Rund zweihundert Vertrauenslehrer stimmten sich beim Vertrauenslehrertag im Düsseldorfer Nikko Hotel auf die Personalratswahlen 2016 ein. Sie erlebten ein spannendes Programm mit Informationen, Musik und Bewegung. Höhepunkt war der Vortrag des Berliner Jugendforschers Prof. Dr. Klaus Hurrelmann.

Lehrkräfte sind heute großen Herausforderungen und großen Belastungen ausgesetzt. Inklusion, Integration und der Umbau der Schullandschaft seien hier nur schlaglichtartig als Beispiele für aktuelle Großbaustellen im System Schule genannt. Das Fatale: »Bei allen drei Baustellen fehlen räumliche, sächliche, finanzielle und personelle Ressourcen. Wir Lehrer drohen auf der Strecke zu bleiben«, sagte die Verbandsvorsitzende Brigitte Balbach in ihrer Rede zum Auftakt. »Oft haben wir den Eindruck, dass die neuen Ideen zwar im Schulministerium geboren werden, die Umsetzung jedoch vollkommen uns selbst überlassen wird.«

Starke Gemeinschaft mit politischer Schlagkraft

Gerade hier biete lehrer nrw als Verband zum einen eine starke Gemeinschaft, die den Mitgliedern Halt gibt, und zum anderen eine schlagkräftige Organisation, die den Belangen der Lehrkräfte in den Personalräten und im Landtag Gehör verschafft. lehrer nrw sei in den letzten Jahren zu einem Markenzeichen geworden, das für klare Aussagen im bildungspolitischen Diskurs stehe, betonte Balbach: »Wir können die Politik nicht allein ändern, aber wir arbeiten daran, Korrekturen anzubringen. Das gelingt uns zunehmend und wird von außen wahrgenommen.«

Schülergenerationen

Einen faszinierenden Einblick in Werte, Verhaltensmuster, Sorgen, Ängste und Hoffnungen von Schülergenerationen in den letzten Jahrzehnten gab der Berliner Professor Klaus Hurrelmann (Hertie School of Governance). Die Nachkriegs-Generation, die 68er, die Babyboomer, die Generation X – alle hatten ihre spezifischen Merkmale, erläuterte der Jugendforscher. Aktuell sei die ‘Generation Y’ an den Schulen und an der Schwelle zum Berufsleben. Das englische ‘Y’ lehnt sich dabei an die Vokabel ‘why’ an und ist ein Synonym für die verbreitete Unsicherheit in dieser Altersgruppe der 1985 bis 2000 Geborenen. Eine globale Wirtschaftskrise, Terroranschläge, globale Kriege oder Umweltkatastrophen wie Fukushima haben Spuren hinterlassen, so Hurrelmann. In kaum einer Generation sei die Angst vor sozialem Abstieg und Statusverlust so hoch, erklärte der Jugendforscher. Gleichzeitig sei die Generation Y die erste, die digital groß geworden ist und viele Chancen im digitalen Wandel sehe. Diese Gemengelage führe dazu, dass diese Altersgruppe sich oft taktierend und opportunistisch verhalte und frühe Festlegungen meide. Charakteristisch dafür seien Widersprüche, mit denen die Generation Y zu leben gelernt hat: Sicherheit versus Freiheit und Erfüllung, Bindung versus Individualität, Optimismus versus tiefe Ängste.

»Lehrerrolle wird überdehnt«

Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Schule: »Man möchte etwas lernen, aber Inhalte spielen keine so große Rolle. Was zählt, ist der Abschluss.« Hurrelmann bezeichnete das als ‘Zertifikat-Orientierung’. Über allem stehe das Abitur, das als eine Art Universal-Ticket für Leben und Beruf gesehen werde. Abitur-Fixiertheit, Unsicherheit und häufig instabile Elternhäuser wirken dabei tief in den Schul- und Lehreralltag hinein. »Die Lehrerrolle wird heute überdehnt«, diagnostizierte Hurrelmann. Vor diesem Hintergrund empfahl er multiprofessionelle Teams an den Schulen, um Lehrkräfte zu entlasten und den Kern des Lehrerseins wieder freizulegen.

»Move to change!«

‘Kraft tanken im Lehreralltag’ war insofern ein passendes Anschlussthema. Jimmy Little (kein Künstlername!), Gastdozent an der Kölner Sporthochschule, eröffnete seinen Auftritt mit einem besorgniserregenden Umfrageergebnis: Jede fünfte Lehrkraft glaubt demnach, aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht bis zur Pensionierung im Dienst bleiben zu können. Auf sehr kurzweilige Weise brachte Little dem Publikum kleine Entspannungstechniken nahe, die sich sehr unkompliziert und fast unbemerkt in den Alltag einbauen lassen.

Nach der Entspannung für den Körper gab es Entspannung für die Ohren: Die Jazz-Band ‘Milchkännchen’ präsentierte ebenso virtuos wie witzig eine kleine Jazz-Revue.

Schlagkräftiges Team

Sven Christoffer erläuterte abschließend das Prozedere der Personalratswahlen, die in das Finale am 15. Juni 2016 münden (siehe auch den ausführlichen Bericht auf Seite 4 bis 5). lehrer nrw tritt mit einem schlagkräftigen und selbstbewussten Team im Bereich Realschulen und Gesamtschulen an. Jochen Smets

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