Blick ins Plenum beim Mülheimer Kongress, Foto: ArchivBlick ins Plenum beim Mülheimer Kongress, Foto: Archiv

Der Mülheimer Kongress feiert ein stolzes Jubiläum. Am 15. November steigt der 50. Kongress in der Mülheimer ‘Wolfsburg’, die seit 1996 Tagungsstätte ist. Seit der Premiere 1968 hat sich der Mülheimer Kongress zu einem der bedeutendsten schulpolitischen Foren in Nordrhein-Westfalen entwickelt. Ein Rückblick in Wort und Bild.

In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre machte sich der Vorstand des Realschullehrerverbandes NRW Gedanken darüber, auf welche Weise und mit welchen Mitteln die Wissenschaftler an den Universitäten für die Praxis an der Schulform Realschule aktiviert werden könnten. Es ging um die Erziehungswissenschaften, die Psychologie, aber auch um die Wirtschafts- und Rechtswissenschaft.

Der Philologenverband hatte vor Jahren erfolgreich den Gemener Kongress eingerichtet, bei dem mit Vorträgen und Diskussionen die unterschiedlichen schulischen Probleme behandelt wurden. Von dort gingen Impulse aus in die Schulen, aber – und das war nicht unwichtig – auch in die Schulverwaltungen.

 

Start in Essen

So wagte es der RLV-Vorstand mit einer eigenen Veranstaltung im Jahre 1968. Bei der Suche nach einer Bleibe für ein solches Treffen fiel die Wahl – auch wegen der zentralen Lage – auf Essen. Schloss Landsberg in Essen-Kettwig – nahe Mülheim – war Schauplatz des ersten Mülheimer Kongresses. Der Kongress war zweitägig mit einer Übernachtung und wurde vorbereitet und durchgeführt vom Landesvorstand des RLV.

Schon im folgenden Jahr zog der Kongress auch geografisch nach Mülheim um. Vertreter der evangelischen Kirche boten für solche Veranstaltungen das Haus der Begegnung in Mülheim, in einem großen wunderschön bewachsenen riesigen Park an. Das Hauptgebäude war eine alte Fabrikantenvilla, an die man Tagungsräume angebaut hatte. Wegen der landschaftlich hervorragenden Lage, aber auch wegen günstiger finanzieller Leistungen, entschied sich der Vorstand für diesen Standort für weitere Kongresse.

Für die verantwortliche Durchführung konnte man den damaligen Direktor des Bezirksseminars Wuppertal, Arnold Mülheims, gewinnen. Mülheims hatte auch Verbindungen zu Pädagogen und Psychologen an den Hochschulen. Er gestaltete die ersten Kongresse zunächst als reine Vortragsveranstaltungen mit anschließender Diskussion. Erst später gab es daneben Arbeitskreise, deren Ergebnisse dann ins Plenum eingebracht wurden. Die Kongresse begannen meist am Donnerstagnachmittag und endeten samstags nach dem Mittagessen.

Der Vorstand legte Wert darauf, dass die Ergebnisse jeweils in einem Kongressheft zusammengefasst wurden. Dieses wurde allen Mitgliedern zugänglich gemacht.

 

Große Resonanz

Die Zahl der Teilnehmer wuchs von Jahr zu Jahr, so dass der Verband zeitweise Hotels in der Nachbarschaft anmieten musste, um alle Gäste unterzubringen.

Die Abende in dem Haus dienten der Kommunikation, es bildeten sich aber auch Gruppen, die das jährliche Treffen zu Skatspielen nutzten. Inzwischen gehören Musik, Tanz und Geselligkeit am ersten Kongressabend als willkommene Auszeit zum nicht immer vergnügungssteuerpflichtigen Schulalltag längst zu den unverzichtbaren MüKo-Ritualen.

 

Schikane aus dem Kultusministerium

Nach dem Eintritt von Arnold Mülheims in den Ruhestand übernahm Horst Wollenweber die Leitung des nun etablierten Mülheimer Kongresses. Ende der siebziger Jahre ging man im Kultusministerium den vermehrten Unterrichtsausfällen auf den Grund und kam zu dem Schluss, dass Fortbildungsveranstaltungen freier Träger in der unterrichtsfreien Zeit stattzufinden hätten. Der Druck von oben war so stark, dass der Verband dann in einem Jahr den Kongress in den Herbstferien durchführen musste.

Es war nicht einfach, die Kongressplätze unter diesen Umständen zu füllen. Doch es ist bei diesem einen Mal geblieben, da man in Düsseldorf einsichtig war und die Restriktion zurückzog.

