Die diesjährige dbb-Jahrestagung stand ganz im Zeichen der in alle Lebensbereiche greifenden Pandemie, zum Leidwesen aller Referenten, aber auch aller potenziellen Teilnehmer. Der ’Ersatz’ konnte sich sehen lassen, nicht nur digital first, sondern auch digital first class.

Der Deutsche Beamtenbund und tarifunion (dbb), dem jahrzehntelang gelegentlich ein ‘typisch deutsches’ und ‘biederes’ Image nachhing, zeigte sich in der Umsetzung bestens vorbereitet und technologisch modern wie nie. Besser konnte man nicht unter Beweis stellen, dass der Verband nicht nur in der Gegenwart angekommen ist, sondern sogar Qualitätsstandards für die Zukunft setzen kann.

Allen Referenten gemein, vor allem Ulrich Silberbach als dbb-Vorsitzendem und Horst Seehofer als Innenminister, war die wiederholt vorgetragene Ansicht, dass der öffentliche Dienst derzeit in breiten gesellschaftlichen Schichten eine neue Wertschätzung erfährt. Und das in vielerlei Hinsicht: als Säule der Demokratie, als Garant für die Funktionsfähigkeit des Staates, als Stütze der Gesellschaft für die Daseinsfürsorge in Krisenzeiten!

Krisenfester Staat dank funktionierendem öffentlichem Dienst

Eine Krise wie die Pandemie, die die soziale Ungleichheit befördern und verschärfen könne, die die Neuverschuldung des Staates in kaum nachvollziehbare Höhen treibe, unterziehe die Gesellschaft einem Stresstest, so Silberbach. Nicht alle Bürger folgten den Entscheidungen der Politik, nicht alle ließen sich von wissenschaftlichen Erkenntnissen leiten. In dieser schwierigen Zeit erwies sich die Krisenfestigkeit des Staates als Schutz für seine Bürger. Und dies auch dank eines funktionierenden öffentlichen Dienstes.

Es sei ein historischer Fehler gewesen, den öffentlichen Dienst als Einsparpotenzial zu betrachten. Dies habe dazu geführt, dass die öffentliche Infrastruktur nicht bzw. nicht ausreichend genug auf eine Pandemiesituation vorbereitet gewesen sei. Ein Staat, der zu sehr »auf Kante genäht« sei, wäre in Krisenzeiten absolut überfordert. Für den dbb gehe es nun darum, die ’Marke’ öffentlicher Dienst weiter zu stärken, zum Beispiel beim Umgang mit dem Thema Gewalt oder dem Thema der Digitalisierung. Dazu zähle der Ausbau einer digitalen Verwaltung mit einer massiven Investition in die IT-Ausstattung der Behörden. In dieser Hinsicht befände sich Deutschland im europäischen Vergleich auf einem der hinteren Plätze. Daher brauche es dringend einen ’Digitalpakt Verwaltung’.

Seehofer sieht neue Dynamik im Digitalisierungsprozess

Horst Seehofer als Innenminister hob mit großem Respekt hervor, dass der Staat während der gesamten letzten Monate stets voll handlungsfähig geblieben sei. Das öffentliche Gemeinwesen habe sich erneut nach Wiedervereinigung und Bankenkrise als voll leistungsfähig erwiesen. Damit halte es auch jedem Vergleich mit der Privatwirtschaft stand. Er gestand ein, dass an zahlreichen Stellen die IT-Ausstattung unzureichend sei und in mancher Dienststelle noch eine Art ’Zettelwirtschaft’ vorherrsche. Gleichzeitig betonte er aber, dass gerade der Digitalisierungsprozess im Bereich des öffentlichen Dienstes eine gewaltige Dynamik entwickelt habe, die auch nach der Pandemie andauern werde.

Der Innenminister betonte in diesem Zusammenhang wiederholt seine Auffassung von der Notwendigkeit des Berufsbeamtentums, das einen wesentlichen Garant für die Stabilität der Demokratie darstelle. Er verwies dazu unter anderem auf den guten Tarifabschluss im Bereich von Bund und Kommunen, der auf Bundesebene »eins zu eins« auf die Beamten übertragen werde. Auch die föderalistische Struktur unseres Staatsaufbaus lobte er in den höchsten Tönen. Er kenne kein besseres Modell, da dadurch regionale Besonderheiten am treffsichersten entsprechende Berücksichtigung finden könnten.

