Am 14. Mai findet die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen statt. Richtungweisend wird sie vor allem in Sachen Bildungspolitik, die auch eines der stärksten Wahlkampfthemen war. Inklusion, Integration und Schulstruktur sind nur einige der Großbaustellen, auf denen Fortschritte dringend nötig sind. Auf Anfrage von lehrer nrw? haben alle aktuell im Landtag vertretenen Parteien ihre schulpolitischen Positionen dargelegt.
CDU: Schulen entlasten – Unterrichtsqualität erhöhen
Die Bildungsforschung belegt: Für den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen ist es erforderlich, ihren unterschiedlichen Interessen, Fähigkeiten und Ansprüchen entsprechend ein differenziertes Bildungsangebot vorzuhalten. Jede Schulpolitik muss vielfältige Bildungswege eröffnen.
Die CDU-Landtagsfraktion setzt daher auf Kontinuität im Schulsystem als einem wesentlichen Erfolgsfaktor für Bildung. Hauptanliegen unseres schulpolitischen Handelns ist dabei die Qualität des Unterrichts. Im Zentrum des Unterrichtsgeschehens stehen die Lehrerinnen und Lehrer mit ihren pädagogischen Fähigkeiten und ihrem Engagement. Ihre Leistung muss mehr als bisher unterstützt und gefördert werden. Denn Unterricht ist erst dann erfolgreich, wenn er das Verstehen von Sachverhalten in den Mittelpunkt stellt.
Die Unterrichtsqualität soll durch die Stärkung von Fachlichkeit und Sachorientierung verbessert werden. Die Lehrpläne müssen in diesem Sinne überarbeitet werden. Die Relevanz von Inhalten bemisst sich hierbei an der zu entwickelnden Urteils- und Kritikfähigkeit der Schülerinnen und Schüler.
Damit die Lehrerinnen und Lehrer all ihre Kraft in den Unterricht investieren können, müssen unsere Schulen von unnötiger Bürokratie befreit werden. Sämtliche Berichtspflichten und sämtliche Pflichten zur Erstellung von speziellen Programmen müssen auf ihre pädagogische Relevanz hin geprüft werden. Die notwendigen organisatorischen Aufgaben, die nicht unmittelbar mit dem Unterricht und der Leitung von Schulen zu tun haben, sollen durch Schulverwaltungsassistenten geleistet werden.
Das Konzept der eigenverantwortlichen Schule hat sich bewährt und muss weiter gestärkt werden. Vorrangige Aufgabe einer modernen Schulaufsicht ist es heute, die Schulen bei ihrer Arbeit zu unterstützen.
Schulen und Lehrerinnen und Lehrer entlasten, die Unterrichtsqualität verbessern – dieser Zweiklang ist Leitlinie christdemokratischer Bildungspolitik.
SPD: Wir machen unsere Schulen fit für die beste Bildung
Die Schüler-Lehrer-Relation ist für die nordrhein-westfälische SPD die Basis für eine gute Unterrichtsversorgung, deshalb werden wir sie an allen Schulen weiter verbessern. Dafür haben wir in den vergangenen Jahren unter anderem mit der Wiederbesetzung aller freiwerdenden Stellen und mit zusätzlich rund 6500 neuen Stellen für die Integration von Geflüchteten sowie der Sicherung von 1500 Stellen im Bereich der Schulsozialarbeit eine gute Grundlage geschaffen.
Wir werden ebenso Unterrichtsausfall reduzieren. Dafür brauchen wir nicht nur mehr Transparenz über die Ursachen sondern vor allem mehr Flexibilität beim Einsatz von Vertretungskräften und eine stärkere Eigenverantwortung bei der Stellenbewirtschaftung durch die Schulen selbst. Über einen Sozialindex werden wir künftig die Zuweisung von Personalressourcen auch daran orientieren, wo besonders viele Kinder und Jugendliche mit Förderbedarfen oder in besonderen Lebenslagen unterrichtet werden. Durch gezielte Anreize wollen wir Lehrkräfte für die Arbeit in diesen Stadtteilen motivieren.
Große Schulen entlasten wir gezielt in Abstimmung mit den Kommunen durch eine Verwaltungskraft. Das Programm zur sozialen Arbeit an Schulen setzen wir fort und investieren mit dem Programm ‘Gute Schule 2020’ zwei Milliarden Euro, um den Investitionsstau in den Klassenzimmern aufzulösen.
