lehrer nrw hat eine Plakat-Kampagne gestartet, um schulpolitische Kern-Forderungen des Verbandes zu unterstreichen. Die Plakate werden im Rahmen des Wahlkampfes zur Personalratswahl 2020 in den Schulen in Nordrhein-Westfalen verteilt. Wir stellen die einzelnen Motive in den kommenden Ausgaben vor.

Die Arbeitsbedingungen, denen Lehrerinnen und Lehrer ausgesetzt sind, haben sich in den letzten Jahren massiv verschlechtert. Immer mehr Verwaltungstätigkeiten und andere Zusatzaufgaben lassen immer weniger Zeit für das Kerngeschäft – guten Unterricht. Mit Herausforderungen wie Inklusion und Integration werden die Lehrkräfte allein gelassen, weil es an professioneller Unterstützung und adäquater Systemzeit fehlt. lehrer nrw fordert:

  • Mehr Unterstützung durch Schulverwaltungsassistentinnen und -assistenten, Fachkräfte für Schulsozialarbeit und multiprofessionelle Teams
  • Faire und gleiche Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte in allen Schulformen
  • Sonderpädagoginnen und -pädagogen in allen inklusiv arbeitenden Klassen
  • Mehr Systemzeit für Lehrkräfte
  • Mehr Anstrengungen des Dienstherrn zum Erhalt der Lehrergesundheit
  • Rückbesinnung auf die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte und Abkehr von der Ökonomisierung der Bildung

 

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Ein Pädagoge packt aus

Der Kabarettist und studierte Deutschlehrer Johannes Schröder alias ’Herr Schröder’ im Interview mit lehrer nrw über verhaltenskreative Schüler und den kleinen Schritt vom Klassenzimmer auf die Bühne.

lehrer nrw: Vom Deutschlehrer zum gefeierten Kabarettisten – viele unserer Leser werden sich fragen, wie Sie das geschafft haben. Was war die Keimzelle, den schönen Lehrerberuf an den Nagel zu hängen?

Herr Schröder: Diese Keimzelle war, ohne Frage, meine 10a. Deren Verhaltenskreativität befeuerte meine. Und ich mochte diese Klasse sehr. Es war ein bunter Haufen mit der anarchischen Phantasie eines Cirque du Soleil, aber ohne dessen Talent. Schon nach der ersten Doppelstunde hatte ich das Gefühl: Ich könnte ein Buch schreiben. Jetzt ist es fertig. Am 25. Oktober ist ’World of Lehrkraft – ein Pädagoge packt aus’ erschienen.

Der Weg vom Deutschlehrer zum Kabarettisten begann mit dem Wunsch, einen kleinen Methodenwechsel im Leben vorzunehmen. Meine ganz privaten Projekttage sozusagen. So begann ich im Rahmen eines Sabbatjahres mein Comedy-Programm zu schreiben. Schließlich ist der Schritt vom Klassenzimmer auf die Bühne ein kleiner. Auch in den schönsten Kabarett-Theatern erinnert mich vieles an meine 10a: Es gibt meist eine hochbegabte erste Reihe, es gibt notorische Zuspätkommer, Privatgespräche in voller Lautstärke, usw. Und wenn alles gut läuft, mache ich auch mal fünf Minuten früher Schluss.

lehrer nrw: Die Sprache der Schüler ist ein zentraler Topos in Ihrem Buch – wie hat sich die verändert in den vergangenen Jahrzehnten?

Herr Schröder: Das sprachliche Niveau der Jugendlichen ist ohne Zweifel auf rasanter Digi-Talfahrt. In den orthograhischen Regeln, wenn sie überhaupt zur Kenntnis genommen werden, sehen die Schüler lediglich einen Servier-Vorschlag. Wie jeder Dialekt, so folgt auch der Soziolekt der Jugendlichen einem Ökonomie-Prinzip: Was weggelassen werden kann, wird weggelassen. »Hast du Insta?« »Du bist 1 Ehrenmann!« Was zählt, ist der Erfolg des kommunikativen Akts.

Das Kreativ-Labor für Neologismen ist natürlich der Schulhof. Mich nannten die Schüler ’Augenschmaus im Dunkelrestaurant’, ’Korrekturensohn’ oder die ’menschgewordene Hohlstunde’. Ich glaub, die mochten mich.

lehrer nrw: Müssen wir uns ernsthaft Sorgen machen um unsere schöne Sprache?

Herr Schröder: Die Sprache verändert sich wie die Gesellschaft, die sie spricht. Der Sprachwandel ist ein Blueprint des gesellschaftlichen Wandels. Solange wir den angelsächsischen Raum als kulturelles Leitbild sehen, werden wir Worte oder Konzepte in unsere Sprache übernehmen wollen. Aber der ’facility manager’ wird unsere Sprache nicht kaputt machen. Dafür sorgen wir mit Wörtern wie ’Kompetenzraster’ und ’Schülerpotenzialanalyse’ schon selbst.

lehrer nrw: Wenn Sie heute wieder in den Lehrerberuf einsteigen würden: Wie lauten Ihre Tipps für eine Referendarin, einen Referendar?

