Der Arbeitgeber darf den Stellenbewerber grundsätzlich nicht nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen. Eine solche unspezifizierte Frage verstößt gegen Datenschutzrecht und die Wertentscheidungen des § 53 Bundeszentralregistergesetz (BZRG).

Stellt der Arbeitgeber die Frage dennoch und verneint der Bewerber in Wahrnehmung seines informationellen Selbstbestimmungsrechts wahrheitswidrig, dass gegen ihn Ermittlungsverfahren anhängig waren, darf nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) der Arbeitgeber das zwischenzeitlich begründete Arbeitsverhältnis nicht wegen dieser falsch erteilten Auskunft kündigen.

Kündigung unwirksam

Im entschiedenen Fall bewarb sich der Kläger als Seiteneinsteiger auf eine ausgeschriebene Lehrerstelle an einer Hauptschule in Nordrhein-Westfalen. Vor seiner Einstellung wurde er aufgefordert, auf einem Vordruck zu erklären, ob er vorbestraft sei, und zu versichern, dass gegen ihn kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig sei oder innerhalb der letzten drei Jahre anhängig gewesen sei. Der Bewerber unterzeichnete den Vordruck, ohne Angaben zu etwaigen Ermittlungsverfahren zu machen. Er wurde zum 15. September 2009 eingestellt. Im Oktober 2009 erhielt die zuständige Bezirksregierung einen anonymen Hinweis, der sie veranlasste, die Staatsanwaltschaft um Mitteilung strafrechtsrelevanter Vorfälle zu bitten. Die daraufhin übersandte Vorgangsliste wies mehrere wegen Geringfügigkeit (§§ 153 ff. StPO) eingestellte Ermittlungsverfahren aus. Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich, weil der Lehrer die Frage nach Ermittlungsverfahren wahrheitswidrig beantwortet habe. Der Lehrer hatte vorgetragen, die Kündigung sei unwirksam, da er bereits eingestellte Ermittlungsverfahren nicht habe angeben müssen. Das Arbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung, das Landesarbeitsgericht auch die ordentliche Kündigung als unwirksam angesehen.

Bestätigung durch Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht hat in letzter Instanz die Auffassung des Landgerichts bestätigt. Eine Erhebung von Daten, wie sie die unspezifizierte Frage nach Ermittlungsverfahren darstellt, ist nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Nordrhein-Westfalen nur zulässig, wenn sie durch eine Rechtsvorschrift erlaubt ist oder der Betroffene einwilligt. Solche Informationen zu abgeschlossenen Ermittlungsverfahren sind für die Bewerbung um eine Stelle als Lehrer nicht erforderlich und damit nicht durch § 29 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen gestattet. Die allein auf die wahrheitswidrige Beantwortung der Frage nach Ermittlungsverfahren gestützte Kündigung verstieß deshalb gegen die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie im Recht auf informationelle Selbstbestimmung, bei dem es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) handelt, zum Ausdruck kommt. Sie war deshalb gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit unwirksam (BAG, Urteil v. 15.11.2012, Az: 6 AZR 339/11).

Lydia Kohlenbach

Originalausgabe