Wir machen G9 wieder an jedem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen möglich: Mit der Verlängerung der Sekundarstufe I von fünf auf sechs Jahre geben wir so auch Schülerinnen und Schülern dieser Schulform wieder mehr Zeit zum Lernen und Leben. Auch ein mittlerer Abschluss kann dann wieder am Gymnasium erreicht werden. Wer bei G8 bleiben will, kann die Oberstufe individuell auf zwei Jahre verkürzen. So ebnen wir den Weg für einen individuellen Lernerfolg.
FDP: Rot-grüne Leistungsnivellierung lehnen wir ab
Die Freien Demokraten wollen, dass in Nordrhein-Westfalen beste Bildung vermittelt wird. Wir wollen die Vielfalt unseres Schulsystems erhalten, faire Chancen für alle Schulformen, Qualität steigern und Wahlmöglichkeiten erhalten. An allen Schulformen müssen hohe Leistungsstandards etwa bei inhaltlichen Anforderungen oder Notenvergaben gesichert sein – hierzu zählt auch äußere Differenzierung. Die rot-grüne Leistungsnivellierung lehnen wir ab.
Benachteiligungen einzelner Schulformen wollen wir beenden. Als einzige Partei hat die FDP in den letzten Jahren im Parlament zum Beispiel vielfältige Initiativen zur Unterstützung der Realschulen gestellt, während andere die Schulform offenbar erst kurz vor der Wahl wiederentdecken. Wir wollen Schulen in einem ersten Schritt eine mindestens 105-prozentige, mittelfristig eine 108-prozentige Lehrerversorgung ermöglichen und jeder Schule Unterstützung durch Sozialpädagogen sichern. Und wir möchten ein ordentliches Schulfach ‘Wirtschaft’ einführen. Die Lehrkräfte sollen durch eine hochwertige Fortbildungsoffensive und Anreizsysteme stärker unterstützt und von Bürokratie entlastet werden.
Wir wollen durch Schulfreiheit mehr Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Bei der katastrophalen Umsetzung der Inklusion fordern wir verbindliche Basisstandards. Wenn diesen nicht entsprochen wird, dürfen vorerst keine inklusiven Lerngruppen gebildet werden. Die FDP fordert, vermehrt Schwerpunktschulen zu bilden und die Schließungswelle von Förderschulen zu stoppen. Für die erfolgreiche Integration von Flüchtlingskindern müssen Schulen weiter zunächst externe Klassen bilden können, sie brauchen aber vor allem verlässliche Unterstützung durch multiprofessionelles Personal.
Bündnis90/Die Grünen: Gute Schule sichern
Chancengleichheit, ein positives Leistungsverständnis, das Sichern guter Schule in der Fläche sind Leitlinien grüner Bildungspolitik. Den Schuletat haben wir seit 2010 um 3,8 Milliarden Euro erhöht – ein Plus von 27 Prozent. Wir haben die von CDU und FDP gestrichenen und nicht finanzierten Stellen erhalten, sie gesichert und neue geschaffen: insgesamt 20000 zum Schuljahr 2017/2018. Sie sorgen für mehr Qualität durch Unterstützung der Inklusion und Integration, kleinere Lerngruppen und Standorte, mehr Ganztag, Entlastung der Schulleitungen sowie multiprofessionelle Teams. Die Mittel für den Offenen Ganztag haben wir überproportional gesteigert und dynamisiert.
Die Inklusion erfolgt schrittweise, und wir unterstützen sie mit einer Milliarde Euro, Kommunen erhalten nun unter anderem für Schulbegleitung jährlich vierzig Millionen. Wir wollen mehr Zeit für Beratung und den Austausch. Die personelle Ausstattung werden wir gerade beim Umgang mit Kindern mit Unterstützungsbedarf bei der emotionalen und sozialen Entwicklung weiter stärken. Zwei Milliarden investieren wir zusätzlich in Schulbau und digitale Infrastruktur. Wir sichern die Schulsozialarbeit, während der Bund sich drückt.
Leiterinnen und Leiter von Grund- und Hauptschulen haben wir eine Besoldungsstufe bessergestellt. Für alle Grundschul- und SekundarstufeI-Lehrkräfte wollen wir das ebenfalls tun. Eine qualifizierte Schulleitungsassistenz soll für Entlastung sorgen. Mit Anrechnung von Teamzeiten und mehr Fortbildung verstärken wir die Unterrichtsentwicklung. Wenn die Lehrer- und Schulkonferenz dies will, sollen sich Schulen direkt umwandeln können. Durch einen besseren Sozialindex sollen Schulen beim Umgang mit einer immer heterogeneren Schülerschaft gestärkt werden.
