Zum Thema ‘Wirtschaft als Schulfach’ hat der Wirtschaftsverband ‘Die Familienunternehmer’ und ‘Die Jungen Unternehmer’ das erste nordrhein-westfälische Zukunfts- und Bildungsforum auf dem RWTH Aachen Campus initiiert. Im Mittelpunkt der mehrstündigen Veranstaltung stand eine prominent besetzte und lebhafte Podiumsdiskussion, in der es heftig zur Sache ging.

Den Auftakt machte Thomas Rick, NRW-Vorsitzender der Familienunternehmer und gleichzeitig Leiter der Bildungskommission des Verbandes, der ‘Wirtschaft’ als Pflichtschulfach an allen Schulen in Nordrhein-Westfalen forderte: »Wir möchten nicht, dass unsere Kinder als ökonomische Analphabeten die Schule verlassen.«

Professor Dr. Thomas Retzmann, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftswissenschaften und Didaktik der Wirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen, erinnerte daran, dass es in Nordrhein-Westfalen zwischen 2010 und 2014 einen erfolgreichen Modellversuch mit dem eigenständigen Fach ‘Wirtschaft’ an siebzig Realschulen in Nordrhein-Westfalen gab. Dieser Probelauf kam bei Schülern, Lehrern und Eltern blendend an. Professor Retzmann: »Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation dieses Modellversuchs waren überwältigend positiv. Schade, dass es dennoch keinen parteiübergreifenden Konsens für ein Fach Wirtschaft gab.«

Kritische Stimme von lehrer nrw

»In der Schulpolitik der rot-grünen Regierung geht es bedauerlicherweise nicht um die Erziehung der Schüler zu mündigen Bürgern«, betonte Brigitte Balbach, Vorsitzende von lehrer nrw: »Wir wünschen uns informierte Schüler, die die Grundprinzipien unserer soziale Marktwirtschaft kennen, verstehen und auch erklären können. Sie sollen zum Beispiel wissen, was ein Eurorettungsschirm ist.«

Yvonne Gebauer, Sprecherin für Schule und Weiterbildung der FDP-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, machte darauf aufmerksam, dass der erfolgreiche Modellversuch von der jetzigen Landesregierung »ohne Wenn und Aber« beendet worden ist. Das Schulministerium setze stattdessen vermehrt auf Verbraucherschutz.

Thomas Rick hält den Verbraucherschutz für unabdingbar, plädierte aber für eine umfassendere Sicht auf das komplexe Thema Wirtschaft. »Wir wünschen uns eine nicht ideologisch eingefärbte Wissensvermittlung, damit jeder Schüler die Kompetenzen erfährt, wirtschaftliche Zusammenhänge zu begreifen und zu bewerten. Letztendlich wollen wir, dass die Schüler lernen, selbstständig zu denken und zu arbeiten«, so der Verbandsvorsitzende.

Bildungsverlierer Nordrhein-Westfalen

Auch der Aspekt der Bereitstellung von finanziellen Mitteln wurde von den Podiums-teilnehmern angesprochen. Gebauer machte darauf aufmerksam, dass das Land Nordrhein-Westfalen im Bundesvergleich am wenigsten Geld pro Schüler ausgebe: »Wir in Nordrhein-Westfalen sind jetzt schon Bildungsverlierer«, sagte die FDP-Politikerin.Dem stimmte Balbach zu: »In den Jahren der rot-grünen Regierung hat sich die Grundbildung enorm verändert. Durchschnittlich haben sich die Leistungen, insbesondere in den Grundfertigkeiten – Schreiben, Rechnen, Lesen –, stark verschlechtert. Geschuldet ist dieser Missstand den fehlenden finanziellen Mitteln, einem eklatanten Lehrermangel, der nicht öffentlich gemacht wird, sowie einem Bildungsbegriff, der andere Prioritäten setzt.« Als Beispiel zitierte sie einen Schüler, der ihr erklärt hatte: »Ich brauche nicht pünktlich zum Unterricht zu kommen – wir chillen in der ersten Stunde!« Das führe dazu, so Balbach, dass Mütter und Väter unter anderem in Kleve auf die Straße gehen und mit dem Ziel protestieren, den Leistungsgedanken wieder zu stärken.

