Mit Smartphones ist es wie mit jeder anderen neuen Technik: Es kommt darauf an, wie man sie nutzt. Das gilt für Schülerinnen und Schüler im Unterricht ebenso wie für ihre Lehrerinnen und Lehrer. Mit den Folgen eines zu intensiven Smartphone-Gebrauchs befasst sich der folgende Beitrag.

Lehrer bereiten Schülerinnen und Schüler nicht nur auf den Ernst des Lebens vor, sie erziehen auch zu einem kritischen Blick auf die Realität: Smartphones, Tablets und Laptops können den Unterricht bereichern. Doch in der schulischen Realität verursacht die Technik auch Probleme, etwa bei Täuschungsversuchen oder dann, wenn Schüler dem Unterricht nur noch eingeschränkt folgen können. Wenn sie mit Freunden chatten, in der Mathematikstunde sichtlich nervös im Takt der Ballerspiele zucken oder mit dem Zoom ihres Smartphones die nette Französischreferendarin aufnehmen, stören sie im Unterricht, für jeden erkennbar, sich und andere.

Der Lehrer und das Smartphone

Weniger bekannt sind hingegen die Folgen, wenn Lehrer selbst sich von ihren Mobiltelefonen ablenken lassen. Mag diese Ablenkung im Fachunterricht, obgleich natürlich nicht gewünscht, noch hinnehmbar erscheinen, sofern die Lehrkraft nicht ständig auf das Display starrt, führt sie in Prüfungssituationen zu signifikanten Problemen. Vor allem dann, wenn der Griff zum Smartphone während der Prüfung bei dem zu Prüfenden eine mehr als unerhebliche Verunsicherung hervorruft. Bereits der gelegentliche Blick auf das Display stellt ein unangemessenes Verhalten des Prüfers und somit einen formellen Fehler im Verfahren zur Leistungsbewertung dar. Denn als die Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler Beurteilende sind natürlich auch Lehrkräfte verpflichtet, Prüflingen die volle Aufmerksamkeit zu schenken und sie nicht durch Verhaltensweisen, die mit der Prüfung in keinem Zusammenhang stehen, zu verunsichern. Da die Verpflichtung zur vollen Aufmerksamkeit Kernaufgabe jedes Prüfers ist, sind Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zum Fairnessgebot im Prüfungsrecht relativ selten – im Wege der Selbstkontrolle sind Fehler bereits im Vorfeld leicht erkennbar und werden entsprechend geräuschlos korrigiert. Niemand lässt sich ohne Not vor dem Verwaltungsgericht vorführen, weil er den prüfungsrechtlichen Kardinalfehler schlechthin begangen hat und nachweislich unaufmerksam war.

Prüfer vom Smartphone abgelenkt – Klage

Umso mehr verdient eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Saarlouis aus dem vergangenen Jahr Beachtung. Das Gericht musste sich mit der Klage einer Frau auseinandersetzen, die sich gegen die Bewertung des praktischen Teils einer staatlichen Prüfung wendete; den schriftlichen und mündlichen Teil der Prüfung hatte sie bereits mit Erfolg bestanden. Nachdem die Klägerin auch den praktischen Teil der Prüfung abgelegt hatte, wurde ihr mit streitigem Bescheid mitgeteilt, dass der praktische Teil mit ‘mangelhaft’ bewertet worden sei – und sie damit die staatliche Prüfung insgesamt nicht bestanden habe.

Der gegen diesen Bescheid erhobene Widerspruch blieb erfolglos. In der folgenden Klage trug die Klägerin vor, sie habe während ihrer Prüfung die Feststellung gemacht, dass der Prüfer mehr mit seinem Mobiltelefon beschäftigt gewesen sei als mit der Prüfung selbst. Gleiches gelte auch für das durchgeführte Gespräch nach der Prüfung. Zudem habe der Einsatz des Smartphones während der Prüfung bei ihr eine erhebliche Unsicherheit hervorgerufen. Das Hantieren mit dem Smartphone stelle ein unangemessenes, ungebührliches oder auf Voreingenommenheit schließendes Verhalten des Prüfers und somit einen Fehler im Verfahren und bei der Leistungsbewertung dar. Der Prüfer sei verpflichtet, dem Prüfling die volle Aufmerksamkeit zu schenken und ihn nicht zu verunsichern. Dem sei der Prüfer nicht nachgekommen. Durch sein Verhalten habe er die Grundsätze des fairen Verfahrens verletzt, wonach von den Prüfern verlangt werde, dafür Sorge zu tragen, dass mündliche Prüfungen einen nach Stil und Umgangsformen einwandfreien, die Prüflinge nicht unnötig belastenden Verlauf nähmen. Das Verhalten des Prüfers sei objektiv geeignet gewesen, die Klägerin zu verunsichern und aus der Fassung zu bringen. Weiter habe der Prüfer aufgrund seiner Beschäftigung mit dem Smartphone die Prüfungsleistung der Klägerin nicht ausreichend wahrnehmen können. Daher habe er diese nicht ordnungsgemäß bewerten können.

Verunsicherung des Prüflings

Der Prüfer verwahrte sich gegen diesen Vorwurf und trug ergänzend vor, das Textverarbeitungsprogramm seines Smartphones zur Aufzeichnung besonderer Bemerkungen während der Prüfung benutzt zu haben. Diese Vermerke habe er dann auch während der Reflektion eingesehen. Für ihn sei nicht ersichtlich, dass allgemeine Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet worden seien. Auch ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften liege nicht vor. Dieser Auffassung schloss sich das Verwaltungsgericht Saarlouis jedoch nicht an: Benutzt ein Prüfer während des praktischen Teils einer Prüfung sein Smartphone, begründet dies selbst dann einen Verstoß gegen das Gebot der Fairness, wenn er das Smartphone zu Notizen über das Prüfungsgeschehen verwendet – ohne den Prüfling darauf hinzuweisen – und dies zu einer Verunsicherung des Prüflings führt. Damit leidet der betroffene Teil des Verfahrens an einem formellen Fehler, so dass der Prüfer verpflichtet ist, dem Prüfling unter Aufhebung des Prüfungsergebnisses Gelegenheit zu geben, den betroffenen Teil der Prüfung erneut abzulegen (vgl. VG Saarlouis, Urteil vom 3. März 2015 zu Az. 1 K 2029/13). Daraus folgt, dass bei einer mehrteiligen Prüfung sämtliche Teile, während der die Verunsicherung des Prüflings durch Smartphone-Nutzung des Beurteilers bzw. dessen Ablenkung bestanden hat, unter Aufhebung des Ergebnisses erneut abzulegen sind.

Wie ich es sehe

Mag die Entscheidung des VG Saarlouis aufgrund der dargestellten, den meisten Lehrerinnen und Lehrern selbstredend zu attestierenden Einsichtsfähigkeit auch als exotisch erscheinen – sie ist in ihrer Klarheit richtungsweisend. Die Ablenkung eines Prüfers kann nicht zu Lasten des Prüflings gehen. Leidet ein Prüfungsverfahren an diesem Mangel, muss dem Prüfling unter Aufhebung des Prüfungsergebnisses gestattet werden, die Prüfung zu wiederholen. Um sich nicht vermeidbare Mehrarbeit aufzuladen und eine Dienstaufsichtsbeschwerde oder gar ein Verwaltungsgerichtsverfahren zu riskieren, sind Lehrkräfte deshalb besonders in Prüfungssituationen gut beraten, ihre Mobiltelefongeräte ausgeschaltet zu lassen. Für die Gestaltung guten Unterrichts gilt dies ja auch.Michael Struck

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