Piratenpartei: Zeitgemäße Bildung in der digitalisierten Welt
Die Politik in Nordrhein-Westfalen muss bessere Rahmenbedingungen für die Bildung aller Kinder und Jugendlichen schaffen. Der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg ist nach wie vor zu stark. Möglichst alle Jugendlichen müssen zu einem Abschluss geführt werden. Hierfür müssen die Schulen in die Lage versetzt werden, ihre Schülerinnen und Schüler noch wirksamer zu fördern. Dafür sind kleinere Lerngruppen, mehr Anrechnungsstunden und mehr Unterstützung durch Schulsozialarbeit und Schulpsychologie notwendig.Die Herausforderungen von Inklusion und Integration müssen gemeistert werden. Insbesondere die inklusiven Schulen brauchen dringend bessere Bedingungen. Es müssen Standards für das gemeinsame Lernen entwickelt und die Personalausstattung verbessert werden. Förderschulen aller Förderbereiche sollten erhalten bleiben. Denn Inklusion ist gut, aber nicht für jedes Kind mit besonderem Förderbedarf gleichermaßen.Die Entwicklung einer zeitgemäßen Bildung für ein Leben in der digitalisierten Welt ist ein wichtiges Thema. Erforderlich ist die verbindliche Einführung von Medienkompetenzvermittlung in die Lehrpläne und mehr digitale Werkzeuge als Arbeitsmittel im Unterricht in Schülerhand. Es müssen Diskussionen weitergeführt werden, was für eine Allgemeinbildung Kinder und Jugendliche für ihre Mitwirkung in Gesellschaft und Politik in der nahen Zukunft erwerben sollen. Hierzu gehören auch Fragen des verantwortungsvollen Umgangs mit eigenen und fremden Daten und die selbstständige Bewertung von Nachrichten zweifelhafter Herkunft. Unerlässlich sind auch solide Kenntnisse der technologischen Grundlagen. Um diese möglichst allen Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, sollte Informatik in der Sekundarstufe I zu einem verpflichtenden Fach werden.
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Inklusion der Integration
Der umstrittene Integrationserlass, der den Unterricht für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler regelt, ist seit Schuljahresbeginn in Kraft. Er schafft de facto die Seiteneinsteigerklassen ab, in denen Zuwandererkinder mit gezielter Sprachförderung auf den Unterricht in Regelklassen vorbereitet werden.
Der neue Erlass sieht derartige Lösungen nur noch in Ausnahmefällen vor. Nach einer Übergangsphase, die mit Beginn des kommenden Schuljahrs endet, soll es solche »Klassen zur vorübergehenden Beschulung«, wenn überhaupt, nur kurzzeitig und übergangsweise geben. Grundsätzlich sollen alle Zuwandererkinder – auch mit geringen oder gar nicht vorhandenen Deutschkenntnissen – sofort in die Regelklassen aufgenommen werden. »Inklusion der Integration« bringt der stellvertretende lehrer nrw-Vorsitzende Sven Christoffer diesen Ansatz auf den Punkt.
Die Sprachförderung ist nach Erlasslage nur noch in Ergänzungsstunden zum Regelunterricht vorgesehen und soll ansonsten – ganz nach rot-grünem Credo – in Binnendifferenzierung erfolgen. Im Klartext heißt das: Die Regelklassen werden mit Schülern aufgefüllt, die noch gar nicht sprachfähig sind. Dass das erhebliche Probleme mit sich bringen kann, liegt auf der Hand. Insofern wird es spannend sein zu sehen, was passiert, wenn die Übergangsphase zum Beginn des Schuljahrs 2017/2018 endet. Wie reagieren die Eltern auf die neue Situation? Und wie restriktiv werden die Schulaufsichten – im Wissen um die Sensibilität des Themas – den Erlass anwenden?
Die Position von lehrer nrw ist klar: »Wer nicht Deutsch spricht und nicht dem Unterricht in der Regelklasse folgen kann, wird nicht integriert, sondern ausgeschlossen«, betont Christoffer. Zuerst muss deshalb die deutsche Sprache erlernt werden, und zwar in gezielt dafür eingerichteten Förderklassen. Erst dann kann es einen fließenden Übergang in die Regelklassen geben.
Jochen Smets
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