Sechs Prozent mehr: dbb und tarifunion gehen mit dieser Einkommensforderung in die Tarifverhandlungen 2019.

Es geht dabei auch darum, den Lehrerberuf attraktiver zu machen und den Lehrermangel zu bekämpfen.

Auch wenn die Zahl von sechs Prozent Entgelterhöhung angesichts einer relativ niedrigen Inflation hoch erscheinen mag, so ist sie doch keinesfalls einfach so aus der Luft gegriffen. Denn die Verbände und Gewerkschaften überlegen sich gut und umfassend, welche Einkommensforderung sie für die Tarifverhandlungen als angemessen ansehen.

Um zu dieser klaren Aussage zu gelangen, bedenken und erörtern sie die allgemeine wirtschafts- und finanzpolitische Lage des Landes bzw. in diesem Fall der Bundesländer. Dies geschieht zum Beispiel unter Berücksichtigung der finanziellen Situation der Bundesländer sowie der Beschäftigungssituation bzw. Arbeitsmarktlage der betroffenen Arbeitnehmer. Dabei spielen vor allem der Zustand der öffentlichen Haushalte, die aktuellen Steuereinnahmen der Länder, die Stellenbesetzungsquote im öffentlichen Dienst und die Bewerberlage für offene Stellen eine entscheidende Rolle.

Und wer sich unter diesen Gesichtspunkten Gedanken darüber macht, welche Notwendigkeiten bestehen, um den aktuellen Lehrermangel zu beheben, kann nur zu dem Schluss kommen: Wat mutt, dat mutt!

Lehrermangel wirksam bekämpfen

Denn wer jetzt nicht die richtigen politischen Schritte einleitet, der ist mitverantwortlich dafür, dass sich die personelle Situation in den Schulen weiter verschlimmert. Dabei kämpfen die Bundesländer, die sich in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) zusammengeschlossen haben, auch untereinander um die auf dem Arbeitsmarkt vorhandenen Lehrkräfte. Und dies zum Teil mit recht ungewöhnlichen Mitteln, um mit einem Attraktivitätsvorteil gegenüber einem anderen Bundesland bei Bewerbern zu punkten. Die in Aussicht gestellte Verbeamtung im Bundesland Sachsen, die allerdings nur zeitlich befristet eingeführt werden soll, ist so ein Beispiel für eine aus purer Not geborene Maßnahme.

Sinn und Zweck der Tarifverhandlungen kann es jedoch nur sein, für alle in der TdL zusammengeschlossenen Bundesländer Vereinbarungen zu treffen, die den Lehrerarbeitsmarkt gleichermaßen attraktiv erscheinen lassen. Denn in fast allen Bundesländern herrscht Lehrermangel, vor allem im Primar- und SekundarstufeI-Bereich. Wenn nun jedes Bundesland auf seine Weise Versuche startet, anderen Bundesländern Lehramtsabsolventen abspenstig zu machen, dann spielen auf Dauer die Ergebnisse dieser Tarifverhandlungen nur eine untergeordnete Rolle. Wichtiger werden dann die besonderen Vergütungsleistungen, die die einzelnen Bundesländer ihren Beschäftigten gewähren.

Als Arbeitgeber attraktiver werden

Wenn man die finanzielle Situation der Bundesländer in den Blick nimmt, wird deutlich, dass die sprudelnden Steuereinnahmen, die neben einer Schuldentilgung noch weitgehende finanzielle Spielräume zulassen, Investitionen in die Zukunft der Länder möglich machen. Der öffentliche Dienst, der in Zeiten der Finanzkrise mit moderaten Lohnabschlüssen zur Stabilität des Staates wesentlich beigetragen hat, sollte in dieser finanziellen Situation des Landes nun einen Teil der Einkommensrückstände zu anderen Branchen aufholen. Das wäre nur recht und billig. Zudem geht es auch darum, im Vergleich zu anderen Branchen als Arbeitgeber attraktiver zu werden. Schließlich werben alle Branchen einer Gesellschaft um die vorhandenen Schul- und Hochschulabsolventen gleichermaßen. Und wer da mit finanziell besseren Perspektiven aufwarten kann, hat per se einen Wettbewerbsvorteil.

