Ab dem Schuljahr 2017/2018 soll das neue Bildungsangebot ‘BerufsAbitur – duale Berufsausbildung und Abitur’ von sechs Bundesländern erprobt werden. Nordrhein-Westfalen setzt auf das Modell der ‘dualen Fachoberschule’, muss dessen Start aber um ein Jahr verschieben.

Eigentlich hätte es schon ab diesem Sommer losgehen können. Der Lehrplan für den Unterricht am Heinrich-Hertz-Europakolleg der Bundesstadt Bonn steht. Knapp vierzig Elektrobetriebe aus dem Raum Köln stellen Ausbildungsstellen bereit. Doch das Wichtigste fehlt: die Auszubildenden. Mindestens sechzehn Jugendliche wären nötig gewesen, um eine eigene Fachklasse für die ‘BerufsAbiturienten’ zu bilden. »Leider werden wir bis zu den Sommerferien keine gesamte Klassenstärke zusammenbekommen«, bedauert Dr. Markus Eickhoff, stellvertretender Geschäftsführer Bildungspolitik der Handwerkskammer zu Köln. Statt zum neuen Schuljahr mit dem Modell der ‘dualen Fachoberschule’ anzufangen, muss man nun umdisponieren. Alternativ wird 2017/2018 das Modell ‘Einmündung in die Berufsoberschule’ angeboten. Dabei erwerben die Auszubildenden neben dem Gesellenbrief die Fachhochschulreife. Wer noch ein Jahr vollzeitschulisch dranhängt, kann auch die allgemeine Hochschulreife bekommen.

 

Gesellenbrief und allgemeine Hochschulreife

Zum Schuljahr 2018/2019 werden die beteiligten Akteure aus dem Raum Köln-Bonn einen neuen Anlauf auf das ‘BerufsAbitur’ in Form der dualen Fachoberschule nehmen. Doch was verbirgt sich eigentlich dahinter? »Innerhalb von vier Jahren erwerben die Jugendlichen neben dem Gesellenbrief auch noch parallel am Berufskolleg die allgemeine Hochschulreife«, erklärt Eickhoff. Das Heinrich-Hertz-Europakolleg der Bundesstadt Bonn richtet dazu eine Klasse für Elektroniker mit der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik ein. Dritter Partner ist die Innung für Elektrotechnik Bonn Rhein-Sieg.

 

Chancen für Realschüler

Die Zielgruppe sind leistungsorientierte Jugendliche mit einem mittleren Bildungsabschluss. Gute Noten in Mathe und in den Naturwissenschaften sind von Vorteil. Die meisten Auszubildenden dürften aus dem Raum Bonn-Köln oder aus dem Kreis Rhein-Sieg kommen. Dr. Markus Eickhoff schlägt den Zirkel aber noch weiter. »Aufgrund der Blockbeschulung können wir theoretisch sogar bundesweit denken.« Die ehemalige Bundeshauptstadt sei gut angebunden, das Berufskolleg recht zentral gelegen. Als weitere Einzugsgebiete kämen etwa der Osten des Kammerbezirks Aachen und der Norden des Kammerbezirks Koblenz infrage. 

Die Jugendlichen sind im ersten Lehrjahr insgesamt 25 Wochen an der Berufsschule. »Der Fachunterricht wird dort auf einem höheren Niveau gegeben als in der regulären Ausbildung. Zwölf Zusatzstunden pro Woche sind für die Vermittlung der allgemeinbildenden Inhalte vorgesehen.« Dazu zählt etwa die zweite Fremdsprache – am Heinrich-Hertz-Europakolleg wird es Spanisch sein. Weitere drei Wochen sind für die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung vorgesehen. Abzüglich des Jahresurlaubes bleiben rund zwanzig Wochen für die betriebliche Ausbildung. »Da es sich um leistungsorientierte junge Leute handelt, dürften sie im fachlichen Bereich schnell Fuß fassen«, erwartet Dr. Markus Eickhoff.

 

Stärkung der dualen Berufsausbildung

Die Partner vor Ort und das nordrhein-westfälische Schulministerium haben sich vorgenommen, den ersten Durchlauf mit wenigstens 24 Auszubildenden zu starten. Nun haben sie ein Jahr Zeit, um für das neue Modell zu werben und eine eigene Fachklasse zusammenzustellen. 39 Elektrobetriebe beteiligen sich bislang. Dr. Markus Eickhoff ist zuversichtlich, dass das Angebot ankommt. »Das BerufsAbitur ist ein sehr spannender Bildungsgang, der genau die Bedürfnisse und Erwartungen der jungen Leute und ihrer Eltern erfüllt«, glaubt der Bildungsexperte. Die duale Berufsausbildung dürfte damit an Attraktivität gegenüber der akademischen Bildung gewinnen.

