Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Stefan Battel gibt in seiner Kolumne regelmäßig Antworten auf Fragen aus dem Lehreralltag. Diesmal wirft der Experte einen Blick in die Zukunft und fragt, wie die Corona-Krise unser Leben und Zusammenleben verändert.
Die Corona-Pandemie ist seit etwa sechs Monaten einigermaßen unter Kontrolle. Zum Glück hat sich die darauf folgende Wintergrippe nicht noch zusätzlich negativ auf die Gesundheit der Bevölkerung ausgewirkt. Die Schulen, Kindertagesstätten und andere soziale Bereiche sind wieder im Normalbetrieb geschaltet. Viele Schulen haben ihren Lehrplan verändert. So wurde die Stundenanzahl für Kunstunterricht, Sportunterricht und den Musikunterricht erhöht, da viele in der Alltagseinschränkung gemerkt haben, wie wichtig künstlerische Kreativität, Bewegung und Musizieren für die innere Seelenbalance sind.
Es wird im Unterricht noch intensiver mit den Schülern über das Wesen des Grundgesetzes diskutiert und mit den verschiedensten Meinungen zu bestimmten Sachthemen wohlwollender untereinander umgegangen. Denn während der Corona-Krise ist vielen Menschen aufgefallen, dass ein wirklicher pluralistischer Diskurs und das Abwägen von Fakten häufig in gegenseitigen Abwertungen und Unterstellungen mündeten. Die meisten Schüler schreiben in ihren Diktaten nun das Wort Quarantäne richtig. Als eine Erfahrung aus der Krise wurde die digitale Wissensvermittlung in einigen Fächern intensiviert.
Jedoch die emotionale Bedeutung des Gemeinschaftsgefühls und der persönliche Kontakt zu unseren Mitmenschen erscheint vielen als ein umso tiefergehender Bestandteil, der uns Menschen ausmacht. Auch die vor der Krise wahrnehmbaren, zum Teil flüchtig zu einer scheinbaren unbeteiligten Routine gewordenen Umarmungen, bekommen auf einmal einen noch tieferen Sinn, werden bewusster und zunehmend wieder angstfreier wahrgenommen und zeigen die tiefe Verbundenheit, die uns als soziale Wesen ausmacht.
Lokale Landschaften haben deutlich zur Bereicherung des inneren Wohlbefindens beigetragen. Manche haben das Joggen für sich entdeckt und den Vertrag im Sportstudio gekündigt (da das Laufband nicht so abwechslungsreich ist), andere bei den Aerobic-Kursen via YouTube mitgeschwitzt. Auch sind wir unserer Verantwortung füreinander noch bewusster geworden bzw. war es vielen von uns schon immer klar, auf die definierten Risikogruppen zu achten, ohne dies ’von oben’ verordnet zu bekommen. Einige neu entstandene soziale Projekte sind geblieben.
Ostern 2021 ist ein ähnlich schönes Wetter wie 2020. Was hat sich in uns verändert? Streben wir nach neuen Formen des Zusammenlebens? Welche Projekte bleiben bestehen? Wieviel achtsamer bin ich mir aber auch meinen Mitmenschen gegenüber geworden? Hat sich mein Wertesystem geändert?
Auf einiges werde ich zurückkommen und aus meinem professionellen Kontext als Kinder- und Jugendpsychiater berichten.
Wie wird wohl Ostern 2022? Bleiben Sie wach und achtsam!
Zur Person:
Dr. med. Stefan Battel ist seit 2007 niedergelassener Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie mit eigener Praxis in Hürth bei Köln und seit 2012 systemischer Familientherapeut (DGSF). Im Rahmen des lehrer nrw-Fortbildungsprogramms greift er in einer Vortragsreihe regelmäßig verschiedene Themen aus dem Bereich der Jugendpsychologie auf.
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