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»Wir werben nicht mit unserer Schulform, sondern mit unserer Arbeit«

Mit einem interessanten Konzept, guten Ideen und einem motivierten Kollegium hat sich die Sekundarschule Hamborn schnell auf der schulischen Landkarte etabliert. Ein Ortsbesuch.

Die Schulstrukturfrage hat sich für Ulrich Ehrentraut von Anfang an nicht gestellt. Der Schulleiter der Sekundarschule Hamborn, die 2014 aus der Realschule Hamborn II und der Anne-Frank-Hauptschule hervorgegangen ist, hat einen ganz pragmatischen Ansatz: »Es gibt gute, sehr gute und weniger gute Schulen.« Ob auf dem Klingelschild nun Sekundarschule, Hauptschule, Realschule, Gesamtschule oder Gymnasium steht, hält er nicht für entscheidend. »Der Unterschied zwischen Sekundarschule, Gesamtschule und Realschule ist nicht so groß. Entweder man hat ein gutes Konzept, gute Ideen und ein gutes Kollegium – oder man hat es nicht«, betont er.

Das Beste aus verschiedenen Schulformen

Dementsprechend undogmatisch ist die inhaltliche Herangehensweise. Ehrentraut versucht mit seinem Team, das Beste aus den Schulformen unter einem Dach zusammenzuführen. Aus der Realschule wurde die Neigungsdifferenzierung übernommen, die in Klasse 7 greift. Aus der Gesamtschule stammt die Differenzierung in E- und G-Kurse – mit dem gewichtigen Unterschied, dass das Ganze im Klassenverbund stattfindet: »Wir unterrichten komplett integriert und binnendifferenziert.« Die Schülerinnen und Schüler bleiben im Gegensatz zur Gesamtschule durchweg im Klassenverbund. Dadurch sind Wechsel zwischen E- und G-Kurs jederzeit unkompliziert möglich, erklärt Abteilungsleiterin Julia Schawohl. Ein weiterer Vorteil: Der Sozialverband bleibt intakt.

Die Heterogenität in den Klassen ist aus Ehrentrauts Sicht nicht ausgeprägter als in der Vorgänger-Realschule. Gerade vor diesem Hintergrund habe sich der Weg Richtung Binnendifferenzierung als richtig erwiesen. »Wir wollten – wie bei einer Qualitätsmarke – ein Alleinstellungsmerkmal, und das haben wir bekommen«, sagt Ehrentraut. Möglich ist die anspruchsvolle Binnendifferenzierung, weil die Sekundarschulen eine viel bessere Schüler-Lehrer-Relation haben als beispielsweise Realschulen. In Sekundarschulen kommen sechzehn Schüler auf einen Lehrer, in Realschulen sind es knapp zwanzig.

Schwerpunkt MINT

Ein Kernelement im Konzept der Sekundarschule Hamborn ist die ausgeprägte MINT-Orientierung. Anders als an vielen Gesamtschulen werden die Naturwissenschaften nicht in einem Fach zusammengefasst. »Wir unterrichten Technik, Biologie, Chemie und Physik nach wie vor als einzelne Fächer«, erläutert Lehrer Marcel Butkus. Whiteboards in allen Klassen, Laptop-Klassen, Medien-Scouts, Experimentier-Angebote unter dem Motto ‘MINT-aktiv’, Forscher-Wochen, zu denen benachbarte Grundschulen eingeladen werden, sind weitere Bausteine des MINT-Konzepts. Im Projekt ‘Lernen 25’ werden die Möglichkeiten der Handynutzung im Unterricht erprobt: In ausgewählten Stunden können die Schüler ihre mit den Whiteboards kompatiblen Smartphones nutzen. Mehrfach hat die Sekundarschule Hamborn erfolgreich an Robo-Cup-Wettbewerben mit programmierbaren Robotern teilgenommen. Leistungsstarke Schüler werden in einer Forscherwerkstatt gezielt gefördert und dafür (auf freiwilliger Basis) vom laufenden Unterricht befreit.

