Das NRW-Schulministerium startet im kommenden Jahr eine Image-Kampagne zur Lehrer-Gewinnung. Das ist löblich. Aber ohne veränderte Rahmenbedingungen vor Ort, ohne Verbesserungen für den Arbeitsplatz Schule, ohne Besoldungsverbesserungen, die sich an Ausbildung und Tätigkeit des Lehrers orientieren, wird das nichts werden.
In einer Sitzung der Verbandsvorsitzenden mit Vertretern des MSB wurde schnell klar, dass sich das Ministerium bisher keine Gedanken darüber gemacht hat, wofür das Land Nordrhein-Westfalen werben will. Was kann das Land den künftigen Lehrkräften denn anbieten? Was versteht das MSB unter einem guten Lehrer? Was muss er mitbringen, und was bietet ihm das Land? Kurz gesagt, es fehlten klare Vorstellungen im MSB, welche Anreize es denn gibt, Lehrer werden zu wollen. Das Haus mogelte sich in dieser ersten Sitzung um die Definition eines guten Lehrers herum. Geschweige denn, dass im Blick war, wie ein guter Lehrer langfristig gut bleiben kann.
Checkliste: Was ist ein guter Lehrer?
In Anlehnung an unser diesjähriges Motto beim Mülheimer Kongress muss die Leitfrage lauten: Was macht Lehrer stark? Ich habe folgende Merkmale in einen überschaubaren Katalog gepackt:
- Ein guter Lehrer bringt seine ganze Persönlichkeit in sein Lehrer-Dasein ein.
- Er sorgt immer neu für aktuelles Fachwissen.
- Er sucht täglich den Dialog mit seinen Schülern.
- Ein guter Lehrer nimmt die Maske ab, sobald er die Klasse betritt.
- Er ist in jeder Situation wahrhaftig, also er selbst.
- Ein guter Lehrer lässt seinen Charme besonders in kritischen Situationen spielen.
- Er nimmt die Kommentare seiner Kollegen nicht so wichtig und persönlich.
- In einer guten Unterrichtsstunde erreicht ein guter Lehrer seine Schüler.
- Ein guter Lehrer lächelt möglichst oft, um Verbindungen herzustellen.
- Er hat Spaß beim Lehren, er bleibt locker.
- Er lässt das Zaubereiministerium links liegen.
- Er versteht Solidarität unter allen am Schulleben Beteiligten als Gnade.
- Er macht sich von Zeit zu Zeit bewusst, was er an seinem Beruf liebt und was nicht – und zieht Konsequenzen daraus!
- Ein guter Lehrer weiß geschickt mit Kritikern umzugehen. Er ist in der Lage, sich kritisch mit anderen Meinungen auseinander zu setzen und kann Angriffe auf ihn zur eigenen Stärkung oder zur Korrektur nutzen, ohne dies als Niederlage zu verstehen. Er bleibt an der Sachfrage orientiert.
- Der Unterricht ist in erster Linie lern- und nicht leistungsorientiert. Schüler sind immer mehr an Dingen für ihr Leben interessiert.
- Ein guter Lehrer achtet auf sich selbst und sorgt für sich.
- Er wartet nicht auf das Handeln seiner Vorgesetzten.
- Das Umgehen mit heterogener Schülerschaft ist ihm eine Herausforderung, kein Ärgernis.
- Er setzt nie auf veränderte Rahmenbedingungen, sondern versucht sich, zu arrangieren.
- Er sorgt bei sich selbst stetig für Veränderungen in seiner Haltung zu Sachzwängen und Mitmenschen und wartet nicht auf weniger turbulente Zeiten. Sondern er tut heute schon etwas für sich.
Soweit meine persönliche Checkliste zur Unterstützung der Definition eines guten Lehrers. Jeder von Ihnen weiß selbst, welche Punkte darüber hinaus für Sie persönlich wichtig sind und welche Sie durchaus vernachlässigen könnten. Meine Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Zu sich selbst finden
Was hilft nun einer Lehrkraft, Durststrecken zu überstehen, Krisenzeiten zu verkraften, der zunehmenden Hektik unserer Zeit nicht zu verfallen? Was macht Lehrer stark in unruhigen Zeiten, die umwälzende und für ihn bedrohliche Veränderungen mit sich bringen? Wie kann er einem Bildungs-Hurrikan begegnen? Wie kann er mit der zunehmenden Zahl von Flüchtlingskindern und ihren besonderen Bedürfnissen angemessen umgehen? Wie wird er mit täglicher Überforderung fertig?
Ich habe in dem neuen Buch ‘Stark in stürmischen Zeiten’ von Bodo Janssen und Anselm Grün (bin ein Fan von ihm!) einige Anregungen für Antworten auf diese Fragen gefunden und versucht, sie für uns zu nutzen. Das Rezept Anselm Grüns lautet wie immer ganz schlicht: Ruhe, Stille Langsamkeit und Entschleunigung des Alltags. Er schlägt vor, in den Tagesablauf kleine Wohlfühlinseln einzubauen. Jeder Lehrer, so würde er zu uns jetzt sagen, braucht Ruhe und Stille, um zu sich selbst zu finden.
Der Lehrer der Zukunft
Das gilt nicht nur für uns als Lehrer, sondern auch für den Verband insgesamt. Wir müssen dafür den Verband nicht verändern, wir müssen im Verband nur die werden, die wir vom Wesen her sein könnten. Wie das geht? Wir müssen uns zunächst die Frage stellen, was unseren Verband bisher ausgemacht hat, was sein wesentlicher Kern ist. Die Antwort gibt unser Name: lehrer nrw
Im Zentrum unserer Aufmerksamkeit steht der Lehrer. Was ist unsere Idee vom Lehrer der Zukunft? Welche Verwandlung müssen wir anstreben, um den Lehrer für die Zukunft bereit zu machen?
Wir haben als Verband die Aufgabe, ein Konzept für den Lehrer der Zukunft zu schaffen. Wir müssen unsere Kräfte messen und aktivieren, um gemeinsam mit unseren Mitgliedern und Freunden ein Konzept zu entwickeln für den Lehrer der Zukunft. Über welche Eigenschaften muss er verfügen, was muss er leisten können, welche Hilfskräfte müssen ihm zur Seite gestellt werden? Welche Hilfen können wir ihm vom Verband geben, zum Beispiel über unser Fortbildungsangebot?
Bewährtes bewahren, Profil schärfen
Wir wollen dabei agieren und nicht reagieren. Was wir bisher erreicht haben, ist gut – wir haben in Nordrhein-Westfalen ein Standing erreicht, das uns auf Augenhöhe in Politik und Gesellschaft mitreden lässt. Wir können berechtigte Hoffnung haben, dass unsere Einlassungen zu den Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte und zu deren Aus- und Weiterbildung in zwei Ministerien in Nordrhein-Westfalen gehört werden, dem Schulministerium und dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft. Das bestärkt uns darin, hinsichtlich einer Weiterentwicklung des Lehrberufs an Bewährtem festzuhalten und das Profil weiter zu schärfen. Das sollten wir gemeinsam anpacken – in Ruhe und Konzentration!
Und zum Schluss meine Anregung: Kümmern Sie sich um sich selbst – gleich heute!
Brigitte Balbach
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