Für die Lebenschancen junger Menschen ist nicht nur ein guter Schulabschluss, sondern insbesondere auch der gelingende Übergang von der Schule in den Beruf entscheidend. Der Rheinisch-Bergische Kreis hat dazu ein spannendes Projekt aufgelegt: Mit dem ’Onlinebewerberbuch’ wird der klassische Bewerbungsprozess um Ausbildungsberufe einfach umgedreht!

Die Berufsbildungsberichte der Bundesregierung zeigen deutlich, dass die Zahl unbesetzter Lehrstellen immer wieder neue Höchststände erreicht.

Viele Unternehmen klagen, dass sie keine geeigneten Auszubildenden finden. Dies hat zur Folge, dass die Betriebe ihren Personalbedarf über die Rekrutierung von bereits fertig ausgebildeten Fachkräften abdecken und sich sukzessive aus der Ausbildung zurückziehen, da sie kaum noch geeignete Bewerbungen erhalten. Paradoxerweise finden zugleich immer mehr Schulabgängerinnen und -abgänger keine passenden Lehrstellen mehr. Um freie Ausbildungsplätze mit passenden unversorgten Jugendlichen zu besetzen, hat die Kommunale Koordinierungsstelle des Rheinisch-Bergischen Kreises gemeinsam mit den Partnern der Steuerungsgruppe ein regionales und digitales Matching-Tool entwickelt: das ’Onlinebewerberbuch’.

Der Betrieb bewirbt sich beim Jugendlichen

Das Onlinebewerberbuch kehrt das Prinzip der gängigen Lehrstellenbörsen und somit den klassischen Bewerbungsprozess einfach um. Hier bewerben sich nicht, wie sonst üblich, die Jugendlichen bei den Betrieben, sondern die Betriebe haben die Chance, die Jugendlichen direkt über dieses Tool zu kontaktieren und sie für ihren Betrieb und eine duale Ausbildung zu gewinnen. Das Onlinebewerberbuch ist ein Internetportal, in dem sich Jugendliche aller Schulformen aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis im Schulunterricht unter www.binbereit.de anmelden und einen Steckbrief zu ihrer Person einstellen.

Hier können sich die Schulabsolventinnen und -absolventen mit ihren Stärken, Kompetenzen, praktischen Erfahrungen und beruflichen Zielvorstellungen den ausbildungswilligen Betrieben präsentieren. Die Schülerinnen und Schüler können ihren Steckbrief ab der Jahrgangsstufe 9 selbstständig einstellen und jederzeit bearbeiten. Dieser Prozess, inklusive die Veröffentlichung der jeweiligen Steckbriefe, wird durch die Lehrkräfte und die Agentur für Arbeit begleitet. Die Lehrkräfte aller Schulen in der Region waren eng über kreisweit koordinierte Arbeitskreise in die Entwicklung eingebunden; die Lehrkräfte und Mitarbeitenden der Agentur für Arbeit wurden in Schulungen auf das Onlinebewerberbuch vorbereitet.

Unkompliziertes Verfahren

Das neue digitale ’Onlinebewerberbuch’ soll dabei helfen, die Ausbildungsquote der Betriebe zu stabilisieren und die Anzahl der unversorgten Ausbildungsbewerberinnen und -bewerber zu minimieren. Es ermöglicht Unternehmen der Region, Jugendliche ohne großen Aufwand direkt anzusprechen und sie von sich zu überzeugen. Personalverantwortliche aus Unternehmen können im Portal dann nach passenden Auszubildenden suchen und die Jugendlichen elektronisch kontaktieren. Das alles geschieht in einem nicht-öffentlichen Bereich. Voraussetzung für die Nutzung ist, dass das Unternehmen bei einer Wirtschaftskammer als anerkannter Ausbildungsbetrieb geführt wird. Zugriff auf den geschützten Bereich haben nur registrierte und eingetragene Betriebe, die auch tatsächlich Auszubildende einstellen wollen.

Kostenfreies Angebot

Ist das Unternehmen als Ausbildungsbetrieb anerkannt, kann es sich einfach auf der Startseite des Onlinebewerberbuchs registrieren. Nötig sind dazu nur wenige Betriebsdaten, wie die Unternehmensadresse und die Kontaktdaten der oder des Ausbildungsverantwortlichen. Die Bewerbersuche erfolgt dann mit Hilfe dreier Suchkriterien: Ausbildungsberuf, Ausbildungsbeginn und Wohnort. Der gesuchte Ausbildungsberuf wird mit den verschiedenen Wunschberufen der Jugendlichen verglichen, als auch mit deren praktischen Erfahrungen in diesem Berufsfeld. Als Suchergebnisse erhalten die Unternehmen eine Übersicht mit passenden Bewerberinnen und Bewerbern. Die Jugendlichen, die die Suchkriterien am besten erfüllen, werden vorrangig angezeigt. Mit einem Klick auf deren Steckbriefe gibt das Onlinebewerberbuch dann nähere Informationen zur Person preis. Zur Kontaktaufnahme können die Betriebe dann über das Onlinebewerberbuch wahlweise standardisierte oder selbst formulierte Nachrichten versenden. Die Empfängerin oder der Empfänger wird per SMS über den Nachrichteneingang informiert. Das Onlinebewerberbuch ist für Jugendliche sowie für Unternehmen kostenfrei.

