Wie geht es weiter im zweiten Schulhalbjahr? Konkrete Antworten auf diese Frage gibt es aus dem NRW-Schulministerium in vielen Punkten bisher nicht. Dafür hat lehrer nrw Lösungsvorschläge für einige der drängenden Herausforderungen, die in den nächsten Wochen und Monaten auf die Schulen zukommen.

Es ist verständlich, dass das Ministerium für Schule und Bildung zum jetzigen Zeitpunkt keine Antworten auf alle Fragen zum zweiten Schulhalbjahr geben kann. Dafür hängt alles zu sehr vom weiteren Verlauf der Pandemie ab. Dass es das Ziel ist, möglichst schnell wieder Schülerinnen und Schüler in den Präsenzunterricht zurückkehren zu lassen, hat Schulministerin Yvonne Gebauer mehrfach klargestellt. Wie diese Rückkehr ausgestaltet wird, hängt maßgeblich von der Entwicklung im Januar und den Entscheidungen der Ministerpräsidentenkonferenz ab. Welche Modelle denkbar sind, hat das Ministerium bereits vor den Weihnachtsferien kommuniziert.

Unabhängig von der Frage, nach welchem Modell die Wiederaufnahme des Schulbetriebs ab dem 15. Februar 2021 (hoffentlich) erfolgen wird, müssen wichtige Fragen und Themen schon jetzt geklärt werden. Das gibt den Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern sowie Eltern zumindest ein kleines bisschen Planungssicherheit und Verlässlichkeit.

Lernstandserhebungen aussetzen!

Meiner Ansicht nach sollten die Lernstandserhebungen auch in diesem Jahr ausgesetzt werden. Wenn die Schülerinnen und Schüler wieder in Präsenz unterrichtet werden können, sollte die Aufarbeitung von Defiziten oberste Priorität haben. Jede Stunde Präsenzunterricht zählt! Zum anderen ist eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse überhaupt nicht gegeben. Die Bedingungen in den Schulen derselben Schulform waren im ersten Schulhalbjahr schon so unterschiedlich, dass ein Vergleich mit Schulen derselben Schulform oder desselben Standorttyps gar nicht möglich bzw. sinnvoll ist – von einer Vergleichbarkeit zu den Ergebnissen aus 2019 ganz zu schweigen. Außerdem könnte man die Ressourcen bei den Kolleginnen und Kollegen, die ohne die stundenlange Korrektur und Eingabe der Ergebnisse frei würden, sicherlich gut für die pädagogische Arbeit nutzen.

Klarheit für Schülerbetriebspraktika schaffen!

Auch hier kann/muss das Ministerium schon jetzt Antworten geben. Durch die Verkürzung des Praktikums auf eine Dauer von mindestens einer Woche hat das MSB bereits für große Erleichterung bei Schulen, Eltern und Schülern gesorgt. Trotzdem muss jetzt zeitnah die Frage geklärt werden, was passiert, wenn Schülerinnen und Schüler trotz größter Bemühungen und Unterstützung durch die Schulen gar kein Praktikum absolvieren können? Ist es dann tatsächlich sinnvoll, Berufswahlorientierungstage in den Schulen zu organisieren, oder sollte nicht auch diese freigesetzte Zeit für Unterricht genutzt werden? Die widrigen Umstände des letzten Jahres dürfen den Schülerinnen und Schülern jedenfalls nicht zum Nachteil gereichen. Hier kann das MSB schon jetzt handeln und eine große Portion Druck von allen Beteiligten nehmen.

ZP 10: Der Expertise der Lehrkräfte vertrauen!

Bereits nach dem ersten Lockdown hat lehrer nrw? klare Forderungen für die Zentralen Abschlussprüfungen formuliert. Diese Forderungen behalten auch für dieses Schuljahr ihre Gültigkeit. Eine Verschiebung der ZP?10 um neun Tage verschafft den Schulen ein wenig Luft. Selbiges gilt für die Erweiterung des Aufgabenpools. Sinnvoll und eine große Entlastung aller Beteiligten wäre jedoch, wenn die Prüfungen – analog zum letzten Schuljahr – erneut nicht zentral für alle Schülerinnen und Schüler geschrieben würden, sondern durch eine von den Lehrkräften erstellte Prüfung ersetzt würden. Das würde dann auch dem individuellen Lernstand der Kinder Rechnung tragen, die in diesem Schuljahr unter vollkommen unterschiedlichen – aber immer schwierigen – Bedingungen lernen mussten.

Im vergangenen Schuljahr hat das MSB zu Recht auf die Expertise der Lehrerinnen und Lehrer vor Ort vertraut, die am besten einschätzen können, wie weit ihre Klasse ist. So hatten die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, einen für ihren weiteren Lebensweg sehr wichtigen qualifizierten Abschluss zu machen, ohne gegenüber den vorangegangenen Jahrgängen benachteiligt zu werden. Man darf auch nicht vergessen, dass die Zehntklässler von heute schon im vergangenen Schuljahr von einem Lockdown betroffen waren und sicherlich unter den schwierigen Bedingungen des ersten Halbjahres auch nicht alle Defizite lückenlos aufgearbeitet werden konnten.

Sarah Wanders

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