Der Kollege Ferdinand Kümmertsich ist gestählt durch unzählige Schlachten in Konferenzen, Bezirksregierungsbüros und Elternsprechtagen. Mit reichlich Berufs- und Lebenserfahrung ausgestattet, blickt er mit einem Augenzwinkern auf den ganz normalen Wahnsinn des Systems Schule.
Wenn es wirklich jemanden gibt, der den Lehrerberuf mit Füßen getreten hat, dann war das erstmals der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder. Seit seiner Äußerung, dass Lehrer faul seien, scheint das nicht nur in den Köpfen der Bürger verankert zu sein, sondern wohl auch in den Köpfen der Herrschaften im Ministerium und den Bezirksregierungen. Anscheinend gibt man alles weiter nach unten.
»Ach, Frau Engelbert-Schuster, Ihre Klasse muss in Quarantäne geschickt werden. Das Gesundheitsamt schafft es nicht, alle zu informieren. Nachdem Sie alle Aufgaben für den Distanzunterricht vorbereitet haben und die drei Vertretungsstunden abgeleistet haben, bleibt Ihnen doch sicher Zeit, bevor Sie ihrem Regelunterricht nachkommen, ihre ganze Klasse anzurufen und über die Quarantäne zu informieren. Gesprächsnotizen nicht vergessen!«, mahnt Herr Schulleiter Dr. Korrektus, während er den Gang runterschleicht.
»Margret, deine Aufsicht!«, erinnert sie die Konrektorin Frau Lieblich. Wenn man jetzt das Gesicht der Kollegin fotografieren würde, sähe das Konterfei eines versoffenen Junkies deutlich besser aus. Ich erkannte meine engagierte Kollegin nicht mehr wieder. Den Tränen der Überforderung nahe, richtete sich ihr Blick auf das weit überfüllte Schwarze Brett: Ausgedruckte E-Mails und Schutzverordnungen, soweit das Auge reicht. Als ob der Staatssekretär Richter und der Dezernent Herr Bürokratius keine anderen Brieffreundschaften pflegen könnten. »Ferdinand, wenn ich mir das anschaue, und den letzten Satz des Staatssekretärs lese, der sich für unser Engagement bedankt, würde ich mich eher über eine frühere Pensionierung freuen«, seufzte meine Kollegin.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Bezirksregierungen, mal ganz ehrlich: Es reicht! Der ausgesprochene Dank wird zu einem Witz, wenn man sieht, was Lehrerinnen und Lehrer leisten, und was sie zusätzlich noch alles leisten sollen. Es wäre gut, wenn bei der Verordnung des Lüftens vielleicht auch einmal eine Verordnung des wieder Aufatmens der Lehrkräfte erlassen werden könnte.
Ich sage es nicht gerne, aber: Frau Gebauer, HILFE! Stoppen Sie diesen Überlastungswahnsinn! Und zwar so schnell wie möglich!
Ihr ergebener Kollege
Ferdinand Kümmertsich
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