver: „Habt Ihr das alles verstanden?“ Als brave Lehrer, die immer gut zuhören, sagten oder brummten wir alle: „Ja natürlich.“
Dort im Inneren der Halde betraten wir einen Vorführraum, der in der Form eines großen Bergstollens (das ist der Gang in jeder „Sohle“ = jedem Stockwerk untertage) mit gebogenen Eisenstützen – gewölbeähnlich – angelegt war. Hier machte uns zunächst Oliver mit den Gegebenheiten in diesem Trainingsbergwerk vertraut, angefangen mit der Tatsache, dass man sich untertage immer duzt.
Er berichtete, dass die Zeche selber nach der Teufe auf 225 m Tiefe ab 1875 endlich Kohle fördern konnte und die Belegschaft auf etwa 3100 Mann wuchs und dann in guten Zeiten eine Förderung von 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr erreichte. (Oliver: „Habt Ihr das alles verstanden?“) Dann wurde ein Film aufgeführt, der das Einrichten von Bergwerken, den Streckenausbau und den Abbau mit allen möglichen Maschinen im Bergbau zeigte. Wir sollten die originalen Maschinen später selber sehen!
1975 wurde dieser ehemaligen Bunker in der Bergehalde erweitert, und es entwickelte sich dann hieraus ein Lehrbergwerk für die Belegschaft der heutigen RAG Deutsche Steinkohle. (Oliver: „Habt Ihr das alles verstanden?“) Ein Streckennetz von über 1.200 Meter Länge wurde ausgestattet mit den unterschiedlichen Gewinnungseinrichtungen, Streckenvortrieben und einem Schacht, sodass die Untertagewelt in beachtlicher Weise wirklichkeitsgetreu dargestellt wurde und für alle Lernenden der verschiedensten Untertageberufe als ungefährlicher Lernort zur Verfügung stand.
Wegen der trockenen Luft hier im Stollen wurde uns nach der theoretischen Einführung eine kurze Kaffeepause an der dafür extra angelegten Kaffeestation eingelegt.
Dann ging es an die „Arbeit“: Oliver und Andreas erklärt die Maschinen, und wir Teilnehmer durften sie bedienen.
Aber zuvor wurden wir an einer Ecke des Weges (im Bergbau werden Ecken „Stoß“ genannt) auf die Barbara-Ecke mit einer bildlichen oder figürlichen Darstellung der Hl. Barbara mit einem „ewigen“ Licht aufmerksam gemacht. Sie ist ja die Schutzheilige des Bergleute, der Feuerwehr, der Dachdecker und auch der Türmer. Sie ist in jedem Bergwerk immer in der Nähe des Schachtes zu finden. Vor ihr verneigen sich alle Bergleute.
Hier im Trainingsbergwerk sind die wichtigsten Maschinen und Einrichtungen von der Kohlegewinnung über Anfahrt und Transport bis hin zu den Kommunikations- und Steuerungseinrichtungen auf engem Raum aufgebaut und werden zum Training benutzt. Hier konnten die Lehrgangsteilnehmer neben der Theorie in unmittelbarer Nähe die praktische Anwendung für die Originale in den wirklichen Bergwerken der Region trainieren.
„Untertage“ führten Oliver und Andreas uns diese Maschinen vor, welchem Zwecke sie dienten und was mit ihnen gemacht werden kann. Alle Geräte durften einige unserer Teilnehmer mit Hilfe von Andreas und Oliver bedienen, sie in Gang setzen, sie fortbewegen, z. B. die Dieselkatze, ein Transportmittel für Kohle als Einschienen-Hängebahn, die „Laufkatze“ oder eine Draisine für zwei Personen, als fahrradähnlichem Fortbewegungsmittel auf den Schienen auf „Grund“ und Riesenbohrmaschinen für den Streckenvortrieb.
Ferner erklärten uns die beiden stolzen Bergmänner die verschiedenen Stollen-Ausbauarten unter Tage. Und schließlich erlebten wir die langen Schrämmaschinen in Ihrer Wirkungsweise im Streb: Sogenannte Kohlenhobel, die an dicken Ketten gezogen am Kohleflöz entlang fahren und die Kohle Schicht für Schicht abtragen und auf Förderbänder fallen lassen. (Oliver: „Habt Ihr das alles verstanden?“)
Wir sahen auch die Schutzmaßnahmen z. B gegen „schlagende Wetter“ mit den wassergefüllten Explosionssperren oder den deutlich sichtbar gemachten Schleifliegen zum Transport von Verletzten auf dem Grund .
„Bis 1974 wurde auf der Schachtanlage Recklinghausen 2 Kohle gefördert, danach diente die Zeche bis 1988 nur noch der Material- und Seilfahrt. Nach dem Abriss der meisten Tagesanlagen wurde die Zechenbrache 1999 vom damaligen Kommunalverband Ruhrgebiet (heute Regionalverband Ruhr), erworben.
Das Fördergerüst, das wir nur von weitem sehen konnten, gehört in die Kategorie „Deutsches Strebengerüst“ und ist gänzlich aus Eisenträgern hergestellt und mit vier Förderrädern versehen, da die Grube eine Doppelgrube war. Es war früher das Zentrum der gesamten Zechenanlage.
Zum Abschluss konnte sich jeder, der Interesse daran hatte, ein kleines Tütchen mit Anthrazitkohlebröseln von der letzten Zeche in Ibbenbüren aus einer Kiste zur Erinnerung an den Kohlebergbau füllen.
Nach fast drei Stunden interessanter Erfahrungen fuhren wir dann zum Hotel Bergedick in Hochlarmark zum wohlverdienten Mittagessen. Hier konnten wir uns in gemütlicher Runde über das Erlebte austauschen und Überlegungen zu kommenden Veranstaltungen für uns Senioren anstellen.
Konrad Dahlmann