Im Frühjahr 2020 hatte ich in unserer Verbandszeitschrift die Hoffnung geäußert, dass der enorme Einsatz der Lehrkräfte im Distanzlernen das Lehrerbild in der Öffentlichkeit nachhaltig verbessern würde. Knapp ein Jahr später muss man sagen, dass sich dieser Wunsch nicht wirklich erfüllt hat. Und das liegt nicht zuletzt an der Berichterstattung in den Medien.

Im Mai 2020 bezeichnete der Moderator Frank Plasberg in seiner TV-Sendung ’Hart aber fair’ engagierte Lehrkräfte als »Exoten im Übungsblattzeitalter«. Er ätzte, dass er bei den Lehrern nicht den Eindruck gehabt habe, »dass sie es so eilig haben, den Präsenzunterricht wieder stattfinden zu lassen«. Auch kritisierte Plasberg, dass viele Lehrkräfte den Brückentag zu Himmelfahrt nahmen – anstatt als Symbol dennoch zu unterrichten. Immer wieder konfrontierte er den VBE-Bundesvorsitzenden Udo Beckmann mit Zuschriften erboster Eltern, nach denen Lehrkräfte im Distanzlernen nicht erreichbar gewesen seien oder sich nicht genügend um ihre Schüler gekümmert hätten. Das war nicht hart aber fair, sondern populistisch und unfair.

Das Skandalisieren des Einzelfalls ist quotenwirksam

Die Sendung ist ein Paradebeispiel dafür, dass sich Medien vom Skandalisieren des Einzelfalls eine bessere Quote versprechen als von einer sachlichen Berichterstattung. Der überwiegende Teil der Lehrerschaft hat nach dem Lockdown im Frühjahr mit viel Engagement und Improvisationstalent die Bildungsarbeit in unserem Land aufrechterhalten. Dieser Umstand war aber offensichtlich nicht spektakulär genug, um medial gewürdigt zu werden.

Als sich Familienminister Joachim Stamp im Sommer zu der Aussage verstieg, dass manche Lehrer abgetaucht seien und es sich im Lockdown etwas bequemer eingerichtet hätten, stürzte sich die Medienlandschaft auf dieses unsägliche Lehrer-Bashing. Schnell war der Bogen gespannt zu Altkanzler Schröder, der Lehrer seinerzeit als »faule Säcke« bezeichnet hatte. Es ging unter, dass Stamp im gleichen Atemzug Folgendes geäußert hatte: »Ich habe erlebt, dass es unglaublich viele Lehrerinnen und Lehrer gab, die mit sehr, sehr viel Kreativität versucht haben, diese schwierige Phase zu überwinden und wirklich auch mit täglichem Kontakt die Schülerinnen und Schüler weiter zu unterrichten und die Lerninhalte zu vermitteln.« Für die Medien war es aber offensichtlich zielführender, gängige Lehrerklischees zu transportieren…

»Die Lehrer müssen einsehen, dass in der Krise ein Extrabeitrag notwendig ist«

So lautete der Titel eines Kommentars im Handelsblatt vom 15. November 2020, in dem der Autor forderte, die Schulen um jeden Preis offen zu halten. Dem Journalisten drängte sich der Verdacht auf, dass hinter Lehrerverbandsfunktionären, die Schulschließungen forderten, »nicht nur um ihre Gesundheit besorgte Lehrer stehen, sondern auch solche, denen der ganze Aufwand mit den Masken und der Lüfterei in den Klassenzimmern schlicht zu viel ist.« Lehrer sollten helfen, das Ansteckungsrisiko zu minimieren, indem sie mehr arbeiteten: Klassen könnten geteilt und je zur Hälfte vormittags und nachmittags unterrichtet werden. Teilzeitkräfte sollten kurzfristig in Vollzeit gehen: »Würde nur ein kleiner Teil unserer ausgesprochen gut bezahlten Lehrer sich dazu bereitfinden, bis zum Ende der Pandemie ihr Deputat aufzustocken – der Dank und Respekt der Republik wären ihnen gewiss.«

Der gesamte Artikel besteht aus haltlosen Unterstellungen, bedient populistische Vorstellungen und ist von Unkenntnis in der Sache geprägt. Vielleicht sollten sich Journalisten einer Wirtschafts- und Finanzzeitung besser auf Themen fokussieren, in denen sie über die notwendige Expertise verfügen…

Es gibt aber auch positive Beispiele

Beim Online-Dienst nordbayern.de bin ich auf einen Kommentar der Journalistin Christine Thurner gestoßen, der erfreulich differenziert ist und sich wohltuend von der üblichen Sensationsberichterstattung abhebt: »Natürlich gibt es auch unter den Lehrern – wie in jedem Job – Drückeberger und Faule. Übersehen werden die anderen: Die einem Dutzend Kinder ohne technische Ausstattung jede Woche die Arbeitsmaterialien an die Haustür bringen, die im Freundeskreis hausieren gehen, um alte Laptops für ihre Schüler aufzutreiben, und die sich mit aller Macht dagegen stemmen, dass Corona die soziale Kluft in ihren Klassen nicht noch vertieft. Die meisten geben unter schwierigen Bedingungen ihr Bestes.«

Bei der Kernbotschaft gekürzt

Im Dezember bin ich von einem Journalisten um ein Statement für einen Zeitungsartikel zum Thema ’Lehrkräfte in der Corona-Krise’ gebeten worden. Meine Kernbotschaft am Ende des Statements lautete: »Ärzte und Pflegepersonal halten das Gesundheitswesen am Laufen, Lehrkräfte trotz steigender Infektionszahlen und sinkender Temperaturen das Bildungswesen. Sie überwinden Tag für Tag eigene Sorgen und Ängste, um ihren Schülern Halt und Struktur zu geben. Ich würde mir wünschen, dass dieser Einsatz in der Öffentlichkeit mehr gewürdigt würde.« Ironischerweise haben viele meiner Aussagen Eingang gefunden in den Zeitungsartikel, die Kernbotschaft jedoch nicht. Wahrscheinlich war sie zu wenig skandalös…

Sven Christoffer

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