Mit einer großen Werbekampagne will Schulministerin Yvonne Gebauer neue Lehrkräfte gewinnen. Sie wird über alle modernen Kommunikationskanäle laufen und spricht naturgemäß junge Menschen an, die vor der Berufswahlentscheidung stehen. Ob aber Slogans wie »Job mit Pultstatus« oder »Ein Leben lang Influencer – Kannste haben!« junge Leute für den Lehrerberuf begeistern, darf bezweifelt werden. Andere Stellschrauben, zum Beispiel bessere Rahmenbedingungen oder eine zeitgemäße Besoldung (A13!), kamen in Gebauers Auftakt-Pressekonferenz kaum oder gar nicht vor.

Der Lehrermangel in Nordrhein-Westfalen wird seit langem diskutiert und beklagt. Mittelfristig wird er noch weiter zu nehmen. Die Ministerin stellte zum Start der Werbekampagne auch eine Lehrerbedarfsprognose für die nächsten zwanzig Schuljahre bis 2039/2040 vor. Sie soll regelmäßig aktualisiert werden und Aufschluss über den Einstellungsbedarf geben. Während es für Gymnasien und Gesamtschulen (Sekundarstufe II) gar einen Bewerberüberhang gibt, ist der Lehrermangel an Grundschulen, Haupt-, Sekundar- und Realschulen eklatant. Hier räumte Gebauer ein, dass insgesamt rund 15000 Lehrkräfte fehlen.

Der Handlungsdruck ist also offenkundig. In einigen Bundesländern wird der Bedarf an Lehrkräften bereits zu mehr als fünfzig Prozent über so genannte Seiteneinsteiger gedeckt. Das ist keine gute Entwicklung, entwertet sie doch die professionelle Ausbildung und erfordert zumindest eine qualifizierte Fortbildung dieser Kollegen.

 

Lehrer als ’Influencer’?

Die nun von Gebauer aufgelegte Kampagne will junge, qualifizierte Menschen begeistern, den Lehrerberuf zu ergreifen. Dabei soll das Image des Lehrerberufes verbessert werden. Ein gutes und lohnendes Ziel. Doch leider ist das Ergebnis dieser Kampagne sehr ernüchternd. Anbiedernd an eine vermeintliche Jugendkultur in der Sprache und im Layout kommen die Plakate daher. Inhaltlich stellen sie Falsches in den Vordergrund. Ein Begriff wie ’Influencer’ deutet ein Verständnis der Lehrerrolle an, das verkürzt und falsch akzentuiert ist. Das entspricht keinem aktuellen pädagogischen und didaktischen Diskurs. Doch wie hätte man es anders machen können? Wie lauten die Attribute, die man in den Vordergrund hätte stellen können: fachlich bestens ausgebildet, dadurch Experte, beziehungskompetent, humorvoll, gelassen und souverän, belastbar, weil immer neue Anforderungen an den Lehrer gestellt werden.

Stattdessen die Anbiederung an vermeintlich humoristische Anleihen im ’Fack ju Göhte’-Stil. Selbst die ’Bild’-Zeitung titelte mit diesem Vergleich und attestierte der Kampagne eine ’Dumm-Deutsch’-Sprache.

 

Was wirklich nötig ist

Jenseits einer solchen Kampagne, die laut Medienberichten allein in diesem Jahr zwei Millionen Euro kostet, gäbe es andere Stellschrauben, um den Lehrerberuf attraktiver zu machen. Natürlich sind die Arbeitsbedingungen ganz wesentlich. Hierzu gehören sicherlich die Besoldung, Arbeitszeiten, ein gutes und gesundes Arbeitsumfeld, ein transparentes und leistungsorientiertes Beförderungssystem. Hier gilt es, nachhaltige und stetige Verbesserungen anzustreben, aber auch auf bereits Gutes in diesem Bereich hinzuweisen.

Hinzuweisen wäre auch auf Aspekte, die bereits sehr attraktiv sind am Lehrerberuf. Die große gesellschaftliche Verantwortung und Relevanz sowie die Sicherheit, die der Beamtenstatus für die meisten Kollegen mit sich bringt. Das befriedigende Gefühl, eine wichtige Tätigkeit für unsere Gesellschaft auf der Basis hoher Professionalität ausüben zu können. Dieses Selbstbild würde die Wertigkeit des Lehrerberufes erhöhen. Denn hier stehen Lehrer anderen Berufsgruppen wie Ärzten, Richtern und Anwälten in nichts nach. Und dieses Selbstbewusstsein dürfen wir haben.

Frank Görgens/Jochen Smets

Info: 

  • www.lehrer-werden.nrw
  • www.lehrerin-werden.nrw

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Die Lage am Lehrer-Arbeitsmarkt

Das Wichtigste aus der aktuellen Lehrerbedarfsprognose

 

Lehramt an Grundschulen

Für Bewerberinnen und Bewerber bestehen in den nächsten zehn Jahren hervorragende bis sehr gute Beschäftigungsaussichten.

Da an Grundschulen die Klassenlehrerinnen und -lehrer den größten Teil des Unterrichts in ihren Klassen selbst abdecken (Klassenlehrerprinzip), liegt für diese Schulform keine fächerspezifische Prognose vor. Fachspezifische Engpässe treten im Primarbereich seltener auf als an den weiterführenden Schulen.

 

Lehramt an Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamt-schulen (Sekundarstufe I)

Es ist davon auszugehen, dass dauerhaft mehr Stellen zu besetzen sind als Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung stehen. Der Einstellungsbedarf bleibt bis zum Schuljahr 2034/2035 weitgehend konstant, erst danach geht er kontinuierlich zurück. Besonders gute Einstellungschancen bieten die folgenden Fächer:

+ Deutsch + Spanisch + Englisch + Französisch + Mathematik + Informatik + Sport + Hauswirtschaft + Geographie + Technik + Physik + Kunst + Chemie + Musik

 

Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen (Sekundarstufe II)

Den angehenden Lehrkräften bieten sich voraussichtlich dauerhaft nur eingeschränkte Einstellungschancen. In diesem Lehramt ist daher die Wahl der Fächer von besonders großer Bedeutung. Ungeachtet des insgesamt zu erwartenden Bewerberüberhangs bleiben die für einige Fächer bestehenden günstigen Beschäftigungsaussichten bestehen. Dies sind insbesondere:

+ Physik + Kunst + Technik + Mathematik + Musik + Informatik

 

Lehramt an Berufskollegs

Die Einstellungschancen sind insgesamt, besonders in den gewerblich-technischen Fachrichtungen, hervorragend. Hervorzuheben sind besonders:

+ Maschinentechnik + Bereich Gesundheit + Elektrotechnik + Bereich Erziehung (Sozialpädagogik)

 

Lehramt für sonderpädagogische Förderung

Im Bereich des Lehramtes für sonderpädagogische Förderung werden in den kommenden Jahren voraussichtlich dauerhaft mehr Stellen zu besetzen sein als Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung stehen. Die Einstellungschancen sind demnach mit hervorragend bis sehr gut zu bewerten. Hervorzuheben sind:

+ Emotionale und soziale Entwicklung + Geistige Entwicklung + Sprache + Sehen + Hören und Kommunikation + Körperliche und motorische Entwicklung

 

Info:

Die komplette Lehrerbedarfsprognose ist im Internet unter dieser Adresse einsehbar: www.url.nrw/ProgLehrer/

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