Einkommensunterschiede angleichen

Schließlich geht es bei diesen Tarifverhandlungen auch darum, innerhalb des öffentlichen Dienstes für gleiche Verhältnisse zu sorgen. Die Abschlüsse für die Beschäftigten bei Bund und Kommunen haben im vergangenen Jahr zu einem Ergebnis von 7,5 Prozent geführt. Nicht nur der Einkommensunterschied von Bundesland zu Bundesland, auch der Abstand zu den Beschäftigten bei Bund und Kommunen ist inzwischen erheblich und liegt bei über acht Prozent. Ein Landesbeschäftigter mit einem Monatsentgelt von 3000 Euro verdient somit zum Beispiel etwa 240 Euro weniger als der Bundes- oder Kommunalangestellte. Da ist eine Forderung von sechs Prozent Entgelterhöhung geradezu moderat.

Alle in der TdL zusammengeschlossenen Bundesländer sind also gehalten, die diesjährigen Tarifverhandlungen mit größtmöglicher Umsicht zu führen. Die durch die Föderalismusreform eingeleitete Zersplitterung des Arbeitsmarktes im Öffentlichen Dienst führt zwar zu mehr Wettbewerb, allerdings auch mit dessen negativen Auswirkungen. Ob das der politische Wille sein soll, müssen die Bundesländer für sich entscheiden.

NRW muss sein politisches Gewicht nutzen

Auch Nordrhein-Westfalen als größtes Bundesland der TdL sollte sein politisches Gewicht dazu nutzen, um mit den Verbänden und Gewerkschaften einen Tarifabschluss herbeizuführen, der den übergeordneten Zielen der Tarifgemeinschaft der Länder zur Schaffung vergleichbarer Lebensverhältnisse in allen Bundesländern Rechnung trägt, gleichzeitig aber auch zur deutlichen Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes hierzulande, und damit auch des Lehrerarbeitsmarktes im Land Nordrhein-Westfalen, maßgeblich beiträgt. Denn hier gibt es auch ein paar besondere altbekannte ’Baustellen’ wie zum Beispiel die Einführung der Paralleltabelle oder der Ausbau der Stufe 6.

Wer bei diesen Tarifverhandlungen nur auf einen Minimalkonsens setzt, bringt damit nicht nur seine geringe Wertschätzung für die Arbeit und Leistung der Lehrkräfte dieses Landes zum Ausdruck, sondern läuft auch Gefahr, personell noch weiter ins Hintertreffen zu geraten. Wer jedoch seine Beschäftigten an der aktuell guten wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben lässt, gibt ihnen ihren angemessenen Anteil daran und damit auch seine Anerkennung für ihren Beitrag zu dieser Entwicklung. »Wer will, der kann, wer nicht will, der muss!« (Seneca)

Info:

Nach dem Auftakt der Tarifverhandlungen am 21. Januar findet die zweite Runde am 6./7. Februar 2019 in Potsdam statt, wo auch die dritte Verhandlungsrunde vom 28. Februar bis zum 2. März 2019 zu einem abschließenden Tarifergebnis führen soll. Aktuelle Infos erhalten lehrer nrw-Mitglieder über unseren E-Mail-Verteiler und unsere Homepage.

Ulrich Gräler

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»Zusammenwachsen tut weh«

Rezension: ’Das Integrationsparadox. Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt’.

Seit dem Frühjahr 2018 ist Aladin El-Mafaalani Abteilungsleiter im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in Düsseldorf. El-Mafaalani koordiniert die Integrationspolitik in Nordrhein-Westfalen. Von 2007 bis 2013 war er Lehrer im Schuldienst sowie Dozent und Wissenschaftler an mehreren Hochschulen, unter anderem in Dortmund, Bochum und Osnabrück. Seit 2013 lehrt er als Professor für Politikwissenschaft und Politische Soziologie an der Fachhochschule Münster. El-Mafaalanis Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet. Aladin El-Mafaalani ist als Kind syrischer Eltern in Deutschland geboren und aufgewachsen.

Unterschiedliche Gegenbewegungen

2018 erschien sein Buch ’Das Integrationsparadox. Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt’, das mehrere Wochen in den Bestsellerlisten geführt wurde. El-Mafaalani stellt die Vorteile einer multikulturellen Einwanderungsgesellschaft als ’offene Gesellschaft’ dar. Er sieht ’offene Gesellschaften’ unterschiedlichen Gegenbewegungen ausgesetzt, die er in fremdenfeindliche und nationalistische, als auch in religiös fundamentalistische Bewegungen unterscheidet. Daraus resultierende Schließungstendenzen einer Gesellschaft versteht er als unerwartete Nebenfolgen von grundsätzlich positiv zu bewertenden Entwicklungen der sozialen Öffnung sowie einer zunehmend zusammenwachsenden und integrativen Gesellschaft.

