Was haben wir gelernt, damit wir nicht dumm ins Bett müssen?

Ich bin Lehrerin – und ich liebe meinen Beruf. Für mich als alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern unter fünf Jahren ist das oft ein Hürdenlauf: Kindergartenalltag, Tagesmutterplausch, Korrekturen, Basteln, Haushalt, Konferenzen, wehe ein Kind wird krank, Wäsche, Kochen – die Liste ist lang! Aber ich habe Prioritäten gesetzt, unser Alltag ist gut organisiert, und ich habe ein funktionierendes Netz aus Großeltern, Geschwistern und Freunden.

Zu meinem Netz gehört meine Schule mit Schulleitung und Kollegen selbstverständlich auch. Und ich hatte Glück: Meine Schulleitung ist verständnisvoll und versucht, Rücksicht auf die Hol- und Bringzeiten von Kindergarten und Tagesmutter zu nehmen, akzeptiert, dass ich den Nachmittagsunterricht zeitlich besser gestemmt bekomme, als zur ersten Stunde pünktlich zu erscheinen, ich bekomme keinen Druck, wenn die Kinder krank sind (und natürlich werden die zwei nacheinander und nicht gleichzeitig krank). Dennoch binde ich mein Netz ein, Omi ist oft hier und hilft aus. Ich gebe mir Mühe, nicht zu oft zu fehlen, denn ich bin neu an der Schule. Nach eineinhalb Jahren Elternzeit habe ich mich von einer auslaufenden Schule versetzen lassen. Vom Land in die Stadt, von zehn zu achtzig Prozent Migrationsanteil, von Halbtag zu Ganztag.

Und nach knapp zehn Jahren an der gleichen Schule hatte ich Angst vor dem Neubeginn.

 

Der Lehrer von heute …

In meiner Elternzeit hatte ich den Eindruck, dass ein bildungspolitischer Ruck durch das Land geht. Inklusion, Flüchtlingsproblematik, schwierige Schüler, immer mehr schließende Schulen … Bei jedem Gespräch mit befreundeten Kollegen hörte ich oder las in der Zeitung, dass der Lehrerberuf nicht mehr das ist, was er einmal war. Der Lehrer von heute muss Gutachten schreiben, diagnostizieren, sich mit Helikoptereltern und unerzogenen Kindern herumschlagen. Die Lernumgebung ist alt, schlecht ausgestattet, die Klassen sind zu groß, Kollegen überlastet und krank, die Landesregierung schiebt ein undurchdachtes Konzept nach dem anderen in die Schulen.

Als mein erster Schultag näher rückte, dachte ich, ob ich das alles schaffen kann, meiner Familie und mir selbst gerecht werden, aber natürlich auch meinem Beruf und somit den Kindern, die ich unterrichte und den Kollegen, bei denen ich einen guten Eindruck hinterlassen wollte.

Und es kam alles so anders, als ich dachte: Die Kollegen griffen mir unter die Arme, erklärten mir die Strukturen und Tipps und Kniffe im Umgang mit Schülern und deren Eltern. Nach nur einer Woche fühlte ich mich angekommen und angenommen. Aber die Arbeit ist anders, andere Konflikte, andere Kinder, andere Schwierigkeiten, aber auch andere Erfolge, andere Höhepunkte, anderes Lernen. 

 

Was brauche ich, um in meinem Job glücklich zu sein?

Und dann fragte ich mich, was ich persönlich brauche, um in meinem Job glücklich zu sein. Es sind nicht irgendwelche innovativen Ideen, tipptopp ausgestattete Räumlichkeiten, neueste Technik. Es sind Schüler, denen ich etwas beibringen kann, etwas mitgeben kann. Was können meine Schüler nach einer Stunde bei mir, was sie vorher nicht konnten? Es geht ums Unterrichten. Und das kann ich im Klassenraum, im Schulgarten, im Museum, auf dem Hof und auch im Container. Und ich liebe es. Trotz aller Widrigkeiten und zusätzlichen Aufgaben, die uns Lehrern aufgehalst werden, es muss uns vorrangig ums Unterrichten gehen. Und darauf habe ich mich zurückbesonnen und gehe heute lieber denn je zur Schule.

In meiner Klasse haben wir eingeführt, uns am Ende der Stunde zu fragen, was wir gelernt haben, und ich bin immer gespannt darauf, was meine Schüler sagen. Auch wenn es nichts mit dem aktuellen Deutschthema zu tun hat.

Lesslie Boecker

Originalausgabe (PDF-Datei)


 

Nach oben