Wenn es um das Wohl ihrer Kinder geht, sind manche Eltern unerbittlich. Zielscheibe ihres pädagogischen Eifers sind jedoch oft gar nicht die Sprösslinge selbst, sondern deren Lehrer. Diese Spezies Eltern verlangt von der Lehrkraft Information und Rechenschaft – allumfassend, überall und jederzeit. Doch wo sind die Grenzen?

Schülereltern sind unterschiedlich, welch‘ Binsenweisheit für jede Lehrkraft. Mit dem einen Extremtypus kommt man gar nicht in Kontakt, bekommt ihn nie zu sprechen, geschweige denn einmal zu Gesicht, weder am Elternsprechtag noch am Schulfest. Auf manchen konnte man noch nicht einmal vor dem Schultor einen flüchtigen Blick erhaschen, wenn er im Hol- und Bringdienst der Sprösslinge tätig ist.

Der andere Extremcharakter hingegen ist der Lehrkraft nicht nur bekannt, sondern oftmals geradezu fast stets präsent vor Augen. Beispielsweise wegen der letzten detaillierten Nachfrage zu den Hausaufgaben der Tochter oder des Sohnes. Diese erfolgt oft telefonisch – gerne spätabends – oder man passt die Lehrkraft ebenso erwartungsvoll wie unangekündigt direkt vor Stundenbeginn vor dem Klassenraum ab.

Wie weitreichend ist der Informationsanspruch der Eltern?

Um die letztgenannte Thematik soll es in diesem Artikel gehen: den umfassenden  Informations- und Beratungsanspruch der Eltern zur schulischen Entwicklung ihrer Kinder. Wie weitreichend ist dieser eigentlich?

Eltern stützen ihre Erziehungsaufgabe auf Art. 6 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) und Art. 8 Absatz 1 Satz 2 Landesverfassung Nordrhein-Westfalen (LV). Dem Staat und damit der Schule steht ein eigenständiger Bildungs- und Erziehungsauftrag nach Art. 7 Absatz 1 GG und Art. 8 Absatz 3 Satz 2 LV zu. Beide Rechtspositionen sind gleich geordnet und schaffen eine Erziehungsgemeinschaft. Eltern werden deshalb an der schulischen Bildungs- und Erziehungsarbeit beteiligt. Es gibt Rechte und Pflichten zwischen den Eltern und der Schule hinsichtlich ihrer Tochter oder ihres Sohnes, §§?42 ff. Schulgesetz NRW (SchulG), und Regelungen zur gemeinsamen Beteiligung aller Eltern an der Ausgestaltung der Schule, das heißt der Schulverfassung, §§?62, 42 Absatz 4 SchulG.

Lehrer als Ausführungsbevollmächtigte elterlicher Wünsche

Soweit die rechtlichen Grundlagen. Aus der Praxis hört man aber leider immer wieder, dass Eltern die Lehrer ihrer Kinder als eine Art Ausführungsbevollmächtigte ihrer Vorstellungen betrachten und so behandeln, sei es aus Unkenntnis oder aus Missverstehen der beschriebenen Grundsätze. Eltern schieben dabei vielfach auch eine im Vergleich zu den Lehrkräften vermeintlich engere zeitliche Verfügbarkeit vor. Unter anderem durch Elternvereine werden sie zudem über ihre entsprechenden Rechte dezidiert informiert. Lehrersein auf der anderen Seite ist ein Beziehungsberuf, der ein starkes Verantwortungsgefühl mit sich bringt. Dies ist schwierig für die Distanzierungsfähigkeit. Es kommt daher immer wieder vor, dass Lehrkräfte sich dazu treiben lassen, situationsbedingt auch unberechtigten Forderungen nachzugeben, weil sie unsicher sind, wann und wo die Ansprüche der Eltern ihre Grenzen haben.

Die Informations- und Beratungspflicht …

§ 44 SchulG und § 9 Allgemeine Dienstordnung (ADO) legen eine Informations- und Beratungspflicht der Eltern durch die unterrichtenden Lehrer fest. Diese betrifft die individuelle Lern- und Leistungsentwicklung wie auch das sonstige Verhalten. Verstöße gegen die Schul- oder Hausordnung der Schule, Fernbleiben vom Unterricht oder Suchtprobleme sind beispielhaft dafür. Mit der Informations- und Beratungspflicht korrespondiert eine Pflicht der Eltern, sich nicht erst dann informieren und beraten zu lassen, wenn Probleme auftauchen.

