Seit dem Schuljahr 2015/2016 können Realschulen Schülerinnen und Schüler im Bildungsgang Hauptschule unterrichten und zum Hauptschulabschluss führen. Zurzeit gibt es an sechs Realschulen landesweit einen entsprechenden Bildungsgang. Die Rahmenbedingungen sind jedoch desaströs.

Um dem zunehmend rückläufigen Angebot an Hauptschulen zu begegnen, hat der Landesgesetzgeber mit dem neuen § 132c Schulgesetz NRW (SchulG) reagiert. Danach können Kommunen unter bestimmten Voraussetzungen an Realschulen ab der Klassenstufe 7 einen Hauptschulbildungsgang einrichten, um Schulwechsel zu vermeiden. Im Gesetzestext heißt es:

§ 132c Sicherung von Schullaufbahnen

(1) Der Schulträger einer Realschule kann dort einen Bildungsgang ab Klasse 7 einrichten, der zu den Abschlüssen der Hauptschule (§ 14 Absatz 4) führt, insbesondere wenn eine öffentliche Hauptschule in der Gemeinde oder im Gebiet des Schulträgers im Sinne des § 78 Absatz 8 nicht vorhanden ist. (…)

(2) Schülerinnen und Schüler in dem Bildungsgang gemäß Absatz 1 werden im Klassenverband mit Schülerinnen und Schülern des Bildungsgangs gemäß § 15 Absatz 1 unterrichtet; hierbei sind Formen innerer und äußerer Differenzierung möglich. (…)

Das Ministerium für Schule und Weiterbildung hat diese gesetzliche Regelung in dem neuen § 47 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I (APO-S I) umgesetzt:

§ 47 Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Sekundarstufe I

(2) Schülerinnen und Schüler des Hauptschulbildungsgangs werden mit Schülerinnen und Schülern des Realschulbildungsgangs im Klassenverband in innerer Differenzierung unterrichtet. Unterricht in äußerer Differenzierung kann im Umfang von bis zu einem Drittel der Stundentafel erfolgen. Der Wahlpflichtunterricht Arbeitslehre ist für diesen Bildungsgang verpflichtend. Eine der Ergänzungsstunden ist für das Fach Deutsch zu verwenden.

Eine halbe Stelle als zusätzliche Ressource

Während der Gesetzgeber also ausdrücklich hervorhebt, dass Formen innerer und äußerer Differenzierung möglich sind, begrenzt die APO-SI den Unterricht in äußerer Differenzierung auf maximal ein Drittel der Stundentafel. Zurzeit erarbeitet das MSW eine ‘Handreichung zur Unterstützung von Realschulen mit dem Bildungsgang Hauptschule’. In der Entwurfsfassung, die dem Hauptpersonalrat Realschulen im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit vorgelegt wurde, heißt es: »Der Unterricht kann in bis zu einem Drittel der Stundentafel in äußerer Differenzierung geführt werden. Nicht zuletzt deshalb erhalten diese Schulen eine systemische zusätzliche Ressource von einer halben Lehrerstelle.«

Diese halbe Stelle gleicht jedoch lediglich den Unterschied in der Schüler-Lehrer-Relation beider Schulformen aus. Der HPR Realschulen hat deshalb gegenüber dem MSW eine weitere Stellenzulage von mindestens eineinhalb Stellen gefordert. Denn nur so ist äußere Differenzierung im Umfang von bis zu einem Drittel der Stundentafel überhaupt möglich. Denn die Stundentafeln für die Sekundarstufe I – Hauptschule sehen in den Jahrgängen 7 bis 10 insgesamt mindestens 130 Wochenstunden vor. Um ein Drittel des Unterrichts in äußerer Differenzierung abzuhalten, braucht es demnach mindestens eineinhalb Lehrerstellen. Und nur so können die Schulen eigenständig entscheiden, wie unterrichtet werden soll.

Unter den jetzigen Rahmenbedingungen wird es an den betroffenen Realschulen daher nur die Möglichkeit geben, Haupt- und Realschüler binnendifferenziert zu unterrichten. Die Freiheit der Lehrkräfte, als ausgebildete Pädagogen zu entscheiden, wie sie ihre Schüler unterrichten wollen, ist damit faktisch abgeschafft.

Weitere Forderungen des HPR Realschulen

Abseits der Ressourcenfrage hat der Hauptpersonalrat in mehreren Besprechungen mit Vertretern des MSW um weitere Nachbesserungen bezüglich der Ausgestaltung der Handreichung gebeten:

  • Die Handreichung soll neben den bisher im Entwurf vorgesehenen Beispielen für innere Differenzierung auch Beispiele für äußere Differenzierung enthalten. 
  • Hauptschüler sollen zwei Praktika durchführen, Realschüler nur eines. Die Handreichung muss deshalb Aussagen dazu machen, wie eine Organisation der zwei verbindlichen Praktika für Schüler im Hauptschulbildungsgang möglich ist, wenn mindestens zwei Drittel des Unterrichts binnendifferenziert abgehalten werden.
  • Parallel zur Handreichung sollen verpflichtende Fortbildungen für alle Lehrkräfte an den betroffenen Realschulen durchgeführt werden. Diese sollen sich inhaltlich auf Planung und Durchführung von binnendifferenziertem Unterricht sowie auf spezielle Aufgaben von Realschulen mit dem Bildungsgang Hauptschule beziehen.

 

 

Die Ministerin ist am Zug

Da die im Januar 2017 dem Hauptpersonalrat vorgelegte überarbeitete Fassung der Handreichung leider zu keiner Verbesserung geführt hat, hat der Personalrat sich mittlerweile mit einem Brief an Frau Ministerin Löhrmann gewandt und um Einlassung gebeten. Für Ende März ist ein Gesprächstermin anberaumt.

 

Sven Christoffer

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