Antidemokratische Tendenzen bekämpfen

Seehofer, als Bundesinnenminister ein großer Verfechter der Demokratie, legte in seiner wohl letzten Rede auf einer dbb-Jahrestagung Wert darauf, die großen Ziele, die die Aufgabe seines Amtes mit sich brächten, nochmals besonders hervorzuheben, die allesamt dazu dienten, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Solidarität innerhalb der Gesellschaft zu fördern. Dies bedeute dann auch, Konzepte gegen antidemokratische Tendenzen und Kräfte in jeder Form wie Extremismus, Rassismus etc. zu entwickeln und konsequent zu verfolgen.

Er dankte dem Vorsitzenden des dbb, Ulrich Silberbach, für die jahrelange vertrauensvolle Zusammenarbeit. Beide Seiten hätten ihre jeweiligen Interessen stets mit Anstand vor- und auch ausgetragen, was in der anschließenden Diskussionsrunde nochmals mehr als deutlich wurde.

Ulrich Gräler

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Kommentar

Der Öffentliche Dienst – das ’Betriebssystem’ der Gesellschaft

Wenn Tarifpartner wie der Innenminister und der Gewerkschaftschef sich in so vielen Punkten einig sind, dann ist nicht (mehr) das Ziel das Problem, sondern die Umsetzung. Während in der Vergangenheit heftig über die Zielsetzung gestritten wurde, geht es nun den meisten Beteiligten in der Umsetzung nicht schnell genug.

Der Ruf nach dem ‘schlanken Staat’, der in Zeiten der ‘new economy’ Hochkonjunktur besaß, ist nunmehr nach Bankenkrise und Pandemie vollends verstummt. Mancher Weg, der dabei eingeschlagen wurde, führte nicht zum gewünschten Erfolg. Vielleicht lag es auch daran, dass man den Begriff des ‘schlanken Staates’ nicht gut genug durchdacht oder gar falsch verstanden hatte.

Ein ‘schlanker Staat’ muss nicht unbedingt seine Aufgabenbereiche durch ’Auslagerung’ reduzieren, sondern seine als notwendig anerkannten Aufgaben effektiv ausführen können. Insofern gilt es, den öffentlichen Dienst in den Stand zu versetzen, diese Aufgaben möglichst effizient zu erfüllen. Die Bürger dieses Landes sehnen sich derzeit geradezu nach einem verlässlichen Staat, der imstande ist, in Notzeiten vielfältige Unterstützung zu leisten.

Die Einsicht, dass der öffentliche Dienst ein »Dienst am und für den Menschen« darstellt, ist allseits in der Gesellschaft angekommen. Nun ist es an der Politik, diesen gesellschaftlichen Konsens nicht nur in der Verwaltung, sondern unter anderem auch im Bildungsbereich mit Mensch und Material umzusetzen, damit das ’Betriebssystem’ auf Dauer möglichst effektiv und störungsfrei läuft!

Ulrich Gräler

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Antrag mit Luft nach oben

Die NRW-Landesregierung prüft derzeit, wie mit einer passgenaueren Lehrerausbildung die Lehrkräfteversorgung sichergestellt und verbessert werden kann. In einer Anhörung begrüßte lehrer nrw die Initiative im Grundsatz, mahnte aber auch Nachbesserungen und Konkretisierungen an.