Eine Art der grundsätzlichen Information über den Leistungsstand ist durch die Ausgabe von Zeugnissen, ’Blauen Briefen’ sowie individuellen Lern- und Förderempfehlungen zwar vorgegeben (§ 50 SchulG), darüber hinaus bestimmt die Schule aber selbst, wie der Beratungspflicht nachzukommen ist. Den organisatorischen Rahmen dafür legt die Schulkonferenz fest (§ 65 Absatz 4 Nr. 14 SchulG). Übliche Formate sind der halbjährliche Elternsprechtag und die Elternsprechstunde.

Bereits in diesem Kontext kann es im Schulalltag zu einem Missverständnis kommen, und zwar von Lehrerseite: Sollten Eltern nicht teilnehmen, gilt nicht einfach »Dann beim nächsten Mal!«, sondern man muss ihnen in Ausnahmefällen an individuell verabredeten Terminen zur Verfügung stehen, so § 9 Absatz 3 ADO.

Wie die Information und Beratung der Eltern abgesehen von diesen festen Terminen verlaufen kann, ist von der Lehrkraft zu bestimmen – in dem erwähnten von der Schulkonferenz gezogenen Rahmen und – soweit angebracht – mit Erläuterung der Bewertungsmaßstäbe (§ 44 Absatz 2 Satz 2 SchulG). Im Regelfall läuft dies auf ein Gespräch in der Schule, ein Telefonat oder einen Austausch per E-Mail hinaus. Dies kann auf Initiative der Lehrkraft oder auf Bitten der Eltern zustande kommen. Wichtig ist dreierlei: Die Lehrkraft muss die Informationen und die Beratung so vermitteln können, wie sie es beabsichtigt und es zum Wohle des Kindes gereicht. Die Eltern müssen sich ausreichend informiert und beraten fühlen. Und das Ganze sollte dabei nach allgemein üblichen Regeln gesellschaftlicher Konventionen ablaufen.

… hat auch ihre Grenzen

Dies bedeutet zum Beispiel, dass gegen den Willen der Lehrkraft ein Gespräch nicht am Abend und nicht am Wochenende stattfinden muss, nur weil es den Eltern gerade zeitlich passt. Ebenso wenig muss es über eine private Verbindung, sei es Festnetz oder Mobilfunk, geführt werden. Ohnehin darf die Lehrkraft nicht von der Schulleitung zur Herausgabe privater Telefonnummern oder E-Mail-Adressen angehalten werden. Auskünfte müssen auch nicht erteilt werden, wenn dadurch Unterrichtsstunden oder dienstliche Veranstaltungen im Ablauf gestört würden. Ebenso kann ein Austausch mit Eltern abgebrochen werden, wenn sich Emotionen aufschaukeln oder sich die Lehrkraft Beleidigungen, Bedrohungen oder nötigendem Verhalten ausgesetzt sieht. Treffen sich Eltern und Lehrkräfte zufällig im Supermarkt oder anderen Orten, muss die Gelegenheit nicht genutzt werden, Auskünfte zu erteilen.

Eltern im Unterricht

So nachvollziehbar es oft ist, wenn sich Lehrkräfte durch Eltern bedrängt fühlen, was ja meistens dann der Fall ist, wenn das Verhältnis zu ihnen oder dem Kind ohnehin konfliktbeladen ist – einer Forderung sollten sie nicht ablehnend gegenüberstehen: der nach Teilnahme an einer Unterrichtsstunde. Denn auch wenn man dies verständlicherweise als Kontrolle empfindet und es Überwindung kosten kann, die Klassentür zu öffnen, so bleibt dies ein ausdrückliches Recht der Eltern (§ 44 Absatz 3 Satz 1 SchulG), welches auch deren Information dienen kann. Letztlich kann es sich als probates Mittel zur Förderung eines partnerschaftlichen Zusammenwirkens von Lehrern und Eltern erweisen.

Christopher Lange

Originalausgabe (PDF-Datei)


 

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