Der Kollege Ferdinand Kümmertsich ist gestählt durch unzählige Schlachten in Konferenzen, Bezirksregierungsbüros und Elternsprechtagen. Mit reichlich Berufs- und Lebenserfahrung ausgestattet, blickt er mit einem Augenzwinkern auf den ganz normalen Wahnsinn des Systems Schule.

»Nur weil Sie mit Menschen arbeiten, können Sie nicht verlangen, dass man mit Ihnen menschlich umgeht!«

Dies ist eine Aussage, die mir neulich auf den Fluren zu Ohren kam. Betreten schaute eine Kollegin zu Boden, als der Personaldezernent von dannen schlich, um das Gebäude zu verlassen. Ja, liebe Kollegen, wo sind wir denn? Das war doch mal anders, oder? So ist man doch früher nicht mit uns umgegangen? Doch, das ist man! Ein Wunder, warum keiner diesen Job machen möchte, oder? »Die Würde des Menschen ist unantastbar«, was für ein Witz! Es kommt immer mehr Arbeit auf uns zu, vor allem bürokratische Arbeit, die doch laut Ministerin Gebauer abgebaut werden sollte. Aber was interessiert das Geschwätz von gestern. Corona-Zeiten ändern alles.

Wer soll sich nun die ganzen Konzepte ausdenken und sich dafür die berühmten ’A***tritte’ abholen? Na klar, die Lehrerinnen und Lehrer. Ich kenne keinen Beruf, wo ’Betriebsfremde’ – in diesem Fall die Eltern und Schüler – einen so wertschätzen, die eigenen Vorgesetzen aber in keinem Fall. Jeder, auch Schulleiterinnen und Schulleiter, bekommt etwas zu hören, wie: »Also, wenn Sie das nicht schaffen, dann weiß ich nicht, ob Sie in diesem Beruf richtig sind.« Wie verachtend ist das denn? Ach so, stimmt, Menschlichkeit ist nicht mehr gefragt. Aber so etwas führt zu einer inneren Kränkung, die nicht so einfach von der Hand zu weisen ist. Wir leisten eine gute, engagierte Arbeit für Kinder und Jugendliche. Wir geben schon mehr als 100 Prozent, aber das ist wohl nicht genug. Man fragt sich nur, warum so viele Lehrer/innen im ’Burnout’ landen. Kränkung ist der Anfang allen Übels.

 

Liebe Frau Gebauer, lieber Herr Richter,

weisen Sie doch mal die Dezernenten an, hinter Ihrem Personal zu stehen. Entbürokratisieren Sie das Schulsystem und verabschieden Sie sich doch mal davon, dass jede Lehrkraft ein exorbitant großes Wissen zum Schulgesetz haben muss und alles justiziabel ist. Wir arbeiten mit Menschen und nicht mit Paragraphen, die meisten Entscheidungen fällt man »aus dem Bauch heraus«, weil es die Situation so hergibt. Lassen Sie über die Bezirksregierungen einmal die Wertschätzung eines jeden Einzelnen spüren und weisen Sie an, dass die Dezernenten und Schulleiter uns in unserer Entscheidung stärken, anstatt uns mürbe zu machen. Überlassen Sie die Verteilung von Wertschätzung und Lob nicht nur Kindern und Eltern. Es ist nicht nur wichtig, neue Leute für diese Arbeit zu begeistern, es ist viel wichtiger, die Leute, die im Schulwesen arbeiten, auch dort halten zu wollen. Lassen Sie uns einfach wieder Lehrkräfte sein, die für ihre Arbeit gelobt und nicht gekränkt werden.

Euer alter Kollege
Ferdinand Kümmertsich

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