Herr Schröder: Mein dringender Tipp: Sich von den oft zermürbenden Anforderungen des Referendariats um keinen Preis entmutigen lassen. Es geht später nicht um Musterstunden mit wohlklingendem Erwartungshorizont und hübscher Ergebnissicherung. Es geht vornehmlich um Beziehung. Anders wird man die Jugendlichen nicht erreichen und ihre Talente und Potenziale erkennen. Das Wichtigste aus meiner Sicht: Den Schüler anschauen und ihm zeigen, was er schon alles kann. Weg von der Defizit-Orientierung.

Die Schüler spüren, wer sie ernst nimmt. Dafür bedanken sie sich auf ihre Weise: »Bei Ihnen bin ich gar nicht eingeschlafen!« Oder sie kommen nach zehn Jahren in das Programm ’World of Lehrkraft’ und fragen mich: »Herr Schröder, kennen Sie mich noch?« Das passiert fast jeden Abend.

lehrer nrw: Ihr Leben als Film: Titelvorschlag?

Herr Schröder: ’Cordjackett-Opfer – 50 Shades of Brown’ oder ’Dem Rotstift-Milieu entronnen’.

Zur Person:

Johannes Schröder ist studierter Deutschlehrer und Comedian/Kabarettist. Nach zwölf Jahren Schuldienst und dem Nebenjob als Pausenaufsicht befindet sich der inzwischen mehrfach preisgekrönte Humorist alias ’Herr Schröder’ gegenwärtig mit seinem ersten Comedy-Soloprogramm ’World of Lehrkraft – Ein Trauma geht in Erfüllung’ auf großer Live-Tour durch Deutschland. Im Ullstein Verlag ist sein Buch ’World of Lehrkraft – ein Pädagoge packt aus’ erschienen (ISBN-13: 9783548060941).

www.herrschröder.de

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Schluss mit der ’Versuchskaninchen-Praxis’ in unseren Schulen!

Gastkommentar: Deutschland konkurriert mit Staaten wie China oder Südkorea, die auf eisenhartes Lernen setzen. Hierzulande aber lassen die Schüler in Mathe und Naturwissenschaften nach. Die Bildungspolitik muss darauf reagieren.

von Torsten Krauel

Was passiert, wenn eine Schulgeneration unter die Lupe genommen wird, die mit dem Smartphone aufwächst, als sei es ein zweiter Kopf? Sie kann weniger Mathematik als in der Vergleichsstudie 2012. Sie kann auch weniger Naturwissenschaften als damals. 2017 waren in einer anderen Studie auch Grundschüler schlechter in Rechtschreibung, Zuhören und Mathematik.

Die moderne Technik hat eben ihre Ablenkungswirkung, wenn die Schulen nicht mit gültigen, begreifbaren Maßstäben dagegenhalten. Zum Beispiel mit Zensuren, die für Jugendliche nachvollziehbar sind, und mit Anforderungen für weiterführende Schulen, die ein klares Profil und damit Autorität besitzen.

Natürlich setzt jetzt nach der IQB-Bildungsstudie zu mathematisch-naturwissenschaftlichen Kenntnissen der neunten Jahrgangsstufe wieder Erwachsenen-Wehklagen ein: Es gehe bergab mit den Schülern, mit der Bildung und mit Deutschland. Die unvermeidliche Feststellung, in der Bildungspolitik müsse vieles anders werden, folgt auf dem Fuße. Aber dann bitte in die richtige Richtung! Länder mit verbindlicher Zensurenempfehlung für weiterführende Schulen liegen in der neuen Studie vorn, ebenso Länder mit differenziertem Schulsystem. Ist es also eine gute Idee, Zensuren abschaffen zu wollen? Ist es gut, sich von Eltern vorschreiben zu lassen, ob das Kind versetzungsreif ist? Ist es besser, der Schule eine Autorität zu belassen oder überhaupt erst wiederzugeben, die für Jugendliche messbar und berechenbar ist?

Im Zeitalter von künstlicher Intelligenz, Genforschung und Klimathemen sind Mathematik und Naturwissenschaften keine Randfächer. Deutschland konkurriert mit Staaten wie China oder Südkorea, die auf eisenhartes Lernen setzen. Umso sinnvoller ist es, in der Bildungspolitik zwar keine Paukerei, aber Stetigkeit und Orientierung zu fördern. Brüche und Umbrüche erlebt der Mensch noch genug, wenn er älter wird.