Streitkultur als Leitkultur

Die zunehmende gesellschaftliche Teilhabe auf verschiedenen Ebenen und für verschiedene Gruppen lassen neue Verteilungs-, Interessen- und Zugehörigkeitskonflikte wahrscheinlicher werden. In dieser Folge kommt es zu Neuaushandlungen und einer Beschleunigung des sozialen Wandels in einer ’offenen Gesellschaft’. Entsprechend fordert El-Mafaalani dazu auf, eine konstruktive ’Streitkultur’ als ’Leitkultur’ zu begreifen. In dieser ’Streitkultur’ werden die Bedingungen und Inhalte eines Integrationsprozesses mit immer mehr Teilnehmern mit unterschiedlichen Perspektiven und Interessen ausgehandelt. Insoweit geht El-Mafaalani davon aus, dass Konfliktfreiheit kein Gradmesser für gelungene Integration und eine offene Gesellschaft sein kann. Vielmehr entstehen Konflikte nicht, weil die Integration von Migranten und Minderheiten fehlschlägt, sondern weil sie zunehmend gelingt. Gesellschaftliches Zusammenwachsen erzeugt Kontroversen und populistische Abwehrreaktionen – in Deutschland und weltweit. Diese Bewertung des gesellschaftlichen Konflikts mit einer anderen, neuen Akzentuierung als Gradmesser für gelungene Prozesse des Zusammenwachsens ist der ganz wesentlich neue Gedanke des Buches.

Info

Aladin El-Mafaalani: ’Das Integrationsparadox. Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt’ Kiepenheuer & Witsch | ISBN: 978-3-462-05164-3 | 240 Seiten | 15,00 Euro

Frank Görgens

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DBB Gewerkschaftstag 2019

Zur sechzigsten Auflage seiner traditionellen Jahrestagung in Köln am 6. und 7. Januar hatte der dbb beamtenbund und tarifunion hochkarätige Gäste: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Bundesjustizministerin Dr. Katarina Barley waren in die Domstadt gekommen.

Das Thema der Tagung lautete: ’100 Jahre Frauenwahlrecht, 70 Jahre Grundgesetz, 30 Jahre friedliche Revolution: Vereint in Einigkeit und Recht und Freiheit!?’

Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos), die als Hausherrin der Stadt Köln die Mitglieder und Gäste herzlich begrüßte, interessierte sich naturgemäß besonders für den Aspekt ’100 Jahre Frauenwahlrecht’ und führte dazu anhand aktueller Zahlen aus, dass noch zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen im Öffentlichen Dienst bestehen, die es auszuschöpfen gilt. Als sehr bedauerlich empfindet sie persönlich auch die Tatsache, dass sie zurzeit die einzige Frau an der Spitze einer Kommune in der Bundesrepublik Deutschland ist.

Mangelnde Wertschätzung für den Öffentlichen Dienst

Die bildungspolitische Rede des dbb Bundesvorsitzenden Ulrich Silberbach zeichnete zunächst ein Stimmungsbild des Öffentlichen Dienstes in unserem Land. 4,6 Millionen Kolleginnen und Kollegen treten täglich für den Erhalt unserer Werte ein: Einigkeit und Recht und Freiheit. Was ihnen dabei zugemutet wird, erfahren sie jeden Tag aufs Neue über die Medien. Wenn Rettungskräfte zum Beispiel an ihrem Einsatz gehindert werden oder nur mit Polizeischutz ihre Hilfeleistung erbringen können, ist das für einen Rechtsstaat unerträglich und durch nichts zu rechtfertigen. Man gewinnt den Eindruck, die Menschen im Öffentlichen Dienst würden zunehmend als ’Freiwild’ betrachtet.

Was sind die Ursachen dieser Entwicklung? »Die Menschen verlieren das Vertrauen in den Staat, in seine Institutionen, in Regierende und Parteien«, konstatierte Silberbach. Daran hat sich durch die in vielen Bereichen vollzogene Privatisierung der letzten dreißig Jahre nichts geändert. Im Gegenteil: Sie hat der Qualität von ’Gesundheit, Sicherheit, Bildung, Infrastruktur und Kultur’ nicht gut getan. Daher müsse ein »Sofortprogramm für einen starken handlungsfähigen Staat« her, so Silberbach. Es müsse wieder jedem deutlich werden, dass der Staat unverkennbar greifbar an der Seite aller Bürger steht und sich allen Herausforderungen gewachsen zeigt.