Unter anderem sieht die vorläufige Beschlussvorlage der Fraktionen von CDU und FDP vor:

  • eine Optimierung der Beratungsangebote an Hochschulen;
  • eine Anrechnung schulischer Vortätigkeiten auf die Dauer des Vorbereitungsdienstes;
  • bereits bestehende, niedrigschwellige Möglichkeiten des Erwerbs voller Lehramtsbefähigungen zu erweitern, zum Beispiel durch zweisemestrige Ergänzungsstudiengänge in gesuchten Lehrämtern;
  • die Optimierung von Steuerungsprozessen, damit mehr angehende Lehrkräfte die zweite Ausbildungsphase in Regionen mit besonderem Einstellungsbedarf absolvieren;
  • Maßnahmen zur berufsbegleitenden Vorbereitung von Seiteneinsteigern besser an den Qualitätsstandards grundständig ausgebildeter Lehrkräfte insbesondere in pädagogischer Hinsicht anzupassen.

Positiv im Grundsatz, problematisch im Detail

Sven Christoffer, Vorsitzender von lehrer nrw, begrüßte den Vorstoß der Regierungsfraktionen zur Verbesserung der Lehrkräfteversorgung im Grundsatz, kritisierte aber auch einige problematische Punkte in dem Antrag.

So feiert sich die Landesregierung dafür, dass über das Angebot einer Laufbahnwechselgarantie bereits 178 Arbeitsverträge geschlossen wurden. Christoffer wies in diesem Kontext darauf hin, »dass diese Einstellungen zum allergrößten Teil an Gesamt- und Sekundarschulen erfolgt sind. Der Grund dafür ist, dass es an diesen Schulformen keinen Fächerausschluss gibt, an Haupt- und Realschulen jedoch nur bestimmte Fächer ausgeschrieben werden dürfen. Um die Maßnahme auch an Haupt- und Realschulen erfolgreich zu gestalten, muss diese Begrenzung dringend aufgehoben werden«.

Ebenso lobt sich die Landesregierung, dass seit 2017 insgesamt in allen Schulformen 2736 Seiteneinsteiger für den Schuldienst gewonnen werden konnten. Das Problem aus Sicht von lehrer nrw: Nur ein Teil dieser Seiteneinsteiger hat die Möglichkeit, durch das Durchlaufen der OBAS ein zweites Staatsexamen zu erwerben. Christoffer hält es deshalb »für dringend erforderlich, dass den Kolleginnen und Kollegen, die bislang nur die Pädagogische Einführung durchlaufen (können), weitere Nachqualifizierungsangebote gemacht werden, die dann ebenfalls zum Erwerb einer grundständigen Lehramtsbefähigung führen«.

Besoldungsfrage lösen, Pflichtstundendeputat angleichen

Das Problem der hohen Studienabbrecherquoten im Lehramtsstudium will Schwarz-Gelb durch eine bessere Beratung lösen.

Darüber hinaus »könnten Mechanismen angelegt werden, um noch stärker als bisher das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zwischen den verschiedenen Lehrämtern bzw. Schulformen anzugehen«, heißt es im Antrag. Christoffer lässt das nicht unkommentiert: »Nach Auffassung unseres Verbandes ist der beste Mechanismus, ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zwischen den verschiedenen Lehrämtern bzw. Schulformen herzustellen, die Angleichung der Besoldung und des Pflichtstundendeputats.«

Dem Ansinnen, den Vorbereitungsdienst zu kürzen, »ohne die Qualität der Ausbildung in Frage zu stellen«, wie es im Antrag heißt, erteilt Christoffer eine Absage: »Die Schülerinnen und Schüler haben einen Anspruch auf sorgfältigst vorbereitete Lehrkräfte. Die zeitliche Verknappung stünde diesem Anspruch entgegen.«

Jochen Smets

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Von Jugendlichen für Jugendliche

Dreißig Millionen Euro haben Schülerinnen und Schüler in Deutschland für humanitäre Hilfsprojekte gesammelt. Hinter dieser beeindruckenden Zahl steht die Initiative ’Schüler helfen Leben’, die für die diesjährige Kampagne wieder Schulen und Schüler gewinnen will.

