Unter diesem Titel hatte die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Vertreterinnen und Vertreter aus Schule, Wirtschaft und Politik am 4. September ins Medio.Rhein.Erft nach Bergheim eingeladen. Auch lehrer nrw erhielt in einer engagierten Diskussionsrunde viel Zuspruch für seine Position.

Franziska Müller-Rech, schulpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, machte gleich zu Beginn deutlich, dass die Landesregierung intensiv daran arbeitet, die im Koalitionsvertrag erklärte Absicht, ein Schulfach Wirtschaft einzuführen, zeitnah umzusetzen. Dieses klare Bekenntnis zum Schulfach Wirtschaft in der Sekundarstufe I wurde nicht nur von Robert Schweizog, dem Geschäftsführer Bildung/Fachkräfte der IHK, ausdrücklich begrüßt, sondern auch von lehrer nrw. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Geringe Kenntnisse, aber großes Interesse

Der Bankenverband fühlt der Jugend alle drei Jahre in einer umfassenden Jugendstudie den Puls: Wie ticken unsere Jugendlichen bei den Themen Wirtschaft, Finanzen und Geld? Ein Zitat aus der Ende Juli veröffentlichten aktuellen Erhebung (siehe Seite 19)  verdeutlicht die Problematik und formuliert gleichzeitig einen Auftrag an Schule: »Ein erschreckendes Ergebnis für eines der wirtschaftlich am weitesten entwickelten Länder der Welt: 71 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen sagen, dass sie an ihrer Schule ‘nicht so viel‘ (45 Prozent), ‘so gut wie nichts‘ (18 Prozent) oder ‘gar nichts‘ (8 Prozent) über Wirtschaft lernen bzw. gelernt haben. Dabei wollen sie genau das! 84 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Informationen über wirtschaftliche Zusammenhänge in der Schule, und zwei Drittel (65 Prozent) sprechen sich explizit für ein eigenes Schulfach ‘Wirtschaft‘ aus.«

Eine Last mehr für Schule und Lehrerschaft oder eine notwendige Anpassung des Fächerkanons?

Um diese Frage zu beantworten, muss zunächst die Grundsatzfrage gestellt werden, was Schule überhaupt leisten soll bzw. leisten muss. Meiner Ansicht nach soll Schule die Schülerinnen und Schüler auf das Leben und die unterschiedlichen Rollen, die sie in diesem Leben einnehmen werden, vorbereiten. Eine zentrale Rolle dabei ist die des Wirtschaftsbürgers. Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben wird aber nur gelingen, wenn den Schülerinnen und Schülern die Grundlagen der ökonomischen Bildung bereits in der Schule vermittelt werden. Schon im Jahre 2012 hat der renommierte Bildungsforscher Olaf Köller diesbezüglich festgestellt, dass ökonomische Kompetenzen für die berufliche und gesellschaftliche Teilhabe nicht weniger bedeutsam als mathematisch-naturwissenschaftliche Kompetenzen sind. Das quasi en passant in Fächern wie Erdkunde, Geschichte und Politik leisten zu wollen, wird diesem Faktum keinesfalls gerecht.

Wir müssen nicht bei null anfangen!

2009 rief das CDU-geführte Schulministerium den Modellversuch Wirtschaft an Realschulen aus. Im Rahmen dieses Modellversuchs führten siebzig Realschulen im Land wahlweise das Pflichtfach Wirtschaft oder das Wahlpflichtfach Ökonomie probeweise ein. Kernlehrpläne wurden erarbeitet, Weiterbildungen organisiert, Schülerfirmen gegründet – übrigens auch an meiner eigenen Schule. Deshalb kann ich aus eigener Anschauung sagen, dass die Kolleginnen und Kollegen, die diesen Modellversuch in die Praxis umgesetzt haben, das mit enormem Know-how und viel Herzblut getan haben.

Die Umfrageergebnisse der siebzig am Schulversuch beteiligten Schulen waren eindeutig: Für das Pflichtfach Wirtschaft stimmten in Mehrheit 1.106 Eltern (88 Prozent), 108 Lehrkräfte (76 Prozent), 2.897 Schülerinnen und Schüler (64 Prozent) und 50 Schulleitungen (71,4 Prozent).

Obwohl die vom Ministerium beauftragte Evaluation des Modellversuchs überragend positive Ergebnisse zeitigte, entschied die neue grüne Ministerin gegen das Fach. Die geleistete Entwicklungsarbeit verpuffte weitgehend. Vom Schulversuch blieb lediglich das Angebot eines Wahlpflichtfaches Politik/Ökonomische Grundbildung für die Realschule übrig. Aus diesen Erfahrungen erwachsen zwei Appelle:

  • an die Politik: Die vorhandene Expertise muss genutzt werden, und auf den erarbeiteten Grundlagen muss aufgebaut werden!
  • an die Parteien: Ein parteiübergreifender Konsens zur Einführung des Faches Wirtschaft wäre ein starkes Signal, um die Motivation der Lehrkräfte zu steigern. Dann wäre unwiderruflich klar, dass sich der Einsatz nachhaltig lohnen wird!

Was braucht es, damit das Fach zu einer Erfolgsgeschichte wird?

  1. Eine facheinschlägige Lehrerbildung: Qualität in der schulischen Bildung ist nur durch Professionalität der Lehrenden zu erlangen.
  2. Eine Bildungsinfrastruktur: Was für etablierte Fächer selbstverständlich ist, muss auch für das Fach Wirtschaft generiert werden.
  3. Kernlehrpläne: Sie sollten zur ökonomischen Verbraucherbildung und zur finanziellen Bildung beitragen, einen fachspezifischen Beitrag zur Orientierung in der Berufs- und Arbeitswelt beinhalten und auch die Option unternehmerischer Selbstständigkeit in den Blick nehmen.

Schließen möchte ich mit einem Zitat des Wirtschaftsdidaktikers Prof. Dr. Thomas Retzmann von der Universität Duisburg: »Die junge Generation hat die bestmögliche ökonomische Bildung verdient, die wir ihr bieten können, damit sie in die Lage versetzt wird, ihr Leben in ökonomischer Hinsicht selbstbestimmt, kompetent und verantwortlich zu gestalten. Die Einführung des Faches Wirtschaft ist dafür ein notwendiger Schritt.« Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen!

Sven Christoffer

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