Genau an Stetigkeit und Orientierung allerdings fehlt es. Man könnte sie fürchten, die Bildungsstudien mit ihrem Ruch, ein Aufruf zu hektischen Reformen zu sein.

Siehe das Abitur nach zwölf Jahren. Erst gestern aufgrund von Fachexpertisen und allgemeinem Zeitgeist eingeführt, wird es heute bereits wieder verworfen.

Viele der Bundesländer, in denen Neuntklässler gegenüber 2012 schlechter abschneiden, haben das Theater mitgemacht. Man sollte die psychologische Auswirkung solcher Versuchskaninchen-Praxis auf Heranwachsende nicht unterschätzen. Irrungen und Wirrungen auf ihrem Rücken untergraben schulische und staatliche Autorität. Adenauers Wahlkampfsatz von 1957 ’Keine Experimente’ hat auch für Schulen seine Berechtigung.

Info:

Dieser Artikel ist am 18. Oktober 2019 in der Tageszeitung DIE WELT erschienen. Der Nachdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Axel Springer Syndication GmbH.

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Das Problem nicht bei der Wurzel gepackt

Mit einem dritten Maßnahmenpaket will Schulministerin Yvonne Gebauer einen weiteren Schritt zur Gewinnung von Lehrkräften tun. Dafür nimmt die Landesregierung Geld in die Hand – aber nicht genug.

Zentraler Bestandteil des neuen Maßnahmenpakets ist eine monatliche 350-Euro-Zulage, mit der die Ministerin Lehrkräften unbesetzte Stellen vornehmlich an unattraktiven Schulstandorten schmackhaft machen möchte. Siebzehn Millionen Euro stellt die schwarz-gelbe Landesregierung dafür bis 2022 zur Verfügung. Voraussetzung zur Bewilligung ist, dass keine Versetzungen aus dem Versetzungsverfahren vorliegen und die Schulen im vergangenen Jahr alle Besetzungsverfahren erfolglos genutzt haben, das heißt ein erfolgloses Listenverfahren und ein erfolgloses Ausschreibungsverfahren mit derselben Fächerkombination. Anschließend kann eine erneute Ausschreibung der Stelle mit einem Zuschlag erfolgen. Der Zuschlag wird an die in diesem Verfahren ausgewählte Lehrkraft gezahlt.

Werben um Pensionäre und angehende Lehramtsstudenten

Darüber hinaus ist eine weitere Aussetzung der Hinzuverdienstgrenze bis Ende des Jahres 2024 geplant. Damit soll es für pensionierte Lehrkräfte finanziell attraktiv bleiben, vorübergehend auch in einem größeren Stundenumfang wieder zu unterrichten.

Zurzeit sind rund 800 Pensionärinnen und Pensionäre wieder im Schuldienst tätig, teilte Gebauer bei einer Pressekonferenz am 21. November mit. 300 neue Studienplätze im Grundschullehramt und 500 Bachelorstudienplätze für die sonderpädagogische Förderung sind weitere Bestandteile des Maßnahmenpakets. Zudem werden die Einstellungsmöglichkeiten für SekundarstufeII-Lehrkräfte im gemeinsamen Lernen in der Sekundarstufe I erweitert. Ebenso soll die laufende Lehrewerbekampagne fortgesetzt werden. Dafür stellt die Landesregierung in 2019 und 2020 je eine Million Euro bereit.

Das Kernproblem bleibt die ungelöste Besoldungsfrage

Aus Sicht von lehrer nrw zeigt das aktuelle Maßnahmenpaket: Die Landesregierung hat erkannt, dass sie Geld in die Hand nehmen muss, um den Lehrerberuf attraktiver zu machen. Die 350-Euro-Zulage als zentraler Bestandteil des Pakets sieht lehrer nrw allerdings kritisch: »Diese Maßnahme packt das Problem nicht bei der Wurzel, im Gegenteil: Eine solche Zulage für Neulinge wird zu Unfrieden in den Kollegien führen, denn dort bekommen dann andere weniger Geld, die an der gleichen Schule schon seit Jahren engagiert arbeiten«, sagt die Verbandsvorsitzende Brigitte Balbach. »Das Kernproblem bei der Bekämpfung des Lehrermangels bleibt die ungelöste Besoldungsfrage. Wenn die Landesregierung den Lehrerberuf attraktiver machen will, kommt sie um eine überzeugende Antwort auf diese Frage nicht herum.« Die Forderung von lehrer nrw ist und bleibt: Alle grundständig ausgebildeten Lehrkräfte müssen nach A13 besoldet werden. Für Bestandslehrkräfte muss ein Stufenplan zur schrittweisen Besoldungsanpassung aufgelegt werden. Und Seiteneinsteiger müssen Möglichkeiten zur Nachqualifizierung erhalten.

Jochen Smets

Zum Originalbeitrag (PDF-Datei)


 

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