An den Schulen unseres Landes arbeiten mehr und mehr Personen ohne lehramtsbezogene Ausbildung in unbefristeten Arbeitsverhältnissen. Der Hauptpersonalrat Realschulen fordert deshalb vehement Qualifizierungsmaßnahmen für diese Beschäftigten ein – und stößt beim Ministerium für Schule und Weiterbildung bisher auf taube Ohren.

Wer einen Blick in das Einstellungsportal VERENA (Vertretungseinstellung nach Angebot) wirft, reibt sich verwundert die Augen. Unter der Fragestellung »Wer kann Vertretungsunterricht erteilen?« findet sich folgende Auflistung:

  • Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen mit lehramtsbezogenem Abschluss, die für den Schuldienst geeignet sind
  • Studentinnen und Studenten, die für den Schuldienst geeignet sind
  • Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen ohne lehramtsbezogenen Abschluss, die für den Schuldienst geeignet sind
  • Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung ohne Lehramtsbefähigung, die für den Schuldienst geeignet sind
  • Nebenberuflich tätige Personen ohne Lehramtsbefähigung, die für den Schuldienst geeignet sind
Wer kann eigentlich keinen Vertretungsunterricht erteilen?

Zur Frage der Eignungsfeststellung, heißt es lapidar: »Darüber entscheiden die Schulleitungen und Schulaufsichtsbehörden.« Wenn ich mir die Auflistung anschaue, stellt sich mir die Frage: Wer kann eigentlich keinen Vertretungsunterricht erteilen? Wer auf Deutschlands Straßen unterwegs ist, braucht einen Führerschein, wer aber die Zukunft unseres Landes bilden und erziehen möchte…

Und so ist es längst gängige Praxis, dass Fremdsprachensekretärinnen Englisch und Französisch unterrichten, Bankkaufleute Mathematik und Dachdeckermeister Technik. Einige davon übrigens sehr erfolgreich. Es soll ja auch begnadete Autofahrer geben, die nicht im Besitz eines Führerscheins sind – unter ihnen sogar prominente Fußballer.

Entfristungen als Folge einer geänderten Rechtsprechung

Ebenfalls gängige Praxis ist es, dass solche befristeten Arbeitsverträge über Jahre hinweg immer wieder verlängert worden sind (sogenannte ‘Kettenbefristungen’). Im September 2013 hat das Ministerium für Schule und Weiterbildung dann in einem Erlass die Umsetzung des Bundesarbeitsgerichtsurteils zu Kettenverträgen vom 18. Juli 2012 verfügt: Eine Befristung eines Arbeitsvertrages kann – trotz Vorliegen eines Sachgrundes – rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam sein, wenn über eine lange Gesamtdauer eine hohe Anzahl aufeinander folgender befristeter Arbeitsverträge mit demselben Arbeitgeber abgeschlossen worden ist. Mit Erlass vom 18. September 2014 hat das Ministerium für Schule und Weiterbildung die Bezirksregierungen angewiesen, Kettenbefristungen bereits nach einer Beschäftigungsdauer von sieben Jahren (vormals mehr als zehn Jahre) auf Rechtsmissbräuchlichkeit zu überprüfen und »dabei einen wohlwollenden Maßstab anzulegen«. Sollte ein Rechtsmissbrauch gegeben sein, sei – ohne arbeitsgerichtliches Klageverfahren – die Entfristung des letzten Arbeitsverhältnisses vorzunehmen.

In den Folgejahren sind die Bezirkspersonalräte in zahlreichen Fällen bezüglich der Entfristung befristeter Arbeitsverhältnisse personalvertretungsrechtlich beteiligt worden. Dabei erfolgte die Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses im Wege der Antragstellung, von Amts wegen oder auf dem Klageweg.

Aufstockungsangebote als Folge des Lehrkräftemangels

Wurden befristete Arbeitsverträge in unbefristete umgewandelt, sind die Betroffenen in der Regel mit dem Stundenumfang weiterbeschäftigt worden, der dem letzten befristeten Beschäftigungsumfang entsprach. Am 7. Juli 2016 wies das Ministerium für Schule und Weiterbildung die Bezirksregierungen in einem Erlass zur »Deckung des steigenden Bedarfs an Lehrkräften durch die Aufstockung von entfristeten Arbeitsverträgen« an zu prüfen, ob den Betroffenen eine Aufstockung der Arbeitszeit angeboten werden kann. Es handele sich dabei um einen Beitrag zur Sicherstellung der Unterrichtsversorgung. Der Hauptpersonalrat Realschulen sah sich daraufhin veranlasst, die Dienststelle in den Personalrat einzuladen, um mit ihr Qualifizierungsmöglichkeiten für unbefristet im Schuldienst tätige Personen ohne Lehramtsbefähigung zu erörtern. Denn Beschäftigte, die die Voraussetzungen zur Teilnahme an der OBAS erfüllen, können diese zwar beantragen. Voraussetzung für die Genehmigung ist jedoch, dass die Teilnahme an der Ausbildung »unter Berücksichtigung der schulischen Belange vertretbar erscheint. Hierüber entscheidet die Schulleiterin oder der Schulleiter« (OBAS §?4). Und Beschäftigte, die die Voraussetzungen zur Teilnahme an der OBAS nicht erfüllen, lässt das Ministerium für Schule und Weiterbildung komplett im Regen stehen. Ihnen wird nicht einmal die Möglichkeit eröffnet, an der PE (Pädagogische Einführung) teilzunehmen!In der teils leidenschaftlich geführten Diskussion zwischen den Mitgliedern des Hauptpersonalrats und den Vertretern der Dienststelle wurde eines sehr schnell deutlich: Dem Ministerium für Schule und Weiterbildung fehlt es am Willen, das Problem als solches anzuerkennen. Das verwundert sehr. Denn dass Qualität in der Bildung auch und zuvorderst von der Ausbildung der Lehrenden abhängt, ist evident. Aber vielleicht werden Führerscheine ja auch überbewertet…Sven Christoffer

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