Der Umgang mit sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen war ein Zankapfel zwischen CDU und SPD in den Koalitionsverhandlungen. Im Schulbereich haben wir es meist mit befristeten Arbeitsverhältnissen mit sachlichem Grund (Erkrankung einer Lehrkraft, Mutterschutz, Elternzeit) zu tun. Die Situation ist für die Betroffenen aber gleichermaßen unbefriedigend.

Unionsfraktionschef Volker Kauder äußerte sich am 17. Februar 2018 gegenüber der ‘Rheinischen Post’ in einem Interview zu der Thematik wie folgt: »Als Erstes muss bei den Lehrern der Missbrauch mit den Kettenarbeitsverträgen beendet werden. Da müssen die Länder ganz schnell ran.« Aber wie stellt sich die Situation an den Schulen zurzeit konkret dar? Ein Beispiel aus der Praxis:

Vor einigen Wochen wandte sich ein Mitglied unseres Verbandes an die Geschäftsstelle mit der Bitte um Unterstützung bei dem Anliegen, in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis im Schuldienst zu gelangen. Wir rieten dazu, zunächst einen formlosen Antrag auf Entfristung des aktuellen Arbeitsverhältnisses bei der zuständigen Bezirksregierung zu stellen und darin auf die Anzahl der befristeten Arbeitsverträge (insgesamt zwölf!) sowie die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses (fast fünfeinhalb Jahre!) abzustellen.

 

Bezirksregierungen orientieren sich am Erlass des Ministeriums

Der Antrag wurde zunächst abschlägig beschieden. In einem Telefonat mit mir verwies der zuständige Personaldezernent der Bezirksregierung darauf, dass man nach geltender Erlasslage entschieden habe: Das NRW-Schulministerium hat am 27. September 2013 die Umsetzung des Bundesarbeitsgerichtsurteils vom 18. Juli 2012 zu sogenannten ‘Kettenbefristungen’ verfügt: Eine Befristung eines Arbeitsvertrages trotz Vorliegen eines Sachgrundes kann rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam sein, wenn über eine lange Gesamtdauer eine hohe Anzahl aufeinander folgender befristeter Arbeitsverträge mit demselben Arbeitgeber abgeschlossen worden ist. Mit Erlass vom 18. September 2014 hat das Ministerium für Schule und Bildung die Bezirksregierungen angewiesen, Kettenbefristungen nach einer Beschäftigungsdauer von sieben Jahren auf Rechtsmissbräuchlichkeit zu überprüfen und »dabei einen wohlwollenden Maßstab anzulegen«. Sollte ein Rechtsmissbrauch im Einzelfall gegeben sein, ist als Rechtsfolge – ohne arbeitsgerichtliches Klageverfahren – die Entfristung des letzten Arbeitsverhältnisses vorzunehmen. Die übrigen Vertragsbestandteile wie Beschäftigungsschule und Beschäftigungsumfang bleiben unberührt. Zur Beurteilung des Einzelfalls können neben der Gesamtbeschäftigungsdauer weitere Umstände herangezogen werden:

  • Anzahl der befristeten Verträge
  • Laufzeiten der einzelnen Arbeitsverträge
  • Unterbrechungszeiten
  • ggf. nicht konkret benannter/umgesetzter Vertretungsbedarf
  • wechselnde Einsatzorte/Schulformen
  • jeweiliger Beschäftigungsumfang

Erlass ist nicht mehr zeitgemäß

In dem von mir geschilderten Fall fehlten demnach eineinhalb Jahre zu einer ‘erlassgemäßen Entfristung’. Erst die von lehrer nrw initiierte Bitte um erneute Prüfung des Sachverhalts unter Einbeziehung weiterer Tatbestände (Übernahme unterschiedlicher außerunterrichtlicher Aufgaben an den Einsatzschulen, die nicht vom Arbeitsvertrag abgedeckt waren) führte dann schließlich doch noch zu einer Entfristung des Arbeitsverhältnisses. 

Unabhängig von diesem Einzelfall stellt sich mir die Frage, ob die Erlasslage tatsächlich noch zeitgemäß ist. Die Fakten sprechen dagegen: In Nordrhein-Westfalen herrscht – ebenso wie in den allermeisten anderen Bundesländern – massiver Lehrkräftemangel, der allen Prognosen zufolge noch über Jahre andauern wird. Diese Versorgungslücke kann aktuell nur über Seiteneinsteiger geschlossen werden. Die in den nächsten Wochen startende Informations- und Werbekampagne für den Lehrerberuf des Ministeriums für Schule und Bildung hat deshalb auch zwei Zielgruppen: Zum einen sollen Abiturientinnen und Abiturienten des Jahrgangs 2018 für den Studiengang Master of Education interessiert werden, zum anderen geht es darum, Fachkräfte für den Seiteneinstieg zu gewinnen, um den akuten gegenwärtigen Lehrermangel zu beheben.

Auf der einen Seite will man also Seiteneinsteiger über eine millionenschwere Kampagne für den Schuldienst gewinnen, auf der anderen Seite verweigert man den befristet im Schuldienst befindlichen Kollegen den dauerhaften Verbleib in selbigem. Immerhin hat dieser Personenkreis ja schon bewiesen, dass er trotz fehlender pädagogischer Qualifikation teilweise über viele Jahre im Schulalltag zurechtgekommen ist.

 

Es braucht eine Qualifizierungsoffensive

Dabei kann es aber nicht bleiben. Wenn nunmehr klar ist, dass der nordrhein-westfälische Schuldienst über Jahre auf Fachkräfte für den Seiteneinstieg angewiesen sein wird, dann braucht es umfassende Qualifizierungsangebote für diesen Personenkreis. Das ist zum einen wichtig für die Qualität des Unterrichts und zum anderen auch für die Person selbst, die ja zweifelsohne im Kollegium als Lehrkraft auf Augenhöhe wahrgenommen werden möchte – und nicht als Pädagoge zweiter Klasse. Mit der Qualifizierung müssen auch monetäre Anreize verbunden sein, denn nichts ist demotivierender, als bereits in jungen Jahren am Ende seiner beruflichen Karriere angekommen zu sein. Denn Fakt ist: Die Schulen brauchen Seiteneinsteiger, und die Seiteneinsteiger brauchen eine Perspektive!

Sven Christoffer

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