Gebratener oder gebackener Fisch wird oft mit einem Stückchen Butter serviert, das erst kurz vor dem Essen auf den heißen Fisch gegeben wird, damit es nicht zerläuft. Sobald »Butter bei die Fische« ist, kann gegessen werden, man kommt endlich zur Sache.

Zurzeit tummeln sich im Ministerium für Schule und Bildung (MSB) zahlreiche Fische: Manche sind noch sehr neu und besonders frisch, wie zum Beispiel der veränderte Umgang mit Förderschulen. Der Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung sagt dazu: »Gleichzeitig wollen wir Wahlmöglichkeiten für Familien sichern, um den unterschiedlichen Wünschen und Bedürfnissen gerecht werden zu können. Hierzu zählt auch eine durchgehende Wahlmöglichkeit zwischen Förderschule und inklusiver Regelschule.« Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, da viele Eltern nach Förderschulplätzen für ihr Kind rufen, weil eine tatsächliche, dem jeweiligen Kind angepasste Förderung dort qualitativ am besten vorzuhalten ist. Die passende Verordnung über die Mindestgrößen der Förderschulen, die das ermöglichen kann, fehlt zurzeit noch. Diese Verordnung entscheidet jedoch maßgeblich darüber, ob die Kommunen darin Anreize finden, den Weg der schwarz-gelben Landesregierung mitzugehen und in ihren Kommunen weiterhin Förderschulen vorzuhalten oder gar neu zu gründen. Aktueller Interviewtext der Ministerin dazu: »Wir können als Land nur die Rahmenbedingungen schaffen, die Entscheidungen treffen die Kommunen.« Mein Kommentar dazu: »Geben wir dem Land doch eine Chance!«

 

Fach Wirtschaft: Experten scharren mit den Hufen

Ein weiteres Fischlein an Realschulen ist schon seit Jahren recht munter, nicht tot zu kriegen und erfreut sich bei Handwerk und Industrie und bei lehrer nrw besonderer Beliebtheit: Die Einführung eines Faches Wirtschaft. Hier heißt es im Koalitionsvertrag: »Ökonomische Bildung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Allgemeinbildung. Christdemokraten und Freie Demokraten werden daher an allen weiterführenden Schulen des Landes das Schulfach Wirtschaft etablieren.« Die Experten, die den Modellversuch in Realschulen dieses Landes begleitet und fortentwickelt haben, scharren bereits ungeduldig mit den Hufen, um möglichst zeitnah weitermachen zu dürfen. Bisher ist es der Gruppierung nicht gelungen, die Ministerin zum Besuch einer solchen Auftakt-Veranstaltung zu bewegen. Tja, die Butter…

 

Schul-Ghettos: Kasernierung von Zuwandererkindern

Zur Integration heißt es im schwarz-gelben Vertrag: »Für eine zügige Integration von Flüchtlingskindern müssen für Schulen vielfältige Möglichkeiten geschaffen werden. Dies bedeutet auch übergangsweise die Bildung externer Klassen, in denen Kinder und Jugendliche ohne ausreichende Deutschkenntnisse auf den Unterricht in Regelklassen vorbereitet werden.« Dies unterstützen wir sehr; es ist eine langjährige Forderung von lehrer nrw, die ich auch im Ausschuss für Kultur und Bildung des EU-Parlaments vorgetragen habe. Überrascht haben uns jedoch Auswüchse in einigen Kommunen Nordrhein-Westfalens, die kontraproduktiv im Sinne einer tatsächlichen Integration sind, nämlich die neu entstandenen Ghettos in Mülheim, Hagen und Duisburg (weitere mögliche Planungen haben es noch nicht per stiller Post bis zu uns geschafft). Was dort passiert, hat mit tatsächlicher Integration nichts zu tun, da die ‘fremden’ Kinder unter sich bleiben und weit ab vom ‘Schul-Schuss’ verwahrt werden. 

Hier sehen wir deutlichen Handlungsbedarf! Es muss Geld in die Hand genommen werden, um den Kommunen die Unterbringung an ihren Schulen zu ermöglichen, zum Beispiel (bei fehlenden Klassenräumen) in Containern. Tatsächliche Integration darf keine Frage finanzieller Ressourcen sein oder gar einer feindlichen Gesinnung Fremden gegenüber. Diese neuen kommunalen ‘Lösungen’ entsorgen bedürftige Menschen in zentralen separierten Einrichtungen, wo sie unsichtbar für ihre Mitschüler bleiben. Was man nicht sieht, verbraucht auch keine großen Ressourcen. Und macht vielleicht auch weniger Ärger. Diese Entwicklung ist beschämend und gleicht einer Kasernierung von Ungeliebten! Weg damit! Denn mit Pädagogik hat das nichts zu tun.

 

QUA-LIS: Die Konterkarierung von Qualität 

Dass uns als Experten für unsere Schüler Ähnliches im Zusammenhang mit der ZP 10 passieren könnte, sobald wir über QUA-LIS reden, ist mehr als verblüffend! (Ausnahmen bestätigen die Regel!) Wer unter QUA-LIS leidet, leidet an der Vermarktung auswärtig definierter Umsetzung eines Qualitätsbegriffs (zum Beispiel bei Abschlussarbeiten zur ZP 10), der meistens nichts mit der Qualität zu tun hat, die wir über viele Jahre hinweg in unseren Klassen hart und mit viel Herzblut erarbeitet haben. Die Vorlagen des Instituts konterkarieren unsere tatsächliche Qualität und führen uns spätestens bei der Korrektur, oft sogar schon bei der Vorbereitung, in die pure pädagogische Verzweiflung. Darüber hinaus geriert sich das Institut als Kontrollinstanz, die die Freiheit von Schule ad absurdum führt!

Wer hat sich noch nicht vor einer QA gefürchtet? Der Koalitionsvertrag sagt dazu: »Wir werden die Aufgabenstellung des Landesinstituts für Schule ‘QUA-LIS’ überprüfen. Es wird eine ‘Clearingstelle’ für evidenzbasierte Pädagogik geschaffen.« Das ist ein vielversprechender Weg, der da angekündigt wird. Wir werden nicht umhin kommen, den Begriff Bildung neu zu definieren und Qualität neu mit Inhalt zu füllen. Das packen wir alle gern an, denke ich. Denn Form und Inhalt sollten schon in Übereinstimmung miteinander stehen. Ein Institut wie QUA-LIS muss das, was Lehrer als Qualität definieren, aufnehmen und den Lehrkräften hilfreich zuarbeiten statt an ihnen vorbei eine Kontrollfunktion ausüben zu wollen. Ein heißes Eisen!

 

Jetzt: Butter bei die Fische

Vieles ist von der neuen schwarz-gelben Landesregierung angekündigt. Die Ministerin hat mit einigen Statements schon ‘Duftnoten’ gesetzt. Neue Fische schwimmen bereits munter herum. Jetzt, nachdem die ersten einhundert Tage vorbei sind, gilt es, nicht bei den Ankündigungen stehen zu bleiben, sondern Butter bei die Fische zu geben! Erst dann wird das Gericht genießbar und vielleicht manches Mal köstlich werden können. Wir wünschen der Ministerin dazu viel Geschick, Kraft und Durchsetzungsvermögen!

Brigitte Balbach

Zur Originalausgabe (PDF-Format)

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