Rückkehr zum Flächentarif gefordert

Für alle Beschäftigten im Öffentlichen Dienst ist es zum Beispiel notwendig, die Einkommensunterschiede von bis zu zwanzig Prozent bei vergleichbaren Aufgaben und Ämtern zurückzuführen. Auch wenn das nicht unmittelbar und ohne weiteres machbar ist, so ist es doch erforderlich, jede weitere Auseinanderentwicklung zu verhindern. Mit Blick auf die anstehende Einkommensrunde für die 2,4 Millionen Landesbediensteten fordert Silberbach neben sechs Prozent Einkommensplus (mindestens aber 200 Euro mehr) ein attraktives Signal an die dringend benötigten Fachkräfte zur Nachwuchsgewinnung. Besonders im Lehrerbereich fehlt es an einer ordentlichen Eingruppierung. Im Tarifrecht herrscht seit vielen Jahren ein Flickenteppich vor. Eine Konsolidierung der Verhältnisse durch die Rückkehr zu einem Flächentarif für den gesamten öffentlichen Dienst wäre eine echte Entlastung für alle.

Die Befristungswut im Öffentlichen Dienst ist ein Skandal. Im Lehrerbereich kommt es immer wieder vor, dass Beschäftigte vor den Sommerferien entlassen werden, um sie dann zum neuen Schuljahr wieder befristet anzustellen. Wir brauchen für die gestiegenen Herausforderungen in unserer Gesellschaft insgesamt mehr Personal, damit unser Staat funktionieren kann. Hierzu gibt es erste Ansätze, etwa die Werbekampagne für den Lehrerberuf in Nordrhein-Westfalen. Um attraktiv zu sein, müssen neben einem wertschätzenden Umgang mit den Beschäftigten auch die Arbeitsbedingungen den höheren Anforderungen angepasst werden. Es geht um anständige Bezahlung und Arbeitszeit. Flexible, lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle, Ausweitung der Altersermäßigung sowie der Umgang mit Überstunden sind hier Stichworte.

Staatssekretär Stephan Mayer, der Innenminister Horst Seehofer vertrat, kündigte ein Gesetz zur Modernisierung der Besoldungsstruktur auf Bundesebene an, um attraktiver und wettbewerbsfähiger im Vergleich zur Privatwirtschaft zu werden. Außerdem soll das Bundespersonalvertretungsgesetz novelliert werden. Eine klare Absage erteilte er allen Bestrebungen, Beamtinnen und Beamte in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung einzubeziehen. Der Dreiklang von Besoldung, Versorgung und Beihilfe müsse erhalten bleiben.

Bundesjustizministerin Katarina Barley sprach zum spannenden Thema ’Demokratie in der digitalen Welt’. Die rasanten Veränderungen in der digitalen Welt bringen es mit sich, dass es immer schwieriger wird, in den sogenannten sozialen Medien zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Hass und Gewalt in der Sprache seien Vorboten für physische Gewalt.

Geschichtsstunde mit Ministerpräsident

Ministerpräsident Armin Laschet griff die Thematik ’100 Jahre Frauenwahlrecht, 70 Jahre Grundgesetz, 30 Jahre Friedliche Revolution’ historisch auf und zeigte Querverbindungen zur heutigen Zeit auf. Ja, so stellt man sich spannenden Geschichtsunterricht vor.

Laschet warnte vor den nicht absehbaren Konsequenzen eines ungeordneten Brexit, hob die Bedeutung der Europawahl im Mai hervor (»eine Schicksalswahl«), präsentierte sich als vehementer Verfechter des Föderalismus. Laschet bezweifelte, dass mit einem Bundesschulminister alles besser liefe. Natürlich ging der Ministerpräsident auch auf die Ablehnung des fünf Milliarden Euro schweren Digitalpakts durch die Länder ein. Die im Bundestag verabschiedete Grundgesetzänderung war im Bundesrat durchgefallen, weil zu viele Kompetenzen auf die Bundesebene übertragen werden sollten. Jetzt liegt eine dreißigseitige Bund-Länder-Vereinbarung auf dem Tisch, die von den einzelnen Ländern gezeichnet werden kann oder nicht. Es geht also auch ohne Änderung des Grundgesetzes. Leidenschaftlich bekannte sich Laschet zum Berufsbeamtentum: »Das Selbstverständnis der Beamtenschaft ist eine der großen Stärken unseres Staates. Gleich, welche politischen Farben die Spitze eines Ministeriums trägt, die Sacharbeit geht stets vor. Deshalb stehe ich leidenschaftlich zur Tradition des deutschen Berufsbeamtentums.«

Ulrich Brambach

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