Oder: Was bringt uns die Kultusministerkonferenz?

Die Kultusministerkonferenz vertritt die Interessen der Länder in Bezug auf Bildung und Erziehung gegenüber dem Bund, der Europäischen Union, dem Europarat, der OECD und den Vereinten Nationen. Dabei sind Berlin und Bonn die Standorte, die die laufenden Geschäfte der Kultusministerkonferenz erledigen. Wichtige Aufgaben sind die Qualitätssicherung an Schulen und die Frage nach der Qualität und Leistungsfähigkeit von Schülern auf der Bundesebene. Diese Frage wird immer virulenter, sodass die Kultusministerkonferenz die Frage der Qualitätssicherung zu ihrem Schwerpunkt gemacht hat. Nach dem Konstanzer Beschluss von 1997 nimmt die Kultusministerkonferenz auch an nationalen und internationalen Vergleichsstudien teil.

KMK-Präsident in der Kritik

In diesem Jahr feiert die Kultusministerkonferenz ihren siebzigsten Geburtstag. Der Festakt fand am 15. Januar in Berlin statt. 1948 wurde der Grundstein für unsere heutige föderale Bildungsstruktur gelegt. Turnusgemäß wechselte der Vorsitz der Kultusministerkonferenz diesmal zum Minister für Bildung, Jugend und Sport aus Thüringen, Helmut Holter von den Linken.

Bereits auf den ersten Metern ist er in die Kritik geraten, weil er den Föderalismus in Frage stellt (Fernseh-Interview) und sein erster Vorschlag eines innerdeutschen Schüleraustauschs zwischen ost- und westdeutschen Ländern direkt öffentlich verrissen wurde (als überholt).
Dass es hinsichtlich des Föderalismus Verbesserungsbedarf gibt, ist auch uns bekannt, denke ich. Die Auswirkungen des Bildungsmonitorings und internationaler Schulleistungsstudien kennen wir – ja, wir fürchten die Veröffentlichung der Testergebnisse manchmal sogar. Und das aus dem einen Grund, dass bei schlechterem Abschneiden in Vergleichsstudien die Bildungspolitiker der Länder sofort Handlungsbedarf sehen, der sich leider oft eben nicht an den gegebenen Schulrealitäten in den unterschiedlichen Ländern orientiert, sondern ‘von oben’ einheitlich verordnet werden soll. Ob damit dann tatsächlich eine Verbesserung an Schulen das Ziel ist oder die angestrebten Änderungen eher eine Verteidigungsstrategie der Kultusminister (»An mir liegt es nicht!«) sind, bleibt oft ungeklärt.

Expertise der Lehrkräfte nicht gefragt

PISA, OECD und Bertelsmann sowie vergleichbare Studien auf nationaler wie internationaler Ebene (in manchen Ländern ‘hausgemachte’ Studien) führen kaum zu tatsächlichen Qualitätsverbesserungen und gießen auch noch Öl ins Bildungsfeuer öffentlicher und medienwirksamer Diskussionen. Das Gerangel um Kompetenzen und deren Definition sowie deren Wirksamkeit nervt uns Fachleute und schädigt insgesamt die Expertise, die wir Lehrkräfte vorhalten. Schade!
Der bayerische Staatsminister Reinhold Bocklet trat in einem Interview deutlich dafür ein, dass der Föderalismus in Deutschland dringend reformiert werden müsse. Als Grund für seine Forderung führte er an, dass immer mehr Gesetzgeberkompetenzen von den Ländern auf den Bund übergegangen seien und damit das ganze föderale System immer undurchschaubarer geworden sei. Man habe, so Bocklet, einen kooperativen Föderalismus mit Gemeinschaftsaufgaben eingeführt. Dabei gehe der Wettbewerb der Länder untereinander verloren. Er begründete das damit, dass der Finanzausgleich unter den Ländern sich derart entwickelt habe, dass bedürftige Länder finanzielle Zuteilungen bekämen, während den gut und erfolgreich wirtschaftenden Ländern diese Gelder vorenthalten würden. Dadurch gäbe es keinerlei Anreize mehr, in einen Bildungswettbewerb einzutreten.

Der Konstanzer Beschluss

Der oben erwähnte Konstanzer Beschluss zu Leistungsvergleichen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland sagt zu dieser Thematik: »Die Kultusministerkonferenz sieht im Hinblick auf die Gleichwertigkeit der schulischen Ausbildung, die Vergleichbarkeit der Schulabschlüsse sowie die Durchlässigkeit des Bildungssystems innerhalb der Bundesrepublik Deutschland in der Entwicklung von Maßnahmen zur Sicherung der Qualität schulischer Bildung eine wichtige Aufgabe.«

Richtig! Nur wie geht das? Was wir sehen, sind Länder wie Bayern, die fast vorbildliche Bildungsarbeit leisten – wie kommt das? Warum ist die Bildungswelt dort so ‘in Ordnung’? Vielleicht weil das Land darauf verzichtet, an seiner Schulstruktur ständig herumzubasteln? Oder auch, weil das Land seine Staatsdiener, die Lehrkräfte, schätzt und deshalb ordentlich alimentiert? Werte müssen dort nicht bewusst gemacht werden, sie werden gelebt. Allerdings auch nur begrenzt. Denn das Abschotten der Ansässigen vor Flüchtlingen ist kein weltoffener Wert, der heute nötig wäre, sondern Ausdruck einer ‘Ausgrenzung’ und damit Selbstsicht, die Narziss nicht besser spiegeln könnte.
Länder sind eben oft sehr unterschiedlich. Und nun? Als ich in Brüssel im Ausschuss für Bildung und Kultur der EU zum Thema ‘Integration’ sprach, war ich zum ersten Mal stolz, aus Nordrhein-Westfalen zu kommen, weil wir Integration zu leben versuchen. Wir arbeiten – trotz schwieriger Rahmenbedingungen – an vielen Stellen daran, im schulischen Integrationsprozess nicht nur Sprache und Wissen, sondern auch Werte zu vermitteln. Flexibilität und Expertise bei der Gestaltung von Integration sind vonnöten. Wenn die Zukunft des Kindes im Fokus stehen soll, kann man nicht anders handeln. Bei diesem Thema zeigt sich, dass Föderalismus natürlich ist und jedes Land andere Schwerpunkte setzt. Das ist gut.

Bildungspolitische Vielfalt wird gelebt. Inwieweit die Kultusministerkonferenz dazu einen Beitrag leistet oder Unterstützung im Anderssein gewährt oder die Orientierung an der Basis sucht und mit Vorschlägen aufwartet, ist uns bisher nicht bekannt. Leider! Da gibt es noch Handlungsbedarf.

Wir haben in den letzten Jahren die Kultusministerkonferenz häufig als ein Gremium wahrgenommen, das weit ‘ab vom Schuss’ Bildungspolitik macht. Es ist wünschenswert, dass sich die Kultusministerkonferenz in die Mitte der Bildungsvermittlung bewegt und basisorientierter wird. Dazu gehört es, dass der Kompetenzwahn mit all seinen diffusen Entwicklungen beendet wird und tatsächliche Bildung greifbar wird. Wir müssen neue Wege gehen. Unsere Welt verändert sich – wir wollen mit!

Brigitte Balbach

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