In den Hauptfächern gibt es ‘ZOFF’: Das steht für ‘Zukunftsorientiertes Fördern und Fordern in allen Hauptfächern’. Hier werden Schüler in der fünften Klasse zu Schuljahresbeginn in Gruppen eingeteilt und individuell unterrichtet. Hier können sie ihr Können unter Beweis zu stellen und ‘Baustellen’ in Angriff nehmen. Statt Hausaufgaben gibt es ‘MaRS’: In den Fächern Mathematik (Ma), Deutsch (R = Rechtschreibung) und Englisch (S = Sprachen) arbeiten die Schüler nicht zu Hause, sondern in der Schule. Die MaRS-Aufgaben sind an den aktuellen Fachunterricht angepasst. Hier werden Lerninhalte der letzten Woche wiederholt und auch spielerisch-kreativ neu aufbereitet.

Zu wenig Unterstützung bei Inklusion und Integration

Natürlich ist nicht alles eitel Sonnenschein an der Sekundarschule Hamborn. Beispiel Inklusion: Auf 24 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf kommt eine halbe Sonderpädagogen-Stelle. »Eigentlich ist der Schlüssel eins zu zwölf«, sagt Ehrentraut. »Hier würde ich mir mehr Unterstützung wünschen – auch im Hinblick auf unsere internationalen Vorbereitungsklassen für zugewanderte Schüler.« Derzeit betreut die Sekundarschule Hamborn etwa fünfzig Flüchtlingskinder.

Grundsätzlich ziehen Ehrentraut und seine Kollegen jedoch ein positives Fazit nach knapp drei Sekundarschul-Jahren: Die Sekundarschule Hamborn ist bei Lehrkräften, Schülern und Eltern hoch geschätzt – und zwar unabhängig vom Namen auf dem Klingelschild. Der Schulleiter bringt es auf den Punkt: »Wir werben nicht mit unserer Schulform, sondern mit unserer Arbeit.«

Jochen Smets

Steckbrief der Sekundarschule Hamborn

  • Gründung: August 2014
  • Vorgängerschulen
    Realschule Hamborn II, Anne-Frank-Hauptschule Hamborn
  • Schülerzahl: 403 im Schuljahr 2016/2017
  • Klassen: 16
  • Standorte: 2
  • Betreuungskonzept   
    Gebundener Ganztagsbetrieb an drei Tagen bis 15:35 Uhr, an zwei Tagen bis 14:00 Uhr
  • Abschlüsse   
    Fachoberschulreife oder Fachoberschulreife mit Qualifikation

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Wenn Lehrer-Bewerbern die charakterliche Eignung fehlt

In Berlin ist ein bereits ausgewählter Bewerber wegen mangelnder charakterlicher Eignung nicht als Lehrer eingestellt worden. Er war in der S-Bahn mit einem gefälschten Fahrschein erwischt worden.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat den Anspruch eines bereits ausgewählten Bewerbers auf Einstellung als Lehrer abgelehnt und damit die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts Berlin bestätigt, dass dem angehenden Kollegen die charakterliche Eignung fehlt (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. März 2017, Az. 2 Sa 122/17).

