Beim Elterngespräch stellt sich nicht selten die Frage, gegenüber wem Lehrkräfte eigentlich auskunftspflichtig sind. Dabei gilt es unter Umständen, die ein oder andere familienrechtliche Klippe zu umschiffen.

Der Rechtsausleger des letzten Heftes unter dem Titel ’Eltern im Verhör’ befasste mit den elterlichen Informations- und Beratungsansprüchen. Viele Lehrkräfte haben – überspitzt gesagt – den Eindruck, nahezu allumfassend, überall und jederzeit Rechenschaft ablegen zu müssen. Manch einer mag sich beim Lesen bei folgendem Gedanken ertappt haben: Ich muss nicht nur immer wieder Grenzen setzen, inwieweit ich über meine Schülerinnen und Schüler Auskunft zu geben habe, ich muss auch überlegen, wem gegenüber bin ich überhaupt dazu verpflichtet? Mit wem muss ich oder mit wem darf ich gegebenenfalls gerade nicht sprechen?

§ 44 Absatz 2 Schulgesetz NRW (SchulG) spricht ausdrücklich von der Information gegenüber den Schülerinnen und Schülern und gegenüber den Eltern. § 123 Absatz 1 SchulG definiert den Begriff der Eltern im Sinne des SchulG. In der Praxis stellt sich indes oft die Frage: Was aber ist mit jemandem, den man für einen Elternteil hält, der gesetzlich aber nicht als Ansprechpartner gilt? Diese Problematik stellt sich grundsätzlich dann, wenn Vater und Mutter nicht zusammen zur Sprechstunde kommen; besondere Umsicht gilt in den Fällen zusätzlich, wenn man weiß, dass die allein auftretende Person getrennt lebt oder geschieden ist.

Denn als Lehrkraft hat man die familienrechtlichen Gestaltungen des Sorgerechtes zu beachten, um nicht Schwierigkeiten zwischen den Eltern zu befördern und so letztlich auch das Kindeswohl unter Umständen zu gefährden. Fehlerhafte Kommunikation in diesem Bereich kann aber auch die Zusammenarbeit der Lehrkraft selbst mit den Eltern und dem Kind erschweren, unter Umständen sogar Rechtsstreitigkeiten oder auch unharmonische Gespräche mit der Schulleitung nach sich ziehen. Um all dies zu vermeiden, sollten Lehrkräfte gegebenenfalls ohne falsche Rücksicht auf vermeintliche Indiskretionen beim Elternteil einfach nachfragen.

Im Einzelnen sieht die Lage wie folgt aus: Unproblematisch ist es, wenn ein Elternteil die alleinige Sorge hat. Dann ist lediglich dieser Ansprechpartner für die Schule. Denn nach § 123 Absatz 1 SchulG sind Eltern die Personenberechtigten gemäß Familienrecht nach Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB), und danach entsteht bei Verheirateten unmittelbar die gemeinsame Sorge (§ 1626 BGB). Nur wenn die Eltern nicht heiraten oder alternativ keine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben wird, entsteht die alleinige Sorge der Mutter. Bei Getrenntlebenden oder Nichtverheirateten kann die Schule eine Erklärung darüber verlangen, ob gemeinsame oder alleinige Sorge besteht.

Besteht dagegen gemeinsames Sorgerecht, haben sowohl der Vater als auch die Mutter ein Auskunftsrecht, das heißt beide sind demnach über Leistungen und über das Verhalten ihres Sprösslings zu informieren und zu beraten – auch, wenn sie getrennt leben oder geschieden sind. Möchte die Lehrkraft von sich aus die Eltern kontaktieren, muss sie sich jedoch nicht an beide wenden, sondern vielmehr nur an einen Elternteil, bei dem das Kind (auch) lebt. Damit ist ihrer Pflicht Genüge getan, denn der betreffende Elternteil hat familienrechtlich die Aufgabe, den anderen in Kenntnis zu setzen.

Kann man aus dem Vorgesagten nun schließen, dass der unbekannte Herr, der sich unvermittelt in der Klassentüre aufbaut, sich als großer Bruder, Großvater oder Onkel ausgibt, und vehement eine Begründung für die schlechte Note in der letzten Mathearbeit verlangt, getrost abzuweisen ist? Grundsätzlich sind die Erziehungsrechte der Eltern persönlich wahrzunehmen. Nichtsorgeberechtigten kann ein Kind zwar auch anstelle oder neben den Eltern anvertraut sein mit der Folge, dass sie Informationsrechte in Anspruch nehmen können.

Dafür reicht es allerdings nicht aus, etwaige ’familiäre Verantwortung’ zu behaupten. Stattdessen ist das Einverständnis der Sorgeberechtigten schriftlich zu belegen.

Der geheime Wunsch einer Lehrkraft, dass die Schülerinnen und Schüler doch viel reifer sein mögen als sie sich gebaren, bekommt im Kontext der Informations- und Beratungsrechte noch eine ganz besondere Bedeutung: Mit Vollendung des 18. Lebensjahres werden diese volljährig und unterliegen nicht mehr dem elterlichen Sorgerecht. Keine Lehrkraft muss dann befürchten, sich in familiären Verhältnissen zu verstricken, denn im Hinblick auf die wichtigen Fragen zu Leistung und Verhalten wird ab dann in jedem Fall der Jugendliche selbst informiert und beraten.

Christopher Lange

Originalausgabe (PDF-Datei)


 

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