Einmal im Jahr organisiert Deutschlands größte von Jugendlichen geführte Hilfsorganisation ’Schüler Helfen Leben’ (SHL) den ’Sozialen Tag’, an dem bundesweit Schülerinnen und Schüler für einen Tag die Schulbank gegen einen Arbeitsplatz tauschen. Mit dem eigenommenen Lohn werden Jugend- und Bildungsprojekte in Südosteuropa und Jordanien unterstützt. Der ’Soziale Tag’ wurde erstmals 1998 in Schleswig-Holstein und seit 2006 in ganz Deutschland durchgeführt. Seitdem haben fast zwei Millionen Schülerinnen und Schüler über dreißig Millionen Euro gespendet und damit mehr als 130 Jugend- und Bildungsprojekte gefördert.

Niedrigschwelliges Aktionsformat

Am ’Sozialen Tag’ engagieren sich Schülerinnen und Schüler über nationale Grenzen hinweg für Gleichaltrige. Dabei setzen sie ein Zeichen für Zusammenhalt und Solidarität. Sie bekommen die Möglichkeit, selbstorganisiert in ihren Traumberuf reinzuschnuppern und so Erfahrungen zu sammeln, die sie ebenfalls in den Unterricht einbringen können. Zugleich entsteht ein Bewusstsein für zivilgesellschaftliches Engagement. Mit den eingenommenen Geldern des ’Sozialen Tages’ können die von SHL unterstützten Projekte zum Beispiel Bildungsarbeit für Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Roma-Communities möglich machen oder Jugendfreizeitangebote schaffen, die Vorurteile abbauen und Demokratie fördern.

Die starken Einschränkungen des öffentlichen Lebens und deren Folgen treffen die Kinder und Jugendlichen in unseren Projektregionen in Südosteuropa und im Kontext des Syrien-Konflikts besonders stark. Gerade junge Menschen mit ohnehin schwieriger Perspektive leiden unter den Einschränkungen besonders. Wir wollen zusammenhalten und sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche in diesen schwierigen Zeiten nicht noch stärker an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.

Engagement Corona-sicher gestalten

Auch bei unserer Arbeit in Deutschland sind die Auswirkungen spürbar, insbesondere im Hinblick auf den ’Sozialen Tag’ am 10. Juni 2021. Unser Ziel ist es, Engagement auch und besonders während der Covid-19-Pandemie zu ermöglichen. Dem Engagement am ’Sozialen Tag’ steht nichts im Weg, wenn die Hygienebestimmungen, die vor Ort gelten, eingehalten werden können und gewerbliche Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die betrieblichen Infektionskonzepte umsetzen. Selbstverständlich steht die Sicherheit und Gesundheit aller an erster Stelle. Auch eine Terminverschiebung kann bei der Umsetzung hilfreich sein, denn der ’Soziale Tag’ kann an jedem Tag im Jahr durchgeführt werden.
Ist ein Engagement am ’Sozialen Tag’ in Betrieben oder außerhalb der Schule nicht vorstellbar, kann auch eine Aktion in der Schule oder im Klassenverband durchgeführt werden.

Bildungsangebote zum Sozialen Tag

Bildungsangebote zum ’Sozialen Tag’ bietet das sogenannte Sozialer-Tag-Mobil, um Schülerinnen und Schüler bundesweit über den ’Sozialen Tag’ zu informieren. Die Freiwilligen von SHL organisieren online Schulbesuche, die auch während der Corona-Pandemie stattfinden können. Neben Infos und Eindrücken aus den Projekten haben sie auch Ideen für Engagement-Möglichkeiten am ’Sozialen Tag’ für Schülerinnen und Schüler im Gepäck. Die verschiedenen Workshops und Vorträge lassen sich einfach in den Unterricht integrieren.

Judith Borowski
Schüler Helfen Leben

Info:

www.sozialertag.de

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Junge Filme gegen Rassismus

Der Deutsche Jugendfilmpreis lädt junge Filmemacherinnen und Filmemacher zum Mitmachen ein und rückt das Thema ’Rassismus’ in den Fokus. Zu gewinnen gibt es Preise im Gesamtwert von 12000 Euro – und die Teilnahme an einem großen Filmfestival.