Bernd Lorenz

Der Autor ist Redakteur beim Deutschen Handwerksblatt. Seinen leicht überarbeiteten Text hat uns die Verlagsanstalt Handwerk GmbH, Düsseldorf, freundlicherweise zur Verfügung gestellt. 

 

Info:

Die Jugendlichen sollten ihre Bewerbung an die Handwerkskammer zu Köln schicken. »So können wir am besten nachvollziehen, wie sich alles entwickelt und zwischen den jungen Leuten und den Betrieben vermitteln«, erklärt Dr. Markus Eickhoff.

Bei Fragen ist er unter Tel. 02 21 / 20 22-247 oder per E-Mail unter eickhoff@hwk-koeln.de zu erreichen.

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Kein Abschluss ohne Anschluss

Akademisierungswahn und Fachkräftemangel gehen Hand in Hand. Während immer mehr Jugendliche zum Abitur und dann an die Universitäten drängen, fehlt es an Nachwuchs für die berufliche Ausbildung. Hier setzt das Landesprogramm ‘Kein Abschluss ohne Anschluss’ an.

lehrer nrw setzt sich von jeher dafür ein, die berufliche Ausbildung als attraktive Alternative zum Abitur wahrzunehmen. Seit Jahren weit der Verband darauf hin, dass der Mangel an Fachkräften und die sinkende Bereitschaft der Jugendlichen, eine berufliche Ausbildung zu beginnen, auf der einen Seite und der immer größer werdende Anteil an Abiturienten anderseits mittelfristig zu einer Disbalance auf dem Arbeitsmarkt führen wird.

 

Berufliche Ausbildung attraktiver machen

Ziel muss es sein, die Attraktivität der beruflichen Ausbildung zu steigern und die Leistungsanforderungen im Abitur gleichermaßen zu erhöhen, so dass die Studierfähigkeit der zukünftigen Studentinnen und Studenten erhalten bleibt. Vor diesem Hintergrund unterstützt lehrer nrw das Berufsabitur als eine Maßnahme, die dazu führen kann, dass junge Menschen eine größere Bereitschaft entwickeln, eine Berufsausbildung zum Ausgangspunkt ihrer schulischen und beruflichen Entwicklung nach Klasse 10 zu machen.

Die Einführung des Berufsabiturs gibt Anlass, nochmals die vielfältigen Maßnahmen des Landesprogramms Kein ‘Abschluss ohne Anschluss’ (kurz: KAoA) in den Blick zu nehmen. Das Übergangssystem Schule – Beruf unterstützt die Schülerinnen und Schüler ab Klasse 8 bei der Berufs- und Studienorientierung, der Berufswahl und beim Eintritt in Ausbildung oder Studium. Ziel ist es, allen jungen Menschen nach der Schule möglichst zeitnah eine Anschlussperspektive für Berufsausbildung oder Studium zu eröffnen und durch ein effektives, kommunal koordiniertes Gesamtsystem Warteschleifen zu vermeiden. 

Grundlage dafür sind die Vereinbarungen im Ausbildungskonsens NRW. Partner im Ausbildungskonsens NRW sind die Landesregierung, die Bundesagentur für Arbeit sowie die Kammern und Kommunen.

 

Vier Handlungsfelder

Der Ausbildungskonsens des Landes Nordrhein-Westfalen von 2011 beinhaltet die Einführung eines  ‘Neuen Übergangssystems Schule – Beruf in Nordrhein-Westfalen’ und in diesem Zusammenhang Angebotsstrukturen für Schüler und Schülerinnen in den vier Handlungsfeldern:

  • verbesserte Berufs- und Studienorientierung,
  • ein verbessertes Übergangssystem, 
  • Steigerung der Attraktivität des dualen Systems, 
  • verbesserte kommunale Koordinierung. 

Seit dem Schuljahr 2012/13 werden diese vier Handlungsfelder mit unterschiedlichen Instrumenten in den nordrhein-westfälischen Schulen sukzessive realisiert.

Frank Görgens

Info:

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