Nach welchen Kriterien können Lehrkräfte krankgeschrieben werden? Und für wie lange? Über solche Fragen besteht sowohl bei Ärzten als auch bei den betroffenen Lehrerinnen und Lehrern erhebliche Unsicherheit.
Aggressive Schüler, fordernd auftretende Erziehungsberechtigte, Leistungsdruck: Es steht außer Frage, dass Lehrer einen sehr anstrengenden Beruf haben. Dabei ist Aggression belastender als alle anderen Faktoren am Arbeitsplatz Schule, etwa zu große Klassen, ständige Erweiterungen des Arbeitsumfangs oder auch Überstunden. Zahlreiche Studien belegen die hohe gesundheitliche Gefährdung und zeigen, was Lehrkräfte am meisten belastet und häufig auch zur Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankungen führt.
Problematische Zwei-Wochen-Regelung
Mit einer wichtigen Frage zur ärztlichen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit befasst sich der vorliegende Beitrag. In jüngerer Zeit erreichen lehrer nrw vermehrt Anfragen verbeamteter, mithin beihilfeberechtigter Lehrkräfte zu § 5 Abs. 3 ff der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (Stand: 17. Dezember 2015). Hintergrund ist, dass die behandelnden Ärztinnen und Ärzte eine Krankschreibung über den Zeitrahmen von zwei Wochen ablehnen, teils eben mit Hinweis auf die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Da für eine prognostisch länger andauernde Erkrankung eine Vertretungslehrkraft nicht eingestellt werden kann, wenn die Dauer der Erkrankung in Zwei-Wochen-Abschnitten attestiert wird, stellt diese Praxis nicht nur das Kollegium, sondern auch Schulleitungen und Bezirksregierungen vor erhebliche Probleme.
Aufgrund seines gesetzlichen Auftrages überprüft der Gemeinsame Bundesausschuss für die vertragsärztliche Versorgung, ob nach dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse bei der Verordnung von Arzneimitteln oder von Heilmitteln sowie bei dem Einsatz von Untersuchungs- bzw. Behandlungsmethoden und anderem mehr die gesetzlichen Vorgaben einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung erfüllt sind. Nach der geltenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Beschlüsse des G-BA untergesetzliche Rechtsnormen. Sie regeln im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung der §§?91 ff Sozialgesetzbuch V Art und Umfang der Krankenbehandlung mit bindender Wirkung für die Vertragsärzte, gesetzlichen Krankenkassen und deren Versicherte.
Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie nicht generell anwendbar
Richtlinien des G-BA können sich dementsprechend nur auf den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung beziehen und für die gesetzlich versicherten, tarifbeschäftigten Lehrkräfte herangezogen werden. Verbindliche Stellungnahmen für die Leistungsgewährung der Beihilfestellen oder der privaten Krankenkassen kann der G-BA nicht abgeben; für privat krankenversicherte Beamtinnen und Beamte ist die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses deshalb überhaupt nicht anwendbar.
Die derzeit gültige Richtlinie des G-BA über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 Satz??2 Nr. 7 SGB V bestimmt in § 5 Abs. 4, dass die voraussichtliche Dauer einer Arbeitsunfähigkeit nicht für einen mehr als zwei Wochen im Voraus liegenden Zeitraum bescheinigt werden soll. Ist es aufgrund der Erkrankung selbst oder eines besonderen Krankheitsverlaufs sachgerecht, kann die Arbeitsunfähigkeit aber bis zur voraussichtlichen Dauer von einem Monat bescheinigt werden.
Teil der Probleme gelöst
Sollten sich Ärztinnen und Ärzte bei der Krankschreibung von Beamtinnen und Beamten daher gleichwohl an den Vorgaben für die gesetzlichen Krankenkassen orientieren, löst zwar bereits die Formulierung, dass die Arbeitsunfähigkeit bis zur voraussichtlichen Dauer von einem Monat bescheinigt werden kann, einen Teil der aufgezeigten Probleme. Zudem kann die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit durchaus auch für einen Zeitraum bescheinigt werden, der einen Monat deutlich überschreitet – sofern dies aus medizinischer Sicht indiziert ist und ärztlicherseits sachgerecht erscheint.
Wie ich es sehe
Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und die Bescheinigung über ihre voraussichtliche Dauer erfordern wegen ihrer Tragweite für den Erkrankten und ihrer arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen sowie wirtschaftlichen Bedeutung bei Tarifbeschäftigten generell besondere Sorgfalt. Auch bei beamteten Lehrkräften muss eine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aus medizinischer Sicht sachgerecht und auf den zur Genesung erforderlichen Zeitraum begrenzt sein – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wenn es medizinisch begründet ist, dürfen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte die Krankschreibung eines Beamten über den Zeitrahmen von zwei Wochen hinaus selbstverständlich ablehnen. Dies ungeachtet von Art und Schwere einer Erkrankung unter Hinweis auf die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu tun ist jedoch nicht richtig. Und das sollten auch beamtete Lehrkräfte wissen.
Michael König
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