Der Wettbewerb ist offen für alle Themen und Umsetzungsformen, setzt mit wechselnden Jahresthemen aber auch inhaltliche Akzente. Unter dem Motto ’Schwarz, Weiß, Bunt’ ruft er in seiner aktuellen Ausschreibung zu Einreichungen auf, die sich kritisch mit Ausgrenzung, Benachteiligung und Diskriminierung befassen und den Stolz auf die eigene Identität feiern. »Angesichts der aufgeheizten Debatten um diese Themen, wollen wir gerade jungen Menschen einen Raum anbieten, um sich filmisch mit diesen wichtigen Themen auseinanderzusetzen«, erklärt Thomas Hartmann, zuständiger Projektleiter beim Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrum.

Seit über dreißig Jahren motiviert der Deutsche Jugendfilmpreis junge Menschen dazu, ihre eigenen Sichtweisen filmisch umzusetzen. Teilnehmen können Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahre. Zu gewinnen gibt es Geldpreise im Gesamtwert von 12000 Euro. Darüber hinaus werden die besten Filme des Wettbewerbs im Sommer 2021 beim ’Bundes. Festival. Film.’ in Wuppertal präsentiert. Einsendeschluss ist der 15. Januar 2021.

Info:

www.deutscher-jugendfilmpreis.de

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fair@school: Schulen gegen Diskriminierung

Der Wettbewerb fair@school geht in die fünfte Runde: Bis zum 15. März 2021 suchen die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der Cornelsen Verlag vorbildhafte Projekte und Initiativen an Schulen, die sich gegen Diskriminierung und für Chancengerechtigkeit einsetzen. Gerne werden diesmal auch Einsendungen zu Initiativen angenommen, die sich während der Corona-Zeit in besonderer Weise für Vielfalt und Respekt engagiert haben.

Gesucht werden Projekte allgemein- und berufsbildender Schulen. Dabei ist der Rahmen flexibel: Es kann um ein Unterrichtsprojekt oder eine Projektwoche gehen, eine Arbeitsgemeinschaft, Unterrichtsmaterialien oder auch die Etablierung von Antidiskriminierungs-Maßnahmen an der Schule. Zentral ist, dass der Beitrag die Unterrichts- und Lernkultur der beteiligten Kinder und Jugendlichen verändert – und das Projekt auf Nachhaltigkeit angelegt und auf andere Lerngruppen übertragbar ist.

Drei herausragende Projekte werden im Sommer 2021 in Berlin ausgezeichnet. Als Gewinne winken Geldpreise in Höhe von insgesamt 6000 Euro. Einsendeschluss ist der 15. März 2021.

Info:

www.fair-at-school.de

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Gut gedacht ist noch längst nicht gut gemacht!

Multiprofessionelle Teams (MPT) sollen die Arbeit der Schulen in Nordrhein-Westfalen sozialpädagogisch unterstützen. Doch leider erweisen sich die Vorgaben für die Eingruppierung und Einstufung der MPT-Kräfte als unzureichend. Hier muss dringend nachgebessert werden.

Die Idee war gut und längst überfällig, schließlich hatten die Schulen schon seit Jahren mit zunehmenden pädagogischen und sozialen Herausforderungen zu kämpfen, die ihren eigentlichen Kernauftrag erheblich beeinträchtigten. Zusätzliches (sozial-)pädagogisches Personal sollte das System Schule und die Lehrkräfte darin unterstützen, diese neu hinzu gekommenen Aufgaben verschiedenster Art aufzufangen bzw. abzufedern.

Dieses Ansinnen, das auch vom Verband lehrer nrw nachdrücklich eingefordert wurde, fand bei den meisten politischen Akteuren große Zustimmung, so dass die Umsetzung und Integration in den Schulbetrieb nicht lange auf sich warten ließ. Doch kaum jemand hatte sich weitergehende Gedanken darüber gemacht, wie die materielle Ausgestaltung der Stellen aussehen sollte. Alle Verantwortlichen vertrauten darauf, dass die Anwendung des gängigen Tarifrechts die Grundlage für die jeweilige Einstellung mit entsprechendem Entgelt bilden sollte.

