Für die tarifbeschäftigten Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen hat sich endlich etwas bewegt. Nachdem jahrzehntelang um eine Eingruppierungsordnung gerungen wurde, konnte im vergangenen Jahr schließlich erstmalig (!) eine Lehrerentgeltordnung für Lehrkräfte tarifvertraglich fixiert werden. Dies ist nun ein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem bisherigen, tariflosen Zustand. Doch nun muss es weitergehen.

Der neue Tarifvertrag muss sukzessive weiter ausgestaltet werden. Dies erfordert wiederum von beiden Seiten, den Arbeitgebern und den Verbänden, den klaren Willen, inhaltlich und systematisch die notwendigen Schritte zu gehen, die den personalpolitischen Erfordernissen des Arbeitsmarktes sowie dem strukturellen Aufbau des Tarifvertrags gerecht werden.

Denn die neue Lehrerentgeltordnung, die einen entscheidenden Beitrag zur Vereinheitlichung der bis dahin sehr unterschiedlichen Eingruppierungsvorschriften in den einzelnen Bundesländern geleistet hat, schafft zunächst nur eine neue Grundlage für weitere Tarifgespräche und -verhandlungen. Manche dringend notwendige Korrektur aus dem seit 2006 geltenden TV-L harrt schließlich weiter der Umsetzung.

Unübersichtliche Tarifsituation

Wohl wahr, die tarifpolitische Situation ist für viele durch den neuen Tarifvertrag zur Entgeltordnung (TV-EntgO-L) äußerst unübersichtlich geworden. Kein Wunder, wenn man einmal zurückblickt. Schließlich gibt es nach wie vor Angestellte, die zu Zeiten des alten BAT in den Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen eingetreten sind.

Somit sind nunmehr drei tarifpolitische Gruppen zu unterscheiden: angestellte Lehrkräfte, die vor dem 1. November 2006 unter den tarifpolitischen Bedingungen des BAT eingestellt wurden, Lehrkräfte, die ab dem 1. November 2006 unter den Bedingungen des TV-L eingestellt wurden, und jetzt neuerdings diejenigen, die ab dem 1. August 2015 eingestellt wurden und damit unter die seitdem gültige Lehrer-Entgeltordnung (TV-EntgO-L) fallen.

Zu berücksichtigen ist dabei zusätzlich, dass die jeweils zuvor gültigen Tarifverträge Überleitungsklauseln enthalten, die in einigen Fällen unter bestimmten Bedingungen Besitzstandswahrungen vorsehen. Alles in allem eine Gemengelage, die wohl nur noch tarifpolitische Experten überblicken. Und aus der man nur herauskommt, wenn man schnellstmöglich den Übergangsprozess zu einem wohldurchdachten Ende führt.

Appell an die Arbeitgeber

Deshalb wäre den Arbeitgebern dringend anzuraten, die noch ausstehenden Schritte zu einem systematischen Aufbau der Entgeltordnung sowie die notwendigen Korrekturen nach wie vor bestehender Verwerfungen aus früheren tarifpolitischen Zuständen schnellstmöglich in Angriff zu nehmen.
Dazu zählen zum Beispiel:

  • eine schnelle Umsetzung der so genannten Paralleltabelle (A12-E12, A11-E11, etc.);
  • die Einführung einer Entgeltstufe 6 in allen Entgeltgruppen;
  • eine Verbesserung der tarifvertraglichen Bedingungen für Beförderungen im TV-L;
  • eine großzügigere Anerkennung so genannter Vordienstzeiten (einschlägige Berufserfahrung/förderliche Tätigkeiten) aus früheren Beschäftigungsverhältnissen.

Eine weitere, wirklich große Aufgabe der tarifpolitischen Gespräche, die dringend der Aufarbeitung bedarf, liegt in der systematischen Diskrepanz zwischen der Entgeltordnung (Eingruppierung) und der Entgelttabelle begründet. Denn die Entgelttabelle spiegelt derzeit nicht auf allen Ebenen den systematischen Ansatz der Entgeltordnung wider.

Nettolohnlücke zu beamteten Kollegen

Wer beide Systeme einmal näher betrachtet, wird erkennen müssen, dass die tarifvertraglichen Bestimmungen unter dem Gesichtspunkt der Nettolohnlücke zu den beamteten Lehrkräften sowie der finanziellen Anreize für bestimmte Aufstiege und Beförderungen nach wie vor kontraproduktiv wirken. Diese seit Jahren bestehenden Verwerfungen sollten möglichst umgehend korrigiert werden, damit angestellte Lehrkräfte eine vergleichbare Wertschätzung wie ihre beamteten Kollegen erfahren.

Leider muss man jedoch immer wieder den Eindruck gewinnen, dass die angestellten Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen lediglich auf dem geringsten finanziellen und sozialpolitischen Niveau geführt werden. Andere Bundesländer, die gemeinhin aufgrund ihres Steueraufkommens deutlich schlechter dastehen, behandeln ihre tarifbeschäftigten Lehrkräfte inzwischen besser, indem sie ihnen höhere Entgeltgruppen gewähren, und zwar zum Teil deutlich höher!

Nordrhein-Westfalen auf unterstem Tarifniveau

Was den anderen Bundesländern recht ist, sollte Nordrhein-Westfalen doch wohl billig sein. Denn die neue Lehrerentgeltordnung nützt unter dem Gesichtspunkt des Personalwettbewerbs nichts, wenn Nordrhein-Westfalen sich nur auf dem tarifvertraglich untersten Niveau bewegt, andere Bundesländer jedoch höhere Entgeltgruppen versprechen. Und wenn dann auch noch die Bedingungen für eine Verbeamtung in den anderen Bundesländern deutlich großzügiger gehandhabt werden, dann ist die Gefahr möglicher Abwanderung auch unter den Bedingungen der neuen Lehrerentgeltordnung keinesfalls gebannt. Es ist nach wie vor höchste Zeit, dass Nordrhein-Westfalen in das tarifpolitische Mittelfeld der bundesweiten Tabelle aufsteigt, um alle guten Lehrkräfte, ob als zukünftige Beamte oder Angestellte, hier zu halten. Denn die gesellschaftlichen Aufgaben, die vor uns liegen, sind enorm. Und die Schule als gesellschaftlicher Teilbereich ist wohl einer der wichtigsten, um die Zukunft gesellschaftspolitisch verantwortungsvoll zu gestalten und auch zu bewältigen!Ulrich Gräler

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