Ein Beispiel, das Kreise zieht

Seit Dezember 2018 haben sich bereits rund 150 Ausbildungsbetriebe aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis registriert und 182 Einladungen zu Vorstellungsgesprächen an die potenziellen Auszubildenden übermittelt. Das Onlinebewerberbuch ist bereits auf großes Interesse auf Landesebene gestoßen und wurde mittlerweile auch von anderen Landkreisen und Städten in Nordrhein-Westfalen erworben.

Rheinisch-Berigischer Kreis als Referenzkommune

Zur Optimierung der Übergangsprozesse von der Schule in den Beruf hatte sich im Rheinisch-Bergischen Kreis bereits 2005 eine Verantwortungsgemeinschaft aller relevanten Partner zusammengeschlossen und fungiert seitdem als ’Initiative Zukunft Rhein-Berg’ als Motor für ein erfolgreiches Übergangsmanagement in der Region. Mit dieser Struktur stieg der Rheinisch-Bergische Kreis 2012 als Referenzkommune in die Umsetzung von ’Kein Abschluss ohne Anschluss’ (KAoA) ein. Leitend für alle Partner vor Ort ist das gemeinsame Prinzip, mittels einer durchdachten Systematik einen nachhaltigen Mehrwert für die Jugendlichen und die Betriebe zu schaffen.

Kontakt:
Torsten Schmitt, Rheinisch-Bergischer Kreis,

Zur Originalausgabe (PDF-Datei)


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Einblick in Berufswelten

Ein Pilotprojekt der Universität Duisburg-Essen vermittelt Schülern außerschulische Lerngelegenheiten und bietet damit Orientierung beim Übergang von der Schule in den Beruf.

Viele Schülerinnen und Schüler haben am Ende ihrer Schulzeit Schwierigkeiten, sich beruflich zu orientieren und das zu ihrer Lebensvorstellung passende Betätigungsfeld zu finden. Die Gründe hierfür liegen neben den fehlenden Kenntnissen über berufliche Anforderungen vor allem im mangelhaften Wissen hinsichtlich der vielfältigen (Entwicklungs-) Möglichkeiten und individuellen Chancen im Arbeitsleben.

An dieser Stelle setzt das an der Universität Duisburg-Essen (Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaften und Didaktik der Wirtschaftslehre) für die Region Ostwestfalen-Lippe entwickelte Projekt ’RaSchOWL – Region macht Schule’ an. Schülerinnen und Schüler allgemeinbildender Schulen der Jahrgangsstufen 7 bis 9 erhalten die Möglichkeit, sich durch außerschulische Lerngelegenheiten (Museen, Unternehmen etc.) beruflich zu orientieren und individuelle Interessen zu verfolgen. Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Lehrkräften sowie Akteuren in der Region. In der Pilotphase des Projekts (März 2017 bis Dezember 2019) wurden ausgewählte außerschulische Lerngelegenheiten mit je einem didaktischen Konzept entwickelt. Beteiligt waren die Glashütte Gernheim, das Ziegeleimuseum Lage, das Historische Museum Bielefeld, das Heinz Nixdorf MuseumsForum sowie die SmartFactory OWL. Jede außerschulische Gelegenheit wurde mit zwei Schulklassen erkundet (insgesamt zehn Erkundungen in zwei Erkundungswellen 2017/2018 und 2019). Insgesamt nahmen über 260 Schülerinnen und Schüler teil.

Im Mittelpunkt stand die Gestaltung aktivierender Lernsituationen, damit die Jugendlichen selbst handlungsfähig werden. Anhand des Lernortes ’Museum’ und ausgewählter Praxiskontakte, welche thematisch mit den Kernlehrplänen abgestimmt sind, lernten Schülerinnen und Schüler vergangene und gegenwärtige Berufs- und Arbeitswelten kennen. Alle dafür erforderlichen Materialien wurden entwickelt, erprobt und evaluiert.

Sie wurden so gestaltet, dass Lehrerinnen und Lehrer sie unmittelbar einsetzen können. In einer Anleitung wird deren Handhabung erläutert. Die Materialien werden Lehrkräften kostenlos zum Download angeboten.

Langfristig möchte das Projekt weitere geeignete Regionen identifizieren, um Möglichkeiten der Übertragbarkeit der innovativen Projektidee aus der Kombination von schulischer, unternehmerischer und kultureller Perspektive zur (beruflichen) Orientierungsfähigkeit von Jugendlichen auf andere Regionen zu prüfen.

Infos:

Projektleitung und -verantwortung: Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaften und Didaktik der Wirtschaftslehre, Univ.-Prof. Dr. Thomas Retzmann, M. Sc. Steffen Spitzner M. Sc. Fabio Fortunati

Projektbeschreibung:

 

Originalbeitrag (PDF-Datei)

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