Lehrkräfte und Medikamentengabe – das Thema ist ein Dauerbrenner. lehrer nrw Justitiar Christopher Lange fasst die wichtigsten rechtlichen und praktischen Vorgaben zusammen.

Lehrkraft zu sein bedeutet nicht nur, Unterrichtsstoff zu vermitteln, das weiß jeder, auch ohne sich dazu beispielsweise Paragraph 57 Absatz 1 Schulgesetz NRW mit den darin normierten Fürsorge- und Betreuungspflichten gegenüber den anvertrauten Schülerinnen und Schülern durchzulesen. Ebenso klar ist, dass man als Lehrkraft in einer derart engen Verbindung zu Schülerinnen und Schülern wie im Schulverhältnis früher oder später auch mit deren gesundheitlicher Situation in Berührung kommen kann.

Das liegt schon daran, dass kleinere oder größere Blessuren nicht nur bei rauflustigen oder tollpatschigen Schülerinnen und Schülern im Alltag einer Schule selten lange ausbleiben. Auch gesetzliche Anforderungen können dazu führen, wie aktuell die seit dem 1. März dieses Jahres existierende Verpflichtung zum Nachweis des Masernimpfschutzes für Schülerinnen und Schüler.

Von a wie asthmatisch bis z wie zuckerkrank

Oftmals sehen sich Lehrkräfte auch Situationen ausgesetzt, die von ganz besonderer Qualität sind. Dies ist der Fall, wenn eine Schülerin oder ein Schüler, insbesondere infolge chronischer Krankheiten, auf Medikamente oder unterstützende Maßnahmen angewiesen ist. Entsprechende Medikamente oder Maßnahmen gewährleisten dann oftmals überhaupt erst, dass die Kinder oder Jugendlichen beschult werden können. Dabei reichen die einschlägigen Krankheiten und Einnahmepflichten von Asthma und Allergien bis hin zu Zucker beziehungsweise Diabetes. Für Lehrkräfte stellt sich vor allem die Frage, ob sie dabei unterstützen müssen, dürfen oder sich vielmehr abseits halten müssen. Immer öfter erreichen lehrer nrw Anfragen von Mitgliedern, wie sie sich verhalten sollen. Gerade vor Schulfahrten häuft sich der Beratungsbedarf besonders – die Befürchtung, dass in einer fremden Umgebung, unter Umständen im Ausland, ein Kind beispielsweise nicht in der Lage ist, seine Medikation vorzunehmen, ist verständlich.

Allergien von Kindern und Jugendlichen sind mittlerweile so präsent im Schulalltag, dass es private Anaphlexieberatungen gibt, die in Schulen unterwegs sind. Das Schulministerium sah sich bereits 2016 veranlasst, mithilfe der Handreichung ’Medikamentengabe durch Lehrerinnen und Lehrer’ samt Musterformularen Handlungssicherheit zu geben (Allerdings unzureichend, wie lehrer nrw in dieser Zeitschrift, Ausgabe 6/2016, bereits festgestellt hat – hier besteht Evaluationsbedarf!).

Lehrkräfte sind nicht zu medizinischen Aufgaben verpflichtet, wohl aber zu Erster Hilfe

Es gilt, vom Grundsatz her drei Situationen zu unterscheiden.

1. Lehrkräfte sollten sich darüber im Klaren sein, dass die Durchführung von medizinischen Unterstützungsmaßnahmen nicht zu ihren Pflichten in der Schule gehört. Lehrerinnen und Lehrer haben im Allgemeinen keine medizinische Ausbildung und besitzen damit grundsätzlich keine Berechtigung für Unterstützungsleistungen und zur Gabe von Medikamenten.

Konkret kann es sich dabei beispielsweise um Fälle wie die Erinnerung an die Medikamenteneinnahme, das Bereitstellen von Medikamenten, das Verabreichen von Tabletten, Tropfen, Zäpfchen, Sprays oder Säften, das Messen des Blutzuckers oder Einstellen des Insulinpens handeln.

Auf freiwilliger Basis können Lehrkräfte die erforderlichen Tätigkeiten allerdings übernehmen. Es ist nachvollziehbar, wenn sie dies zur Beruhigung der Eltern und auch im Interesse eines möglichst störungsfreien Unterrichts anbieten. Es entstehen aber keine Rechtspflichten, und es bleibt bei der elterlichen Sorge für das Kind an sich. Wichtig ist dabei jedoch eine schriftliche Vereinbarung, die insbesondere die vorzunehmenden Maßnahmen sowie Akteure konkret beschreibt und den Eltern, der Lehrkraft und der Schulleitung die Tragweite verdeutlicht, indem sie von allen eine Unterschrift erfordert. Auch eine Schweigepflichtentbindung für den behandelnden Arzt sollte enthalten sein. Lehnt das Kind die Unterstützung durch die Lehrkraft unbeschadet seiner Einsichtsfähigkeit dennoch ab, darf diese nicht tätig werden. Die Eltern sind dann unverzüglich zu informieren.

2. Maßnahmen, die über die Medikamentengabe oder Unterstützungsleistungen hinausgehen, dürfen nicht, auch nicht freiwillig, erbracht werden. Derartige sogenannte medizinische Maßnahmen bleiben medizinischem Fach- oder Pflegepersonal vorbehalten. Sollten Lehrkräfte aktiv werden, wäre dies ein rechtlich nicht zulässiger körperlicher Eingriff. Beispiele sind das Legen von Sonden, Einführen von Kathetern, Absaugen von Schleim beziehungsweise Sputum und das Setzen intramuskulärer oder intravenöser Spritzen.

3. Abzugrenzen von den genannten Situationen sind Unfälle oder sonstige Notfälle, die auch im Zusammenhang mit Krankheiten passieren können. Hier sind Lehrkräfte wie alle Bürger verpflichtet zu helfen, andernfalls können sie wegen unterlassener Hilfeleistung gemäß §?323 Strafgesetzbuch belangt werden. Erste-Hilfe-Maßnahmen richten sich nach dem Einzelfall und können beispielsweise den Notruf, die sichere und geschützte Lagerung des Patienten, die Erstversorgung von Wunden oder die Reanimation umfassen. Die eigene Gefährdung oder die Verabreichung von Medikamenten umfasst Erste Hilfe nicht.

 

Lehrkraft haftet nur bei vorsätzlicher Schädigung

Kommt es bei einer freiwillig übernommenen Unterstützung oder Medikamentengabe dennoch zu einer Gesundheitsschädigung der Schülerin oder des Schülers, wird es sich im Regelfall um einen Schulunfall handeln. Hier springt die gesetzliche Unfallversicherung ein; die Lehrkraft würde nur bei vorsätzlicher Schädigung haften (§ 105 Absatz Sozialgesetzbuch VII). Die Absicherung über die Grundsätze der Amtshaftung entfällt nur bei vorsätzlichem Handeln oder grober Fahrlässigkeit. Weitere Sicherheit kann eine Haftungsfreistellung durch die Eltern in der schriftlichen Vereinbarung zur freiwilligen Übernahme der Unterstützung oder Medikamentengabe bieten.

Christopher Lange

Originalausgabe (PDF-Datei)


 

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