Nach Horst Wollenweber übernahm Dr. Hans-Jürgen Smula die Leitung des Kongresses. Er wurde im März 1992 vom Hauptausschuss zum Kongressleiter gewählt und führte im September 1992 – beim 25. Mülheimer Kongress – erstmals durch das Programm. Tagungsstätte war damals immer noch die evangelische Akademie Mülheim. Erst 1996 folgte der ‘Konfessionswechsel’ des Tagungsorts: Bis heute ist die Katholische Akademie ‘Die Wolfsburg’ in Mülheim Schauplatz des Kongresses. Bis März 2017 war Smula als Kongressleiter aktiv.

 

Who-is-Who der deutschen Bildungsforschung

Aus Smulas Sicht war der Mülheimer Kongress nicht nur eine Möglichkeit zum Netzwerken, sondern auch eine Plattform für Wissenschaftler, die ansonsten aus politischen Gründen (Meinungsverschiedenheiten mit den herrschenden Landespolitikern) in der Öffentlichkeit nicht so zum Zuge kamen. Sie konnten in Mülheim eigene Lehrmeinungen und Forschungsergebnisse präsentieren. Vor allem für junge und aufstrebende Wissenschaftler bot sich hier eine gute Chance zur Selbstdarstellung. Auch etablierte Kollegen fanden hier immer wieder ein interessiertes Publikum. Die illustre Riege der Referenten in 50 Jahren MüKo-Geschichte liest sich wie ein Who-is-Who der deutschen Bildungsforschung.

Auch Politiker – selbst Minister und Ministerinnen – stellten sich dem kritischen Mülheimer Kongresspublikum. Unvergessen, wie die damalige CDU-Schulministerin Barbara Sommer den von ihr hoch geschätzten Verbandsvorsitzenden Ulrich Brambach herzte. Unvergessen aber auch, wie die seinerzeitige grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann 2015 den Mumm hatte, sich allein einer Diskussion zu stellen, in der sie einen schweren Stand hatte, sich aber teuer verkaufte.

In politischer Hinsicht bot der Kongress Gelegenheit, einem differenzierten Schulsystem zuneigenden Wissenschaftlern und Politikern ein Forum zu bieten. Nicht selten mussten Vertreter von SPD und Grünen, wenn sie denn der Einladung nach Mülheim folgten, geharnischte Kritik einstecken.

 

Gegenpol zur schulpolitischen Einheitsmeinung

Viele Teilnehmer wussten es sehr zu schätzen, dass Mülheim auch politisch einen Gegenpol zur schulpolitischen Einheitsmeinung bildete, da die Schulpolitik in Nordrhein-Westfalen ja von 1966 bis 2005 ausschließlich von ‘roten’ Schulministerinnen und -ministern verantwortet wurde. Aber auch heute noch ist der Mülheimer Kongress als Stachel im bildungspolitischen Mainstream bekannt und geschätzt.

Das Themenspektrum war und ist breit gefächert und stets am Puls der Zeit. Es reicht von der nie abebbenden Diskussion um Schulstrukturen über Bestrebungen zur Autonomen Schule, Inklusion, Qualitätssicherung durch Leistungsstandards, Probleme bei der Lehrerversorgung, demografische Entwicklungen, Lehrergesundheit, Richtlinien- und Lehrplandiskussionen, Digitalisierung der Schule bis hin zur Ökonomisierung der Bildung.

Kurzum: Wenn es den Mülheimer Kongress nicht gäbe, man müsste ihn erfinden.

Jürgen Seidel, Hans-Jürgen Smula, Jochen Smets

 

Infos/ Anmeldung:

www.lehrernrw.de/fortbildungen/muelheimer-kongress/muelheimer-kongress-2018.html

50. Mülheimer Kongress:

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Der Jubiläums-Kongress am 15. November 2018 hat ein passendes Motto: ‘50 Jahre und kein bisschen leise’. Als Festredner schlägt Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, den Bogen von der Schul-Vergangenheit in die Schul-Gegenwart und -Zukunft. Für musikalische Unterhaltung sorgt, wie schon seit vielen Jahren, die Big Band der Erich-Klausener-Realschule in Herten.

Ein vielfach gewünschtes Wiedersehen gibt es auch mit dem Pädagogen und Regisseur Wolfgang Endres, der beim Mülheimer Kongress des Vorjahres den Abschlussvortrag hielt und mit seiner ganz speziellen Art vielen das Herz aufgehen ließ. Sein zweiteiliger Vortrag kreist um ‘Dankbarkeit’ (Blick zurück auf 50 Jahre) und ‘Hoffnung’ (Blick auf die Schule von morgen).

Und eine Überraschung wird es auch geben. Welche? Anmelden und abwarten. Noch sind einige wenige Plätze frei.
 

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