Lehrkräfte geben unter schwierigsten Bedingungen alles, um den von der Landesregierung geforderten Präsenzbetrieb in den Schulen aufrecht zu erhalten. Daher ist es ein Schlag ins Gesicht, dass das Schulministerium sich weigert, die Aufsicht beim Distanzunterricht grundsätzlich als Mehrarbeit anzuerkennen.

Am 20. Oktober 2020 veröffentlichte das Ministerium für Schule und Bildung (MSB) den lang ersehnten Begleiterlass zum Distanzunterricht. Lang ersehnt deshalb, da nach beharrlichem Nachfragen und Insistieren des HPR Realschulen nun endlich klargestellt wurde, dass der Grundsatz der Gleichwertigkeit der Unterrichtsverpflichtung im Präsenz- und Distanz-unterricht für die Zeit des pandemiebedingt eingeschränkten Schulbetriebs auch für das Schuljahr 2019/2020 galt. Hierzu hatte der HPR Realschulen bereits in einem HPR-Info im Mai 2020 die Kolleginnen und Kollegen informiert. Dieses HPR-Info schlug hohe Wellen und führte zu zahlreichen Nachfragen von Beschäftigten – nicht nur von Realschulen, stellten sich doch die Bezirksregierungen auf den Standpunkt, dass ein HPR-Info für sie nicht bindend sei und es vom MSB hierzu keine Aussage gebe.

Eigenwillige Informationspolitik

Wichtig war diese Klarstellung, da viele Lehrkräfte in der Zeit vor den Sommerferien sowohl ihre Klassen und Kurse im Distanz-unterricht betreut hatten und zusätzlich im Präsenzunterricht eingesetzt wurden. Erst nach der Klarstellung durch das MSB in diesem Begleiterlass konnten die Kolleginnen und Kollegen diese zusätzlich geleisteten Stunden auch als Mehrarbeit geltend machen. Eigentlich war den Hauptpersonalräten zugesichert worden, dass sie diesen Begleiterlass vorab zur Kenntnis bekommen. Eigentlich! Wie so oft erfuhren die Hauptpersonalräte erst von dem Erlass, als dieser bereits veröffentlicht war. Wäre es nur um die oben erwähnte Klarstellung gegangen, die im Sinne der Hauptpersonalräte endlich veröffentlicht wurde, wäre dies auch kein Problem gewesen.

Passus mit Sprengkraft

Leider enthielt der Begleiterlass einen weiteren Passus, der zu großem Unmut bei Personalräten und Beschäftigten führte. So heißt es in Punkt 10:

»Die Aufsicht beim Distanzunterricht stellt regelmäßig keinen Vertretungsunterricht dar, sondern gehört zu den weiteren Aufgaben der Lehrkräfte nach § 10 der Allgemeinen Dienstordnung. Die Aufsicht kann daher im Regelfall nicht auf das Unterrichtsdeputat angerechnet oder hierfür Mehrarbeit angeordnet oder genehmigt werden. Wenn der Einsatz einer Lehrkraft zur Unterstützung des Distanzunterrichts in Präsenz zeitlich und didaktisch-pädagogisch im Einzelfall einem Vertretungsunterricht gleichkommt, kann mit besonderer Begründung von diesem Grundsatz abgewichen werden. Die Entscheidung trifft die Schulleitung einzelfallbezogen mit Blick auf die besonderen Umstände vor Ort.«

Ärger ist programmiert

Dieser Punkt ist für mich ein Schlag ins Gesicht für all die Kolleginnen und Kollegen, die in der Pandemiezeit täglich ihr Bestes geben, um den Präsenzbetrieb irgendwie am Laufen zu halten. Natürlich gehört das Führen von Aufsichten zu unseren Aufgaben. Unverständlich ist jedoch, dass die Aufsicht in Prüfungen – auch vertretungsweise – Unterricht darstellt, dass die Aufsicht in der Mittagspause hälftig und die Aufsicht beim Distanzunterricht nun gar nicht angerechnet wird. Außerdem halte ich es für nahezu ausgeschlossen, dass eine Lehrkraft bei der Aufsicht im Distanzunterricht nicht regelmäßig die Schülerinnen und Schüler unterstützt, gerade wenn man die Klassenstufen 5 bis 10 betrachtet. Soll nun jede Lehrkraft nach dieser Aufsicht zur Schulleitung gehen und darlegen, in wie vielen Situationen während der Stunde sie didaktisch-pädagogisch tätig geworden ist? Mal wieder bleibt vieles an den Schulleitungen hängen – müssen diese doch jetzt entscheiden, in welchen Fällen es sich um Vertretungsunterricht und in welchen Fällen es sich um Aufsicht gehandelt hat. Führt dies nicht zu großem Unfrieden an Schulen? Einige Schulleitungen werden großzügig zugunsten der Kolleginnen und Kollegen entscheiden, da sie die enorme Belastung ihres Kollegiums sehen. Andere machen sich eventuell Sorgen, dass ihre Entscheidungen zu Problemen mit der Schulaufsicht führen könnten. Wo bleibt hier die Gleichbehandlung?

Ministerium bleibt uneinsichtig

In einer Telefonkonferenz mit den zuständigen Vertretern des MSB haben die sieben Vorsitzenden der Hauptpersonalräte sowie die Hauptvertrauenspersonen unisono dieses Problem vorgetragen. Ergebnis des Gespräches war, dass der Erlass neu gefasst wird. Hinsichtlich Punkt 10 hat die Dienststelle allerdings bereits signalisiert, dass sie an ihrer Auffassung festhält, es handele sich grundsätzlich nicht um Vertretungsunterricht. Jedoch sollen die Fallkonstellationen präzisiert werden, unter denen eine pädagogische Aufsicht abrechenbar ist.

Wo bleibt die Wertschätzung?

In Zeiten, in denen immer mehr Kolleginnen und Kollegen infiziert sind oder sich in Quarantäne befinden, wird die Arbeit auf immer weniger Schultern verteilt. Trotzdem geben die Lehrkräfte alles, um den von der Landesregierung geforderten Präsenzbetrieb für alle Schülerinnen und Schüler irgendwie aufrecht zu erhalten. Bedarf es dann wirklich einer solchen Regelung durch das MSB oder sollte man nicht lieber den Kolleginnen und Kollegen die Wertschätzung für ihre Arbeit entgegenbringen, die sie verdienen?

Sarah Wanders

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