Eine Schwarzfahrt und die Folgen

Der Entscheidung liegt eine interessante Geschichte zugrunde. Den Berufswunsch des angehenden Kollegen hat eine oftmals als Kavaliersdelikt belächelte Straftat zerstört. Das Land Berlin hat dem Bewerber eine Einstellung als Lehrer in Aussicht gestellt, diese aber nach Einholung des erweiterten Führungszeugnisses abgelehnt. In dem Führungszeugnis war ein rechtskräftiger Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten aufgeführt, nach dem der Bewerber wegen versuchten Betrugs zu einer Geldstrafe von dreißig Tagessätzen verurteilt worden war, weil er nicht nur ohne gültigen Fahrschein S-Bahn gefahren ist, sondern bei der Fahrscheinkontrolle auch noch einen gefälschten Fahrschein vorgezeigt hat. Obwohl der Bewerber damit nicht als vorbestraft gilt, hat das Land Berlin ihn für den Lehrerberuf als charakterlich ungeeignet eingestuft. Das LAG Berlin-Brandenburg hat nun entschieden, dass dem Bewerber die für eine Einstellung als Lehrer gemäß Artikel 33 Abs. 2 Grundgesetz erforderliche charakterliche Eignung tatsächlich fehlt, und zugleich festgestellt, dass eine rechtsverbindliche Zusage der Einstellung entgegen der Auffassung des Bewerbers nicht erfolgt sei. Die Revision an das Bundesarbeitsgericht hat das LAG Berlin-Brandenburg explizit nicht zugelassen.

Wie ich es sehe

Das Landesarbeitsgericht hat den geltend gemachten Anspruch des Bewerbers zu Recht abgelehnt. Einstellungszusagen erfolgen stets vorbehaltlich der Feststellung der Eignung des Bewerbers. Wer als Lehrer arbeiten möchte, muss Vorbildfunktion haben und sollte zum Beispiel nicht vorbestraft sein. Dass Strafbefehle nicht als Vorstrafen zählen, kann aber in den Hintergrund treten, wenn der Bewerber die charakterliche und persönliche Eignung vermissen lässt. Und die charakterliche Eignung fehlt bei Bewerbern regelmäßig dann, wenn sie nicht nur ohne gültigen Fahrschein öffentliche Verkehrsmittel benutzen, sondern bei der Fahrkartenkontrolle auch noch gefälschte Fahrscheine vorlegen. Kleiner Trost: Das Bundeszentralregister sieht bei der vorliegenden Straftat vor, dass Eintragungen im erweiterten Führungszeugnis nach drei Jahren wieder gelöscht werden. Wenn der Bewerber also ein paar Jahre wartet, kann er sich mit Aussicht auf Einstellung als Lehrer erneut bewerben.

Michael Struck 

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Sind freie Lernzeiten sinnvoll?

Was tun mit freien Lernzeiten? Bei Schülern gehen die Meinungen in dieser Frage auseinander.

  • Wenn wir Übungen in der Lernzeit machen finde ich das gut. Dann kann ich für Mathe und Englisch Sachen machen, die ich bisher noch nicht so gut kann.
    Eileen, 12 Jahre
  • Ich finde gut, dass wir unsere Lösungen immer selbstständig überprüfen können. Ich muss dann nicht so lange warten, und ich finde es gut, wenn ich viele Lösungen richtig habe.
    Yasemin, 11 Jahre
  • Wir machen Projekte in der freien Lernzeit. Das macht Spaß. Ich kann mein Laptop mitbringen und erstelle einen eigenen Film.
    Vincent, 14 Jahre
  • Manchmal haben wir nicht genug zu tun, dann langweile ich mich, weil ich nicht weiß, was ich machen soll.
    Jason, 13 Jahre
  • Finde ich gut, weil man dann auch mal Sachen machen kann, die Spaß machen.
    David, 13 Jahre
  • Ich weiß oft nicht, was ich machen soll, und dann sitze ich rum, und der Lehrer meckert.
    Luisa 12 Jahre
  • Wir sollen dabei lernen, unsere Arbeit zu organisieren. Ich kriege das nicht gut hin, und der Lehrer hilft mir dann oft nicht.
    Luis, 14 Jahre

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