Motivation weicht Enttäuschung

Das Interesse für diese Stellen gab es trotzdem, zunächst vorsichtig abwartend, dann aber auch immer stärker. Mit zunehmender Dauer jedoch wichen bei den neu eingestellten Bewerbern Interesse und Motivation an der Tätigkeit der Enttäuschung und dem Unmut darüber, dass die Vorstellungen von der auszuübenden Aufgabe zwischen der Schulleitung und der MPT-Kraft inhaltlich zuweilen stark divergierten, aber auch darüber, dass die materiellen Bedingungen von dem Entgelt der vorherigen Stelle erheblich abwichen.

Das Tarifrecht hat leider auch an so manchen Stellen seine Tücken. Es war wohl ein Versäumnis des NRW-Schulministeriums, sich keine Gedanken darüber gemacht zu haben, wie sich ein Stellenwechsel für den ins Auge gefassten Bewerberkreis auswirken würde. Nicht wenige haben im Vertrauen darauf, dass sich ihre materiellen Bedingungen nicht ändern würden, einen Vertrag mit dem Land Nordrhein-Westfalen geschlossen ohne zu ahnen, dass es bei dem zukünftigen Entgelt zu einer Verschlechterung kommen könnte. Diese Verschlechterungen resultierten zum Teil aus dem Umstand, dass die neuen MPT-Kräfte einen Arbeitgeberwechsel vornahmen, zum anderen daraus, dass ihre bisherige berufliche Vorerfahrung nicht anerkannt wurde. Beides hätte bei der Einrichtung dieser neuen Stellen besser in den Blick genommen werden können und müssen.

Vorherige Berufserfahrung muss anerkannt werden!

Es liegt in der Natur der Sache, dass MPT-Kräfte aus den unterschiedlichsten Berufsfeldern Eingang in den Schulbetrieb finden (sollten). Wenn nun auch gesellschaftlich allgemein anerkannt wird, dass zahlreiche soziale Nöte/Probleme das System Schule erheblich mit belasten, MPT-Kräfte aber gerade diese Aufgaben übernehmen sollen, dann dürfte es ihnen doch nicht zum Nachteil gereichen, dass ihnen ihre vorherige Berufserfahrung, die sie nicht in einer Schule erworben haben, bei den Erfahrungsstufen versagt wird. Es dürfte auch nicht zum Nachteil gereichen, dass die Zielgruppe, mit der sie zuvor gearbeitet haben, keine Schüler waren.

Das Tarifrecht bietet hierzu die Möglichkeit, die Vorerfahrung auch materiell in Form der Erfahrungsstufen anzuerkennen. Ein Verweis des Landes darauf, dass diese Fragen allein in Tarifverhandlungen geklärt werden, ist nicht schlüssig. Schließlich hält das Tarifrecht zahlreiche Optionen bereit, ein höheres Maß an Anerkennung zu gewähren. Ein Tarifvertrag legt lediglich die Mindestbedingungen fest!

Eingruppierungsordnung kann Abhilfe schaffen

Auch für die Lehrkräfte hat es mehrere Anläufe gebraucht, um gemeinsam mit den Verbänden eine Lehrer-Entgeltordnung (L-EGO) zu vereinbaren, die in sich sachlogisch aufgebaut und für alle Seiten nachvollziehbar geworden ist. Nun gilt es, auch für den Bereich des pädagogischen Zusatzpersonals eine derartige Eingruppierungsordnung mit klaren Kriterien zu erstellen. Diese Vorgaben können auch allein für das Land Nordrhein-Westfalen per Erlass geregelt werden, damit über alle Bezirksregierungen hinweg ein vergleichbarer Maßstab für Qualifikations- und Anerkennungstatbestände im Hinblick auf eine Gleichbehandlung der MPT-Kräfte geschaffen wird, auch sogar über verschiedene Berufsfelder innerhalb des öffentlichen Dienstes des Landes hinweg.

Das Land Nordrhein-Westfalen sollte aufgrund der stetig zunehmenden Aufgabenfülle, die auf das System Schule zugekommen ist, im Bereich des zusatzpädagogischen Personals zu angemessenen Lösungen kommen, die alle Beteiligten auch zu dem Schluss kommen lassen: Gut gemacht!

Ulrich Gräler

Originalartikel (PDF-Datei)


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